Verzweifelt

Hallo
Ich bin verzweifelt und hoffe, dass ich hier in irgendeiner Form Hilfe finde.

Ich bin in der 7. Woche schwanger. Ungeplant. Unverzeilich.

Mein Freund und ich waren leichtsinnig und haben unüberlegt gehandelt. Wir haben bereits eine kleine Tochter (2 Jahre) alt, und hatten eigentlich keine Zeit mehr für Sex. Nur 1x innerhalb von vier Monaten ist es dann einmal soweit gekommen. Und prompt war ich schwanger. Es ist ein Schock und ich weiß einfach nicht weiter...
Denn eigentlich will ich kein 2. Kind. Ich bin mit meiner 2jährigen Tochter, meinem Hund und meinem Job mehr als total ausgefüllt. Ich versuche einfach nur jeden Tag zu überstehen und habe abends dass Gefühl, ich habe heute 'gerade mal wieder so die Kurve gekriegt'. Ich versuche einfach nur noch zu funktionieren, um allen gerecht zu werden.

Meine Tochter ist extrem temperamentvoll. Sie ist sehr launisch, willensstark und lässt sich nichts sagen. Ich weiß oft nicht wie ich mit ihr umgehen soll... Sie treibt mich in den Wahnsinn, auch wenn ich sie von ganzem Herzen liebe.

Meine Hündin ist wie ein 2. Kind. Ich hatte sie schon jahrelang vor Geburt meiner Tochter und wir waren ein stark verbundenes Team. Ein Herz und eine Seele.

Seit der Geburt meiner Tochter ist mein Hund nicht mehr der gleiche. Auch wenn ich alles tue, wirklich alles, um beiden gerecht zu werden. Ich reiße mir alle Beine aus, um meinem Kind und meinem Hund alles an Aufmerksamkeit und Fürsorge zu schenken, was ich aufbringen kann. Das bringt mich jeden Tag an meine Grenzen, denn ich will, dass es beiden gut geht!

Was noch dazu kommt, ist, dass ich unmittelbar nach der Geburt meiner Tochter starke Depressionen bekommen habe (zuerst geburtstrauma, danach die Depressionen), die ich nur mit Medikamenten in den Griff gekriegt habe. Es war eine furchtbare Zeit, in der ich in einer Spirale aus Todessehnsucht, Müdigkeit und Hoffnungslosigkeit war. Die schwerste Zeit meines Lebens. Ich habe die Medikamente ca eineinhalb Jahre genommen, bis ich sie absetzen konnte.

Jetzt bin ich wieder schwanger und alles in mir schreit 'NEIN!' Das fragile Gleichgewicht, was ich geradeso wieder in mein Leben gebracht habe, und was ich jeden Tag neu erkämpfe, droht verloren zu gehen. Ich würde am liebsten die Zeit rückgängig machen, wenn ich nur könnte.
Ich tendiere zu einer Abtreibung aber ich habe Angst davor, mich irgendwann dafür zu hassen. Ein Leben auszulöschen, für dessen Entstehung man die Verantwortung trägt...

Ich wäre so erleichtert, und trotzdem wäre es moralisch doch falsch...

Mein Freund ist tiefenentspannt. Er sagt, wir schaffen das alles. Aber letztendlich bleibt es nunmal an mir hängen, wie ich es mit zwei kleinen Kindern plus Hund schaffen sollte...

Was würdet ihr tun?

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Hui, da ist aber mächtig etwas in Bewegung in Dir. Ich kann verstehen, dass Deine Gefühle im Blick auf das zu bewältigende gemeinsame Leben mit Kind(ern) und Hund sagen: Bloß nicht! Und im Blick auf das Kind, das Du in Dir trägst? Ist es nur die Befürchtung, sich dafür einmal so zu hassen, dass es das Leben "blockiert"? was sagen Deine Gefühle im Blick auf Deinen Freund? "Tiefenentspannt" klingt nicht gerade nach "wir packen das wirklich gemeinsam"? Lebt Ihr zusammen?

Du hast in den letzten Jahren viel erlebt ... und hast es geschafft. Auch die Depression hast Du mit Hilfe bewältigt. Es ist nicht gesagt, dass Du wieder so etwas erlebst, wenn Du Dich - Verantwortung übernehmend - für Dein zweites Kind entscheidest.

Ich finde (und schreibe dies als Ehemann u. Familienvater), die "Zusammenarbeit" als Familie muss mit Deinem Freund Thema werden. Denn Du scheinst Dich ja alleingelassen zu fühlen mit dem familiären Alltag oder Du befürchtest zumindest, alles allein machen zu müssen.

Siehst Du eine Möglichkeit, dass Du mit Deinem Freund gemeinsam Beratung/Begleitung in Anspruch nimmst, damit Ihr Euch GEMEINSAM auf die neue Situation einstellen könnt?

Wenn Du die Befürchtung des Selbsthasses hast, solltest Du diese auch ernst nehmen, sie ist lebenszerstörend. Es besteht auch die Möglichkeit, in eine neue Situation und Aufgabe "hineinzuwachsen" ... und all die Schwierigkeiten mit Deinem ersten Kind und allem, was dazu gehört, mit hineinzunehmen ... und - wie gesagt - Deinen Freund.

Ich melde mich wieder.

petr

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Lieber Petr,
Vielen herzlichen Dank für die Nachricht.

Mein Freund ist grundsätzlich sehr entspannt'. Wenn es nach ihm ginge, bräuchte man nur ein Dach über dem Kopf und die Luft zum Atmen. Dass ich Ängste habe und mir so viel Gedanken mache, kann er nicht wirklich nachvollziehen.

Wir wohnen seit 4 Jahren zusammen, bisher lief das ganz gut. Er hat mich auch sehr unterstützt, als ich nach der Geburt meiner Tochter diese hammerharten Depressionen bekommen habe... Im Notfall ist er wirklich für mich da. Nur im Alltag Arbeiter er ganztags (ich halbtags), da ist seine Unterstützung mir gegenüber natürlich sehr eingeschränkt. Wie gesagt, der Alltag mit Kind(ern) und Hund bliebe an mir hängen, so oder so :(

Liebe Grüße und danke

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Hallo liebe Nigelle-Bella,
da Du sehr verantwortungsbewußt bist, ist es logisch, dass Du durch diese ungeplante Schwangerschaft nun verzweifelt bist.
Könntest Du eine Mutter-Kind-Kur beantragen, dass Dein Körper mal etwas Ruhe bekommt?
Wäre es eine Möglichkeit, dass Du 1 - 2 Mal in der Woche jemand kommen läßt, der sich um den Haushalt kümmert, dass Du dadurch mehr Freiraum für Kind und Hund hast?
Hilfreich ist auch eine Schülerin, die jeden Abend zum Abendessen kommt. Und dann 1 Mal in der Woche bis 22.30 Uhr bleibt. Dies wäre dann Dein freier Abend. Da könntest Du alleine oder mit Deinem Mann etwas machen, was Du schon immer machen wolltest. So ein Abend gibt Kraft Atem zu holen und Kraft für die neue Woche zu tanken. Und eine Schülerin kostet nicht so viel. Es ist gut, dass Du Deine Grenzen erkennst und darüber redest - spanne in diese Gedanken doch auch Deinen Freund ein, so werdet ihr Lösungen finden, die Dir gut tun.
Du scheinst eine klare Grundüberzeugung beim Thema Abtreibung zu haben. Dieser folge. Denn unsere Grundüberzeugungen sind wie ein Geländer an dem man sich festhalten kann, wenn der Weg rau und steinig wird.
Sei ganz lieb gegrüßt von salida-del-sol

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Vielen Dank für deine Nachricht Salida-del-sol!
Danke für die verschiedenen Anregungen... Ich versuche sie gedanklich durchzuspielen.
Momentan ist es noch so, dass die blanke Panik in mir hochsteigt, sobald ich daran denke, noch ein Kind zu bekommen. Wirklich einfach nur Panik.

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Hallo, liebe nigella-bella,

das ist ja wirklich Pech, dass ihr bei einmal nicht aufpassen gleich einen Volltreffer gelandet habt!

Und nun wächst es in dir, euer zweites Kind, und sofort meldet sich das Kopfkino bei dir mit all den Bildern, wie es beim letzten Mal nach der Geburt war, und deinem Überforderungsgefühl, das du sowieso die ganze Zeit mit dir herumschleppst, und du hast einfach nur Angst und möchtest, dass alles wieder so ist wie vorher.

Ich höre aus deinem Beitrag heraus, dass du alles, was du machst, am liebsten 200-prozentig machen würdest. Du hast ein großes Verantwortungsgefühl und siehst alle Bedürfnisse der anderen, für die du Sorge trägst, und vermutlich übergehst du dabei oft deine eigenen Bedürfnisse ... und die melden sich dann wieder in Form von Angst und Erschöpfung, weil du gar nicht alles 200-prozentig machen KANNST, und in Frust deinem Freund gegenüber, der vermutlich auch mal Fünfe grade sein lässt (was du als "tiefenentspannt" bezeichnest), von dem du dich allein gelassen fühlst und der vermutlich deine Anspannung gar nicht verstehen kann. Vielleicht war das ja am Anfang auch das, was dich an ihm angezogen hat, dass er die Dinge lockerer nimmt als du?

Einerseits willst du das Kind nicht, weil du glaubst, zwei Kindern und Hund (und Arbeit) erst recht nicht gerecht werden zu können, andererseits hast du irgendetwas in dir, das eine Abtreibung als falsch ansieht, und diese beiden Empfindungen streiten nun in dir. Ist es denn nur die Moral, die dich davon abhält, oder hast du in dir drin doch schon auch Gefühle für dein Kind, für das du dich ja irgendwie doch schon verantwortlich fühlst?

Ich frag mich, ob es nicht eine Möglichkeit für dich gibt, Hilfe im Alltag zu bekommen, sei es durch Freunde/Verwandte, sei es evtl. auch über das Jugendamt. Wir haben z.B. eine sehr anstrengende dreizehnjährige Pflegetochter, und ich hab mich jahrelang auch "durchgekämpft" bis über die Grenzen meiner Kraft hinaus ... dann haben wir Einzelfallhilfe für sie beantragt, und es war viel entspannter. Man muss nicht immer alles allein schaffen. Vielleicht kannst du ja zu einer Beratung gehen und dich auch informieren, welche Möglichkeiten es für dich gäbe, Unterstützung zu bekommen?
In einer belasteten Schwangerschaft gibt es auch Kur-Angebote, wo du für eine Weile aus dem Alltag raus wärst und dich auch noch mal einstellen könntest darauf, wie das Leben mit zwei Kindern und Hund so werden könnte, dass es dich nicht umhaut.

Ich wünsch dir, dass du eine gute Beratung für dich findest, und dass du dich innerlich so sortieren kannst, dass du den Weg, den du einschlägst, nicht mit Zweifeln beginnst.

#liebdrueck Eulichen

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Hallo Eulichen,
vielen lieben Dank für die Nachricht. Das ist echt unglaublich. Wir kennen uns nicht, aber mit allem was du geschrieben hast, hast du voll ins Schwarze getroffen... Die Überforderung in mir, der Wunsch dass alles wieder so ist wie früher... der Anspruch immer alles 200%ig zu machen...Angst und Erschöpfung...

Danke für das 'nachfühlen'

Auch das mein Freund gern mal 'Fünfe gerade sein lässt', und dass mich genau das anfangs stark angezogen hat (weil ich selbst eher schlecht entspannen kann), stimmt bis ins Detail.

Bisher ist es tatsächlich schlichtweg nur die Moral, die mich von einer Abtreibung abhält.

Zu dem Wesen was in mir wächst, habe ich bisher keinerlei Bezug. Das Ultraschall-Bild habe ich sofort zur Seite gelegt. Ich empfinde es einfach nur als riesige Bedrohung, auch wenn es mir leid tut, das zu schreiben.
In meiner ersten Schwangerschaft war ich wie verliebt... Ich habe mich rund um die Uhr mit dem Thema beschäftigt, hab mir tausend Bücher gekauft, hab total auf meine Gesundheit geachtet und war einfach voller Vorfreude.

Doch jetzt ist es das komplette Gegenteil.
Ich hab einfach nur noch Angst, fühle mich bedroht, bekomme schier Panik bei der Vorstellung, dieses Kind zu bekommen. Das ganze Gleichgewicht, was ich mühevoll erkämpft habe, würde wieder einstürzen.... Die Beziehung zu meiner Tochter wurde auf wackligem Fundament gebaut, ich bin immernoch dabei, daran zu arbeiten, dass wir zueinander finden.
Mein Hund ist mir wahnsinnig wichtig. Ich kann ihr aber immer weniger gerecht werden. Es macht mich tottraurig zu sehen, wenn sie sich zurückgestellt fühlt...
All das bereitet mir Verzweiflung und Trauer..

Wenn ich das Kind bekommen sollte, müsste ich Hilfe von außen annehmen, das ist für mich klar. Aber am liebsten würde ich einfach alles rückgängig machen...

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Hallo, du Liebe,

ich lese deine Nachricht erst jetzt, weil wir grad den Schulanfang unserer Kinder an unserem neuen Ort vorbereiten mussten (sind vor kurzem umgezogen) ...

Wahrscheinlich kannst du momentan gar nicht anders empfinden, als du es tust, weil das alles zu viel für dich ist. Ich vermute auch, dir fällt es schwer, um Hilfe zu bitten, weil du lieber selbst die Fäden in der Hand behältst? Umso schwerer muss es für dich sein, dass das nicht immer so geht ... obwohl du es dir anders wünschst und in der ersten Schwangerschaft auch so verliebt warst, sind Dinge geschehen, die das Beziehungknüpfen zu deiner Tochter erschwert haben, und die du nicht "mal so eben" in die richtige Ordnung bringen kannst. Das belastet dich.

Ich frage mich, ob deine jetzige Gefühllosigkeit dem neuen Kind gegenüber nur aus der Panik der Überforderung herrührt, und wenn du keinen Grund zur Panik mehr hast, kommen nachher doch Gefühle, die jetzt nur unter der Panik begraben liegen? Oder ob sie wirklich nicht da sind? Aber wahrscheinlich wirst noch nicht einmal du das wissen, weil die Panik momentan einfach zu mächtig ist. Ob dir dein Freund vielleicht doch helfen kann und ihr einander mit eurer Unterschiedlichkeit ergänzen könnt?

Hast du inzwischen schon irgendetwas unternommen, um dir klarer zu werden, wie es für dich, für euch weitergehen kann?

Darf ich dich mal fragen, inwieweit sich euer Hund zurückgesetzt fühlt? Wir haben vier Kinder und einen Hund (der allerdings erst ins Haus kam, als unser Jüngster acht war - insofern natürlich andere Voraussetzungen), und ich hab trotz der Kinder das Gefühl, dass der Hund bei uns eigentlich voll auf seine Kosten kommt ... Was hast du vorher anders gemacht, was jetzt nicht mehr geht? Und gibt es vielleicht andere Möglichkeiten, dem Hund mehr Aufmerksamkeit/Spaß/Zuwendung/Bewegung oder was auch immer zu geben? Oder die Möglichkeit, einen "Hundesitter" ab und zu mal kommen zu lassen (unsere große Tochter hat früher regelmäßig den Hund der Nachbarn ausgeführt)?

Ich freu mich, wenn du mehr schreibst, wie dir zumute ist und wie es für dich weitergeht, und drück' dich mal unbekannterweise ganz lieb,

#liebdrueck Eulichen

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#bitte schau mal in dein Postfach.

Ich habe dir eine persönliche Nachricht gesendet.
LG Marie

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hi!

erstmal, wir fremden hier können leicht sagen "och, du schaffst das schon.." am ende bist du die jenige, die mit den 2 kindern und dem hund da steht und es hinkriegen muss...

viel endscheidender finde ich da deinen partner. du sagst, letztlich beleibt alles an dir hängen. frag ihn doch mal, was er bereit ist zu geben/auf sich zu nehmen, um das zu schaffen? würde er anstelle deiner in elternzeit gehen? wäre es möglich, das gemeinsame leben so auf zu teilen, das eben nicht alles an dir hängen bleibt?
das wären für mich die entscheidenden fragen...

lg bb