Seit ich keine Beine mehr habe behandelt mich meine Frau wie ein Kind

Ich bin seit sieben Jahren glücklich mit meiner Frau verheiratet, unsere Ehe war hervorragend, alles lief sehr gut. Vor 10 Monaten hatte ich jedoch einen schweren unverschuldeten Unfall, nachdem mir beide Beine extrem hoch in der Hüfte amputiert/exartikuliert werden mussten. Die Zeit danach war sehr hart im Krankenhaus und in der Reha, seit sechs Wochen bin ich nun wieder zuhause, an mein neues Leben ohne Beine habe ich mich inzwischen ganz gut gewöhnt. Ich kann keine Prothesen tragen, sondern nutze Ganztags meinen Rollstuhl und sitze in ihm in einem Beckenkorb. Unser Haus ist inzwischen Rollstuhlgerecht für mich umgebaut und ich komme ganz gut zurecht.
Leider gibt es nun aber in unserer Ehe ein großes Problem. Meine Frau behandelt mich nicht mehr wie einen Partner auf Augenhöhe, sondern wie ein Kind bei dem sie sich um alles kümmern muss und dem sie den Tagesablauf vorgibt. Sie kümmert sich praktisch um alles rund um mich und lässt gar nicht mehr zu das ich eigene Entscheidungen treffe, jedes versuchte Gespräch darüber blockt sie ab, das das noch zu früh wäre und das sie nur das beste für mich will. Auch müsse ich mich erst langsam an meinen neuen nur noch 89 cm großen Körper gewöhnen. In der Öffentlichkeit will sie mich immer im Rollstuhl schieben, obwohl ich inzwischen in meinem hervorragendem Rollstuhl sehr gut selbst fahren kann. Auch antwortet sie grundsätzlich ungefragt für mich. Echt nervig, denn auch ganz ohne Beine kann ich natürlich noch gut für mich selbst sprechen.
Ich merke zwar das sie es nicht böse meint und glaubt mich als Neu- Schwertbehinderten schützen zu müssen, aber das brauche ich überhaupt nicht, ich komme damit viel besser als sie glaubt klar.
Leider will sie auch überhaupt keinen Sex mehr und behandelt mich wie ein Neutrum, ich habe es in den letzten Tagen auf verschiedene Weise kreativ versucht, sie ist aber leider nicht darauf eingegangen.
Ich weiß im Moment nicht was ich von dem ganzen Verhalten meiner Frau halten soll und brauche echt Rat.

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Es tut mir ehrlich sehr leid, was Dir passiert ist - aber Deine Frau muss damit wirklich auch erstmal zurechtkommen lernen. Hast Du psychotherapeutische Hilfe nach diesem Unfall bekommen - oder hast Du sie noch? Kann hier Deine Frau mit eingeschlossen und beraten werden, wie sie mit Dir umgehen soll?
Einen anderen Rat habe ich leider nicht, weil mir dafür die Erfahrungen fehlen. Ich weiß nur, dass sich das Verhältnis zu meinem Mann auch umwandelte, als er in den beiden Jahren vor seinem Tod immer kränker wurde. Ein schleichender Prozess. Ich gehe aber davon aus, dass Du jünger bist und Dich damit nicht abfinden willst - und auch nicht sollst. Ohne Hilfe für euch wird es nicht gehen.
Alles Gute für euch.
LG Moni

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Nein, ich hatte nur recht kurz psychologische Hilfe nach dem Unfall, da ich doch für alle und auch mich erstaunlich gut mit meiner neuen Situation zurechtgekommen bin. Ich wusste recht schnell was ohne Beine auf mich zukommt und das ich, da ich ein sehr positiv denkender Mensch bin, das beste aus meinem Leben ohne Beine machen möchte.
Meine Frau hat mit der ganzen Situation und der Tatsache nun einen schwerbehinderten beinlosen Mann zu haben viel mehr Probleme, deshalb wäre eine Paartherapie sicher nicht verkehrt

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Ich denke ihr braucht dringend eine Paartherapie um mit der neuen Situation klarzukommen.

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Ja, ich denke auch das das eine gute Idee ist, denn inzwischen habe ich das Gefühl das meine Frau mit meiner beinlosigkeit mehr Probleme hat als ich

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Nun du hattest bestimmt eine psychologische Betreuung auf der Reha - was ist mit deiner Frau?
Meiner Meinung nach ist das auch für sie unverzichtbar.. eventuell sie alleine, und/oder ihr beide als Paar

Einen Partner ohne Beine zu haben stell ich mir „kopfmäßig“ schwieriger vor, als nach einem Querschnitt bspw. Weil sich Ja doch nicht nur euer gemeinsames Leben, sondern auch die Optik ändert.
Sie muss nach so vielen schweren Monaten auch wieder in die Rolle als Frau findet. Nicht als Umsorgerin und Pflegerin sondern als deine Partnerin.

Ich wünsche euch alles Gute, dass ihr eure Liebe wieder findet!

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Ich hatte nur kurz psychologische Betreuung in der Reha, da ich erstaunlich gefasst und gut mit meiner neuen Situation und meinem neuen Körper zurechtkam. Meine Frau hatte keine, obwohl sie inzwischen mehr Probleme mit meiner beinlosigkeit hat als ich. Wir sollen wohl wirklich mal eine Paartherapie angehen.

Was genau findest Du an einem Partner ganz ohne Beine kopfmässig schwierig ?

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Naja grad wenn ich ans Thema Zärtlichkeiten und Sex denke - fehlen da eben für die Optik die Beine.. 🫤
Ist grad einfach nur so mein erster Gedanke dazu..
Das soll jetzt auch nicht blöd klingen, der Mensch an sich verändert sich ja dadurch nicht. Und ich denke das ist der Prozess durch den deine Frau erst noch muss.

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Hallo Ampu,

wie die Anderen auch, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass deine Frau therapeutische Hilfe benötigt. Mir scheint, für sie bist du nicht mehr - entschuldige meine Wortwahl, ich hoffe, du siehst es mir nach, es trifft es einfach am besten, ich erkläre es gleich noch - der Partner auf Augenhöhe, der mit beiden Beinen fest im Leben steht. Weißt du, diese Floskeln beinhalten immer ein Stückchen Wahrheit bzw. Wahrnehmung und sind bei uns allen tief verwurzelt. Dieser schreckliche Unfall hat dich nun körperlich für immer verändert. Eine nicht mehr umkehrbare Lebenslage, die wohl niemand ohne Unterstützung mal eben so wuppen wird. Es wäre mehr als gut gewesen, wenn auch deine Frau frühzeitig Hilfe in Anspruch genommen hätte, denn jetzt, nach 10 Monaten, hat sich sicherlich Einiges schon stark bei ihr manifestiert, was sich ja auch in der Art und Weise zeigt, wie sie mit dir umgeht. Da genügen einfach nicht mehr Gespräche unter euch.

Eine Paartherapie würde ich noch nicht anstreben, sondern vielmehr eine Einzeltherapie deiner Frau in Kombi mit einer Selbsthilfegruppe von ebenso betroffenen Frauen. Meinst du, du könntest sie dazu motivieren?

LG Deichbrise

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der Partner auf Augenhöhe, der mit beiden Beinen fest im Leben steht. Weißt du, diese Floskeln beinhalten immer ein Stückchen Wahrheit bzw. Wahrnehmung und sind bei uns allen tief verwurzelt.

200% zutreffend formuliert !!!

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Ja, das kann ich voll bestätigen, wie schon geschrieben, treffend formuliert denn inzwischen schaue ich im Gegensatz zu früher zu meiner Frau hoch und statt Beinen habe ich Räder

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Hallo,

es freut mich wirklich sehr für dich, dass du
gut mit deiner neuen gezwungenen Lebensweise zurecht kommst. Hut ab!!!

Das zeugt von großer innerer Stärke und einer positiven Lebenseinstellung.

Zu der Situation mit deiner Frau: Sie sollte dich nicht bevormunden und anders behandeln, sondern vielmehr als gleichwertigen Partner trotz dieser Umstände.

Aber 6 Wochen erst zu Hause ist bei dieser neuen Situation auch keine lange Dauer. Gib deiner Frau die Zeit sich an die Situation zu gewöhnen. Ist sicherlich ganz und garnicht einfach sich damit abzufinden, dass der Partner jetzt schwerbehindert ist.

Versuch immer wieder mit ihr zu reden. Aber lass ihr auch die Zeit, auch wenn du vllt. besser damit umgehen kannst. Frauen sind anders gestrickt.

Ich bin mir sicher sie liebt dich und dass ihr das auch zusammen durchsteht. Alles andere kommt wieder von alleine. Dann wird sie sich auch wieder körperlich auf dich einlassen können.

Erst mal eins nach dem anderen. Dann könnt ihr immer noch ne Paartherapie machen.

Wünsche euch beiden nur das Beste.

Viele Grüße

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Danke für das Kompliment, ja ich hatte schon immer eine positive Lebenseinstellung und habe aus schwierigen Situationen das beste gemacht. Hört sich so leicht an, war es aber nicht. Die ersten Wochen waren schrecklich, aber in der Reha ging es bergauf und ich merkte das man auch ohne Beine gut leben kann und da sie definitiv nicht mehr nachwachsen ich das beste aus der Situation machen muss.
Ja, ich muss meiner Frau einfach mehr Zeit geben mit der Situation klarzukommen, denn es fällt ihr in der Tat schwer sich damit abzufinden das ihr Mann nun schwerbehindert ist. Auch fällt ihr das Gegaffe in der Öffentlichkeit noch schwer, wie auch die Tatsache das mehr als die Hälfte meines Körpers nun einfach weg sind. Dadurch ist meine Optik ganz anders und natürlich auch meine Fortbewegungsweise.
Sie braucht einfach wohl viel mehr Zeit als ich

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Das ist ein übergriffiges und respektloses Verhalten von deiner Frau. Ich würde mich trennen.

Nein, die Ausrede, dass sie es angeblich nur gut meint, geht in dem geschilderten Umfang nicht auf.

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Sich trennen? #schock Die Urbia-Antwort auf einfach jedes Problem. #augen

Der TE liebt anscheinend seine Frau, und sie ihn. Für sie war es sicher auch ein großer Schock und eine komplette 180° Wendung ihres gemeinsamen Lebens.
Der Unfall ist kein Jahr her, der TE keine 2 Monate wieder zuhause. Die Frau wird die ganze Zeit im Autopilot funktioniert haben, wahrscheinlich hat sie Reha, Kontakt mit Versicherungen, Umbau des Hauses, vielleicht auch Kinder(?) (davon schrieb der TE bisher nichts), alles hauptsächlich allein gemanagt, damit ihr Mann mit seiner Schwerbehinderung so gut wie mögliche Unterstützung erfährt.
Wahrscheinlich braucht sie einfach nur Hilfe dabei, den Autopilot und Krisenmodus abzustellen, den Schicksalsschlag zu verarbeiten, und ihren Mann wieder als ihren Lebenspartner annehmen zu können.

Fremdgehen, Betrug, Hintergehen, schwanger sitzen lassen, mit bestem Freund betrügen usw...all das rechtfertigt eine typische Trenn-dich-Antwort. Aber doch nicht, dass die Frau wegen ihres verunglückten Mannes überfunktioniert. #gruebel

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Wow, der beste Ratschlag hier, den ich je gelesen habe. Das ist doch völliger Quatsch, sich zu trennen.
Hattest du schon Mal eine Beziehung? Und Probleme in einer Beziehung auch?
Wahrscheinlich hast du dich beim erstbesten Problem getrennt und bist nun sehr glücklich.

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Guten Abend, also zunächst mal finde ich, dass Du dich unglaublich angenehm, nett und reflektiert liest. Ich kenne dein Gefühl ein bisschen. Und zwar war ich während und nach meiner ersten Schwangerschaft schwer depressiv. Seither neigt nein Mann ebenfalls schnell dazu, alles quasi "an sich zu reißen" vor allem, wenn ich mal ein paar Tage krank bin. Den Haushalt in erster Linie, teilweise auch Teile der Kinderbetreuung, die eigentlich mein Bereich wären (nach Absprache). Viele beneiden mich deswegen sehr, aber ich finde es auch öfter mal etwas übergriffig und ich fühle mich dann auch manchmal wie Kind Nummer 4, auch wenn er es sicher gut meint. Bei uns hilft dann sehr gut, wenn ich ihm klar sage, dass ich das so nicht möchte, dass er mir das und das jetzt überlassen soll und ich es auf meine eigene Art und Weise erledigen möchte und werde. Wäre das vielleicht auch etwas für euch? Dass Du Aufgaben, die Du dir zutraust, wieder klar "an dich nimmst" und das auch mit einigem Nachdruck kommunizierst?
Zum erotischen Aspekt kann ich nicht so viel sagen, aber ich kann mir vorstellen, dass da auch ein Gewöhnungseffekt an die veränderte Optik eintreten muss einerseits. Und andererseits vielleicht, wenn sie sich nicht mehr so sehr als "Mama" fühlt, Du ihr das auch entsprechend klargemacht hast, dass das auch etwas psychologisch ändern würde. Vor vielen Jahren hatte ich mal das Buch "Wild Rhing" von Paul Joannides gelesen und ich erinnere mich, dass es da auch ein ziemlich gutes Kapitel gab zu Sex und Behinderung.

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Entschuldige "Wild Thing" hieß das Buch natürlich. Hatte mich verschrieben.

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Das ich viele Dinge die ich natürlich auch ohne Beine noch kann lieber selber machen würde habe ich schon mehrfach gesagt, aber da ist sie halt noch in einem Tunnel und traut mir in meinem neuen beinlosem Körper halt noch nicht viel zu und will mir halt jede Anstrengung abnehmen.
Je mehr ich darüber nachdenke braucht sie halt viel Zeit, Hilfe und Gespräche.
Im Bett ist es eigentlich gar nicht meine krass veränderte Optik und Verkürzung, denn das ist es bei uns eigentlich dunkel, sondern das ganz andere anfühlen meines total beinlosen Beckens

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Mein erster Gedanke beim Lesen Deines Textes (abgesehen davon, dass ich es bewundere, wie routiniert Du über Deine Veränderung schreibst):
Deine Frau hatte Todesangst um Dich. Allein die Vorstellung, dass ich informiert werde, dass mein Partner einen so schweren Unfall hatte, verursacht bei mir krasse Emotionen. Ich bin sicher, es würde mich und meine Beziehung zu ihm grundlegend verändern. Die Vorstellung, ins Krankenhaus zu fahren und gleich den Partner zu treffen, den man fast verloren hätte.

Und noch was: ich arbeite im Bereich Inklusion. Viele Menschen wissen einfach nicht, wie man sich Menschen mit Behinderung gegenüber verhält. Sie sprechen zB mit dem Assistenten, nicht mit dem Menschen direkt. Oder helfen ungefragt (a la: einem Blinden über die Straße helfen, auch wenn er nicht rüber wollte). Deine Frau lebt jetzt mit einem Menschen mit Behinderung zusammen uny muss vieles einfach lernen.

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Mich wundert ja auch jeden Tag, gerade nach der schrecklichen Anfangszeit, das ich jetzt so gut mit meiner beinlosigkeit und meiner starken Veränderung unserer Lebenssituation umgehen kann. Und das habe ich fälschlicherweise auch von meiner Frau erwartet. Aber das ist natürlich zu viel verlangt, denn auf einmal einen beinlosen Mann im Rollstuhl zu haben ist natürlich eine extreme Veränderung des bisherigen Lebens.
Das viele Leute nicht mit Behinderten umgehen können kann ich bestätigen, ich beiße ja wirklich nicht, bin offen und zugänglich, aber zu einem Menschen mit sehr sichtbarer schwerer Behinderung ganz ohne Beine haben viele Berührungsängste. Warum auch immer, denn das verstehe ich bisher nicht

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Es wurde schon viel gesagt, und bei den meisten Antworten bin ich dabei. Und doch will ich noch einen Aspekt einbringen: ich glaube nicht, dass du nach dem Unfall noch derselbe Mensch wie vorher bist und dich nicht doch auf die eine oder andere Art verändert hast. Ganzbunbewusst und auch nicht böse gemeint, aber auch wenn du jetzt positiv damit umgehst, hat auch dich das verändert. Denke, dass du also nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich an neu bist. Nicht überall und nicht in allen Situatiknen, aber doch so, dass man sich neu kennen und lieben lernen muss.

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Sehr interessanter Aspekt. Klar macht das natürlich etwas mit einem, wenn man von einer Sekunde auf die andere beide Beine vollständig verliert, das ganze weitere Leben im Rollstuhl verbringen wird und optisch wirklich verändert ist. Aber ich habe das in meinen Augen als sehr positiv denkender Mensch eigentlich ganz gut weggesteckt und verarbeitet und glaube nicht mich als Mensch in meiner Art dadurch sehr verändert zu haben.
An was für Veränderung denkst Du? Das würde mich wirklich interessieren.

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Keine Ahnung, dafür kenne ich dich zu wenig. Evtl können dir da Freunde besser weiterhelfen.
Vielleicht gehst du jetzt anders an die Dinge heran… bist ehrgeiziger, Selbstständiger,… das müssen ja keine negativen Veränderungen sein, aber doch macht es dich zumindest teilweise zu einem neuen Menschen.

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