Hier werden zwei Problemkreise - einander wechselseitig verstärkend - sichtbar: Erstens das unterschiedliche sexuelle Interesse, dessen Hintergrund m.E. nicht geklärt ist. Zweitens die Konfrontation mit Deiner Schwangerschaft und vielleicht auch Ängste vor den neuen Herausforderungen.
Du bist mit solchen Problemen "in guter Gesellschaft". Sexualität funktioniert nunmal nicht auf Knopfdruck, sondern steckt in vielfältigen Zusammenhängen und bedarf vor allem der Kommunikation über die wechselseitigen Bedürfnisse.
Jeder glaubt ja, den anderen mit seinen sexuellen Wünschen zu kennen: Das ist oft ein Trugschluss. Männliche Vermeidungshaltung und seltener Orgasmus hängen nicht zwangsläufig mit "Asexualität" oder geringem sexuellen Interesse zusammen. Das kann so sein, aber hat oftmals völlig andere Gründe. - Schließlich führen Forderungen an den Partner meist dazu, dass sich der/die andere verschließt, hinter einer Mauer versteckt, die Kommunikation noch schwieriger wird. Dann wird ein Teufelskreis daraus.
Dabei sollte jedem, der eine sexuelle Beziehung mit dem Anspruch auf Dauerhaftigkeit eingeht, die erotische Paarzufriedenheit wichtig sein. Nur bedarf es dazu eines besonderen "Skills" der Kommunikation über Sexualität, die von den meisten überhaupt erst erlernt werden muss und die auch niemand in der Jugend im Sexualkundeunterricht mitgeteilt bekommt.
Dennoch glaube ich, dass für die meisten eine Lösung möglich ist. Wir können sowas in einem Forum andiskutieren. Aber ohne professionelle Unterstützung geht es meist nicht. Diese Unterstützung hilft auch nur dann, wenn beide wenigstens gegenüber dem/der Berater/in bzw. Therapeut/in komplett offen sind.
Ziel: Erst einmal wirklich sagen, was ist und wie es ist und wie es sich anfühlt.
Auch wenn es schwerfällt, hat diese Art von Kommunikation eine Voraussetzung: nämlich Verzicht auf wechselseitige Schuldzuweisungen. Was in einer solchen Offenlegung herauskommt, kann einem schon ganz schön zu schaffen machen. Ich gebe nur ein Beispiel: Angenommen eine Frau erfährt, dass ihr Mann nur deshalb wenig Interesse am Sex mit ihr hatte, weil er seit 20 Jahren irgendwelche pornographischen Phantasien aufregender findet als die Realität. Ich spreche jetzt nicht von euch, denn das ist nur ein Beispiel! Die Frau, die sowas erfährt, kann natürlich empört die Therapie abbrechen und ihrem Mann den Laufpass geben. Sie hat aber auch die Option, gemeinsam mit dem Therapeuten oder der Therapeutin und ihrem Mann einen Fahrplan zu entwickeln, der aus dieser Obsession rausführt (nicht immer ist "Sucht" zutreffend). Es bestehen gute Chancen, wenn er mitmacht und ihm eine Lösung des Problems wichtig ist. Wenn nicht, kann sie immer noch Konsequenzen ziehen.
Noch einmal: Das war lediglich exemplarisch. Es fallen mir noch viele andere Möglichkeiten ein. Wenn aber nicht straffrei über sowas kommuniziert werden kann, ist eine Lösung unmöglich.
Ich hoffe, Ihr findet einen Weg, der euch zu einem besseren wechselseitigen Verständnis einer gemeinsamen Paarsexualität führt. Das sollte nämlich das Ziel sein, nicht einfach: Ich mache mein Ding oder gar nichts mehr.