Annäherungsversuche eines Kollegen

Liebe Community,

ich hoffe meine Frage ist hier richtig platziert. Ich (31) bin seit einem Jahr in einer neuen Firma und habe einen Kollegen (27), mit dem ich mich sehr gut privat verstehe. Er hat sich offenbar in mich verliebt. Auf einer Dienstreise hat er mich plötzlich angesprochen, dass wir dringend reden müssen, mich in sein Hotelzimmer gebeten und dann versucht mich zu küssen. Ich habe das sofort abgelehnt. Das war für mich ein No-Go und ziemlich überrumpelnd. Er sagte dann dass ihn das seit einem Jahr beschäftigt hat und er war der Meinung, dass es richtig starke Vibes zwischen uns gibt, die habe ich aber nicht so empfunden und er meinte: „Komm, du kannst doch nicht sagen, dass da nichts war.“ Letztes Jahr im Sommer hatte er bereits mal versucht meine Hand zu berühren, worauf ich nicht einging, da ich erstens nicht wahrhaben wollte, dass das gerade passiert und es auch nicht wollte, da kein Interesse. Hatte das auch nicht weiter angesprochen, weil ich nicht sicher war, ob ich die Reaktion richtig gelesen hatte. (Offenbar hatte ich wohl richtig interpretiert.)

Ich habe sofort geklärt dass wir nur Kollegen sind und eine Beziehung oder anderes für mich nicht infrage kommt, da ich erstens kein Interesse an ihm habe und zweitens so etwas auf der Arbeit (gleiche Abteilung, fast gleiches Team, sehr enge Projektzusammenarbeit!) für mich nicht infrage kommt. Vielleicht würde ich das anders sehen, wenn ich die Person wirklich lieben würde, aber mir ist das zu eng und wenn es schief geht, wird es richtig blöd.

Und das ist jetzt auch unser Problem: Wir haben noch weitere Dienstreisen (zu zweit) von je drei Tagen vor uns plus sehr enge Zusammenarbeit in Projekten, wo wir teilweise nur zu zweit einen Workshop machen. Ich merke, dass ich mich trotz Klärung unterschwellig sehr aggressiv ihm gegenüber verhalte (was ich nicht fair von mir finde) und glaube, dass es ein innerer Versuch ist, Distanz aufzubauen, weil davon nicht genug da ist und die Grenze überschritten wurde. Jetzt frage ich mich, wie ich damit umgehen soll. Mir ist die nahe Zusammenarbeit mit ihm zu viel und ich frage mich, ob ich mich irgendwem auf der Arbeit, zb meinem Chef, anvertrauen soll. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass das absolut unseriös wäre und es auch nicht viele Lösungen gäbe, da niemand anderes als er für manche Projekte infrage käme. Mein Arbeitsvertrag ist zudem momentan befristet (soll voraussichtlich verlängert werden). Mein Kollege hatte schon gescherzt, dass es ja für uns beide gut wäre, wenn er nicht verlängert würde, weil es die ganze Sache einfacher machen würde (für das Szenario, dass ich doch an ihm Interesse habe). Ich fand das nicht so witzig.

Wie kann ich mit der Situation umgehen und einen gesunden Abstand bei uns hinbekommen? Und vielleicht eines Tages nicht mehr so ablehnend ihm gegenüber sein?

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Hallo,

vorab: ich kann dein schroffes Verhalten dem Kollegen gegenüber sehr gut nachvollziehen. Ungünstig natürlich, dass ihr so eng zusammen arbeitet.

Wie verhält er sich denn aktuell? Würdest du sagen, dass er verstanden hat, dass aus euch nix wird, und ist er im Job professionell? Der Spruch mit deiner Vertragsverlängerung...den finde ich ziemlich daneben und ich befürchte, so richtig Ruhe wird er nicht geben, zumal es so ja mit Abstand nehmen nicht einfach ist. Wie schätzt du das Ganze ein?

Du sollst dich an deinem Arbeitsplatz wohl und sicher fühlen. Das tust du aktuell nicht und ich kann den Typ schwer einschätzen. Gibt's bei euch im Unternehmen einen Betriebsrat, eine Vertrauensperson? Wenn ja, würde ich mich spätestens beim nächsten Schnitzer, den er sich erlaubt, zuerst dorthin wenden für ein vertrauliches Gespräch, vielleicht haben die Tipps. Wenn's das nicht gibt, würde ich tatsächlich die Führungskraft in Kenntnis setzen. Das hat auch nichts mit Anschwärzen oder so zu tun. Manche Leute verstehen es offensichtlich nur auf diese Tour.

Was die Zusammenarbeit betrifft, würde ich versuchen, ihm möglichst neutral und professionell gegenüber zu treten und bei unangemessenen Sprüchen direkt zu intervenieren. Zieh da ruhig deine Grenzen.
Zudem würde ich ihm so viel wie möglich aus dem Weg gehen, d.h. Pausen nicht gemeinsam verbringen, keine privaten Gespräche, auf Dienstreisen in der Freizeit möglichst Abstand halten etc. Der Nährboden, auf dem er sich immer wieder Hoffnungen machen kann, muss weg.

Die Abwehrhaltung, die du in dir hast, würde ich übrigens gar nicht so sehr loswerden wollen. Es ist dein Bauchgefühl, was da Alarm schlägt. Das bedeutet natürlich nicht, dass du ihn permanent angiften sollst, aber das Gefühl einfach mal stehen lassen und was sagen, wenn's dir zu bunt wird, das darfst du schon.

Liebe Grüße,
DieKati

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Hallo DieKati,

danke für deine Antwort. Ich glaube, dass er es doch ganz gut verinnerlicht, dass wir nur auf einer professionellen Ebene in Verbindung bleiben. Er macht momentan zumindest keine anderen Anstalten. Wir hatten direkt nach seinem Annäherungsversuch auch ein längeres Gespräch, wo er sich unter anderem für den „Überfall“ entschuldigt hat.

Als wir zuletzt auf einer Dienstreise war, hatte ich den Eindruck, dass vor allem ich diejenige bin, die einen aktiven Abstand zwischen uns schaffen muss. Das macht es alles noch etwas anstrengend, liegt aber womöglich auch an meinem Harmoniebedürfnis. Ich fühlte mich teilweise verpflichtet, dass wir die freie Zeit zusammen verbringen müssen. Weil wir uns eben vor dem Vorfall so gut verstanden hatten. Ich glaube dass es mir auch einfach schwer fällt, jemanden abrupt auf eine Distanz zu setzen. Da muss ich wohl noch an mir arbeiten ;)

Wir haben bei unseren Dienstreisen tagsüber gemeinsam Kundentermine und abends ist dann Zeit zum Essen etc. Es fühlte sich komisch an, wenn jeder für sich selbst etwas essen geht, oder zb auch frühstücken.

Zumindest nächste Woche bei unserem nächsten Trip werde ich kommunizieren, dass es mir momentan lieber ist, wenn außerhalb der Kundentermine jeder seiner Wege geht, zb frühstücken und Abend essen.

Danke auch für deinen Hinweis zu meinem Bauchgefühl. Ich hab versucht, das wegzudrücken und merke durch deine Antwort, wie wichtig auch solche Signale sind.

Ich denke ich werde diese Dienstreise mal abwarten und je nach seinem Verhalten entscheiden, ob ich intern weitere Schritte gehen sollte. Ich schätze ihn als jemand ein, dem so manche „übliche“ Verhaltensweisen einfach nicht geläufig sind. Er hatte auch in seiner vorigen Arbeitsstelle eine ähnliche Situation mit einer Kollegin, die hat die Vibes aber erwidert ;) und die beiden hatten keinerlei Probleme mit so etwas.

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Vorab: Ich kann deine Gedankengänge sehr gut nachvollziehen, an deiner Stelle ginge es mir sicherlich ähnlich.
Aber ich finds wirklich schlimm, dass jemand eigenmächtig deine persönlichen Grenzen überschreitet, indem er versucht, dich zu küssen, dann Gaslighting betreibt ("ich weiß genau, dass du auch spürst, dass da was zwischen uns ist") - aber DU dir jetzt nen Kopf machst. Der Spruch mit der Vertragsverlängerung ist dann noch die Krönung. Null witzig und in seiner Vorstellung sollte die Person, die sich nichts zuschulden kommen lassen hat, das Feld räumen, während er ungeschoren davon kommt.
Ich hätte da ne riesen Wut in mir und finde auch garnicht, dass dein abwehrendes Verhalten unangebracht ist, solange der professionelle Umgang im Berufsalltag(!) gewahrt bleibt.
Den Vorschlag von Kati bzgl. Vertrauensperson/Betriebsrat ansprechen/zu Rate ziehen finde ich gut - das würde ich an deiner Stelle auch zeitnah, vor Antritt der nächsten Dienstreise, tun. Wenn er dann erneut meint, Grenzen überschreiten zu müssen, kannst du dich darauf berufen.
Außerdem schließe ich mich der Frage nach der Einschätzung seines weiteren Verhaltens an - meinst du, da "kommt noch was"?

Bearbeitet von Flamingle
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Danke Flamingle! Die Wut trifft es richtig gut. Ich merke nämlich auch wie in meinem Kopf so Szenarien auftauchen, ob es vielleicht besser ist, wenn ich gehe. Würde damit aber meine ganze berufliche Zukunft aufs Spiel setzen und das kann doch kein Weg sein! Vielleicht war das nicht mal seine Intention, aber es löst schon entsprechendes in mir aus. Ich werde die kommende Dienstreise, wie oben in meinem Kommentar beschrieben, im Blick behalten.

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Ich finde Deine Einstellung der Sache gegenüber absolut richtig.
Dein schroffes Verhalten verstehe ich.

Warte ab, wie er sich verhält. Bei der nächsten Anmache würde ich ihm eine klare Ansage machen, dass Du das melden wirst.
Schreckt ihn vielleicht ab.
Die Sache mit der Vertragsverlängerung ist heikel.
Wann wird denn verlängert? Kannst Du diese Zeit überbrücken?
Obwohl Dich hier keinerlei Schuld trifft, hat das immer einen bitteren Beigeschmack.

Wenn es aber gar nicht anders geht, wende Dich an eine Vertrauensperson oder den Betriebsrat.
Keine Kollegen ins Vertrauen ziehen. Das gibt nur unnötigen Klatsch.

Du hast Dich auf jeden Fall korrekt verhalten!!
Alles Gute

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Liebe TE, was du als "Annäherungsversuche" noch positiv zu umschreiben versuchst hätte für mich bereits die Grenze der Überschrittigkeit erreicht. "Normal" tickende Menschen sind eigentlich nicht so drauf, dass sie trotz mehrfachen Abfuhren bzw. deutlichen Ansagen, man habe keinerlei Interesse an weiterem, immer und immer wieder weitere Versuche starten würden. Ob du dich deinem Chef anvertrauen solltest? Klares ja. Alleine, um deinen Schutz zu gewährleisten.

"Auf einer Dienstreise hat er mich plötzlich angesprochen, dass wir dringend reden müssen, mich in sein Hotelzimmer gebeten und dann versucht mich zu küssen" ganz ekelhaft und ganz ganz nah dran an einer Situation, die dich in Bedrängnis gebracht hat. Dieser Kollege akzeptiert deine Grenzen nicht. Vorsicht!

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Völlig unbotmässiges Verhalten des Kollegen, dass durch die Compliance-Richtlinien des AG normalerweise Konsequenzen haben würde bei Bekanntwerden.

Die Einbeziehung des Betriebsrates ist das Mindeste, was Du erwägen solltest. Schon aus dem Grund um gemeinsame Aufenthalte und Reisen nach Möglichkeit zu vermeiden

Es sei denn, und auch das gibt es: So total unangenehm ist es Dir dann doch nicht und Du fühlst Dich sogar geschmeichelt und schreibst lediglich so hochgeschlossen. Denn es fällt mir ein ganz klein bisschen schwer, zu glauben dass eine 31-jährige erwachsene Frau, Jahre nach #MeToo immer noch nicht weiß, wie man mit übergriffigen Männern am Arbeitsplatz umzugehen hat.

Ist aber nicht persönlich gemeint.

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"... zu glauben dass eine 31-jährige erwachsene Frau, Jahre nach #MeToo immer noch nicht weiß, wie man mit übergriffigen Männern am Arbeitsplatz umzugehen hat."

Das gibt's öfter, als du es dir vorstellen kannst. Es gibt viele Gründe für Hemmungen.

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Was für eine überhebliche und selbstgerechte Aussage.
Lern mal, über deinen Tellerrand hinauszublicken.

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Ich würde mit dem Chef sprechen. Warum sollte das unseriös sein? Ich würde mit dem Chef unter vier Augen sprechen vielleicht gibt es auch ganz einfache Möglichkeiten um umzuplanen so dass du nicht mehr auf Dienstreise mit ihm musst.

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Ich hatte mal einen Kollegen, der sehr ähnlich gestrickt war. Er wurde von einer jungen Frau, die er belästigt hatte (wirklich gleiches Schema, auch mit dem Gaslighting!) beim Management verpetzt und erhielt daraufhin eine Verwarnung. Kurze Zeit danach hatte er „einen anderen Job gefunden“.
Ich würde dies ansprechen - das geht gegen jede Business Conduct Guideline. Im Jahr 2023 erst recht.

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Ich schließe mich den anderen einfach an.
Ich war absolut nie empfindlich, aber das geht garnicht, was der macht. Ging vor 10 Jahren nicht und heute sowieso nicht. Zum Betriebsrat oder Chef, und zwar baldigst!
Der Einzige, der sich unseriös verhält, bist NICHT DU.
Auf Dienstreise ginge ich mit dem nicht mehr.
Trau Dich!
LG Moni

Bearbeitet von fruehchenomi
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Mein Weg zu gesundem Abstand und guter professioneller Zusammenarbeit wäre:

Letztmaliger Klartext mit dem Kollegen und der Aufforderung zur professionellen Zusammenarbeit der wichtigen Projekte, distanzierte Höflichkeit gegenüber dem Kollegen in Verbindung mit ausschließlich aufs Geschäft bezogenen Gesprächen und die Ankündigung bei Missachtung der geschäftlichen Grenzen den Vorgesetzten zu informieren.
Und mache dir bitte keine Sorgen darüber, wie du deine Ablehnung ihm gegenüber ablegen kannst. Das gehört nicht ins Geschäft.
Freundschaftliches Verhalten wird von diesem Kollegen offensichtlich deutlich fehl-interpretiert.
Deine Ablehnung ist eine ganz normale und richtige Reaktion.
Verschaffe dir ( wieder ) den nötigen Respekt.
Man muss nicht immer zwingend freundschaftlich mit Kollegen umgehen.
Sollte der Kollege dennoch das Geschäft durch übergriffige private Avancen gefährden, sollte dein Weg ohne zu zögern zum Vorgesetzten gehen und das solltest du deinen Kollegen wissen lassen und deinem Vorgesetzten dann genau so mitteilen. Dein Interesse gilt ausschließlich dem Geschäft. Heute und zukünftig.
Mache deinen Rücken gerade und besinne dich auf deine Position in der Firma.

Bearbeitet von Cersei-Lennister