Affären und Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff

Hallo,

ich bin gerade total durcheinander und brauche mal einen Rat von Außenstehenden.
Zu meiner Situation: Ich (26) komme aus einem kleinen Dorf in Österreich, jeder kennt jeden und meine Eltern sind eher konservativ. Mein Vater ist evangelischer Pfarrer. Bei uns ist es völlig normal, jung zu heiraten und eine Familie zu gründen.
Ich war auch jahrelang mit meinem Freund zusammen, wir waren quasi das Vorzeige-Paar. Alle haben erwartet, dass wir bald heiraten. Aber irgendwie hatte ich immer das Gefühl, dass mir da noch was fehlt. Ich wollte noch was von der Welt sehen, bevor ich mich endgültig binde. Das hat sicher auch zu unserer Trennung beigetragen. Ihm hat das alles sehr zu schaffen gemacht, mir ehrlich gesagt weniger. Wahrscheinlich, weil ich innerlich schon länger wusste, dass ich noch was anderes vom Leben will.
Jedenfalls habe ich dann vor ein paar Wochen einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff angenommen. Ich hatte vorher schon mal gehört, dass es da recht locker zugeht, vielleicht hat mich das unbewusst auch gereizt.

Und jetzt bin ich hier und total überfordert. Hier herrscht eine ganz andere Atmosphäre als zuhause. Es scheint so, als ob jeder mit jedem was anfängt, ständig wechselnde Sexualpartner hat.

Die Leute gehen dabei sehr direkt und offensiv vor. Es gibt sogar Wetten auf alles Mögliche, wer was mit wem hat, wer sich was traut, etc. 😳 Da frag ich mich schon manchmal, ob das alles so gesund ist...

Ich habe mir auch einen Ruck gegeben und es gewagt. Es war ein Gast, was eigentlich nicht so erlaubt ist🙈

Gleichzeitig löst das alles eine echte Sinnkrise in mir aus. Ich erkenne mich selbst nicht wieder. War mein bisheriges Leben eine Lüge? Bin ich vielleicht doch kein 'braves Mädchen' für die Ehe und Familie, sondern steh ich in Wahrheit auf lockere Affären? Oder ist das nur so eine Phase?

Ich weiß einfach nicht mehr, wer ich wirklich bin und was ich will. Wie komme ich da wieder ins Reine mit mir?

Grüße

Bearbeitet von Lischenn
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Hallo Lischenn,

ich kann dir deine Situation nachfühlen und hatte einen ähnlichen "Zug" ins "Gefährliche". Auch nach Aufwachsen in behüteter Umgebung und Kleinstadt und Beendigung einer schönen ersten Beziehung. Es gab keinen anderen Grund dafür als das Gefühl, in die wilde Welt raus zu müssen. An meinen damaligen Liebsten denke ich heute noch gerne.

Von mir kann ich dir sagen: Ich hab gemerkt, dass ich im Endeffekt eine emotional sichere Beziehung brauchte mit einem Partner, der auch aus behüteten Verhältnissen kommt und ebenfalls in Graubereichen nach Erfahrungen gesucht hat.

Ob Fernreisen oder Affären zuhause, Drogenangebote oder echte Gefahrensituationen - ich hab schon einiges ausprobiert, aber vieles hab ich Gottseidank letztlich ausgelassen. Auch manches sexuelle Abenteuer hab ich nicht angenommen. Entweder es gab einen Schutzengel oder es war mein Bauchgefühl oder mein behütetes Über-Ich, keine Ahnung- in der Situation hat mich dann was davon abgehalten. Und es gab Angebote zu gefährlichen Sachen, da ich auch mal allein am Ende der Welt unterwegs war. Vielleicht hab ich deshalb einen guten Draht zum Bauchgefühl, da ich den zwangsläufig entwickeln musste.

Eine kurze Zeit hab ich mich auch auf Kurzbeziehungen mit dem besonderen Kick und "interessanten" Männern eingelassen und gelernt, dass es viele bindungsunfähige Männer gibt, die um sich viel Wind machen, um Frauen zu bekommen. Davon war ich schnell geheilt, und es hat nur ein bisschen weh getan.

Summa summarum: es fühlt sich gut an, auch Lebenswirklichkeiten zu kennen, die nicht meine sind und bestimmte Verhaltensmuster zu erkennen. Narzissmus, eine Bindungsstörung und Co. kann ich sehr schnell erkennen z. B.. Vieles ist nämlich nicht interessant, sondern nur Schau und anstrengend.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dich jetzt noch so manches überfordert, aber du wirst einen Kompass in dir haben, nach dem du dich richten kannst. Wenn du was nicht willst, mach es NICHT. Es ist nicht kleinkariert oder dörflich-naiv, ein klares NEIN zu fühlen, es reicht auch manchmal, eine Möglichkeit gehabt zu haben und sie ausgeschlagen zu haben.
Viel Spaß und Erkenntnisse auf deiner Abenteuerreise und vielleicht kannst du auch das Kindische an den blöden Wetten sehen. Manche Menschen sind so abgestumpft, dass es schon ein bisschen wehtut. Und mehr, als man denkt, haben keine Vorstellung von einer echten Beziehung, spielen Cool und Co. und nennen andere spießig.

Bearbeitet von Naima68
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"Und jetzt bin ich hier und total überfordert. Hier herrscht eine ganz andere Atmosphäre als zuhause. "

Naja, aber das wolltest du doch ;-)

Allerdings dann gleich den Job riskieren und mit einem Gast was anfangen...

Du solltest dringend deine eigenen Prioritäten klären.
Und dich davon lösen, Sex zu haben, weil es erlaubt ist oder eben gerade nicht! DU musst doch entscheiden, was du tust. Egal, ob du in einem 300-Seelen-Dorf eben nicht den Sohn des Küstens heiratest oder ob du einer deutlichen Avance auf einem Kreuzfahrtschiff ein Nein entgegensetzt.

Zwischen "kein Sex vor der Ehe" und "mit jedem in die Kiste hüpfen" gibt es ja zum Glück ein paar Zwischenstufen.
Neben dem eigenen Vergnügen sollte man da so wichtige Dinge bedenken wie die eigene Gesundheit/Infektionskrankheiten, mögliche Schwangerschaft/Verhütung und natürlich den Lebensunterhalt/Job.


Mein familiäres Umfeld war nicht ganz so konservativ, ich bin schon mit 19 von Zuhause weggegangen, allerdings nicht aufs Kreuzfahrtschiff. Also die mildere Variante ;-)
Eine Reise buchstäblich ans Ende der Welt kam dann aber auch mit 25.
Und mir persönlich hat dieses Reisen viel gegeben. Ich habe unglaublich tiefsinnige Gespräche geführt mit Leuten, mit denen ich sonst nie in Kontakt gekommen wäre. Über Gott und die Welt, Kunst und Kultur, Natur und Politik.
Und dann ging es durchaus auch um Drogen, Legalisierung von Cannabis war damals ein großes Thema, aber auch härtere Sachen.
ABER: ich hätte mir zum Beispiel nie Drogen andrehen lassen, nur weil Mama das jetzt nicht sieht. Oder zum Ausprobieren.
Sex war mal Thema, hat sich dann aber nicht ergeben - ich hatte nur Geld für Mehrbettzimmer ;-)

Gelernt habe ich unter anderem, dass ich eher zum Team "better safe then sorry" gehöre - und dass mir das im Vergleich zu manch anderen Menschen auch schon manchmal den A.. gerettet hat.
Andere haben auf Reisen entdeckt, wie risikofreudig sie eigentlich sind .

Aber ohne ein paar Selbstzweifel wird es vermutlich nicht gehen.
Du kennst jetzt 2 Extreme. Die Wahrheit liegt ja oft in der Mitte, aber diese Mitte ist breit. Ist doch toll, wenn man da irgendwo seinen Platz bzw seine eigene Meinung und Einstellung finden kann.
Auf Basis ALLER bisherigen Erfahrungen.

Viel Erfolg bei der Sinnsuche ;-) davon kann man im Leben nie zu viel haben.

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Für mich liest sich das alles so, als seist du das Ergebnis einer völlig maladen Umwelt und deren Erwartungshaltung, wo es doch nahe liegt, dass Menschen sexuelle Bedürfnisse, einen Freiheitsdrang haben und eben nicht schon in ihren Zwanzigern so fühlen und leben wollen, wie es vielleicht mit Mitte, Ende dreißig und vierzig für viele tendenziell richtig ist.
Ich finde es schade, dass dir in deinem Ort keine Gelegenheit gegeben wurde dich auszuleben und selbst kennenzulernen (vor allem unter dem Eindruck der vorherrschenden Zustände mit einem Pfarrervater und einer konservativen Nachbarschaft, ohne konkreten Menschen dafür Schuld zuweisen zu wollen, weil letzten Endes du es ja bist, die entscheidet, was richtig und falsch für sie ist).
Ich glaube, dass du jetzt die Erfahrung machst, dass du es schon gerne mal etwas wilder hättest, aber dann eben doch nicht so wild, wie es zugehen 𝘬𝘢𝘯𝘯. Vielleicht musst du einfach nur ein paar One Night Stands hier und da mal haben, ein paar Affären und ein paar ernstere Beziehungen bis du soweit gesettelt bist, wie dein Umfeld es verlangt. Vielleicht merkst du irgendwann auch, dass du ganz anders tickst als dein Umfeld und die jetzige Erfahrung dich einfach nur überfordert hat aus deinen (no offense) Blümchen-Verhältnissen heraus. Lern dich kennen und gib dir Zeit.