Wie beim Regulieren helfen?

Hallo,

ich habe zwei Töchter (3.5 und 1.5 Jahre alt). Die Ältere ist seit jeher sehr sensibel und teilweise auch extrem ängstlich bei uns unerklärlichen Situationen. Sie hatte schon immer Schwierigkeiten sich zu regulieren. Sie reagiert manchmal sehr stark auf unterschiedliche Reize, vor allem aber auf Geräusche. Schon als sie ein Baby war, waren Fön, Mixer und Staubsauger absolut nicht in ihrer Gegenwart nutzbar.

Hinzukommt, dass sie schnell die Fassung verliert, wenn sie sich bedroht fühlt. Als sie das erste Mal eine Ameise gesehen hat, ist sie mir brüllend auf den Arm gesprungen. Selbst Welpen bringen sie zum Zittern und Weinen, wenn sie auf meine Tochter zugelaufen kommen. Sie hat dann wirklich körpeliche Reaktionen, friert ein und zittert am ganzen Leib.

Ich weiß gar nicht, woher das kommt. Soweit ich mich erinnern kann, gab es da und auch insgesamt keine schlechten oder bedrohlichen Erlebnisse.

Mehrmals die Woche kommt es vor, dass ich sie bis zu 30 Minuten nicht mehr beruhigt bekomme und nicht selten, stimmt die eigentlich entspanntere jüngere Schwester dann ebenfalls mit ein.

Mir tut das wirklich leid. Ich würde mir wünschen, dass sie und auch ich Techniken lernen so etwas besser aufzulösen. Weiß jemand, ob man da evtl. Ergotherapie machen kann? Oder etwas anderes? Wie reagiert ihr, wenn es bei euren Kindern so richtig schlimm wird?

Vielen Dank für eure Antworten! Viele Grüße

1

Meine Älteste ist bzw eher war auch so extrem. Sie ist inzwischen 6.
Ich habe es zwar immer Ernst genommen aber nie ein riesen Ding davon gemacht, damit sind wir gut gefahren. Sie hat im Laufe der Jahre einfach von allein bemerkt, dass man vor bestimmten Dingen gar keine Angst haben muss, allerdings hat da Reden nie wirklich geholfen, sondern allein das Beobachten aller anderen Kinder und Erwachsenen haben ihr da ihre Ängste genommen.
Sie braucht noch immer ihre Zeit bei fast allem was neu ist und sie bricht nach wie vor noch manchmal in Tränen aus wo andere Kinder einfach entspannt wären. Aber wir kennen das ja schon... wir sagen "Es ist okay, du musst das nicht machen wenn du Angst hast / du musst das nicht gut finden / was auch immer. Irgendwann wird es bestimmt anders sein."
Bei Tieren hat sie enorme Fortschritte gemacht muss man sagen und auch bei lauten Geräuschen wird es immer besser. Man merkt zwar, dass sie es immernoch nicht mag aber sie kann damit umgehen und das ist ja am Ende wichtig.
Ich glaube nicht, dass ihr da etwas "therapieren" müsst. Ich würde ihrem Verhalten generell keinen überhöhten Stellenwert geben und kein Drama davon machen. Ich würde ihr eher vermitteln: es ist okay so wie du bist, andere sind anders, jeder Mensch ist anders. Das wird schon alles. Schau, da bist du schon mutiger geworden, das hast du dich getraut usw...
wir sind damit wie gesagt sehr gut gefahren.
Heute ist sie 6 und kann selbst von sich sagen "Ich traue mich das noch nicht was sich XY traut aber das macht nichts. Irgendwann vielleicht!"

Zu den konkreten Situationen: ich würde ihr wie gesagt sagen, dass es in Ordnung ist dass sie ängstlich ist (oder was auch immer in dem Moment das Problem ist) und dann wenn möglich die Situation verlassen aber ohne Drama oder darüber groß zu sprechen. Einfach etwas anderes machen.
Du kannst ihr verschiedenes auch anbieten: in den Arm nehmen, auf dem Schoß halten oder so und ansonsten erstmal dein Ding weitermachen oder was auch immer geplant war. Ihr Sicherheit geben und ihr gleichzeitig zeigen: ist kein riesen Ding, alles ist gut, Mama ist da, Mama versteht dich auch, wir machen nun etwas anderes.

2

Ich glaube das ist in dem Alter noch okay, auch wenn ich verstehe, dass es für dich und deine Familie anstrengend ist. Für Kinder ist es ja eine ziemliche Herausforderung. Manche Geräusche alarmieren uns Eltern (z.B. Hupen im Straßenverkehr, Sirenen, Wecker, ungewöhnliche Geräusche die auf defekte Maschinen hindeuten, Hundeknurren, Mückensurren), andere Geräusche sind ebenso laut oder selten, für uns Erwachsene aber kein Grund zu reagieren. Vor manchen Tieren warnen wir oder halten die Kinder fern (z.B. Wespen, Kampfhunde), andere finden wir harmlos. Es dauert ja eine Zeit, bis Kinder auch nur annähernd genug Erfahrung haben, um gefährliche von harmlosen Reizen unterscheiden zu können. Mein Sohn (3,5 Jahre) versteht den Unterschied zwischen Fliegen und Wespen z.B. nicht. Sie halten sich selten still genug um sie genauer zu betrachten. Jetzt da ich darüber nachdenke.. ich sollte ihm Mal Bilder zeigen #klatsch.

Wenn mein Sohn Angst bekommt, gebe ich ihm erstmal Sicherheit (z.B. auf den Arm nehmen, ein paar Schritte weggehen), benenne und validiere sein Gefühl ("Du hast dich erschreckt, weil der Hund auf dich zugelaufen ist und du nicht wusstest, es er vorhat. Das kann ich gut verstehen." "Du hattest Angst vor der Fliege, weil du dachtest, dass sie dich stechen will.") und gebe dann meine eigene Einschätzung ab ("Ich glaube der Hund wollte eigentlich nur mit dir spielen." "Weißt du was, Fliegen können gar nicht stechen, weil sie gar keinen Stachel haben. Die sind eigentlich gar nicht gefährlich."). Wenn mein Sohn sich zeitnah beruhigt, versuche ich ihm zu zeigen, dass ich es wirklich ernst meine, also dass ich wirklich keine Gefahr sehe, indem ich vorgeschlage, dass wir uns gemeinsam der Situation nochmal annähern ("Wollen wir schauen, was der kleine Hund jetzt macht? Du kannst ja erstmal auf meinem Arm bleiben." "Wollen wir versuchen den Fliege zu helfen und ihr den Weg aus dem Fenster raus zu zeigen?"). Wenn er diesen Vorschlag ablehnt, akzeptiere ich das. Hauptsache mein Kind versteht, dass seine Eltern und Vorbilder diese Situation als ungefährlich einschätzen. Natürlich braucht es eh immer mehrere Durchläufe, aber Hauptsache die Angst wird langsam weniger statt mehr.

Ich habe keine Ahnung ob Ergotherapie helfen kann. Du könntest mal beim Kinderarzt nachfragen.

Ansonsten würde ich versuchen die verschiedenen Ängste sanft zu konfrontieren. Vielleicht ist der normale Alltag schon ausreichend und es hilft, die sowieso entstehenden Situationen sinnvoll aufzugreifen. Vielleicht kannst du immer mal kleinere Themen angehen. Z.B. wenn sie gerade entspannt ist auf dem Spielplatz erklären "Weißt du was ich gerade da hinten entdeckt habe? Da ist eine Ameisenstraße. Da kann man beobachten, wie die Ameisen kleine Dinge herumtragen. Wollen wir mal gemeinsam zuschauen?" Ich würde es allerdings nicht machen, wenn überall auf dem Spielplatz Ameisen sind und sie sich dann so unwohl fühlt, dass sie nur noch nach Hause möchte. Andere Alternativen sind Tierdokus für Kinder (unbedingt vorher alleine anschauen, ob sie harmlos sind) oder auch mal ein Besuch im Wildpark. Wenn der Besuch gut klappt, vielleicht sogar Tiere füttern, streicheln etc. Aber nur du kannst einschätzen, was für dein Kind die richtige Herausforderung und was eine Überforderung wäre.