Hallo
Vorneweg zum Verständnis: Wir leben in der Schweiz. Kindergartenbeginn ist hier für alle Kinder die bis 31. juli 4jährig werden.
Mein Kind (im Mai 4 geworden) hat diesen Sommer mit dem Kindergarten begonnen. Leider war der Start sehr ungünstig. Er war extrem aufgeregt konnte sich sowohl Zuhause als auch im Kindergarten kaum regulieren und ist in alte Muster verfallen in denen er kaum zu bändigen ist und auch für uns schwer erreichbar wird. Da war wohl alles dabei, von einfach nicht zuhören zu andere beim Spiel stören, wild herumrennen und sogar eine Handgreiflichkeit. Er war total auf die Spielsachen fokussiert und wollte sich partout nicht dazu bewegen lassen in den gemeinsamen Kreis zu sitzen.
Uns ist das Verhalten nicht fremd, es hatte sich aber in den Monaten davor stark gebessert. So, dass wir dem Chindsgi Beginn positiv entgegen sahen. Ich weiss auch, dass es sein Ausdruck von Überforderung ist, sowie andere Kinder weinen oder verstummen (und davon gab es auch einige) wird er zum Derwisch.
Ich habe direkt am ersten Tag sowie am 4 Tag einen Anruf der Kindergartenleitung erhalten. Da kam eigentlich schon klar zum tragen das sie sich für eine Rückstellung aussprechen.
Nach 1.5 Wochen (7 Kindergarten Tage) wurden wir zum Gespräch gebeten. Ich kann nicht sagen das sie mein Kind nicht genau beobachtet haben. Sie haben erkannt das er zwar im sozio / emotionalen Bereich seine Mühe hat, Kognitiv aber gut Schritt hält und in manchen Bereichen (sich wissen aneignen, sprachlich etc.) sogar weit voraus ist. Da sie zu wenig Personal sind um ihn aber in seinen schwächen zu betreuen wurden uns zwei Möglichkeiten gestellt: Entweder reduzierter Besuch und durchgehende Anwesenheit und Betreuung durch uns während Kindergartenzeit oder von ihnen klar favorisiert die Rückstellung.
Wir haben letztlich in eine Rückstellung eingewilligt Und lassen ihn nur so lange noch im Kindergarten bis wir eine Betreuungslösung haben. aber ich bin einfach nicht überzeugt ob das die richtige Entscheidung war. Wurde hier nicht einfach doch übereilt das wilde Kind ausgemustert? Gerade in den letzten Tagen ist er deutlich wieder zur Ruhe gekommen. Und er geht unheimlich gerne...
Danke für alle die sich das ganze Durchgelesen haben. Mir ist klar das mir niemand diese Entscheidung abnehmen kann. Aber vielleicht hatte der eine oder andere schon ein ähnliche Situation erlebt und kann mir seine Erfahrungen mitteilen.
Danke für jeden Input
Die falsche Entscheidung?
Ach ja: Ich habe heute am späten Nachmittag noch eine telefonische Besprechung mit der Kindergartenleitung. Es wäre die letzte Möglichkeit um die Rückstellung auszusetzen und doch die Möglichkeit mit der Betreuung durch uns zu wählen.
Das wäre aus meiner Sicht eher die allerletzte Option, wenn sonst gar keine Lösung da ist. Kinder lernen im Kindergarten vor allem Selbständigkeit und Selbstvertrauen und die Fähigkeit, immer mehr Dinge selbst erledigen zu können. Mit der permanenten Anwesenheit durch einen Elternteil fällt das alles ins Wasser. Ich kenne das vom Kindergartenstart von unserer Tochter und diversen Kindern in ihrer Klasse. Sobald ein Elternteil da ist, muss Mama oder Papa alle anspruchsvollen Sachen machen oder zumindest müssen die Eltern dann ständig zuschauen, aufpassen etc. Erst mit der Zeit geht das langsam weg und wechselt in ein "ich kann das selbst". Dann würde ich eher etwas suchen, wo dein Kind noch ein Jahr in die Kita geht, wo aber aktiv daran gearbeitet wird, dass er sein Defizit überwinden und nächstes Jahr möglichst einen normalen Kindergartenstart hat.
Oder wenn ihr die Lösung mit der Betreuung durch euch wählt, würde ich mich wenigstens genau erkundigen, wie es denn weiter geht. Z.B., wann und wie euer Sohn Hilfe durch Fachleute bekommen kann, wie der Zeithorizont genau ist. Wenn diese Lösung ein absehbares Ende hat und quasi nur zum Übergang da ist, würde ich das ganz anders sehen, als wenn das aus Sicht des Kindergartens erst mal bis auf weiteres mit offenem Ende ist.
Da er nun in letzten Tage ruhiger wurde - kannst du nicht heute nachfragen, ob es nicht doch machbar ist? Eine normale Betreuung? Frag sie mal, wie es in den letzten Tagen so war.
Weder kenne ich deinen Sohn noch die Betreuung, um hier urteilen zu können - aber so wie ich das lese, gibt man sich zu wenig Mühe.
In der Gruppe meiner Tochter sind zwei kleine Rabauken, die ähnliches Verhalten zeigen. Nicht zuhören, herumlaufen, schubsen, spucken, weglaufen ... mit gaaaanz viel Verständnis, Geborgenheit, einer dritten Kraft und Ergotherapie wird es laufend besser. Nie werden sie ausgegrenzt. Klar gibt es laufend Gespräche mit den Eltern, aber nur, um sie zu informieren und gegebenenfalls gemeinsam Lösungen zu finden.
Es tut mir echt leid, dass so schnell die Rückstellung ausgesprochen wurde. Hat doch jedes Kind irgendwo seine Defizite und braucht in unterschiedlichen Bereichen besondere Förderung. Manche mehr, manche weniger.
Könnt ihr den Kindergarten wechseln, falls ihr in diesem keine Lösung findet?
Das schweizer System ist aber nicht so sehr auf Betreuung sondern eher auf Vorschulisches Lernen ausgerichtet. Es gibt ab 4 Jahren eine Kindergarten Pflicht, also so wie Schulpflicht in DE.
Die Vorgaben sind ganz anders.
Vielleicht könnte man eine verlängerte "Probezeit" vereinbaren?
Unsere Tochter ist in der Schweiz im 2. Kindergartenjahr und im Juni geboren, d.h. war in ihrer Kindergartenklasse die Jüngste (bzw. ist im älteren Jahrgang natürlich auch jetzt immer noch die Jüngste). Unsere Tochter hat Mühe im grafomotorischen Bereich, kriegt da auch Heilpädagogik und macht seit ihr da regelmässig Stunden zugeteilt werden auch sehr viel schon aufgeholt. Ich kenne aus ihrem Kindergarten auch Kinder, die z.B. Logopädie kriegen. Solche Defizite lassen sich nach dem, was ich beobachtet habe, viel leichter in einem Setting eines Kindergartens behandeln als solche im Sozialverhalten und der Selbstregulation. Die Kinder machen dann halt in ihren Extrastunden auch mit. Das und ein Mindestmass an Selbständigkeit sind aus meiner Sicht viel wichtiger als die Frage, ob ein Kind schon zählen kann oder sich die Namen von dreissig verschiedenen Dinosauriern merken kann.
Euer Kind wird zuhause sicher auch ganz anders sein, weil es halt nicht durch die Anwesenheit von zwanzig anderen Kindern aufgeputscht wird. Was ich an eurer Stelle aber nicht tun würde, wäre ihn einfach ein Jahr zurückzustellen in der Hoffnung, dass es sich dann verwächst. Wenn es sich bis dahin nicht verwachsen hat, seid ihr gleich weit wie dieses Jahr. Ich würde die Leute im Kindergarten klar fragen, welche Angebote es in eurem Kanton gibt, wie man eurem Sohn helfen kann, seine Defizite zu überwinden und wie man ihn dort rein kriegt (ggf. ist z.B. eine Meinung aus dem Kindergarten hilfreich). Ansonsten habt ihr nächstes Jahr wieder ein Elterngespräch, dann die Anmeldung zu einer Abklärung, und im Anschluss passiert erst mal monatelang gar nichts, weil das Personal schon für andere Kinder verplant ist, die bereits im System drin sind. Und ich würde mir alles schriftlich geben lassen, damit ihr Ärzten, Elternberatung usw., mit denen ihr das ganze besprechen wollt, gleich den Text geben könnt, wo alles drin steht.
Hallo Alle,
danke für eure Inputs. Ich habe einige eurer Ansätze/Gedanken in das Gespräch einfliessen lassen.
Es bleibt bei der Rückstellung. Offenbar ist er, auch wenn er Zuhause ruhiger ist, nicht bereit für den Kindergarten. Wir können eine Frühförderung für Entwicklungsverzögerte Kinder anfordern welche einmal pro Woche für eine Stunde zu uns nach Hause kommt. Allerdings kommen wir dort erstmal auf eine Warteliste.
Mich hat das Ganze extrem verunsichert. Das ich mein Kind so falsch einschätze und die Frage ob ich vielleicht auch in meiner Erziehung Fehler mache die zu der Entwicklungsverzögerung beitragen lassen mich nicht los.
Hoi ClementIne
Danke, dass du noch Rückmeldung gibst, wie es bei euch heute ausgegangen ist. Ich wollte dir am Vormittag noch schreiben, aber hier grassiert Magen-Darm und ich kam nicht dazu.
War dein Kind zuvor schon in einer Kinderkrippe oder Spielgruppe? Falls nicht, würde ich ihn unbedingt anmelden, damit er sich mehr an diese Gruppensituationen gewöhnt. Oder auch andere Angebote wie MuKi-Turnen wahrnehmen, dort gibt es am Anfang und Ende ja durchaus auch einen Kreis und man muss stillsitzen und abwarten.
Wenn du dir wegen deiner Erziehung unsicher bist, könntest du dich mal bei euch ans kjz wenden für Erziehungsberatung - schaden tut es sicher nicht. Bei uns würde auch die Mütter- und Väterberatung Hausbesuche machen, falls du denkst es würde etwas bringen, dass jemand bei euch zu Hause mal nach seinem Verhalten schaut.
Ausserdem könntest du den Kinderarzt oder Hausarzt ansprechen, ob eine Standortbestimmung in einer Entwicklungspädiatrie Sinn macht.
Auch wenn diese Info für dich jetzt zu spät kommt, hätte ich wohl auf eine Einschätzung durch den SPD bestanden, bevor ich mein Kind zurückstellen lasse - das geht auch schon in Chindsgi. Aber ihr habt eure Lösung jetzt schon gefunden, vielleicht hilft dir die Info aber für nächstes Jahr.
Ich würde ehrlich gesagt auch jetzt / dieses Jahr bereits versuchen mir ein Helfernetz aus den oben genannten Fachstellen zu spinnen, damit ihr nicht nächstes Jahr und ja schwitzen kommt, falls der Chindsgi eurem Kind weiterhin Entwicklungsverzögerungen attestiert.
Liebe Grüsse und es tut mir leid, dass ihr so einen schwierigen Kindergarten-Start hattet.
Hallo Mortadellascheibe
Ganz lieben Dank für die wertvollen Tipps. Ich hatte schon heute einen Termin beim Kinderarzt. Wir haben ein Frühförderung beantragt und werden, je nach Einschätzung der Frühförderung, spätestens in einem halben Jahr weitere Schritte unternehmen.
An Muki Turnen oder andere Gruppenangebote habe ich auch schon gedacht und der Arzt hat ebenfalls auch noch darauf hingewiesen. Natürlich zusätzlich zum Kita Besuch.
Deinen Beitrag habe ich mir sogar extra als Notiz gespeichert 😉❤️
Ich wollte dir nur sagen - falls ich deine Beschreibungen richtig verstanden habe - dass mein 4,5-Jähriger genauso drauf ist.
"Ich weiss auch, dass es sein Ausdruck von Überforderung ist, sowie andere Kinder weinen oder verstummen .. wird er zum Derwisch."
Genau so ist es hier auch. Völlig überdreht, teils ein bisschen wie ein wildes Tier, und nichts hilft. Wenn die Situation nicht mehr neu und verunsichernd ist, wird es deutlich besser. Am schlimmsten war es kurz vor dem 4. Geburtstag durch einen Umzug (und mit 2,5 Jahren durch das Geschwisterchen). Aktuell ist es viel besser, aber es gab in den letzten Monaten auch keine Veränderungen. Dieser Schweizer Kindergarten ist ja fast wie eine Einschulung und somit eine große Veränderung.
Ich habe es bisher nicht als Entwicklungsverzögerung wahrgenommen. Ich habe unter anderem Entwicklungspsychologie studiert, aber natürlich kann man beim eigenen Kind blinde Flecken haben. Jedes Kind hat aber ja andere Ausdrucksweisen, Schwächen und Stärken. Manche Kinder werden still und anhänglich und verweigern, das ist sozial akzeptierter. Ich kann allerdings bei meinem Sohn auch ADHS nicht ausschließen, hat mein Partner nämlich auch. Damit könnte es vielleicht zu tun haben. Aber ADHS sollte auch kein Grund für eine Rückstellung für ein ansonsten fittes Kind sein.
Es tut mir total leid für euch und ich bin wenn ich das lese echt froh, dass mein Sohn gerade im deutschen Kindergarten noch keine großen Erwartungen erfüllen muss. Die ErzieherInnen sind total zufrieden mit ihm.
"Es tut mir total leid für euch und ich bin wenn ich das lese echt froh, dass mein Sohn gerade im deutschen Kindergarten noch keine großen Erwartungen erfüllen muss. Die ErzieherInnen sind total zufrieden mit ihm."
Unsere Tochter geht auch in einen Schweizer Kindergarten. In der Kita waren die Entwicklungsgespräche im Wesentlichen immer "alles bestens". Einerseits freut es einen als Eltern, wenn alle zufrieden sind, andererseits hilft es, sofern echte Probleme bestehen, auch nicht weiter. Unsere Kinderärztin hat z.B. bei der Kindergarten-Eintrittsungersuchung exakt den wunden Punkt gefunden, von dem in der Kita nie die Rede war, und den ich damals deshalb auch nicht allzu ernst genommen habe. In einem System, wo (bezogen auf unser Kind) präziser Umgang mit dem Stift oder konzentrierte feinmotorische Arbeiten Pflicht sind, fällt das Defizit auf, in einem System, wo es keine klaren Vorgaben gibt und jemand wie unsere Tochter den Schwierigkeiten geschickt ausweichen kann, eben nicht. Ich hatte seinerzeit ja hier einen Thread eröffnet, dass unsere Tochter im Gegensatz zu allen anderen Kindern abstrakt malt. Rückblickend gesehen ist klar, dass das ihre Methode war, um für sie feinmotorisch anspruchsvollen Problemen auszuweichen.
Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man solche Dinge nicht persönlich nimmt, als Abwertung des eigenen Kindes oder als Vorwurf, dass man als Eltern versagt hat. Vielmehr geht es darum, dem eigenen Kind in der Entwicklung zu helfen.
Hallo Rovina,
Danke noch für deine Antwort. Es tut mir gut zu erfahren, dass wir da nicht alleine sind.
@
Manche Kinder werden still und anhänglich und verweigern, das ist sozial akzeptierter.
Genau damit hadere ich sehr. ich weiss von einem Kind welches seit Kindergartenbeginn unglücklich ist und nicht spricht. Da scheint aber überhaupt kein Zeitdruck zu bestehen.
Ich selber gehe davon aus dass ich ADS habe( ohne Diagnos). Ich kann nicht ausschliessen dass später eine solche Diagnose bei ihm gestellt wird. Wir haben jetzt eine Frühförderung beantragt welche ihn über einen gewissen Zeitraum bei uns besucht. Wenn es in der Richtung was zu entdecken gibt werden die sicher aufmerksam werden.
Hat dein Sohn vor dem Kindergarten keine Krippe besucht, so dass da schon Defizite auffallen?
Ja, es war aber eine kleine altersdurchmischte Gruppe - Kein Vergleich mit dem Kindergarten.