Sind Umgangsformen Out?

Ich war gestern auf einem Workshop über Geschwisterkonflikte und da ging es unter anderem um den (Un)Sinn erzwungener Entschuldigungen (was mir auch einleuchtet, da soll auch gar nicht Thema sein). Auf alle Fälle kam bei der ganzen Diskussion auch das Thema "Bitte" und "Danke" auf und ich war ziemlich überrascht, dass die Mehrheit der Anwesenden Eltern den Standpunkt vertraten, ihre Kinder müssten nie Bitte und Danke sagen. Wenn dann sollten Bitte und Danke von Herzen kommen und "ehrlich" sein.

Mir war immer wichtig, dass meine Kinder von klein auf bestimmte Umgangsformen erlernen. Also z.b. kein "Oma, Durst!" durch den Raum gebrüllt wird, sondern ein "kann ich bitte etwas zu trinken haben". Das man sich bei der Verkäuferin beim Metzger bedankt, wenn die ein Wiener spendiert oder wenn ich sie von einem Playdate abhole der Gastmutter ein "auf Wiedersehen, danke" zuteil werden lässt.
Das gehört für mich einfach zu grundlegenden Umgangsformen von Anstand und Benehmen, genauso wie ein "Guten Morgen" im Kindergarten, das man die Tür aufhält wenn jemand die Hände voll hat oder einen Platz im Bus frei macht, wenn jemand den dringender braucht als man selbst. Und wie sollen sie das lernen, wenn nicht im Elternhaus?

Bin ich mit dieser Auffassung echt so alleine? Sind Umgangsformen irgendwie out? Würde mich mal interessieren wie das bei euch so ist: Bringt ihr euren Kindern "Bitte" und "Danke" bei?

1

Bei uns läuft das wie bei dir.
Sie können es mal besser, mal schlechter. Aber ich erinnere Sie regelmäßig daran.

2

Hi,

ich hatte immer so Angst davor :D Ich war wirklich immer schüchtern und das Guten Tag, danke usw. war bis zu einem gewissen Alter ein Horror für mich.

Daher habe ich meinen Sohn da nicht gezwungen. Er ist jetzt 9 und kann es trotzdem. Bedankt sich an der Wursttheke, und bestellt die Sachen beim Bäcker genauso wie ich es vorlebe. Zu Hause haben sie trotzdem oft noch eher kurze Sätze, da frage ich dann auch mal doof nach, wenn einfach nur ein : Durst ! kommt.

Ja, was ist mit Durst? ich habe Durst. Gut dass du es mir gesagt hast und jetzt? Kannst du mir bitte ein Glas Wasser machen? - Gerne. :D

Funktioniert zu 90 %. Ich lasse meinen Kindern aber auch manchmal etwas Zeit. Wenn sie sich nämlich richtig über was freuen, müssen sie das manchmal auch ein paar Sekunden verarbeiten, bevor sie dann daran denken Danke zu sagen.

Mein Sohn kommt da sehr nach mir und ist eher zurückhaltend, für ihn ist es schwierig fremde Menschen von sich anzusprechen und er braucht da länger für. Er hat z.B. im Kindergarten bis zum Schluss nicht guten Morgen gesagt, aber am Schluss immerhin Tschüss, bei der Verabschiedung. Da war er dann angekommen. In der Schule weiß ich es jetzt nicht, aber sein Verhalten ist wohl in Ordnung, es stand noch nie was anderes Im Zeugnis oder wurde bei den Elterngesprächen angesprochen.
Es ist für ihn inzwischen aber auch nicht mehr so schlimm wie gesagt und er bekommt es jetzt auch gut hin, eben dadurch, dass ich das Vorlebe.
Ich habe dann eben einfach Guten Morgen/Tag und Tschüss gesagt und natürlich habe ich mich bedankt. Vergessen es die Kinder heute mal, muss ich sie meist nur anschauen und dann wissen sie schon, dass sie was vergessen haben und sagen dann noch schnell Danke. Sie sind jetzt 9 und fast 6, die Kleine hat deutlich weniger Problem und sagt schon lange, Guten Morgen und Tschüss im Kindergarten.

3

Mein Sohn sagt immer bitte und danke und ich bekomme regelmäßig sehr positive Rückmeldungen, weil dies positiv auffällt. Tatsächlich aber vor allem von den älteren Generationen, ich kenne sehr viele Eltern die keinen Wert drauf legen. Meine Nichte und mein Neffe schaffen es mit 17 und 15 bis heute nicht, sich für ein Geschenk zu bedanken. Das stößt mir sehr negativ auf.

Zusammengefasst: ich erlebe es auch, dass es für Eltern out ist (und sie es auch den Kindern nicht besser vorleben), aber dass es durchaus sehr positiv auffällt, wenn ein Kind gute Umgangsformen aufweist. Wir bleiben daher auf unserem Weg.

4

Natürlich sollen die das lernen - aber es kommt aufs wie an: durch vorleben


Die Nichte war letztens bei uns und durfte ein mini-Tütchen weingummi was unsere ihr geschenkt hat nicht ôffnen bis die danke gesagt hat über 30 Minuten haben die eltern das Kind genervt? Schon tränen in den Augen

Furchtbar

17

Liebe Lola, wie alt ist denn eure Nichte? Ein schlichtes Danke zur Tante ist ja kein Horrorzwang, als schüchternes Kind zb wildfremden Menschen die Hand schütteln zu müssen? Dass sie das Wort 30 Minuten verweigert hat bis zu Trägen, lässt mich doch annehmen, dass es da eher um einen Machtkampf zwischen Eltern und Kind ging, nicht um die Sache?

LG Lil

20

Wird im Juni 4

Die halten das f richtige Erziehung

weitere Kommentare laden
5

Hallo,

ich bin ganz bei dir - Das wird ganz klar von uns Eltern vorgelebt!

Unsere Jüngste ist sehr introvertiert und schüchtern, da kanns schon mal vorkommen dass sie sich nicht grüßen/danken/bitten... traut (obwohl es wird schon sehr viel besser!), da haben wir sie nie gezwungen, aber sehrwohl darauf hingewiesen.
Und wir leben es vor, und mittlerweile macht sie es auch da Kinder einfach "Nachahmer" sind.

Kinder regelrecht zwingen und darauf beharren finde ich unnötig und schüchtert sie nur noch mehr ein.
Der 2-Jährige meines Cousins hat letztens "Hallo" zu mir gesagt, wollte mir aber die Hand nicht geben.
Mein Cousin hat sicher 10 Min. darauf bestanden und dem Kleinen alles andere verboten bis er mir die Hand gegeben hat - DAS fand ich unnötig!

Die Schulfreundin meiner Großen kann auch nicht danken, wenn die abgeholt wird ruft die Mama bei ihr an, sie geht raus, ohne Tschüss, ohne Danke....das finde ich auch unnötig und weise meine Große dann sehrwohl darauf hin, dass ich von ihr erwarte dass sie sich freundlicher und dankbarer verhält wenn sie bei ihren Freundinnen ist.

6

Ja, meine Kinder sagen „Bitte“, wenn sie etwas jemand anderem geben und bei Fragen, wenn sie betteln. Wenn sie etwas bekommen sagen sie bei bekannten Personen in der Regel „Danke“. Sie sagen es aber nicht bei fremden Personen, weil zu schüchtern.
Ich finde das in dem Umfang OK, was aber saran liegt, dass ich es ihnen im selben Umfang vorlebe. Wir haben es ihnen also nicht aktiv beigebracht, sondern es ist teil unseres Umganges miteinander.

Wenn sie an der Theke ein Würstchen oder so bekommen, bedanke ich mich stellvertretend für die Kinder. Ich würde kein „Danke!“ aus ihnen heraus erpressen wollen.

Grüßen ist noch schwer. Aber ich grüße und es wird mehr, dass die Kinder es auch machen. Aber vom Grüßen und Verabschieden in den Kitas sind wir noch weit entfernt. Finde ich aber auch nicht notwendig, auch weil wir aktiv hinter den Erziehern herlaufen müssten. Sie winken amal in den Raum, aber es gibt meistens keine konkrete Person von eer man sich verabschieden kann. 🥹

Bearbeitet von RosarotesSchweinchen
7

Ich war selbst als Kind sehr schüchtern und konnte das bis weit ins Grundschulalter nicht, mir war es einfach unangenehm.

Ich erinnere mich sehr gut daran, wie schlimm ich es fand, wenn ich dazu gezwungen wurde, genauso, wie irgendwelchen Großtanten ein Küsschen zu geben oder unbedingt mit Oma telefonieren zu müssen.

Heute kann ich es natürlich.

Mein Kind wird nicht dazu gezwungen, aber ich hoffe, dass es am Vorbild lernt.

Wenn sie nichts sagt, sage ich sowas wie: "komm wir sagen nochmal den Erziehern Tschüss/dem Metzger danke." Dann sagt sie es manchmal, manchmal winkt sie nur freundlich.

Meine ist fast 3 und konnte mit 2 in vollständigen Sätzen sprechen. Wenn sie brüllt: "Mama, Essen!", dann sage ich übertrieben süßlich: "Du meinst, liebe Mama, ich habe Hunger, bitte bring mir doch etwas zu Essen! -Aber sehr gerne doch, mein lieber Schatz!"

8

Umgangsformen sind eben keine gesetzliche Pflicht, sondern freundliche Gesten, weil man mit anderen gut auskommen will bzw. es allen damit gut geht. Und ich bin der Überzeugung, dass es Kindern sogar besonders wichtig ist, gut mit ihren Mitmenschen auszukommen und gemocht zu werden. Wenn sie es dennoch nicht schaffen, "Guten Morgen" zu sagen, sich zu bedanken oder eine Bitte zu formulieren, dann liegt es meist an Unsicherheit/ Schüchternheit, weil all diese sozialen Erwartungen ganz schön überfordern können. Ich sehe keinen Sinn darin, es dann zu erzwingen. Ich lebe es vor und frage meine Kinder in den jeweiligen Situationen, ob sie sich verabschieden möchten, bedanken möchten etc. Meist tun sie das, wenn nicht ist es in der Regel auch kein Problem. Wenn ich denke, dass die andere Person wirklich wert drauf legt, sage ich das dann "ich glaube der Oma ist es sehr wichtig, dass du dich von ihr verabschiedest". Klappt dann auch manchmal. Aber wenn sie gerade nicht können oder wollen, dann sehe ich keinen Sinn in einer erzwungenen Höflichkeitsformel und würde selbst auch keinen Wert auf sowas legen.

Hatten wir erst kürzlich, dass ein Kind gezwungen wurde, sich bei meinem zu entschuldigen. Es hat uns nicht angeschaut und eben ein "Entschuldigung" rausgepresst. Wem bringt das was? Wir wussten gar nicht, wie man darauf reagiert. Es hat nicht gerade dazu eingeladen, dem anderen Kind zu verzeihen.

Bitten finde ich tatsächlich manchmal problematisch. Ein Kleinkind sollte nicht bitten müssen, um Wasser zu bekommen oder eine frische Windel. Es ist Aufgabe der Eltern für diese Dinge zu sorgen. Ist ja nicht die Schuld der Kinder, dass sie es selbst noch nicht können. Erst wenn die Kinder etwas auch alleine können, lege ich wert auf das freundliche bitten. Denn dann geht es ja um einen Gefallen und nicht um meine Pflicht. Genauso auch mit dem bedanken. Kleinkinder sollten bestimmte Unterstützung erwarten dürfen und müssen deshalb nicht dankbar sein, wenn ihnen geholfen wird.

9

Hallo,
ich lege Wert darauf, dass man sich bedankt, wenn man etwas geschenkt bekommen hat. Das ist ja keine selbstverständlichkeit, also soll man das doch lernen. Sei es das Brötchen beim Bäcker oder Geschenke von den Großeltern. Möchte man das nicht, dann brauch man ja auch die Geschenke nicht annehmen.
Ebenso wenn man zum Geburtstag eingeladen ist, sollte man gratulieren. Einmal wollte K1 das nicht und verlangte stattdessen sofort nach dem Kuchen bei Oma. Er konnte sich überlegen zu gratulieren oder eben keinen Geburtstagskuchen.
Guten Morgen und Tschüß sage ich, erzwinge ich aber nicht.
Ebenso muss keiner eine Umarmung, die Hand oder gar ein Küsschen geben. Reden reicht.
Wird Oberfeldwebelmäßig am Esstisch "Butter" verlangt, reagiere ich nur auf freundliche Ansprachen mit explizit Bitte. Sonst kann derjenige seine Beine selber bewegen und es sich holen. Ansonsten reichen auch ganze Sätze, wie "kannst du mir die Butter geben".

Wenn man jemanden verletzt, bestehe ich schon auf eine Entschuldigung, erst recht wenn es Absicht war. Ich sehe keinen Grund, dass man damit durchkommt jemanden absichtlich zu verletzen.

14

Das heißt schüchterne zweijährige sollten beim Einkaufen nichts geschenkt bekommen, weil sie sich noch nicht trauen danke zu sagen, die Kinder mit unbekümmertem Temperament aber schon?

27

Okay, hier wäre ich tatsächlich dafür, freundlich und in normalem Ton zu sagen: "Bitteschön, hier ist die Butter!" Mit der Zeit wird dem Kind (vermutlich) auffallen, dass sein Ton rauer ist das deiner.

Aufforderungen zur Höflichkeit können als Beschämung empfunden werde und dann kann man Höflichkeit mit Beschämtwerden verbinden und bewusst verhindern, weil man das Gefühl hat, immer, wenn man Höflichkeitsfloskeln benutzt, den Triumph des Gegenübers darüber zu erleben, dass es einen dazu gebracht hat.

Man freut sich also nicht, höflich zu sein und dafür Höflichkeit zu erhalten, sondern man schämt sich, dass man schon wieder bitte, danke, Entschuldigung sagen musste.

Kennst du Menschen, die einen bei Komplimenten beschämen? "Du hast ja richtig viel abgenommen!" "Genau, im Gegenteil zu dir!" "Du hast ja eine schöne Osterdeko!" - "Ja, ich lege ja auch wert auf meine Wohnung, anders als du!" "Wow, du hast ja schön den Tisch gedeckt!" - "Ja, es hat mir aber auch keiner geholfen!"
Diese Menschen bringen einem bei, keine Komplimente mehr zu vergeben.

Beschämung durch erzwungene Höflichkeitsfloskeln kann einen ähnlichen Effekt haben.

Ich hatte das als Kind mit Grußformeln. Irgendwann habe ich morgens bei bestimmten Verwandten zigmal laut "Guten Morgen!" geschrien, weil das immer überhört wurde und ich mit einem sarkastisch "Guten Morgen?!?!?!" (stumm: kannst du nicht grüßen?!) begrüßt wurde.
Das führte dazu, dass ich eine ganze Zeit Stress hatte, wenn ich jemanden grüßen sollte und immer versuchte, das so laut und früh wie möglich zu machen, aber eben nie wirklich freiwillig und mit Freude.

Bearbeitet von Toschkalee