Das Leben ist zu langsam für sie.

Guten Morgen,

ich hatte bereits ein oder zweimal wegen meiner schusseligen Tochter gefragt, die einfach unaufmerksam ist und u.a. gegen Türrahmen gelaufen ist, draußen immer stolpert und sowieso ganz anders ist als unser erstes Kind, was sich super konzentrieren konnte. Wir hatten die Befürchtung sie könnte ADHS haben.
Im Entwicklungsgespräch in der Krippe wurde mein Mann mit großen Augen angesehen, als er danach fragte. Sie war dort vorbildlich, regeltreu, sehr angepasst und zeigte altersangemessene Konzentration. Da die Erzieherin aber unser erstes Kind kannte, wusste sie, warum es uns komisch vor kam.

Soweit so gut: Das Kind ist größer geworden, wurde 3, ist im Kindergarten sehr schnell eingewöhnte worden und immer noch sehr angepasst und selbstbewusst. Nun hat sich zuhause aber etwas entwickelt, was uns irgendwie nervt: Sie spielt u.a. gerne Memory, aber sie bleibt nicht sitzen. Sie dreh ihre Karten um, springt auf, rennt um den Tisch, dreht wieder Karten um und hat so fix Paare zusammen - und gewinnt. Sie guckt auch hier gar nicht hin, macht nebenbei etliches anderes und zieht uns trotzdem ab. Das kratzt auf der einen Seite minimal am Ego, aber es überwiegt das das „WTF, wieso kriegt sie das mit, wenn sie eh nicht aufpasst?!“ Sie hat bislang alles nebenbei gelernt: Vom Bruder abgeguckt und dann konnte sie alles.

Mir kommt es langsam aber so vor, als wäre ihr das Leben zu langsam. Sie rennt und stolpert dabei, sie springt auf, fällt hin, sie kann nicht stillsitzen, lernt nebenbei alles auswendig, was sie hört, gewinnt ohne Hinzugucken in Memory -.-

Kommt jemanden die Bezeichnung, dass das Leben zu langsam ist, bekannt vor oder kann nachempfinden, was ich damit meine?

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Ja, mir kommt das sehr bekannt vor. Es liest sich so, wie meine Mutter meine Kindheit beschreibt

Ich habe es erst vor kurzem wieder zu meinem Mann gesagt, dass es ganz schön schwierig ist zu akzeptieren, dass nicht alle so schnell denken können wie ich und deshalb für alles (zumindest in meinen Augen) so lange brauchen.

Gefühlt brauchen andere ewig, um etwas, was ich bereits in Sekunden verstanden habe, zu verstehen. Das macht mich dann innerlich ungeduldig und ich muss mich in der Zwischenzeit dann immer wieder mit irgendetwas anderem beschäftigen, da mir sonst sehr schnell langweilig wird. Für andere könnte das dann durchaus so wirken, als würde ich mich nicht konzentrieren oder gar nicht hinsehen.

Ich bin dadurch innerlich auch unruhig (gewesen) und war ständig in Bewegung.

Heute bin ich ruhiger, aber das Denken und die schnelle Auffassungsgabe ist geblieben. Ich habe eine sehr hohe Konzentrationsfähigkeit.

Ich habe weder ADHS , noch war/bin ich hyperaktiv. Mir war nur sehr oft langweilig. Inzwischen weiß ich, dass ich hochbegabt bin und, was vielleicht in Kombination der Grund dafür sein könnte (keine Ahnung, eigene Erklärung)ich habe ein fotografisches Gedächtnis. Alles was ich sehe, lese und aufschnappe, wird sofort abgespeichert und kann jederzeit abgerufen werden. Ich speichere dazu auch das visuelle Bild, da ich zudem die Fähigkeit habe, Sachen gedanklich zu visualisieren und mir so vieles besser merken kann und all das kann ich dann beliebig miteinander kombinieren und zwar sehr schnell. Da das die meisten Menschen nicht so können, sind ihre Handlungen für mich eben sehr langsam.

Warum das so ist weiß ich nicht, aber ich kann das Verhalten deiner Tochter verstehen. Warum es bei ihr so ist weiß ich natürlich auch nicht, aber es gibt mehrere Gründe dafür und sie ist nicht die einzige damit. Wichtig ist, ihr nicht das Gefühl zu geben, sie wäre anders oder gar „nicht normal“. Sie ist völlig normal wie jeder andere Mensch auch und genauso einzigartig.

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Ach so: mein Großer ist übrigens ebenfalls so schusselig und war als Kind auch so, wie du deine Tochter beschreibst und mir sehr ähnlich.

Inzwischen ist er 21 und irgendwann kam er zu mir und hat mir erzählt, dass er Schwierigkeiten hat, dass alle anderen so lange brauchen, bis sie etwas endlich verstanden haben und er nicht versteht warum… wir beide brauchen doch schließlich auch nicht so lange und warum sie dann noch nicht einmal die richtigen Schlüsse daraus ziehen können etc.

Er ist auch bereits im Kindergarten aufgefallen, weil er mit nicht mal drei Jahren Wörter verwendet hat, die selbst für viele Erwachsene ungewöhnlich sind und er sprachlich weit voraus ist. Z.B. Die Suppe heute Mittag war nicht sehr wohlschmeckend, dafür waren aber die Nudeln ausgesprochen deliziös. Er hat in diesem Alter auch bereits angefangen, die ErzieherInnen in Grund und Boden zu diskutieren, später dann die Lehrer und mich. Hochbegabt ist er nicht, er liegt knapp über dem oberen Normwert, aber in einigen Bereichen liegt er deutlich höher.

Er ist ansonsten ein völlig normaler Junge gewesen mit sehr viel Phantasie und Wissensdrang, den ich stets gefördert habe, aber nicht gefordert oder überfordert. Er bekam was er gebraucht hat.

Vielleicht ist das bei deiner Tochter ähnlich. Rede mit ihr. Möglicherweise kann sie das jetzt noch nicht so gut ausdrücken, aber sie wird älter und dann ist es wichtig im Gespräch mit ihr zu bleiben. Solche Kinder können schnell unterfordert sein und manche werden dann z.B. aggressiv oder verschlossen. Langeweile kann auch zu schlechten Noten führen. So war es bei mir. Manche wollen auch nicht auffallen oder anders behandelt werden, damit sie Freunde haben. Andere brauchen besondere Förderung usw.

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Das klingt ja sehr nach Hochbegabung bei deinem Sohn. :)

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Mir geht es so wie Fechdachs: Ich war auch so ein Kind. Und ich merke es auch jetzt als Erwachsener noch, wie sehr es mich innerlich stresst, wenn andere langsamer sind. Wobei "langsam" in der Regel "normal" bedeutet. Für mich sind z.B. Erzählungen anderer ein großes Problem, weil ich innerlich abdrifte, wenn es nicht schnell genug geht. Oder fokussiert genug. Umwege in der Konversation oder "Ach, fällt mir noch ein..." stressen mich total.

Bei einigen meiner Geschwister ist ebenso, und ich vermute, dass das auch durch unsere Kindheit in einer riesigen Familie so wurde. Du musstest bei allem schnell sein - ob du die letzte Kartoffel wolltest oder das Memory gewinnen 😄 Ich erinnere mich an viele Spiele, die meine Eltern abgebrochen haben, weil es in Ruhe nicht ging. Irgendeiner rannte rum, mache nebenbei was anderes, war in Gedanken schon fünf Schritte weiter...

Ich verstehe das, habe aber auch keinen Tipp und kann leider auch nicht sagen, dass es besser wird. Dieses Hibbelige, also die körperliche Unruhe, haben wir alle nicht mehr - aber der Drang zu "schneller" im Kopf ist unverändert. Man lernt nur, es zu kanalisieren.

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Wir haben zwar bur zwei Kinder, aber auch bei und muss man schnell sein, denn Essen, Spielzeug usw. wird gerne gemopst. Kann sein, dass sie deswegen konstant gestresst und deswegen schusselig ist. Aber eigentlich wirkt sie immer ganz sorgenfrei glücklich, wie eben eine vergessliche Biene, die von einer Blume zur nächsten fliegt und vor Enthusiasmus nicht mitbekommt, dass die Pollen aus ihrem Säckchen fallen. 🤷‍♀️
Auffällig ist aktuell, dass ihr alles zu laut und zu trubelig ist, obwohl dies bis zum Sommer genau ihr Ding war. Hier schätze ich aber, dass dies noch am Übergang zur Kita liegt. Selbst wenn sie dort mitspielt wie ein alter Hase ist es ja dennoch alles neu.

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Ich würde die Kombination (Hoch)begabung und ADHS mal im Auge bzw. auf dem inneren Notizzettel behalten in den kommenden Jahren.
Hochbegabung oder auch „nur“ sehr überdurchschnittliche Begabung äußert sich bei Unterforderung gerne wie ADHS. Kannn aber eben auch gemeinsam auftreten.
Sehr kluge Kinder, besonders Mädchen, sind auf Grund der Intelligenz außerdem meist gut in der Lage ihre ADHS-Symptome in Kita/Schule zu kompensieren und sich sehr gut anzupassen. Ein Leidensdruck kann aber trotzdem da sein.

Da ich so war, wurde bei mir erst als Erwachsene die Neurodivergenz festgestellt. Für meine Eltern war ich eben einfach ein schlaues Mädchen, dass eben „anders“ war. Sie haben das immer sehr positiv gesehen. Ich hatte halt meinen eigenen Kopf. Nur leider habe ich trotzdem extrem unter innerer Unruhe und Gedankenkarussell gelitten. Da hätte eine frühe Diagnose viel erleichtert.

Bearbeitet von Anderling
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Ja, die Kombination, auch in Verbindung mit ASS, kenne ich und behalte ich im Hinterkopf. In der Kita klappt es (augenscheinlich) hervorragend, sie ist sehr darauf bedacht nicht anzuecken, führt auch die großen Rabauken an und geht selbstbewusst zu anderen Erwachsenen.
Aber dass sie unterfordert ist, sehe ich nicht. Forderung kann aber auch explizit, außer dem was man im Alltag eh macht, nicht stattfinden, weil es wirklich gar keinen konstruktiven Austausch gibt. Es finden mit ihr gar keine Dialoge statt und alle ernsten Fragen werden mit Quatsch beantwortet. Sie ist vol Verhalten für mich immer noch wie mit 7 Monaten: Immer gut gelaunt und für jeden Quatsch zu haben. Ernsthaftigkeit ist Fehlanzeige. Wenn sie sagt, was sie mag, kann man darauf nicht vertrauen, denn sie hat es nach ein paar Sekunden eh vergessen. Das kann mir aber auch nur so schlimm vorkommen, weil der Bruder das komplette Gegenteil ist und nahezu noch nichts vergessen hat. 🤷‍♀️ Diese Diskrepanz zwischen beiden Geschwistern ist schwierig nachzuvollziehen und manchmal auch schwierig zu ertragen, denn mit dem einen kann man sich seit über zwei Jahren intellektuell austauschen und Gedanken und Gefühle abgleichen, die andere ist wie ein Block. Einzig wenn es ihr nicht gut geht, will sie kuscheln. Ist der Kuscheltank aufgefüllt, will sie nichts mehr wissen und ist auf und davon.
Sie kommt in der Kita aber augenscheinlich gut mit und ist geistig stabil. Ob sie z.B. wegen der Schusseligkeit Selbstzweifel hat, ist mir unklar. Heute hätte sie beim Einkaufen fast das Marmeladenregal umgekippt und hat schon leicht genervt gesagt, dass sie sich ja schon Mühe gibt vorsichtig zu sein. Das war das allererste mal, dass sie etwas dazu gesagt hat.
Ich will auch nicht ausschließen, dass sie einfach wunderbar verzogen ist, da sie das unkomplizierte Kind ist und dadurch innerfamiliar nie angeeckt ist und dementsprechend hat sie seltenst negatives Feedback bekommen. Selbst Fremde reagieren auf sie sehr positiv.

Ich bin auf das Entwicklungsgespräch im Winter gespannt. Denn auch wenn Kinder gerne Sachen fallen lassen und verlieren, nimmt das Ausmaße an, die ich für nicht mehr normal halte und gleichzeitig kommen wir aber auch an sie nicht ran, weil sie Gespräche abblockt und anstatt zu antworten herumkaspert, weswegen man davon ausgeht, dass es ihr super geht.

Bearbeitet von RosarotesSchweinchen
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Ja, es kommt mir sehr bekannt vor, sowohl von mir, als auch von meiner Tochter.

Sie ist vor kurzem 5 geworden, liest seit über einem Jahr flüssig und bringt sich gerade selber Mathe auf 4-Klässler-Niveau bei. (Augenscheinliche) Konzentration: Fehlanzeige, sie ist ein Schmetterling der von Blume zu Blume gleitet, planlos, stolpert die ganze Zeit über ihre Füße, hört nur mit halbem Ohr zu und kann trotzdem Auskunft über Gott und die Welt geben. Wenn ich mit ihr spiele dann zockt sie mich ab, beim Memory kämpfe ich um mein Leben, trotz eigener enormer Merkfähigkeit.

Es ist was es ist, der Geist braucht Futter, ich liefere und bete für ihre Lehrer in einem Jahr.

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Wir haben wohl einen ähnlichen Schmetterling zuhause. Die Analogie bleibt gleich, wobei es bei meiner Tochter auch gerne die Honigbiene sein kann, die den Pollen aus dem Säckchen verliert, was aber nicht so schlimm ist, denn - hey! - da hinten ist noch eine Blume! 🌼

Ich habe auch überlegt, ob sie gefördert werden will, aber es gibt keine Möglichkeiten, denn sie hört nicht zu. Man kann ihr nichts erklären, denn sie schaltet ab. Gespräche haben wir noch keines Geführt, denn sie kaspert herum oder ist „weg“. Sie ist wie ein Baby, was glucksend unterm Spielebogen liegt. Den ganzen Tag. Jeden Tag in ihrem Leben.
Wir sind gerade im Urlaub und haben die Spielesammlung mit. Sie wollte Dame spielen und hat die Spielregeln auch verstanden, aber nach drei Zügen war sie zuerst geistig und dann auch physisch weg.

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Ich würde das Kind einfach mal sein lassen, wie es ist, ohne ständig irgendein Label zu suchen.
Ich verstehe ja, dass man drüber reden will.. aber vielleicht ist dein Kind2 einfach nur ganz anders als Kind1. Und mal ganz platt gedacht - vielleicht würds auch keinem komisch vorkommen, wenn dein Kind ein Junge wäre.

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Wie kommst du darauf, dass ich ein Label suche? Ich frage mich einfach, ob es jemandem bekannt vorkommt, denn ich kenne es von keinem der Kinder aus unserem Umfeld. Wenn es danach ginge, dürfte man ja gar nichts fragen oder wertest du es dann anders?

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Naja mir ging es beim Punkt dass dein Mann in der Krippe die Erzieherin auf ADHS angesprochen hat auch so. Dass ich dacht warum in aller Welt kommt man bei einer unter Dreijährigen auf so einen Verdacht und benennt ihn so klar. Auch dass du dir jetzt schon sicher bist dass es eher keine hochbegabung ist. Wie kommst du zu der Erkenntnis?

Nimm mal den großen und den Vergleich raus. Was ist es dann, was auffällig ist?

Spannend finde ich den Punkt dass man kein Gespräch mit ihr führen kann. Mit Dreijährigen ist das jetzt aber auch nicht so überraschend. Wie spricht sie, wenn du sie einfach erzählen lässt?

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Fürs Memory

Da würde ich mehr Futter geben dass es interessant ist

3er oder 4 er Memory

Oder doppelseitiges Memory

Gibt es alles zu kaufen 👍


Bezüglich Bewegung dazu : In Bauchlage in eine Hängematte- dann schwebt sie über den Karten und kann sich bewegen und trotzdem alle erreichen.


Ansonsten :

HB Kids und Erwachsene können teilweise 3 Sachen parallel machen
und sind trotzdem konzentriert dabei

Musik hören und HA sind der Klassiker

Oder Podcast mit erhöhter Geschwindigkeit hören

Oder VK, Podcast und Musik ...


Von daher - nicht ungewöhnlich

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HB sehe ich bei ihr gar nicht. Sie ist gegen neuen Input völlig immun. Es muss zufällig geschehen oder im Kindergarten. Zuhause verhält sie sich wie sie es mit 7 Monaten getan hat: sie ist glücklich, am herumalbern, kommt vorbei zum Nähe tanken und ist dann wieder weg -.-

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Hallo,

"Das Leben ist zu langsam für mich" ist eine Beschreibung, die ich von einigen ADHSlern kenne, die sagen, genau das beschreibt das Gefühl, ADHS zu haben.

ja, ich kenne das, sowohl von meinem Bruder, als auch von meinem Sohn. Allerdings haben beide auch ADHS. Mein Bruder hat hochgradig ADHS, er liest keine Bücher mehr, sondern hört sie als Hörbücher auf Englisch mit 2-3 facher Geschwindigkeit. Er meint dann passt das Tempo und er schweift nicht ab! Klingt für mich völlig bekloppt, aber ich kenne einige ADHSler, die das können und tun.

Viele vergessen beim Thema ADHS, dass es ja keine generelle Aufmerksamkeitsstörung ist, sondern eine selektive. Sprich wenn sie etwas interessiert, dann können sie sehr wohl aufpassen und zwar durch den Hyperfokus länger und ausdauernder, als Neurotypische! Sie schaffen es nur nicht, wenn sie etwas nicht reizt, sie aber "müssen".
Es ist nicht immer das "Störenfried, Zappelphillippine, Schulversager-ADHS." sondern es hat ja auch gute Seiten, und wenn man Glück hat, kann man mit einer einigermaßen hohen Intelligenz und einer richtigen Verteilung der Symptome, richtiger Schul- und Berufswahl und geeigneter Interessensstreuung auch dank ADHS sehr erfolg reich sein plus unter dem "verhaltensgestört" Radar durchlaufen! Wenn einen die Schule interessiert, wenn einem die Sachen, die im Kindergarten durchgenommen und gemacht werden Spaß macht, dann kann man da als ADHSler auch völlig unerkannt durchkommen bzw sogar glänzen! Blöd wirds ja nur, wenn man keinen Bock hat, dann fehlt eben das "Sich zusammenreissen können". Ähnlich wie es hochfunktionale Autisten gibt, gibt es ebensolche ADHSler. Ich kenne einige Führungspersonen, sehr erfolgreich im Job, die nach dem, was ich über ADHS inzwischen weiß, auch durchaus ADHS haben könnten. Und oft brechen die dann irgendwann mit einem Burnout zusammen.

Also ja, mein Sohn ist genauso. Fahrradfahren hat er gelernt indem er 100 mal hingefallen ist, wieder aufgestanden, wieder hingefallen ... auch scheinbar absolut schmerzresistent. Meine Nachbarin sagt heute, noch, dass sie folgenden Dialog zwischen uns nie vergessen wird. "xy, komm bitte rein, wir hören für heute auf!" - "Ja Mama, noch 3 mal hinfallen, dann lass ich es gut sein für heute!"

Dass er im Unterricht abwesend erscheint, aber trotzdem alles mitbekommt, hören wir von jeder Lehrkraft, die ihn unterrichtet. Auch privat bekommt er Sachen mit, dass wir nur so mit den Ohren wackeln. Ausgeprägt ist auch seine Fomo, er hört jede Nachrichten, täglich Logo! und wenn er bei Oma an eine Zeitung kommt, liest er die auch. Mit 10! Er ist auch an vielem interessiert, hört sich gerne Geschichten an, aber nebenbei immer am spielen, seine Tiere oder Metallautos in der Hand. Das führt sozial oft zu Ärger, weil Fremde oder auch Verwandte das Spielen während man mit ihm redet als Desinteresse deuten und sie nicht glauben können, dass er trotzdem voll bei ihnen ist. "Leg das weg wenn ich mit Dir rede" - "Aber ich höre Dir doch zu" - "Man kann nicht zuhören und gleichzeitgig Spielen" - "Doch kann man" ...

Was ihn interessiert weiß er, er spricht seine Hörspiele alle mit, er liebt alle Arten von Memory-Spielen, spielt seit er 9 ist generell einige Spiele aus der "Kennerspiel-des Jahres" Liste und macht beim Spielestammtisch manchen Akademiker nass. Aber immer am hibbeln, Fingernägel kauen, auf dem Stuhl stehen, Haare drehen etc. Zerstreuter Professor.

Das Phänomen, das du beschreibst, kann typisch für ADHS sein, Reizoffenheit, heißt sie bekommt alles um sie herum mit, sie blendet nichts aus, und kann das alles verarbeiten, weil sie beides interessiert, ihr Spiel und das Memory. Ja das macht einen wahnsinnig :-)

Also all das schließt ADHS nicht aus, sondern könnte es sogar erklären. Hier im Forum gibt es auch mindestens eine mit der Kombination ADHS und HB, ich denke, die werden sich auch noch zu Wort melde.

Bearbeitet von IrgendwasMitADHS
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Wenn einen die Schule interessiert, wenn einem die Sachen, die im Kindergarten durchgenommen und gemacht werden Spaß macht, dann kann man da als ADHSler auch völlig unerkannt durchkommen bzw sogar glänzen! Blöd wirds ja nur, wenn man keinen Bock hat, dann fehlt eben das "Sich zusammenreissen können".

Selbst wenn einen die Schule nicht interessiert als ADHSler gibt es da noch Hoffnung ;) Wenn man es irgendwie schafft eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben, kann man als ADHSler nochmal richtig Gas geben, denn das Studienfach kann man sich dann ja nach dem eigenen Interesse aussuchen und den Hyperfokus nutzen.

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Menno, ich muss gestehen, dass ich so eine Antwort wie deine nicht hören wollte. 🫣 Aber ich sehe viele Parallelen: Unfälle haben wir zuhauf und auch mit blutverschmierten Klamotten lässt sie sich nicht davon abhalten weiter zu klettern.
Auch andere Sachen erkenne ich in unserer Familie (leider) wieder. Auffällig finde ich nur noch, dass sie eine ganz starke Selbstregulation hat. Bereits als Baby hat sie sich mit Fingerspielen vor den Augen selbst beruhigt und zum Einschlafen gebracht, später dann recht schnellen Kindertechno/Kinderpartymusik zum Einschlafen und seitdem sie anderthalb ist singt sie sich selbst Schlaflieder. Sie überreizt sehr selten. In ihrem Leben kann ich mich an 3-4 Situationen erinnern, in denen es ihr zu viel war.
Sie kriegt super unausgesprochene Regeln mit und verwendet die auch gerne im Scherz auf eine recht erwachsene Art, um für Schabernack zu sorgen, verliert aber in 20 Minuten viermal ihr Bastelset für Loom-Bänder und kriegt es in der Zeit nicht hin ein Gummiband über die Gabel zu ziehen. Sie findet unterwegs, wie jedes Kind, „Schätze“. Aber wenn ich sie nicht sammle sind sie bis wir zuhause sind verloren und das Kind weint. 🤷‍♀️ Wie geht das?! Muss sie immer einen Assistenzen, zuerst Eltern und dann später einen Partner, haben, der ihr die Sachen findet?! Im Kindergarten ist das alles kein Thema, sie weiß welche Schritte sie einhalten muss, wenn ich sie abhole (Sachen aus der Garderobe holen, Sachen aus ihrem Fach holen, Zeichen umhängen und sich abmelden), aber sie vergisst was es zu Essen gab oder wo sie ihre Handschuhe ausgezogen hat.

Mehrere Sachen gleichzeitig zu machen habe ich immer für normal gehalten, bis ich auf der Arbeit bemerkt habe, dass Kollegen das nicht können.

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Beim Memory kenne ich das auch so.
Ich sehe zu wenig Beispiele und nennenswerte Auffälligkeiten. Das Leben ist zu langsam - finde ich kreativ. Toller Titel

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Das ist ja eine spannende Diskussion hier!

Man hört heutzutage sehr oft Begriffe wie Hochbegabt, Hochsensibel, PDA, ADHS und und und… was sich bei fast allen wie ein roter Faden durchzieht ist die Möglichkeit viele Sachen gleichzeitig wahrzunehmen bzw. sich auf vieles gleichzeitig zu konzentrieren. Und irgendwie werd ich dabei einen Gedanken nicht los - mir kommt es evolutionsbedingt vor. Die Welt wird ja immer wieder schneller, wir kriegen visuelle, akustische und andere Reize von allen Seiten und müssen damit klarkommen und die schnell verarbeiten können. Wenn man an die Welt vor 100 Jahren denkt, war alles deutlich langsamer und einfacher gestickt.

Vielleicht haben unsere Kinder halt neue Features um mit dieser Welt einfacher klarzukommen? Nur so ein Gedanke… 🙃

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Das finde ich einen total interessanten Gedanken 👌🏻

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Hm, nein, eigentlich nicht, den es ist ja nicht immer so positiv und es hat auch viele negative Seiten, und es ist eher so, dass durch unsere veränderte Lebensweise ADHSler viel mehr an ihre Grenzen kommen und daher negativ auffallen, daher mehr Diagnostik betrieben wird und mehr erkannt werden.

Es ist doch gar nicht erstrebenswert, alles aufzunehmen, alles mitzubekommen. Man ist dauernd erschöpft davon, fühlt sich ausgebrannt, und viele ADHSler brechen unter der Last irgendwann in ner Erschöpfungsdepression zusammen. Und man kann eben oft nicht beide Reize gleich verarbeiten, sobald der zweite Reiz interessanter ist als der, dem man sich eigentlich widmen sollte, ist es ein ewiger Kampf den man auch oft verliert.

Dazu kommt, dass die neuen Unterrichtsstrukturen mit mehr Freiarbeit und Teamarbeit einem ADHSler eher nicht entgegenkommen.
Bewegungsmangel verstärkt die Hyperaktivität, durch Elterntaxi, weniger ausgelassenem Toben in der Nachmittagsbetreuung als früher zu Hause fallen viel mehr ADHSler negativ auf.
Auch der Stoff ist heute komplexer, der Übertritt in die Realschule ist früher, die Realschule hat ne 2. Fremdsprache.... Alles Sachen, die für ADHSler eher schlecht sind und eher dazu führen, dass sie Probleme bekommen und ne Diagnostik angestrebt wird.

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