EIN LANGER GEBURTSBERICHT EINER KURZEN GEBURT
Nachmittags, am 1. Oktober 2007, fingen leichte Geburtswehen an. Ich hatte mich mit meiner 2 jährigen Tochter Annabell zum Mittagsschlaf hingelegt, als ich von einer Art Periodenschmerz wach wurde. Mit dem intuitiven Gefühl, dass etwas im Busch war, stand ich auf und meinte zu meiner Schwiegermutter, die im Wohnzimmer saß: “Ich glaube, ich habe Wehen.“ Sie waren allerdings nicht schmerzhaft, bloß anders und relativ regelmäßig. Es war also etwa 15:30 Uhr und um zu prüfen, dass es auch echte Geburtswehen sind, ließ ich mir ein heißes Bad ein (Unangenehm bei Außentemperatur von 31° Grad Celcius) Vorher telefonierte ich mit meinem Mann Michael und sagte ihm Bescheid. Er wollte mir wohl nicht so recht glauben, denn er hielt vorher noch gemütlich beim Bäcker an und kaufte sich Kuchen zum Kaffee. Ich nahm nun das Bad und siehe da – die Wehen blieben! Nun war ich mir ganz sicher, dass es losging. Michael war inzwischen eingetroffen und wir tranken noch ganz gelassen Kaffee, besser gesagt die anderen. Ich bekam nur ein paar Apfelschnitze hinunter. Wir stoppten nebenbei die Zeiten zwischen den Wehen und die Wehe selbst und es war alles noch unregelmäßig. Ich musste auch noch nicht innehalten und veratmen. Kurz nach 18 Uhr hatte ich ja eh Termin bei meinem Doktor, doch aus Unsicherheit versuchte ich ihn dennoch zu erreichen. Doch auf allen 3 Telefonnummern, die ich von ihm hatte, ging er nicht dran. Ich rief also meine Hebamme an, die sich gerade in ihrem Haus auf den Peleponnes aufhielt und sie meinte, ich solle in die Praxis fahren, der Doc wäre bestimmt schon auf dem Weg und ich solle sie dann informieren, damit sie sich evtl. auf den Weg machen könne. Gesagt getan. Inzwischen war es 17:30 Uhr und wir fuhren los zur Arztpraxis. Zuvor hatte ich mich von der kleinen Annabell schweren Herzens verabschiedet, denn das erste Mal war ich mehr als einen Tag von ihr getrennt. In der Praxis angekommen, war der Doktor zwar noch nicht da, aber seine Sprechstundenhilfe und sie kabelte mich gleich ans CTG-Gerät. Der Wehenschreiber zeigte wohl schon recht stramme Wehen, jedenfalls hob sie beim Blick auf den Ausdruck die Augenbrauen und tätschelte mitleidvoll meinen Arm. Als der Arzt dann verspätet eintraf, streifte er kurz den CTG-Ausdruck und meinte: „Ah, sie haben Wehen, spüren sie die schon?“ Ich dachte, er will mich verkohlen und rief: „JJaaaaaahhhh!“, aber so richtig ernst zu nehmen schien er mich nicht. Die Wehen waren inzwischen schon sehr schmerzhaft und ich verzehrte jedes Mal mein Gesicht. Der Doktor schickte uns wieder ins Wartezimmer und nahm erst eine junge Frühschwangere dran, die vor mir Termin hatte. Michael war schon ein bisschen sauer auf den Arzt, doch ich meinte vertrauensvoll, der würde schon wissen was er tut und es würde schon alles seine Richtigkeit haben. Dann waren wir dran und ich wurde untersucht. Muttermund war 3 cm offen und nur noch wenig Fruchtwasser vorhanden. Er machte einen sogenannten Eipool und lockerte Schleimpfropf und Muttermund. Er witzelte: „In Hamburg nannten wir das immer Hafenrundfahrt.“ Wahrscheinlich war das ein Ablenkungsmanöver, denn die ganze Prozedur tat höllisch weh. Er schickte uns wieder heim und sagte: „Es kann heute los gehen oder vielleicht auch nicht. Ansonsten sehen wir uns Mittwoch, den 3. Oktober wieder.“ Wir fuhren also wieder heim und Annabell begrüßte mich so glücklich und rief: „Mama wieder da? Baby nicht raus?“ Sie drückte mich ganz fest. Wir gingen alle zusammen, samt Schwiegermama, in unserer Stammtaverne zu Abend essen und schon während des Essens musste ich die Gabel weglegen wenn eine Wehe kam und schön tief durchatmen. Zu Hause stoppten wir dann die Zeit zwischen den Wehen und es waren schöne regelmäßige 4 Minuten. Wir entschieden, dass Micha noch Annabell ins Bettchen bringen sollte und danach wollten wir gleich Doktor und Hebamme anrufen. Während Michael Annabell bettfein machte, klingelte unser Telefon. Der Arzt war dran und wollte wissen, wie es geht. Als ich ihm von den 4 Minuten erzählte, meinte er, ich gehöre in die Klinik. Okay. Es war also soweit. Angst hatte ich nicht. Gelassen war ich auch. Ich konzentrierte mich nur auf die Schmerzen. Ich rief also noch die Hebamme an und fuhr dann mit Michael los. Nach einer halben Stunde kamen wir in der Klinik an, zeitgleich mit meiner Hebamme Erika. Sie half mir gottseidank mit der Übersetzung bei der Anmeldung, denn durch die heftigen Schmerzen ließ mein Konzentrationsvermögen zu wünschen übrig und mein Englisch auch. Ich wurde entkleidet, bekam einen schicken Kittel sowie Plastiktüten um die Füße gestülpt, wurde rasiert, bekam einen Einlauf, ging mich entleeren und duschte anschließend. Alles ganz gemächlich und mit Veratmungspausen. Die Wehen waren inzwischen unerträglich und ich dachte: „Schlimmer geht es nimmer!“ Was für ein fataler Irrtum! Schließlich kam Michael dazu, er musste sich ebenso anmelden und hatte auch einen hübschen Kittel und Tüten an den Füßen an. Ich wurde in ein sogenanntes Wehenzimmer geschoben. Die Wehen wurden stärker, die Erholungspausen dazwischen kürzer. Erika telefonierte mit dem Doktor und er entschied wohl, dass es für ihn noch nicht soweit wäre loszufahren. Was für ein zweiter fataler Irrtum! Ich hatte bei jeder Wehe den Drang zu schreien, was aber den Schmerz nur verstärkte und ich mich noch mehr verkrampfte. So hörte ich brav auf Erika, die übrigens sehr viel Ruhe und Erfahrung ausstrahlte, und ich atmete tief ein und aus und kam daher in der Tat besser durch die Wehen. Ich klammerte mich an Michaels Hand und atmete schön in den Bauch hinein. Dann irgendwann meinte Erika, sie wolle die Fruchtblase öffnen. Ich wimmerte: „Tut das weh? Bitte nicht noch mehr Schmerz!“ Sie beruhigte mich und sagte, sie versuche es, so sanft wie möglich über die Bühne zu bringen. Dann wurde ich wieder von einer Wehe geschüttelt und mitten in dieser gab es in meinem Bauch einen großen Knall. Peng! Ich wurde panisch. „Was war das? Was war das?“ schrie ich. Dann fing ein noch höllischerer Schmerz an und ich wandt mich auf der Liege wie eine Irre. Michael zog mich später, nach der Geburt mit dieser Szene auf und nannte mich Mimose. Das muss hier mal festgehalten werden. So viel Frechheit und Großmäuligkeit kann nur aus dem Mund eines Mannes kommen! Die können ja mitreden, klar, wissen sie doch über solche Vorgänge genauestens Bescheid! Ich glaube, Michael wäre in meiner Situation schon längst in eine wohltuende Ohnmacht gefallen!
So, nun weiter zum Bericht: Ich hatte nun also, wie ich glaubte, die mächtigsten Schmerzen meines Lebens und dachte, zu sterben. Jedenfalls floß irgendetwas aus mir heraus und als Erika in der Wehenpause nachschaute, bestätigte sie, dass meine Fruchtblase, wie auf Kommando, von selbst geplatzt wäre. Die nächste Wehe war die Hölle und ich merkte, wie sich das Baby Richtung Ausgang schob. Ich rief immer noch total in Panik:“ Es kommt raus! Es kommt raus!“ und Erika bestätigte: „Der Muttermund ist völlig offen und butterweich. Es geht gleich los.“ Im Hintergrund, beim kurzen relaxen in der Wehenpause, hörte ich Erika mit dem Doktor telefonieren, er solle sich beeilen.
Anfangs hatte ich mit Erika ausgemacht, dass ich eine PDA haben wolle. Die forderte ich nun flehend ein und als sie bedauernd den Kopf schüttelte und sagte: „Dafür ist es jetzt zu spät, dein Baby ist gleich da.“ dachte ich, die Welt gehe unter. Die nächste Wehe kam noch bombastischer und ich wandt mich hin und her. Erika rief mir zu: „Bitte jetzt nicht pressen!“ Dabei merkte ich, wie mein Unterleib das Baby wie von alleine nach vorne drückte. „Es geht nicht, es presst alles von alleine.“ schrie ich wie von Sinnen. Es kam mir alles wie ein unendlicher Alptraum vor. Um mich herum schwirrten griechische Schwestern, die durcheinander brabbelten, aber ich verstand ja nichts. Ich wurde in Windeseile, wie in diesen amerikanischen Filmen auf meiner Liege durch die Flure geschoben, hinein in einen OP-ähnlichen, grell beleuchteten Kreißsaal. Dort wurde ich in Position gelegt, wo ich aber nicht blieb, da ich mich in einer erneuten Wehe wie eine Verrückte von einer Seite auf die andere drehte. Sogar die Tropfkanüle muss ich mir dabei herausgerissen haben, das wurde aber erst nach der Geburt bemerkt. Ich hatte wahnsinnige Angst. Ich durfte immer noch nicht pressen nur hecheln, hecheln, hecheln. Dann war plötzlich der Doktor da. Schemenhaft bekam ich das mit. Nun durfte ich auch bei der nächsten Wehe pressen. Kopf auf die Brust, Augen zu und pressen, pressen, pressen. Ich tat wie geheißen und weiß noch, wie ich dachte: „Das schaffe ich nie!“ Die nächste Wehenpause war da und man sagte mir: „Noch diese eine Wehe und das Baby ist da!“ Ich konnte es zwar nicht glauben, wollte es aber. Ich bekam noch eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht und währenddessen ich noch tief ein und aus atmete, spürte ich die Wehe kommen: „Sie kommt!“ rief ich und schob die Maske von mir. Ich wollte es hinter mich bringen. Kopf auf die Brust! Pressen! Pressen! Pressen! Und mit einem letzten Schrei war unser Milas draußen und aller Schmerz vorbei, vorbei, vorbei!!!
Der kleine Mann wurde kopfüber hochgehalten und weinte. Wow! Michael durchschnitt die Nabelschnur und da erst registrierte ich erst wieder seine Anwesenheit. Schnell wurde Milas gewogen und mir für die nächste Stunde auf den Bauch gelegt.
Es war eine kurze Geburt. Nur knappe 2 Stunden waren wir im Krankenhaus. Trotzdem ist mein Trauma diesmal größer als bei Annabell und auch das Erleben war viel intensiver. Nach Annabells Geburt schaute ich schon bald wieder Schwangeren sehnsüchtig hinterher und habe sie beneidet. Jetzt habe ich nur mitleidsvolle Blicke für sie übrige und denke: „Die Arme! Die hat noch alles vor sich!“
Das ist mein Geburtsbericht und wenn ich jetzt hier vorm Computer sitze, mit fast wieder flachem Bauch und dem Baby lieb schlafend im Bettchen, kann ich gar nicht glauben, dass ich vor einer Woche noch mit dickem Bauch und unendlich ungeduldig hier Geburtsberichte gelesen habe.
Ich wünsche allen Noch-Schwangeren alles Gute und eine schöne Geburt!
ivonne + annabell 6.4.2005 + milas 2.10.2007
Eine Geburt in Griechenland! Kurz aber schmerzvoll!
Wow, allerherzlichsten Glückwunsch!
Ist ja total hübsch, der kleine Milas, hab´grad in Deine VK geschaut,
Findekind.
Hi,
Glückwunsch!! Tolle Fotos in der VK!! Echt eine rießige Kugel - die Du da vor Dich hingeschoben hast...
LG
Caro mit Max 3 Jahre
danke für den tollen geburtsbericht und herzlichen glückwunsch
Hallo Ivonne,
alles Liebe auch von mir, André und Felicitas zum kleinen Milas.
Ich hoffe ihr habt viel Spass mit dem kleinen.
Viele Grüße auch an Michael und Annabell
Grüße von
Mandy, André und Felicitas
Hallo Ivonne,
ich muß schon sagen dein Geburtsbericht hat sich total toll gelesen!!! Macht einem selber irgendwie Freude das ganze "Drama" endlich selber hinter sich zu haben.
Ein gaaaanz dickes fettes Lob an deine Homepage, die ist wirklich toll!!!!!!
Lieben Gruß und weiterhin alles gute!!!!!
Jana (34 SSW)