"Sie haben ein kleines Wunder vollbracht" - Karlchen und sein Kopf

Achtung, es folgt ein sehr langer und detailverliebter Bericht:-)

Am 11.4. sollte Karl zur Welt kommen, inzwischen ist er 8 Tage überfällig. Der Gedanke zu übertragen hat mir eigentlich immer Angst gemacht, doch jetzt, wo es tatsächlich passiert, bin ich total entspannt.

Ich spüre, dass es Karl gut geht und die Vorsorgeuntersuchungen bestätigen das. Prächtige Herztöne,regelmäßig Klopfzeichen, unregelmäßig Wehen, Muttermund weich und leicht geöffnet, ich fühle mich gut – alles prima. #cool
Nur die Spannung ist kaum auszuhalten. Wann wird es losgehen und wie und wo???

Meine Beleghebamme Gabriele sagt: „Dein Körper funktioniert so gut, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Geburt nicht von alleine losgeht . Du musst bestimmt nicht eingeleitet werden.“
Dein Körper funktioniert so gut – das zu hören ist schön, es gibt mir Selbstvertrauen und ein „frauliches“ Gefühl. #hicks

Auf die Geburt freue ich mich fast. Zu wissen, dass Gabriele dabei sein wird, gibt mir Sicherheit, ich bin gespannt, wie es mit ihr sein wird und habe das Gefühl, mir kann nichts passieren. Es ist wie eine Verabredung zu einem gemeinsamen Abenteuer. Egal wie es läuft, denke ich, wir werden schon das Beste draus machen. Ich bin außerdem extrem ehrgeizig gelaunt und fest davon überzeugt, dass ich total tapfer und stark meinen Sohn zur Welt bringen werde.

Um Karl anzustupsen, empfiehlt Gabriele Abends ein Bad, ein Gläschen Rotwein, und: „Wenn ihr Lust habt, könnt ihr ein bisschen 'Party machen'“ #sex:-p

Samstag, 18.04.09

An diesem Nachmittag spüre ich zum ersten Mal etwas im Bauch, das kommt und geht. Ich schreibe mit: 16:13, 16:22, 16:29, 16:37, 16:42, 16:57
Dann nichts mehr.

Abends mache ich meine Hausaufgaben – ich gehe baden mit einem Glas Rotwein, einem Rewe Schokoladenmousse #mampfund der Gala. Mein Bauch passt nicht unter Wasser, also nehme ich ein Spucktuch mit in die Wanne, tauche es immer wieder ins Wasser und lege es auf meinen Bauch. Tolle Idee, finde ich. Leider kann Karl damit nichts anfangen und hält still.#gruebel

„Komm Paddy, lass und Party machen!“. #ole
Ab ins Bett, und tatsächlich, eine Stunde nach „Vollzug“ – HA!! Da war was. Nix dolles, aber wie bei Lena ist mir sofort klar, dass es losgeht. Schlafen kann ich nicht. Ich flüstere Paddy zu: „Ich gehe duschen und guck' mal, wie sich die Wehen entwickeln. Schlaf du ruhig weiter, ich sag' Bescheid.“
„Ok“. Grunz, schnarch. Ist schon vernünftig, ihn schlafen zu lassen, finde ich. Andererseits bin ich insgeheim beleidigt, dass er überhaupt schlafen KANN und nicht vor Aufregung ganz hibbelig ist. Aber das ist typisch Paddy. Der wird nicht so schnell hibbelig.#aerger

Ich verfalle in blinden Aktionismus – dusche, durchwühle die Kliniktasche zum xten Mal rasiere mir die Beine – nicht, dass Gabriele an stoppelige Waden greifen muss. Bei Lenas Geburt hatte mir eine nette Hebammenschülerin die ganze Pressphase über das linke Bein gestreichelt.

Irgendwann rufe ich Eva (meine Cousine) und Halli (meine Tante) an (sie passen auf Lena auf) und sage, sie sollen lieber mal losfahren. Aber keine Eile, ganz in Ruhe. Einige Wehen später ändere ich meine Meinung. Um 2:11 schicke ich noch eine SMS an Eva: „Nicht trödeln. Die letzten waren alle 3 Minuten. Jetzt werd' ich wuschig.“#schwitz

Die beiden treffen ein und wir versammeln uns mit Stoppuhr, Stift und Zettel in der Küche, um akribisch die Wehenabstände und die Dauer aufzuschreiben.
Inzwischen ist Paddy auch wach und lümmelt sich im Wohnzimmer vor die Glotze. Lena schläft tief und fest.

2:04, 2:07, 2:12, 2:15, 2:19
Ich bin total unsicher, wann wir losfahren sollen. Einerseits habe ich Angst vor einer Sturzgeburt, andererseits darf Gabriele nur 12 Stunden im Einsatz sein und ich will sie unbedingt zum Schluss dabei haben, wenn es richtig knackig wird.
Ich beschließe, noch etwas abzuwarten. Um ca. 4 kommen die Wehen regelmäßig alle 3 Minuten, dauern aber immer noch nicht eine Minute. Egal, ich rufe Gabriele an: Los geht's!

Zwischen 4 und 5 kommen wir im Krankenhaus an. Bevor wir reingehen, nehmen wir uns nochmal in den Arm – „Wir schaffen das, jetzt kriegen wir unser Karlchen!“#liebdrueck
Gabriele wartet schon mit guten Neuigkeiten: Der große Kreißsaal mit Geburtswanne ist frei. Juhu, ich will doch so gerne in die Wanne. Sie lässt uns dort erst mal kurz alleine, um sich ihr dunkelblaues Hebammen-Outfit anzuziehen. Ich höre nebenan eine Frau schrei-wimmern und habe Mitleid.#schmoll
Paddy ist totmüde, er holt sich einen Kaffee und wir stellen fest, dass die werdenden Papas sehr stiefmütterlich behandelt werden. Kein Sessel, kein bequemer Stuhl, kein Extra-Bett. Er lümmelt sich also gähnend und mit gequälter Miene auf einen Holzstuhl. Bei Lenas Geburt damals hatte er sich als Kreißsaal-Lektüre „Tod eines Pornostars“ mitgebracht. Diesmal zückt er eine Akte (ob er wohl noch erinnert, welcher Fall es war?) und geht in den „Sagt mir Bescheid, wenn's interessant wird“ - Modus. #gaehn

Gabrieles erste Amtshandlung: CTG und Muttermund-Check. „Dein Gefühl war richtig, die Wehen sind Muttermund-wirksam. 4 cm.“ Puh, ich bin froh. Irgendwie stehe ich total unter Druck, will auf keinen Fall alle zu früh aufgescheucht haben. Gabriele scheint alles locker zu sehen. Sie setzt sich und beobachtet mich. Mir wird wieder klar, dass ich meine ganz eigene Hebamme habe, die nur für mich da ist – toll. Sie betrachtet mich also und strahlt dabei, wie immer, Ruhe aus. Paddy sitzt auf der anderen Seite des Raumes und guckt mich auch erwartungsvoll an. Ich tigere auf und ab und will jetzt unbedingt was bieten.#schwitz Notfalls einen Stepptanz – fast fange ich an, rumzualbern. Aber noch lieber hätte ich eine knackige Wehe, so eine bei der ich schon schnaufen muss, die allen zeigt, dass sie nicht umsonst hier sitzen. Pustekuchen.
Prompt werden die Wehenabstände wieder größer. Oh nein!!! #schock Gabriele fragt: „Hast du eigentlich geschlafen?“ - „Nein.“ - „Hm.“ Sie guckt mich etwas besorgt an und fragt sich vermutlich, ob ich durchhalten werde, falls es länger dauert.

Jetzt gibt’s erst mal die Antibiotika-Infusion, wegen B-Streptokokken. Ich kriege den Zugang in den Handrücken und der Tropf wird angehängt. Aber irgendwie will es nicht richtig laufen. Alles Ruckeln und Drücken hilft zunächst nicht, die ganze Aktion dauert gefühlte 5 Stunden und nervt mich total. Meine Hand tut tierisch weh und ich denke die ganze Zeit: „Menno, wie soll ich so denn rumturnen???“
Ich starre intensiv auf meine Hand, warum tut das so weh??? :-[ Vielleicht wurde die Vene nicht richtig getroffen und meine Hand schwillt gleich an und platzt!?
Ich will mich nicht anstellen, schließlich steht mir ja noch viel heftigeres bevor. Aber dieser Zugang quält mich momentan noch mehr als die Wehen. Jetzt sitze ich hier und bin wieder mal total verkabelt, wie bei Lena damals. Ich fühle mich vom Wesentlichen abgelenkt und um meine selbstbestimmte Öko-Turngeburt betrogen. #schmoll

Aber irgendwann ist der Tropf endlich durchgelaufen.Gabriele untersucht mich noch mal, der Muttermund ist noch etwas weiter aufgegangen.

Ich darf aufstehen, während sie CTG schreibt. Ich bin total motiviert, jetzt mit den Wehen zu „arbeiten“ und stelle mich erwartungsvoll neben das Bett. Die Beine leicht auseinander für einen stabilen Stand, Knie leicht gebeugt und alles locker lassen. Ich konzentriere mich, atme ruhig, bewege mein Becken ein bisschen, Wehe kommt, Wehe geht. Es zieht schon ordentlich, ist aber gut auszuhalten. „Los, kommt schon, ihr Wehen!“, denke ich.
Gabriele beobachtet mich, sagt: „Stehen scheint für dich gut zu funktionieren, das sieht richtig kämpferisch aus.“ Jaaa, genau! Ich bin eine Gebär-Kampfmaschine, ein Super-Muttertier!!! #huepfIch fühle mich gut und könnte so ewig weitermachen.

Die Ärztin kommt zu Besuch und stellt sich vor. Sie fragt, wie es mir geht, ob die Schmerzen auszuhalten seien. Ja, alles prima. „Ist ja auch ihr zweites Kind, das geht sicher ganz einfach“.
„Oooh, nicht sowas sagen“ denke ich, „dann geht es bestimmt schief!“

Die Stunden vergehen wie im Flug. Gabriele untersucht nochmal – Muttermund 5-6cm. Langsam aber sicher öffnet er sich, das ist gut. Nicht so gut ist, dass Karls Kopf immer noch nicht ins Becken gerutscht ist. „Darum sind die Wehen für dich auch noch gut auszuhalten, weil sein Kopf nicht mit drückt. Ich denke, wir sollten mit dem Wehentropf ein bisschen nachhelfen.“
Hmpf. :-(Das ist ernüchternd. War doch gerade so schön und nun das! Ich habe eine Sekunde lang ganz unsachliche Gefühle und bin beleidigt mit Gabriele, weil sie mir weh tun will. #hicks
Aber ich sehe es ein – mit diesen Larifari-Wehen werde ich meinen Sohn nicht zur Welt bringen können.
Mir fällt wieder ein, worum es hier eigentlich geht. Ich muss noch richtig leiden (Gabriele würde natürlich nicht „leiden“ sagen, sondern „arbeiten“ ;-)). Es geht nicht um möglichst wenig Schmerzen, sondern um möglichst viel Schmerzen. Arbeit. Hier ist es ja nicht so wie sonst im Leben, dass man sich freuen darf, wenn es möglichst wenig weh tut. Nein nein, hier muss ich mir die ganz bösen, eigentlich nicht auszuhaltenden Urgewalt-Wehen HERBEIWÜNSCHEN, ihnen quasi in die Arme laufen, um mein Kind zu bekommen. Ja richtig, und weil wir das während der Geburt tun, dürfen wir Mamis uns hinterher auch ein bisschen wie Helden fühlen. #aha
Jetzt fühle ich mich plötzlich gar nicht mehr so kämpferisch.
Und ich habe Angst vor dem Wehentropf, der mich bei Lenas Geburt so gequält hat. Ich erinnere noch, dass er auf 50ml/h aufgedreht war.

Aber Gabriele verspricht, ganz sachte anzufangen und das tut sie auch. 2 ml/h.
Ich stelle mich wieder neben das Bett. Während der Wehen will ich mich am liebsten mit beiden Händen auf dem Bett abstützen. Gabriele sagt, ich solle die Hände nach innen drehen, das sei besser. Offener, glaube ich. Ich kann mich aber nur mit rechts aufstützen, links schmerzt zu sehr – blöder Zugang.
Die Wehen werden allerdings nicht wirklich stärker. Ich werde wieder mutiger und sage Gabriele, sie könne ruhig weiter aufdrehen. Sie dreht ein bisschen auf. Ich sage, ich könne noch mehr ab. Gabriele will es aber langsam angehen, „Wir wollen das Baby nicht stressen“. Richtig, der war ja auch noch da. #klatsch
Irgendwann geht Gabriele aber raus und fragt nach, wie hoch der Wehentropf üblicherweise dosiert wird. Sie kommt lächelnd wieder: „Wir sind so sanft – da geht noch viel mehr“.

Die Wehen werden nun langsam doch knackiger, aber Karls Kopf ist immer noch nicht da, wo er sein soll. Gabriele kramt in ihrer Trickkiste. Ich soll ein Bein auf einen Hocker stellen. Juhu, jetzt wird geturnt. Wir probieren weiter rum . Ich soll mich in eine Position legen, die mich an die stabile Seitenlage erinnert. Liegen ist blöd. Während der Wehe drückt Gabriele gegen meinen Hintern – AU! Jetzt wird’s fies. Ein paar Wehen in dieser Lage, dann bettele ich darum, mich wieder aufrichten und bewegen zu dürfen. Schließlich darf ich.

Da ich wieder verkabelt bin, bleibe ich auf dem Bett. Die Lehne ist hochgestellt. Während der Wehen gehe ich instinktiv hoch, knie mich vor die Lehne und halte mich oben am Griff fest. Nun wird es wirklich anstrengend. Die Wehen überrollen mich wie riesige Wellen.#schwitz Ich muss ganz automatisch meine Stimme einsetzen, am liebsten würde ich schreien und wimmern und jammern. Aber immer, wenn meine Stimme mit mir durchgehen will, höre ich Gabriele, wie sie ganz ruhig einen langen Ton hält. Das versuche ich auch. Und obwohl mein Ton mit wachsender Wehe eher hysterisch als ruhig klingt, habe ich das Gefühl, mich an ihm festhalten zu können, statt vom Schmerz herumgewirbelt zu werden. So ist es besser auszuhalten.

Während der Wehe ist Gabriele hinter mir und hält ihre Hände an meinen Po, ich soll gegen drücken. Das kostet mich Überwindung, denn es verstärkt die Schmerzen. Aber wieder sage ich mir, dass ich es tun muss, wenn es vorangehen und mein Kind zur Welt kommen soll.

Ich merke, dass es jetzt auch Paddy weh tut, mir zuzusehen. Er will irgendwas tun. Als Gabriele kurz rausgeht, um in ihrem Bericht zu schreiben, kommt er zu mir, streichelt mich. Eine Wehe steigt an, meine Stimme auch, der Schmerz nimmt mich völlig ein, ich bin nur noch darauf konzentriert. Jetzt haben die Leute im Flur bestimmt mit MIR Mitleid. #schmoll
Ich nehme wieder meinen Mut zusammen und bitte Paddy, nun seine Hände an meinen Po zu halten. Als er zudrückt, schreie ich ihn an: „NEIN, halt sie einfach nur, lass MICH drücken!“.#drache Ich muss die Kontrolle behalten.

Wahnsinn, wie anstrengend das ist. Die Wehen sind jetzt gewaltig, sie auszuhalten wie Schwerstarbeit. Jede Wehe kostet mich unheimlich viel Kraft. In den Wehenpausen kauere ich mich ganz still auf das Bett. Wie das Häschen in der Grube. Ich fühle mich eingeschüchtert, habe vor jeder kommenden Wehe Angst.

Gabriele scheint ein wenig besorgt zu sein, denn Karls Kopf rutscht immer noch nicht tiefer. Sie untersucht mich nochmal (Muttermund 8cm) und fühlt, wie Karl liegt. „Ich will es nochmal mit der Seitenlage probieren“. Ich denke zum ersten Mal, dass das hier mit einem Kaiserschnitt enden könnte, wenn ich Pech habe. Das will ich auf keinen Fall, ich will alles tun, was Gabriele einfällt, um das zu verhindern. Also wieder auf die Seite legen. Die Wehe kommt, ich schrei-stöhn-wimmere.
Ich spreche es nicht aus, aber ich habe das Gefühl, mit diesen Schmerzen überhaupt nicht mehr klarzukommen. Ich kann auch nicht mehr „arbeiten“ - als Gabriele meine Oberschenkel etwas auseinander drücken will, schreie ich auf und reiße mich los: „NEIN! Es geht nicht, Gabriele!!!“. :-[

Sie lässt mich los, schaut mich an, geht nochmal kurz raus? Ich weiß es nicht mehr genau. Aber dann sagt sie: „Ich glaube, du solltest eine PDA nehmen. Das wird jetzt unmenschlich. Dein Baby könnte eigentlich schon längst da sein, aber dadurch, dass er nicht ins Becken rutscht, bringen uns diese Wehen nicht weiter und sind deshalb besonders fies. Mit der PDA kannst du dich etwas ausruhen und dann versuchen wir es nochmal mit dem Wehentropf.“

Mir fällt auf, dass ich bis zu dem Moment nicht einmal an die PDA gedacht hatte. Aber als Gabriele es ausspricht, fällt mir ein Stein vom Herzen und ich bin ihr unendlich dankbar. Sie will noch ein paar Wehen abwarten, aber nach nur einer Turbo-Wehe sage ich flehend: „PDA!!“ Ich kann nicht mehr.

10 Minuten später ist das Anästhesisten-Team da. Ich winde mich gerade auf dem Bett. Der Anästhesist fragt nach dem Muttermund. „8cm“. „Wieso holen Sie uns denn erst jetzt?“. Paddy erzählt, wie blöd die PDA bei Lenas Geburt gelaufen ist.
Diesmal läuft es jedoch komplett anders. Der Arzt und seine Assistenten wirken total gelassen und kompetent. Ich kriege einen Tropf, der die Wehen stoppt. Puh. Warum hat man damals bei Lena nicht die Wehen gestoppt???#kratz
Ich muss mich nur leicht vorbeugen, der Arzt sagt: „Sieht gut aus“ und zack zack sitzt die PDA. In mir machen sich Glückshormone breit – so einfach geht das????? Der Anästhesist macht es sich gemütlich. Er geht erst, wenn alles unter Kontrolle ist. Toll.#freu

Dann kommt eine Wehe und ich kriege wieder Angst. Ich merke sie in der linken Pobacke – heißt das, die PDA wirkt nur einseitig? Hört man doch immer wieder – oh bitte nicht!!!#schock
Aber der Anästhesist bleibt cool: „Das regelt meistens die Schwerkraft.“ Ich soll mich auf die Seite legen – und tatsächlich, das Mittel scheint sich zu verteilen. Dann sage ich zu Gabriele, dass ich einen Druck in der Mitte des Beckens spüre. „Oh, das klingt gut“. Sie schaut nach und tatsächlich, Karl rutscht ins Becken. #olePDA sei Dank!

Endlich geht es voran, bei allen ist Erleichterung zu spüren. Die letzte Phase der Geburt war bei Lena damals die Hölle, diesmal habe ich fast Spaß dabei. Ich bin so glücklich über die Wirkung der PDA, dass ich mich wie im Adrenalinrausch fühle.:-) Die Wehen spüre ich als enormen Druck, der auch schmerzhaft ist. Der Schmerz ist aber nicht mehr so scharf, so gewaltig und kräftezehrend. Ich kann ihn mit Atmung und Tönen gut aushalten und auch wieder arbeiten.
Der Wehentropf hilft mit, ist glaube ich bei 8 oder 10 ml/h.
Eine Wehe nach der anderen verstreicht, Karl rutscht langsam tiefer.
Gabriele ist guter Dinge, ich merke auch bei ihr die Erleichterung, dass es voran geht und dass unsere Entscheidung für die PDA genau die Richtige war.
Sie pendelt zwischen Wehentropf, CTG und Babykopf-Beobachtung hin und her. Alles super. Karl ist der Fels in der Brandung, sein Herzschlag ist durchgehend prima.

Ich frage: „Wann soll ich eigentlich pressen? Ich habe noch keinen Pressdrang!“
Gabriele hat inzwischen festgestellt, dass Karl offenbar einen beachtlich großen Kopf hat. Da lag also das Problem. „Wir machen das jetzt ganz in Ruhe und langsam, in deinem Tempo.“ Deshalb holt sie die Ärztin auch erst ganz zum Schluss dazu – niemand soll uns hetzten. Wieder freue ich mich über meine Beleghebamme und fühle mich beschützt.

Irgendwann sagt sie, dass ich jetzt mal vorsichtig mitschieben kann. Sie sagt, ich könne mit meiner Hand Karls Kopf berühren und dann in die Hand pressen, um ein besseres Gefühl zu haben.
Ich darf den Kopf berühren??? so tief ist er schon??? #freuIch kann es nicht fassen – und das alles bei erträglichen Schmerzen???? Wieder denke ich an Lenas Geburt – zu diesem Zeitpunkt die Hölle. Ich taste nach unten - Tatsächlich, ich kann ihn fühlen. Stück für Stück presse ich ihn voran und bin so glücklich darüber, dass ich diesmal alles so bewusst erleben kann.

Die Ärztin kommt dazu und ganz zum Schluss wird es nochmal richtig anstrengend. Karls riesiger Kopf steckt im „Ausgang“ und ich habe das Gefühl, gleich in alle Richtungen zu platzen. Der Druck ist unglaublich, die Schmerzen ganz fies, ich atme . OH GOTT, KOMM DA RAUS!!!!! #schockGabriele sagt, ich solle meine Beine in den Kniekehlen greifen und selber halten. Bei jeder Wehe presse ich mit aller Kraft, Gabriele erinnert mich immer wieder daran: „Kinn auf die Brust!“. Ich konzentriere mich darauf, was mir vor 3 Jahren mal beim Schwangerenyoga gesagt wurde: Vom Gefühl her eher „schieben“, als „pressen“ und eher Richtung Hintern.

Jetzt sind jedoch nicht die Wehen unerträglich, sondern die ewig langen Pausen, in denen ich diesen Dehnungsschmerz und Druck aushalten muss. RAUS RAUS RAUS!!!! Ich keuche und jammere und schwitze wie verrückt. #schwitzEs tut wirklich höllisch weh und ich frage mich, wie es ohne PDA gewesen wäre???
Gabriele fühlt mit: „Ich weiß, das ist jetzt ein ganz fieser Druck!“.
Ich sehe, dass auch sie ackert und bei jeder Wehe versucht, Karls Kopf irgendwie „freizuschaufeln“ und dabei größeren Schaden zu verhindern. „Dein Damm ist so hoch!“ sagt sie und ich denke: „Dann schneidet ihn auf, in Gottes Namen!!!“. Huch, habe ich das wirklich gerade gedacht? Ja, im Ernst, er soll einfach nur RAUS um jeden Preis.

Ich nehme mir bei jeder Wehe vor, dass dies die letzte sein MUSS und will sie bis zum Schluss auskosten. „Ich will weiter pressen, darf ich, darf ich??“ Die Ärztin fühlt, ob mein Bauch noch hart ist, Gabriele hat untenrum alles im Griff - „Ja, ruhig weitermachen“ - ich hole tief Luft und schiebe, schiebe, schiebe -
Dann endlich, um 14:12 wird mein Sohn geboren. Er liegt zwischen meinen Beinen - rosagrau, nass, knautschig, voller Käseschmiere und.....RIESIG!
Mein erster, unromantischer Gedanke ist: „Oh Gott, was für ein Klops, Gott sei Dank habe ich den rausgekriegt!“. Karl fängt empört an zu krähen, links von mir laufen Paddy die Tränen aus den Augen. #herzlich

Wie bei Lena damals auch kann ich nicht so schnell von Geburt auf Kind umschalten. Ich habe Karl im Arm und bin glücklich und erleichtert, aber auch befremdet. Er ist noch nicht MEINER.#gruebel Ich betrachte ihn fasziniert – nie hätte ich gedacht, dass ich ein so großes Baby bekommen würde. Ein richtiger Kerl.
Ich glaube, ich werde nie vergessen, wie unglaublich es sich anfühlt, ein neugeborenes Baby im Arm zu halten. Warm, nass, schmierig, samtweich, lebendig, ein echter kleiner Mensch, der mir in die Augen schaut, Wahnsinn!#liebdrueck Karl muss sich jedoch erstmal auskotzen, er schimpft und schimpft. Ich staune über all die Käseschmiere. Ich habe Angst, dass er friert (die Angst ist bis heute geblieben ;-)), drücke ihn an mich und schaue, ob alles gut zugedeckt ist.
Paddy verzichtet diesmal auf das Durchschneiden der Nabelschnur. Er will lieber weiter Karl angucken.
Gabriele hat jedoch noch eine Mission und die lautet: Möglichst schnell die Plazenta ernten. Sie meint, dass die Ärzte schnell nervös werden, wenn die Nachgeburt sich zu viel Zeit lässt und dann Stress machen. Ein bisschen ziehen, ein bisschen drücken und flutsch, ist sie da. Völlig unproblematisch.

Auch das Nähen ist kein Problem. Ein Dammriss 2. Grades und ein Scheidenriss stehen auf dem Programm. Ich sage der Ärztin nochmal deutlich, dass ich unbedingt ganz doll betäubt werden möchte. Man hört ja immer die Horrorgeschichten.
Sie ist sich sicher, dass die PDA das mit abdeckt und verspricht, notfalls nachzuspritzen.
Oh weh, denke ich, wenn die mal Recht hat. Mir graut es davor, auch nur einen Pieks zu spüren, jetzt stelle ich mich richtig an. Vielleicht lieber gleich nachspritzen??? Aber die Angst ist unbegründet, ich merke rein gar nichts.

Während ich zusammengeflickt werde, holt Gabriele Karl zur U1, Paddy dicht auf den Fersen. Ihr ist inzwischen klar, warum wir Schwierigkeiten hatten: Karls Kopfumfang misst ganze 38cm und er hatte die Hand am Ohr!!! #schock Der Chefarzt begrüßt mich am nächsten Tag mit den Worten: „Ich habe gehört, Sie haben ein kleines Wunder vollbracht“ - das hört man doch gerne.:-D

Und nun zu Karl: er ist toll. Groß und stark, mit schiefem Grinsen und geradem Charakter. Die Augen hat er von Papa, die Nase von Mama, die Schnute von Lena, die Beine von Opa. Und er ruht in sich – das hat er ganz klar von seiner Hebamme. :-)

Jana+ Lena (3) + #stern + Karl (11 Wochen)




1

wow was für ein toller bericht. vielen lieben dank jana

und #herzlich Glückwunsch zum süssen Karl

lg iris

2

Hallo!

Herzlichen Glückwunsch zur tollen Geburt und zu Deinem Prachtexemplar.

Solche Berichte sind einfach schön zu lesen und machen unheimlich viel Mut.

Alles Liebe

arielle

10

Das freut mich!!!!!

Alles Gute für euch!
Jana

3

Ganz toller Bericht, war sehr schön zu lesen #pro
Und zwei ganz tolle, entzückende Kinder hast du da ... mei, sind die süß :-)

LG, Antonia + Ylvi *21.08.08

11

Vielen Dank, das kann ich nur zurückgeben, super süß deine Ylvi :-)

4

Wow, das ist echt ein klasse Bericht :) Du hast echt Talent zum schreiben :)

12

Oh vielen Dank!

Vielleicht kann ich mir ja irgendwann im Leben mal was als zweite Joanne K. Rowling dazuverdienen, falls es mit den Fernseh-Reportagen nicht mehr klappt als Zweifachmutti.;-)

5

Hallo Jana,

mir steht die Geburt noch bevor. Habe Deinen Bericht gelesen und war so ergriffen - und habe alles eben meinem Mann nochmal vorgelesen! #heul Wir sind total eingetaucht und waren wie live dabei ;-)

Herzlichen Glückwunsch, Du hast zwei supersüße Kinder!

Alles Gute

Niki ET-3 #blume

13

Du hast ihn echt vorgelesen? Dann brauchst du jetzt 'nen Wick-Bonbon, oder?;-)

Es freut mich aber, wenn ich dir Mut gemacht habe.

Alles Gute!

18

Ja sicher habe ich das! Ach, sooooo lang war der Bericht ja auch nicht :-p Mein Mann mag das ganz gerne - wenn ich ihm vorlese, egal was! Und da ich unbedingt wollte dass er die Geschichte auch hört - ich aber weiß dass er, wenn er die Länge des Textes gesehen hätte - es niemals selbst lesen würde.... tja.

Grüße

Niki ET-2 #blume

6

Oh ja, ein wirklich toller Bericht! Super geschrieben und herzzerreissend schön im Detail! Ich habe mich zT. sehr an die Geburt meines 3.Kindes zurück erinnert gefühlt....#danke Ach, und was gibt es schon ergreifenderes als die Geburt eines Kindes!!! #heul

Herzlichen Glückwunsch zu Eurem Karl! :-) #blume
(Der beste Freund meiner grossen Tochter heisst auch Karl)
Hast Du auch einen Bericht von der Geburt Deiner Tochter?

Ich liebe es ausführlich, nach der Geburt von meiner 2. Tochter vor 6 Wochen hab ich auch einen waahnsinnig langen und detaillierten Bericht hier eingestellt, falls Du mal lesen willst- der Link dazu ist auf meiner VK.

#liebdrueck Alles Gute

Jule mit Rasselbande

8

Hallo Julia,

hier ist der Bericht von Lenas Geburt:

http://www.urbia.de/forum/index.html?area=thread&tid=443835&pid=2934702&bid=43

Ich werde deinen morgen auf jeden Fall auch lesen, bin schon gespannt!!

:-)

24

Ui, der ist auch schön! #danke

Ich habe leider erst bei meinem 3.Kind mit den gaaanz langen Berichten angefangen....na ja, sollte es noch eine n#4 geben werd ich es beibehalten, das Schreiben! ;-) Die letzte Geburt war auf jeden Fall soo schön, da könnten wir eigentlich in Produktion gehn mit...
Geburt n#1 war bei mir (wieder eine Parallele) ähnlich wie bei Dir mit Lena, geprägt von naiven Erwartungen und Vorbereitungen a la "Ich kauf mal Evian zum Sprühen" und "Lavendelöl zum Entspannungs-Schnuppern"...#klatsch....mit ewig langer Eröffnungsphase, Todesängsten und im Finale mit hochdramatischer Austreibungsphase...#schwitz.
Bei Theo dann eine spassige Eröffnung und eine grauenhafte Pressphase mit im Becken steckendem Dickschädel und lautstarker den Entbindungstrakt-erschreckender Brüllerei meinerseits...#hicks
Dagegen war n#3 das reine Paradies....

http://www.urbia.de/forum/index.html?area=thread&bid=43&tid=2115067


Liebe Grüsse! #blume
Jule



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7

WOW was für ein toller geburtsbericht!! #danke dir ganz lieb dafür....das hat mir jetzt ein bissel die angst vor meiner ersten geburt genommen..einfach nur weil du soooo toll geschrieben hast#liebdrueck!!

glg moni 34 ssw

9

du meinst, wenn man hinterher noch der deutschen Sprache mächtig ist, kann es so schlimm nicht sein?

Hihi:-p

Du machst das schon. Natürlich ist es eine Grenzerfahrung, aber auch eine Tolle. Meine erste Geburt war um einiges schlimmer, aber vor allem deshalb, weil ich mich hab' verunsichern und überrollen lassen. Da solltest du aufpassen, ansonsten ist es zu schaffen, besonders mit einem guten "Coach".

Falls du auch lesen magst:
http://www.urbia.de/forum/index.html?area=thread&tid=443835&pid=2934702&bid=43

Ist aber eine Spur heftiger#schwitz

Alles Gute!!!

14

Herzlichen Glückwunsch zu deinem Zwerg,
ich kann es sehr gut nachvollziehen was du vollbracht hast,ich hatte das Spiel gleich 2 mal.
Meine Tochter hatte 38KU und Fynn 37,5Ku und auch ne Hand am Ohr.Hätte ich im KH entbunden hätte ich zweimal ein Kaiserschnitt bekommen.Aber es hat auch alles so geklappt und das ohne Riss und krazter und meine Hebamme hat auch kein Kaffeesatz oder so drauf gemacht und ich keine Dammmassage.;-)


Alles Liebe für euch
Jenni

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Hi Jenny,

die Massage habe ich mir auch gespart, ich fand' das eher unangenehm und es hat mir Angst vor der Geburt gemacht.

Nun bin ich ja bei beiden gerissen und bei Lena auch geschnitten - aber alles ist super verheilt, auch der Beckenboden fühlt sich wieder recht straff an, juhu!!!

Ich bin mir auch SICHER, dass Karls Geburt für mich ohne Gabriele die Hölle gewesen wäre.

15

Hallo Jana!

Wow was für ein Bericht!

Du hast meinen größten Respekt!

Mein Kleiner hatte 37cm Ku und die Faust an der Stirn und ich dachte ich pack das nicht. (Er kam in knapp 2 h!!!) #schock

Wahnsinn!

Alles Gute für euch!

LG never

17

Hallo,

2 Stunden, das ist echt heftig. Autsch.
Ich bin nur froh, dass ich vorher nichts von seinem Kopfumfang ahnte, ich hätte mich verrückt gemacht.

Lg Jana

23

Hallo Jana!

Ich wußte es zum Glück auch nicht.
Ca 11/2 Wochen vor der Geburt war ich mit meiner Hebi noch im Kh zum Schall, weil er sich aus der festen Position im Becken noch mal in Bel gedreht hatte.
Da wurde er auf 35 Ku geschätzt! :-p
Noch vor der Untersuchung hat er sich im Warteraum zurück gedreht! #schock

LG und weiterhin alles Gute

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