Vorsicht, drei Geburten
Mein Großer wurde vor zehn Jahren geboren – mitten in der Nacht. Es ist kurz nach 1.00 Uhr. Um diese Zeit habe ich damals ziemlich verlassen in einem Nebenraum des Schwesternzimmers gelegen und geweint.
Ich sollte die anderen Mütter nicht stören, deshalb wurde ich nach der „Geburt“ dorthin geschoben. Ganz kurz hatte ich vorher mein Kind neben mir liegen. Dann nahmen sie es mit. Weil ich am ganzen Körper zitterte (PDA), konnte ich es nicht halten.
Es war nach dem schlimmsten Tag meines Lebens die schlimmste Nacht meines Lebens und es folgte ein furchtbarer Tag....
Nicht, weil mit meinem Kind oder mir etwas nicht in Ordnung war, sondern weil Krankenhausroutine und emmotionslose Menschen mir die wichtigsten Augenblicke, den ersten Kontakt und die Nähe zwischen Mutter und Kind nicht erlaubten.
Zur Geburt:
Wir waren schon mehr als eine Woche über der Zeit und ich hatte für den kommenden Montag einen Termin zur Einleitung der Geburt. (Ich lese diesen Murks so oft hier....) Am Samstag hatten wir ein erstes Straßenfest in unserer Neubausiedlung, es hat ordentlich Spass gemacht, aber wie es bei solchen Gelegenheiten und werdenden Müttern so ist: Anscheinend ein Anlass für Kinder, sich auf den Weg zu machen. Gegen 23.00 Uhr am Abend merkte ich das regelmäßige Ziehen im Rücken und war mir sicher: Es geht endlich los. Ich war inzwischen 30 Kilo schwerer (habe mit dem Rauchen aufgehört und ersatzweise fürstlich gegessen ((((-J und war so froh über die endliche Erlösung. Ich verliess die Veranstaltung, setzte mich mit dem Wecker und einem Buch in die Küche und „erfasste“ die Abstände. Zehn Minuten, die ganze Nacht lang zehn Minuten. Morgens um acht weckte ich meinen Mann und bat ihn, mit mir ins KH zu fahren, um zu sehen, wie es dem Zwerg nach so einer Nacht wohl geht. Der hatte die Party nicht ganz nüchtern verlassen und war von meiner Idee gar nicht erbaut. Egal, 8.30 Uhr waren wir vor Ort. Auch schon tausend mal gelesen: Diagnose niederschmetternd, weiß es nicht mehr genau, glaub es waren so zwei Zentimeter. Aber wir durften da bleiben und man setzte mich in eine Wanne. Das sei ganz toll. Badezimmer ohne Fenster, Badewanne mega eng (ich 60 + 30 kg in 70er Jahre Modell) gelbe Fliesen, ganz viel Krankenhauskram. Nach ein paar Minuten wollte ich aus dem Knast ganz sicher wieder heraus und sollte spazieren gehen. Nach mehreren Stunden Spaziergang Zuweisung eines Nebenraumes (Kreissaal besetzt). Da wurden die Wehen dann schon sehr unangenehm, Ischiasnerv.... Es liess sich auch niemand blicken bis ich um eine PDA bat. Zweite Schicht Hebamme: Mädel, das lohnt sich nicht, das Kind ist bald da. Überhaupt kein Zeitgefühl, war wohl ca. 18.00 Uhr. Schichtwechsel, neuer Arzt. Kann mich an ihn überhaupt nicht mehr erinnern, nur dass er mich nach einer PDA fragte, weil ich ihm Leid tat. Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah. Gefühlt hunderte Stechversuche, na endlich und nun ab auf die Liege, nicht mehr herumlaufen. Fix angeschlossen an Maschinen (CTG, Blutdruck), prima, nun geben wir mal richtig Gas: Wehentropf, volle Dosis. Ab und zu kommt jemand rein, greift mir zwischen die Beine und geht wieder. Irgendwann gibt’s einen dumpfen Knall in mir, mein Mann ruft die Schwester, die ist sauer. Schweinerei, das Fruchtwasser läuft überall hin. Ich denke schon eine Weile nicht mehr, nur: tut mir leid... kann mich doch nicht bewegen. Weine und zittere, inzwischen verabschiedet sich die Schwester: War wohl doch nicht so verkehrt mit der PDA, bin dann mal weg. Eine Stunde Wehen unter PDA, niemand zu sehen. Dann kommt die Schwester, die ich schon beim CTG immer doof fand, stellt sich vor, greift zu und geht. Inzwischen ist es wohl 22.00 Uhr, da kommt ihre erlösende Erkenntnis: IRGENDETWAS STIMMT HIER NICHT! Sie greift wieder zu und meint, sie müsse wohl mal den Arzt holen, so wie es aussieht, kann das Kind gar nicht raus... Der Arzt kommt, wieder die Hand hinein. „Nein“ sagt er, der kann nicht raus. Dann die allgemeine Hektik: Herztöne werden unter den Hammerwehen schlechter. Ihr Kind ist ziehmlich fertig – ja, ich auch. Wir rufen den Oberarzt an: Kaiserschnitt. Sie bereiten mich vor und während ich in irgendeinen Keller geschoben werde, höre ich den Oberarzt schimpfen, dass ich hoffentlich die letzte blöde Privatpatientin für heute bin... da ist es halb zwölf. Fünf Minuten später haben sie mich aufgeschnitten (leider war der Schnitt noch zu merken) und ich höre den erlösenden Schrei.....
Ehepartner im OP nicht erlaubt. Sehe meinen Sohn kurz, er ist schon in Tücher eingewickelt, dann ist er weg. Kein Wort zu mir, nur zusammenflicken und raus mit ihr = endlich Feierabend.
Den Rest der Nacht im Nebenraum des Schwesternzimmers.
Am nächsten Tag kommen meine Eltern um das erste Kind ihrer Tochter zu begrüßen. Sie dürfen ihn nicht sehen. Ich auch nicht.
Erst, wenn der Vater kommt. Der kommt am späten Nachmittag.
Ich habe furchtbare Schmerzen und muss immerzu weinen.
Lukas wog bei der Geburt 4.220 g bei 54 cm Länge. Sein Mund wurde von einer Schwester am Nachmittag auf meine Brust gedrückt, er wusste gar nicht, was das sollte. Sie sagte, dass er zum Trinken an der Brust zu schwach sei, nahm ihn mit und schob mir eine elektrische Pumpe ans Bett: Viel Spass.
Am dritten Tag habe ich mich der Nachtschwester anvertraut, da kam der Milcheinschuss dazu und ich war absolut am Ende meiner Kräfte.
Ganz dickes Dankeschön an sie: Man gab mir endlich mein Kind in die Arme.
Meine kleine Schwester (Kinderkrankenschwester) hat mir nach der Entlassung Stillhütchen mitgebracht (dort nicht erlaubt) und ab dem Tag, an dem ich das KH verließ, konnte ich mein Kind endlich stillen.
Zwei Jahre später war ich – nicht geplant – wieder schwanger. Ich wusste nicht viel, nur dass ich das nie wieder erleben wollte. Die Frau meines Bruders gab mir die Telefonnummer ihrer Hebamme und dafür bin ich ihr heute noch sooooooooooo dankbar.
Bitte an alle, die es bis hierher geschafft haben: bereitet Eure Geburt gut vor. KH mit Kinderklinik ist nicht alles!!!
Die zweite Geburt:
Vorher Akkupunktur gemacht, damit die Eröffnungsphase nicht so lange dauert: Danke, liebe Anne. Nachts schon leichte Wehen, aber noch schön geschlafen. Morgens mit meiner Mama durch die Straßen gelaufen, Anne schon mal angerufen, dass ich glaube, es geht los. Wir treffen uns am Mittag im KH (andere Stadt 30 km entfernt, Beleghebamme erlaubt, juhu). Blöde Wehen bis halb sechs, Anne ist bei mir. Meinen Mann möchte ich gar nicht sehen. Die Ehe ist schon nicht mehr gut.
Presswehen, ich kann nicht mehr, hilf mir Anne. Sie lässt mich kreisen, um das Kind ins Becken zu bekommen. Meine Charli will aber nicht und ich auch nicht mehr. Sie holt den Arzt und der holt die Charli mit „Gewalt“. Er malträtiert meinen Bauch, sie feuert mich an und ich denke, ihr könnt mich alle mal... Um sechs ist Charli da, gluckst mal kurz, alles gut. Kurz getrocknet liegt sie in meinem Arm an meiner Brust und nuckelt, während ich ein Wurstbrot geniesse. Anne flüstert mir ins Ohr: Jetzt weiß ich, wie wir sie rausbekommen: Das nächste Kind bekommst du im Schlaf. Während die Kleine weiternuckelt, werde ich genäht – mit Betäubung (!). Keine Sekunde war sie nicht mit mir im Raum bis wir nach drei Tagen das Krankenhaus verlassen.
Als ich vier Jahre später ein neues Leben angefangen habe und eine positiven Schwangerschaftstest in den Händen halte, rufe ich einen Tag später Anne an. Das erste was sie sagt ist, dass es dieses mal ein Kinderspiel wird...
Es folgt eine Schwangerschaft, in der ich meinen Sohn beinahe verloren hätte. Hämatom ab der 16. Woche wegen Stress/ beruflicher Neuanfang. Begleitet von einem wunderbaren Arzt (der der meine Charli auf die Welt geboxt hat, inzwischen freischaffender Frauenarzt) und meiner Anne. Am 12.07.2007 ist errechneter ET, am 12.07.2007 misst Anne morgens meinen Bauch, spricht mit unserem Kind (der Süsse hat sich in der 40. Woche von links nach rechts gedreht) und ich sage ihr, dass sie sich heute bereit halten müsste, weil der Alexander kommt.
Trotz nicht akutem Befund soll ich noch mal schlafen, sie will es auch, weil sie weiß, dass eine Mutter weiß, wann es wirklich losgeht.
Am frühen Abend beginnen die Wehen und ich habe Angst. Während ich meine Mäuse schlafen lege, ziept es schon ordentlich. Rufe meine Eltern an, meinen Liebsten und meine Anne und denke, ihr könnt schon mal anfangen, ich komme nach...
Bis halb zehn kann ich alle überzeugen, dass wir noch soooo viel Zeit haben, dann werde ich ins Auto verfrachtet. Immerhin fahren wir mehr als eine halbe Stunde.
Den Geburtsbericht von Alexander habe ich schon einmal aufgeschrieben, trotzdem hier noch einmal ganz kurz:
Halb elf bin ich in einem gemütlichen Zimmer am CTG und schon bei 5 cm. Wir machen Witze zwischen den Wehen. Halb zwölf platzt die Fruchtblase vornehm auf dem WC. Um Zwölf steckt mich meine geliebte Anne in die neue Geburtswanne, den Stolz des Hauses (habe ich mit gesponsert, als ich gerade schwanger war (-; ) Kurz nach zwölf teile ich ihr mit, dass ich nun keine Lust mehr habe, ein Kind zu bekommen. Halb eins halte ich meinen Alexander in der Wanne im Arm. Nur der Papa, Mama, Sohn und Anne haben es geschafft. An den Herztönen des Kleinen hat man nicht gehört, dass er sich gerade auf den Weg in ein neues Leben begibt.
Muss so gegen zwei Uhr morgens gewesen sein, als Alexander und sein Papa im Doppelbett des Familienzimmers vor sich hin geschnarcht haben, während Mama Fotos gemacht hat, weil sie nicht schlafen konnte.
Darauf folgte der schönste Tag in meinem Leben nach der schönsten Nacht meines Lebens.
Ich habe ein anatomisches Problem, das der Grund dafür ist, dass meine Kinder nicht „einfach“ ins Becken rutschen konnten: Es ist zu kurz. Der Kaiserschnitt wäre nicht nötig gewesen. Die Quälerei von Mutter und Kind auch nicht.
Die Geburt meines ersten Kindes ist ein Trauma, das ich – weiß nicht wieso – noch nicht verarbeitet habe.
Ich habe das aufgeschrieben weil ich hoffe, dass ich dadurch vielleicht das eine oder andere furchtbare Geburtserlebnis verhindern kann. In unserem örtlichen Krankenhaus gibt es inzwischen zumindest eine anständige Geburtswanne. Die eine oder andere Schwester ist wohl auch nicht mehr da, aber die Grundeinstellung dort ist immer noch die gleiche...
Sekundäre Section aus vordere Hinterhauptslage wegen Geburtsstillstand
Ich habe das aufgeschrieben weil ich hoffe, dass ich dadurch vielleicht das eine oder andere furchtbare Geburtserlebnis verhindern kann. In unserem örtlichen Krankenhaus gibt es inzwischen zumindest eine anständige Geburtswanne. Die eine oder andere Schwester ist wohl auch nicht mehr da, aber die Grundeinstellung dort ist immer noch die gleiche...
Weißt du genau sowas habe ich mir gedacht, ich las deinen B ericht durch und dachte....um gottes willen, hat sie sich nicht vorher informiert, wo sie entbindet..
man macht Fehler...ich denke, dass sich extrem gut zu informieren...eine der wichtigsten sachen der ss ist..
ich hoffe sehr für dich, du kannst dein Trauma verarbeiten..alles liebe
Hallo,
dein Bericht macht mir ein Stück Mut, dass mir hoffentlich mit guter Vorbereitung ein weiterer KS erspart bleibt. Ich knabbere immer noch sehr daran, v.a. weil ich duch die VN auch noch die erste Stunde im Leben meines Kindes verpasst habe. Und weil es spät abends war und der Anästesist keine Lust mehr hatte, hat er nicht erkannt dass ich schon viel früher als geplant aufgewacht bin - ohne jegliches Schmerzmittel. Es war der Horror. Die Standartschmerztherapie schlug dann 1/2 Stunde später natürlich nicht mehr an und weil in dem kleinen Krankenhaus auch kein Anästesist mehr da war, war niemand dazu in der Lage, die Anordnung zu verändern. Für mich bedeutete es Stunden der Schmerzen. Man ließ mich auch einfach liegen, schob mich später zu einer anderen Frau ins Zimmer, die regelmäßig ihr Kind stillte, immer dann, wenn ich trotz der Schmerzen mal wegnickte. Mein Kind konnte ich erst an nächsten Tag selbst in den Arm nehmen. Mein Kleiner wollte eigentlich saugen, wurde aber wegen meiner starken Schmerzen nicht angelegt - wofür ich noch angeranzt wurde von einer Kinderkrankenschwester: Ihre Schmerzen sind egal. Zum Glück bin ich die perfekte Milchkuh und das Stillen wurde ein Kinderspiel für mich. Aber dieses Krankenhaus werde ich nie wieder als Patientin betreten.
Ich habe mir anschließend Vorwürfe gemacht, dass ich in dieses Krankenhaus gegangen bin. Ich habe es wegen meiner Beleghebamme gemacht. Von denen gibt es hier auf dem Land kaum welche. Aber bei der Ärztin im KH hatte ich von Anfang an ein schlechtes Gefühl. Darauf hätte ich vertrauen sollen und hätte die Klinik wechseln sollen. Die hatte nur Panik wegen der Größe meines Kindes und hat letztlich dafür gesorgt, dass es ein KS wird. Jetzt muss ich damit leben, auch wenn es schwer fällt. Aber beim nächsten Kind werde ich auf jeden Fall vorher viele verschiedene Kliniken abklappern, und wenn ich auch 1 Stunde dafür fahren muss. Und ich werde alles vorher besprechen - auch einen evtl. weiteren KS. Schließlich muss ich ja damit rechnen, leider.
Mein Mann versteht es manchmal nicht so ganz, dass sich bei mir manchmal wirklich alles um dieses Thema dreht, aber ich will halt einfach so gut wie möglich vorbereitet sein, schon bevor ich das nächste mal ss bin. Und vielleicht darf ich dann ja in die Geburtswanne, was mir beim letzten mal untersagt wurde, weil es angeblich zu riskant sei bei mir .
LG
frierschaf
ich kann gut verstehen, dass sich nach deinem erlebnis alles um dieses thema dreht... wie groß war der kleine denn?
Am Ende war er deutlich leichter als errechnet. 3 Wochen vor ET wurde er auf mindestens 4000g geschätzt, was die Ärztin in reine Panik versetzte. Bis zur Geburt rechnete man mit ca. 4500 g. Das Problem war, dass mein Bauch absolut gigantisch war, bedingt durch jede Menge Fruchtwasser und eine riesige Placenta. So wurde mein Kleiner schwerer geschätzt als er war - auch wenn er durchaus nicht klein war. Aber ich bin auch nicht klein und zierlich. So sah ich da kein Problem. Am Ende waren die Geburtsdaten:
Länge: 56 cm
KU: 38 cm
Gewicht: 3989 g
Er war also durchaus nicht klein, aber deutlich leichter als geschätzt. Am Ende haben sie sich in dieser Hinsicht reichlich gewunden: Naja, das war ja nur eine Schätzung... Und vorher wurden mir die Horrorgeschichten von stecken bleibenden Kindern vor Augen gemalt. Ich wollte aber trotzdem eine natürliche Geburt, die man mir dann ja versaut hat. Nie wieder diese Klinik.
Ich hoffe auf jeden Fall, dass eine gute Vorbereitung mir das beim nächsten mal ersparen wird. Und ich werde mir jede nur erdenkliche Meinung vorher einholen. In meiner FÄ hier am Ort habe ich zum Glück eine recht gute Beraterin. So wird es dann hoffentlich gut gehen beim nächsten mal.
LG
frierschaf
Ich finde es toll das du das hier aufgeschrieben hast.
Das die erste Geburt traumatisch für dich war ist kein wunder. Ich weiß wie es ist, den Schnitt noch zu spüren.
Man hat nicht nur deinen Körper schwer verletzt sondern dich auch noch deinem Kind beraubt und dich behandelt wie den letzten Arsch.
Ich hoffe du überwindest dieses Trauma irgendwann.
Ich möchte auch so oft Frauen davor retten in ihr verderben zu rennen. Zu den Ärzten die dann mal eben schneiden und den Frauen erzählen dre Kaiserschnitt wäre soooo toll.
Leider wird man dafür verhöhnt, zerrissen und ausgelacht.
Dir alles Liebe