Ich bin gerade über unseren Geburtsbericht gestolpert und war gerührt - nun ist es schon fast ein halbes Jahr her und es ist mit allen Höhen und Tiefen toll Mama zu sein!
Lest selbst:
Zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin fing ich mir einen dicken grippalen Infekt ein – Husten, Schnupfen, Halsweh – das volle Programm, allerdings ohne Fieber. Agnes und Michela, meine beiden Hebammen, gaben sich alle Mühe mich mit alternativen Mitteln wieder fit zu bekommen. Beide waren der Meinung, dass sich mein Körper erst auskurieren würde bevor die Geburt losgehe. Denn das war meine große Sorge: völlig ausgelaugt und kraftlos in die Geburt zu gehen.
Auch meine Ärztin bestätigte mir am Donnerstag, den 27.1., dass der Muttermund zwar schon auf 2 cm auf sei, der Gebärmutterhals aber noch weit zurück liege und somit der Befund nicht geburtsreif sei.
Mein Mann G. und ich stellten uns also auf eine Übertragung ein. In der Zwischenzeit hatte ich auch meinen Liebsten mit einer Erkältung angesteckt. So hingen wir also gemeinsam über dem Thymiantee zum dampfen und ließen uns die Rotlichtlampe ins Gesicht scheinen. Mir ging es wirklich nicht gut und auch der Bauch machte mir zu schaffen. Das Unangenehmste war aber die Schlaflosigkeit. Nach spätestens 1,5 Stunden wachte ich auf, weil entweder meine Nase zu war oder ich auf die Toilette musste.
Am Dienstag, den 1.2. hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass es mir ein klein wenig besser geht. Götz und ich habe den Tag auf unsere Art verschlumpft – lange im Bett geblieben, schön gefrühstückt, ein Hörspiel zu Ende gehört und sind beide den ganzen Tag nicht aus dem Haus gegangen.
Um 23 Uhr entschloss ich mich, es mit Schlafen zu versuchen. Ich ging ins Bett und bin auch prompt eingeschlafen. Um 24 Uhr wurde ich mit einem Schlag wach, weil mir eine Flüssigkeit am Oberschenkel entlang lief. Ich habe mir dabei noch nichts weiter gedacht, nur vor mich hin gegrummelt, dass ich jetzt auf meine alten Schwangerschaftstage wohl auch noch inkontinent werde. Schlaftrunken bin ich auf die Toilette gewatschelt und wieder zurück ins Bett. Kurz darauf lief es wieder und ich wurde schon hellhörig – könnte das die Fruchtblase gewesen sein? Ich hievte mich also wieder hoch und bin ins Wohnzimmer gegangen. Denn G. hatte sich (freiwillig) mit seiner Erkältung ins Wohnzimmer zum Schlafen verzogen. Sein Schnupfen- Schnarchen hatte mir den letzten Schlaf geraubt.
Ich stand in der Tür und sagte ihn: „Ich glaube meine Fruchtblase ist geplatzt – aber ich bin mir nicht sicher…“. In dem Moment machte es „flatsch“ auf den Boden und wir waren uns sicher! Oh man, es sollte also wirklich losgehen. Aber alle hatte doch gesagt es dauert noch – wir hatten noch keine Geburtshaustasche gepackt, die Babysachen waren noch nicht alle geordert und wir wollten doch auch noch einen Gipsabdruck vom schönen Babybauch machen!
Ich klemmt mir ein Handtuch zwischen die Beine und dirigierte meinen Mann, der die Tasche packte. Wir waren beide erstaunlicherweise sehr ruhig. 15 min nach dem Blasensprung merkte ich auch schon die ersten Wehen, die waren noch gut auszuhalten, allerdings kamen sie schon alle 5 min! Ich konnte sie im Stehen mit kreisenden Bewegungen des Beckens und Ablegen des Oberkörpers z. B. auf das Regal gut veratmen.
Nachdem die Tasche gepackt war, legte sich G. zu mir ins Bett. Beide meinten wir, das dauert bestimmt noch und wir wollten versuchen noch etwas zu schlafen. Pustekuchen, die Wehen wurden immer stärker und um 2 Uhr rief Götz Michela an, die an diesem Tag Rufbereitschaft hatte. Wir verabredeten uns mit ihr um 3 Uhr im Geburtshaus. G und ich zogen uns an und es wurde schon immer schwieriger die Wehen zu verarbeiten. Mein Liebster schnappte sich die gepackte Tasche und den Maxicosi und lief die Treppen runter zum Auto – ich brauchte etwas länger und musste im 4. und 1. OG eine Wehe veratmen. Unten angekommen erwartete uns ein Eisregen und die Straßen waren außerordentlich glatt. G. fuhr sehr gefühlvoll die 10 min zum Geburtshaus. Kurz nach Überquerung der Schönhauser Allee bekam ich eine fiese Wehe, die sitzend im Auto nur sehr schwer zu ertragen war und ich nötigte G. rechts ran zu fahren, da mich das Schuckeln des Autos noch mehr stresste.
Kurz darauf kamen wir im Geburtshaus an. Michela zu sehen war für mich erleichternd. Ich hatte das Gefühl Verantwortung abgeben zu können und jemanden an meiner Seite zu haben, der sehr beruhigend auf mich wirkte. Michela begrüßte uns und konnte schon recht schnell sehen, dass es kein falscher Alarm war. Sie lobte gleich meine Atemtechnik. Überhaupt lobt und begleitete sie immer sehr positiv.
Nachdem wir das rote Geburtszimmer bezogen hatten (mein Favorit), lies sie mir die Badewanne ein. Ich hatte ja eigentlich auch vor unseren kleinen Wassermann in der Wanne zu gebären. Die Wehen kamen regelmäßig und auch schon stärker, aber ich konnte sie sehr gut veratmen und in den Pausen dazwischen auch noch mit G. und der Hebamme scherzen und reden. Michela kontrollierte permanent die Herztöne von unserem Baby und gab mir immer feedback wie´s dem Kleinen geht. Auch das CTG ganz am Anfang bestätigte, das Karlchen ein starkes gesundes Herz habe.
Nach einer halben Stunde in der Geburtswanne kontrollierte Michela meinen Muttermund – und siehe da – er war schon auf 6 cm auf. Man, war ich stolz und überrascht, denn bis jetzt konnte ich wirklich gut mit den Schmerzen umgehen.
Das änderte sich so gegen 4:30 Uhr. In der Badewanne konnte ich es auf dem Rücken nicht mehr aushalten. Also hievte ich mich mit der Unterstützung von Götz aus der Wanne. Er hielt meinen Bademantel bereit und ich wagte mich, auf den Vorschlag der Hebamme hin, an das Seil. Hier veratmete ich ein paar zunehmend schmerzhaftere Wehen. Allerdings gefiel mir die stehende Position nicht wirklich und auch mein Kreislauf machte nach der Wanne schlapp.
Daraufhin schlug Michela vor, mich vor das Bett zu knien und mich mit dem Oberkörper darauf ab zu stützen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Wehen schon wirklich fies und in den Pausen war mir nicht mehr nach reden. G. lag in einer unbequemen Position auf dem Bett und ich hing mich bei jeder Wehe total an seine Hand – es war wie beim Armdrücken und mein Mann musste aufpassen nicht zu verlieren. Ich zog sehr viel Kraft von ihm und konnte es nicht ertragen, wenn er unter einer Wehe von mir weg wollte, um sich anders zu positionieren. Da kam dann nur mein Stakkato-Befehl „Hand“ und weiter ging`s mit den Wehen.
Kurz durfte ich mich auf den Gebärhocker setzen. Das empfand ich als Erleichterung. Mein Liebster saß hinter mir und hielt mich und ich konnte meine Beine entspannen – soweit man in dieser Situation noch von Entspannung reden konnte. In einer Wehe untersuchte mich Michela und teilte uns mit das der Muttermund fast vollständig offen sei und nur noch ein kleiner Rand stehe. Den wollte sie in der nächsten Wehe über das Köpfchen schieben. Das tat sie auch und ich dachte, ich müsse sie von mir wegschlagen, so weh tat das – ich schrie das erste Mal meinen Schmerz hinaus. Vorher hatte ich immer nur getönt, da mir diese Atemtechnik bei den Schmerzen half.
In der Zwischenzeit war auch Anja, die zweite Hebamme zur Geburt, angekommen. Um 5 Uhr begrüßte sie uns und half mit. Michela war wie ein Kapitän auf hoher See für mich – ich konzentrierte mich ganz auf ihre Ansagen und machte einige Verrenkungen, die das Kind besser ins Becken rutschen lassen sollten. Ich machte brav mit, auch wenn es mich arge Kraft kostete und ich zunehmend wirklich sehr große Schmerzen hatte. Vom Gefühl her, war es eine Dampframme, die sich durch meinen Körper zog. Es zog und drückte, riss und krampfte unglaublich.
Zu diesem Zeitpunkt war ich wirklich richtig fertig. Jetzt machte sich die lange Krankheit im Vorfeld bemerkbar, denn meine Kräfte schienen aufgebraucht. Ich bekam kaum noch die Augen auf und konnte mir nicht vorstellen, dass diese Schmerzen jemals aufhören sollten. Anja versuchte mir einen Glukosetropf anzulegen. Das verwirrte mich aber total und G. bekam das mit. Ich war ihm so dankbar, dass er Anja davon abhielt, denn ich konnte das nicht mehr kommunizieren. Anja kam auf eine andere Idee und mit Todesverachtung ließ ich mir flüssigen Traubenzucker löffelweise einflößen. Denn selbst Wasser verursachte mir zu diesem Zeitpunkt extreme Übelkeit. Aber ich wusste, ich musste das Zeug jetzt schlucken, sonst würde es mir noch schlechter gehen. Michela bestätigte mir immer wieder, dass es nicht mehr lange dauern würde, aber ich glaubte ihr nicht. Ich fühlte noch so viel Kind in mir und konnte mir nicht vorstellen, dass es jetzt so schnell gehen sollte.
Zu Krönung motivierten mich alle drei dann auch noch meine Kniestellung aufzugeben und mich hin zustellen. Auf der einen Seite mein Mann, auf der anderen Anja und unter mir Michela, veratmete ich zwei Wehen. Ich hing wie ein Sack an den beiden und bin mir sicher, Anja hat es heute noch mit dem Nacken zu tun.
In all der Zeit hatte Michela immer einen Blick auf meinen Damm. Ich merkte, wie sie ihn in jeder Wehe mit den Fingern weitete und mit heißen Kaffee-Kompressen nachhalf.
Endlich nach der „Steh-Arie“ durfte ich mich wieder auf meinen Gebärhocker hinsetzen. In dieser Position durfte ich dann mit drücken. Die Presswehen waren allerdings nicht besonders stark, weil ich schon sehr geschwächt war. Michela gab mir genaue Anweisungen wann ich drücken oder verhecheln sollte. Ich hab mir nur gedacht: “O Gott, wenn das jetzt nicht ewig gehen soll, dann geh über den Schmerz – ich will, dass das Baby jetzt endlich kommt!“ Mit diesen Gedanken, die so nicht wörtlich waren, denn ich hatte das Gefühl in einer andere Sphäre zu sein, drückte ich was das Zeug hielt, auch ohne Wehen und über den Schmerz hinweg – ich tauchte so richtig rein und wurde richtig laut.
Michela wollte mir Mut machen und sagte mir, dass es gleich geschafft sei. Sie konnte schon dunkle Haare sehen und fragte mich, ob ich ihn mal berühren wollte. Ich konnte mir nicht vorstellen mich irgendwie zu bewegen und wollte das Kind jetzt endlich zur Welt bringen. Mit einer der nächsten Wehen wurde der Kopf geboren. Ich saß mit letzter Kraft auf dem Hocker und konnte meine Augen nicht aufmachen. Anja sagte sehr eindrücklich zu mir: „Franziska, mach jetzt die Augen auf, dein Kind wird geboren!“ Und tatsächlich, ich sah wie der kleine Körper förmlich aus mir heraus schoss.
Es war im ersten Moment sooo eine Erleichterung, der Druck und die Schmerzen waren weg! Das war das erste Gefühl. Dann sah ich den kleinen Wurm zu meinen Füßen, wie er sich bewegte und leise krähte. Michela legte ihn mir auf den Bauch und mein Liebster und ich konnten das Wunder nicht glauben – wir hatten es geschafft! Um 7:33 Uhr erblickte unser Sohn Karl das Licht der Welt.
Bald halfen mir alle auf das Bett. Karlchen hatte ich fest im Arm und war mit der Nabelschnur noch mit ihm verbunden. Michela lies diese noch auspulsieren und Götz durfte unserem Sohn dann endgültig von mir abkoppeln.
Was waren das für Momente – der kleine Karl ganz schmierig und warm auf meiner Brust, schaute mich mit offenen Augen, mit der Weisheit der ganzen Welt in sich, an. Unser Sohn – ich war so stolz und voller Bewunderung für dieses Leben!
Nach 20 min wurde mit einem Schwall die Plazenta geboren – was für ein großes und tolles Organ! Es hatte 10 Monate gut auf Karlchen achtgegeben.
Wir bekamen ein Frühstück und wurden alleine gelassen von den zwei Hebammen. Nun konnten wir uns richtig beschnuppern. Die Zeit verging wie im Fluge.
Micheal kam nach ein paar Stunden wieder und der erste Baby-Check begann – der kleine „Streber“ bekam volle Punktzahl. Er wurde mit 3320 g, 50 cm Länge und 36 cm Kopfumfang geboren.
G. zog das kleine Wesen an und ich beobachtete voll zärtlicher Gefühle meine beiden Männer. Er machte das wirklich total gut und souverän. Dann wurde noch das Anlegen an die Brust geübt. Ich hatte ja im Vorfeld ein paar Bedenken, dass meine Brustwarzen zu flach seien, aber das erwies sich nicht so. Nach ein paar Anläufen fand Karlchen sein Ziel und legte ordentlich los.
Ich versuchte nach einiger Zeit das erste Mal auf zustehen und mich frisch zu machen. Das ging erstaunlich gut und auch mein Kreislauf spielte wieder mit. Gegen 13 Uhr verließen wir das Geburtshaus. Ich hatte mich vor dem Moment ein wenig gegruselt, so ohne „Führung“ nach Hause zu gehen. Aber sowohl die Autofahrt, als auch die 5 Treppen meisterten wir ohne Probleme und ich war froh wieder in meinen Bett zu liegen, den kleinen Wurm ganz dich bei mir.
Am Abend kam Agnes noch einmal vorbei und schaute nach uns beiden. Das Stillen klappte und auch meine Gebärmutter zog sich gut zusammen und so wurden wir in unsere erste gemeinsame Nacht zu dritt entlassen, in der wir natürlich nicht viel Schlaf fanden. Zu aufregend war es dieses kleine Wesen zu bewundern. Jedes Geräusch und jede Bewegung, die er machte waren neu und musste irgendwie eingeschätzt werden.
Der kleine Karl rührt mich immer noch oft zu Tränen – denn natürlich ist er ganz „objektiv“ betrachtet das süßeste Baby der ganzen Welt!
Im Geburtshaus - eine intensive, schöne Geburt!
Ein einfach schöner Bericht.... ich wünsche viel Freude mit Eurem Karl und alles Gute für Eure gemeinsame Zukunft.
Danke! Es ist wahnsinn wie schnelle die Zeit vergeht!
Liebe Gerüße, Franzi & Karlchen
Hallo!
Das ist ein wunderschöner Geburtsbericht!
Meinen herzlichsten Glückwunsch zum kleinen Karl.
Ich werde mit Helga eine Hausgeburt machen und unser Sohn soll auch Karl heissen! Das Geburtshaus ist total toll und die Hebammen alle so lieb.
Liebe Grüße aus der Schönhauser Allee, Uta
Hallo Uta,
danke dir! Es ist wahnsinn wie schnelle die Zeit vergangen ist!
Ich wünsche euch eine tolle Hausgeburt und ja, Du hast Recht das Geburtshaus ist klasse und Karl ein toller Name
Liebe Grüße, Franzi & Karlchen
Der schönste Bericht, den ich hier je gelesen habe.
Mir kamen die Tränen und ich konnte richtig mitfühlen. Wunderschön.
Ich hoffe ihr habt immernoch eine schöne Zeit mit eurem kleinen Karl.
Vielen Dank und JA, es ist klasse Mama zu sein!
Wie schön
Alles Liebe und Gute euch
Da wächst meine Vorfreude aufs Geburtshaus ins Unermessliche
VlG