Es ist nun wirklich schon ein paar Jahre her, aber vielleicht kann mein Bericht einige aufgeregte, ungeduldige Schwangere zum Innehalten anregen. Dazu anregen wirklich einfach den Dingen ihren natürlichen Lauf zu lassen.
Wenn man mich in der Schwangerschaft gefragt hatte, wie ich denn gebären möchte, kam von mir die Standardantwort (): "Ich gehe alleine in den Wald und komme erst wieder raus, wenn das Kind da ist!" ....ich fand die entsetzten Blicke immer so witzig. Wozu sollte ich mir Gedanken um Geburtspläne, Wunschgeburt/-position, das passende Outfit für den Kreißsaal in der "perfekten" Klinik machen, herrje es kommt doch immer anders als man denkt. So ein Gewese um die Geburt, nein das war nicht mein Ding. Es war klar, das ich in der nächsten Klinik mit sofort verfügbarem Notfallprogramm für das Kind entbinden werde. Die Sicherheit des Kindes stand an erster Stelle.
Tja, der ET rückte näher. Ich glich einem gestrandetem, prustendem Walroß. Meine Tochter ließ der errechnete Termin komplett kalt. Nix tat sich. Nach 7 Tagen über dem ET schickte man mich in die Klinik, neue Regelung. Bis kurz zuvor wartete man noch bis ET+14. Dort angekommen, meine Tochter immer noch völlig unbeeindruckt, Befund: geburtsunreif, alles rappeldicht, Werte okay. Anstatt wieder zu gehen ließ ich mich verunsichern (es war meine erste Geburt) und stimmte einer Einleitung zu. Und ganz ehrlich, ich wollte auch endlich das sie da raus kommt.
Damit begann für mich die mieseste Zeit meines Lebens, ich weiß bis heute nicht, wo ich meine Selbstbestimmung verloren hatte (ich bin ja der Meinung, das ein Mittel durch die Lüftungsanlagen strömt, welches einen "gefügig" macht). Nun denn, die erste Einleitung mit Gel, das Gel selber brannte höllisch. Zwei Stunden später ging ein Wehensturm von 0 auf 100 los, ab in den Kreißsaal(vorraum). Weitere zwei Stunden danach alles vorbei. Meine kleine Widderdame im Bauch hat sich natürlich nicht beeindrucken lassen. Das ganze wurde noch 3 Tage lang, zweimal täglich wiederholt. Ohne auch nur einen minimalen Fortschritt zu erreichen, außer das ich keine Kraft mehr hatte, meine Vagina extrem gereizt und ich psychisch echt am Ende war....NIX. Nach der letzten Einleitung hatte ich ein Gespräch mit der Hebamme, welches mir dann doch wieder zu meinem früheren Selbstbewusstsein verhalf. Es war toll, beruhigend, aufbauend, psychisch extrem stärkend. Für mich stand danach fest: Den Scheiß hier mach ich nicht mehr mit! Sie war dann sogar beim Arztgespräch anwesend.
Der Arzt dann ganz trocken: "Tja, dann werden wir sie übermorgen auf den OP-Plan setzen, wenn sie ihrem Kind einen Kaiserschnitt antun wollen." "Mir egal." Nach einer völlig schlaflosen Nacht bin ich zur Dämmerung raus und spazieren "geprustet". Es war die letzte frostige Nacht und ein herrlicher Sonnenaufgang, ganz klare kalte Luft. Ich streichelte meine Wampe und sagte zu ihr: "So Maus, deine letzte Chance. Wenn du da alleine raus willst, dann leg jetzt los." Ich glaube ihre Tritte bedeuteten so etwas wie, das ich sie nicht nerven soll.
Naja, den ganzen folgenden Tag über hatte ich immer wieder so ein Zwicken und Zwacken, konnte es aber nicht zuordnen. Es wurde stärker und regelmäßiger und ich habe es immer noch nicht kapiert. Abends war es so doll, das ich dann doch mal Bescheid gesagt habe. Ja, sie haben Wehen. Ach, so fühlen sich also an "echte Wehen" an und nicht so wie dieser künstlich erzeugte Mist. Noch mal zwei Stunden später schlich ich dann zum Kreißssal, es war sehr ruhig an dem Abend, eine Hebamme untersuchte mich. Und ja, es ging wirklich los. Als ich nach der Untersuchung aufstand platze die Fruchtblase und ich durfte gleich im Kreißssal bleiben..endlich im richtigen. Ab da lief es für ein paar Stunden ganz normal, ich wehte vor mich hin, bei jeder Untersuchung war der Muttermund etwas weiter auf. Dann bekam ich eine PDA und kam auch wirklich zur Ruhe. Meinen Mann schickte ich weg...ich wollte einfach nur alleine sein. Und schwupp war die Nacht vorbei. Ich war so entspannt und dann ging es los. Das CTG-Gerät fing ständig an zu piepen, ich habe nix kapiert. Ein Arzt kam mit einem "Bolzenschußgerät" und nahm dem Kind Blut ab, ich habe nix kapiert. Der Raum wurde immer voller und ich dachte nur, das sie mich doch nicht nerven sollen. Dann kam die Frage, wo den mein Mann ist und wie schnell er da sein kann, ach nee laßt den mal weg. Ich habe überhaupt nicht geschnallt, das es meinem Kind schlecht geht (miese Blutwerte und Herztöne), das es nicht "um die Ecke" kam, das die Geburt stillstand. Mein Mann kommt rein, die Hebamme spricht mit ihm und als ich sein Gesicht sah, da hat es Klick gemacht. Hier stimmt etwas ganz gewaltig nicht!
Richtig, also schnell quer über den Flur und da nahm mich schon das OP-Team in Empfang. Ich fing kurz an zu weinen, aber sie waren einfach nur toll. Dank der PDA brauchte man nur "nachlegen" und ich bekam alles mit. Wir haben sogar noch gescherzt. Dann kam der Arzt und sagte: "Ich prüfe jetzt mal die Betäubung." "Ja is klar, sagt mein Chef auch immer zu den Patienten und dabei schneidet er schon!" "Ups, sie wissen Bescheid?" Kurz danach ruckelte es etwas und ein Baby schrie, meine Frage: "Ist das mein Kind?". "Logisch, schreit schon bevor sie ganz raus ist."
Sie haben sie mir kurz an die Wange gelegt und sind dann mit ihr raus. Sie sah aus wie ihr Papa und war ganz sauber, keine Käseschmiere mehr. Nach einem kurzem Check kam sie gleich zu meinem Mann (der vor der Tür wartete), ich habe nur noch geheult....die ganze Anspannung ist von mir abgefallen, sie war endlich da. Das Nähen hat Ewigkeiten gedauert, aber ich konnte danach gleich zu den Beiden.
Die Untersuchung fand sie nicht so prickelnd und ist nach dem vermessen gleich eingeschlafen, also bekam ich ein schlafendes Baby in den Arm gelegt....mein Kind, ich glaube ich hatte es immer noch nicht kapiert. Es ging ihr super, sie war eine Sternenguckerin, hatte die Nabelschnur zweimal um den Hals und kam deswegen wohl einfach nicht "um die Ecke".
Tja, die Zeit vorher auf der Station und auch danach war einfach nur Scheiße, an dieser Zeit hatte ich lange zu knabbern. Direkt nach der U2 habe ich mich selber entlassen und erst zu Hause konnten wir uns eigentlich richtig kennenlernen. Das Team im Kreißsaal und auch das Op-Team waren einfach nur Spitze.
Ich glaube wirklich, das ich mir durch die Einleitung die Geburt selber versaut habe. Denn während eines chemischen Wehensturms rührte mein Kind unsagbar schmerzhaft in mir rum, das ich davon ausgehe, das sie dabei in die "falsche Position" geraten ist. Diese Kraftverschwendung hat mir den Rest gegeben.
Ich sage aber auch ganz klar, das ich persönlich niemanden kenne, bei dem eine Einleitung so erfolglos war. Ich persönlich bereue sehr, das ich dieser Einleitung (bei dem Befund) zugestimmt habe. Im Nachheinein kann man das natürlich einfach so sagen. Ob es ohne Einleitung auch zum Kaiserschnitt gekommen wäre...vielleicht. Der Kaiserschnitt ist auch nicht das Problem, an dem hatte ich nie zu knabbern. Ich hatte nie das Gefühl versagt zu haben, wie man es so oft liest. Versagt (im übertragenen Sinne) habe ich bei meiner Selbstbestimmung, bzw das ich meinem Kind nicht vertraut habe, zumindest am Anfang. Auf der anderen Seite hat mich dieses Erlebnis vielleicht auch erst wirklich erkennen lassen, was es heißt: "Vertrau deinem Baby, es weiß was es braucht."
So, das war es. Sie geht mittlerweile auf ihren 4. Geburtstag zu und ist einfach nur genial.
Ein weiteres Kind wird nicht kommen, das stand aber auch schon vorher fest. Und ganz ehrlich? Die Geburt war zwar blöd, aber sie ist doch nur ein ganz kleiner Teil von dem, was es ausmacht, wenn man sich dafür entscheidet ein Kind auf seinem Weg zu begleiten.
Und so kann man sich die Geburt selber versauen....
Sehr schöner und ehrlicher Bericht. Weiterhin viel Freude mit eurer Tochter!
Cooler Bericht! Vielen Dank, werd mir dich als Vorbild nehmen wenn mir wieder jemand was einreden will
alles Gute für euch :) scheint immer viel Spaß miteinander zu haben wenn du sagst deine Tochter ist genial... Find ich sehr schön :)
Vielen, vielen Dank für diesen Geburtsbericht. Obwohl dein Weg zur Geburt holprig war, macht mir deine positive Einstellung gerade unheimlich Mut.
Ich bin inzwischen bei 40+6 angekommen und konnte mich eigentlich immer mit deiner Einstellung: "...herrje es kommt doch immer anders als man denkt. So ein Gewese um die Geburt, nein das war nicht mein Ding." gut identifizieren. Ich habe immer gedacht, dass es bei mir mal eher losgehen wird (hab ich mir von der Verwandtschaft einreden lassen) und alles ganz schnell geht... Nun steht stattdessen für Samstag eine Einleitung bevor! Der Befund ist bisher völlig unreif und so mach ich mir über unnütze Einleitungsmethoden und Kaiserschnitt Sorgen. Aber irgendwie hast du es gerade geschafft, trotz deiner Komplikationen, mir wieder ein bisschen Zuversicht zu geben und zur ursprünglichen Einstellung zurückzufinden.
Danke! Dir und deiner Kleinen alles Gute!
Mir hat's geholfen mit dem Bauchzwerg zu reden, habe ihm den "Rauswurf" schon angedroht, wenn er nicht in die Puschen kommt.
Ich dachte auch der kommt eher, aber der Herr ließ sich Zeit. Er war dann auch überreif, als er auf die Welt kam, sagte die Ärztin bei der U3. Fand es anscheinend gemütlich ;)
Mach's nach Gefühl. Ihr packt das!
danke für den tollen bericht <3
Ich kenne diese abartige geleinleitung auch...ich hatte keine Wahl damals weil wir still entbunden haben...und du beruhigst mich ungemein wenn du sagtst, echte wehen fühlen sich anders an...es darf von mir aus weh tun...auch sauweh...aber das fühlte sich einfach falsch an...schwer zu beschreiben...ich hatte 5 tage lang stress bis der kleine endlich da war...und ich ihn dann leider eh ganz hergeben musste...unsere nächste Geburt wird anders...das hab ich mir geschworen..und wenn cih 10 Wochen über den Termin gehe..eine Einleitung kommt nicht in die tüte ;)
Schön deinen Bericht gelesen zu haben!
Mir erging es sehr ähnlich. Bis auf vorzeitigen Blasensprung und Tabletten statt Gel zum einleiten. Meinen Frieden habe ich mit der Geburt noch nicht geschlossen. Bis auf den Blasensprung war nichts daran natürlich. Am schlimmsten waren die Tage nach dem Kaiserschnitt auf der Station. Nach drei Nächten habe ich mich vorzeitig entlassen und bin mit meinem Baby geflüchtet.
Darf ich fragen warum du jetzt noch den Bericht geschrieben hast? Hängt es einem so lange nach? Das wäre ja grässlich.
An die Geburt seines Kindes denkt man ja doch noch oft, nur die Details verschwinden. Alle anderen Berichte sind hier immer sehr frisch und ich wollte einfach mal schreiben, was von all den (auch negativen) Eindrücken nach ein paar Jahren nur noch übrig ist.
Zur Zeit gibt es im Umfeld eine kleine Babyschwemme. Und gerade die Erstgebärenden stellen nun mal viele Fragen und haben Ängste. Ungefähr so erzähle ich dann davon. Und das ist nicht wirklich viel und es ist eigentlich auch unwichtig.
Deswegen dachte ich mal, das ich es hier mal aufschreibe, einfach das auch doofe Geburt kein Trauma bedeuten muß.
Bei meinem 1. Sohn wurde auch eingeleitet bei ET+13, heute, nochmal 2 Traumgeburten später und schwanger mit Nr. 4 muss ich rückblickend sagen, ich täte es nicht wieder...... unwissend und ungeduldig war ich damals und ich bin ganz sicher, die Geburt wäre völlig anders gelaufen, hätte ich das Vertrauen gehabt, das ich heute habe....
Wünsche dir viel, viel Freude mit deinem Sonnenschein.
Tessa
Hallo Knoeterich,
das hat mich so an die Geburt meiner Tochter erinnert, als ich die Stelle mit "Ist das mein Kind?" gelesen habe. Genau die selbe Frage habe ich der Hebamme gestellt, als sie meine Tochter aus der Geburtswanne fischte.
Es gibt einfach Momente für die wichtigen Fragen des Lebens, die sich nicht zwingend mit dem eigentlich vorhandenen Intellekt decken. :)
Liebe Grüße!