Ich habe immer gern die Geburtsberichte hier gelesen und lese immer noch. Deshalb auch hier mein Beitrag vom Sommer diesen Jahres. Vorsicht, superlang!
Bei mir unterschied sich der berechnete ET nach der letzten Menstruation um 5 Tage von dem ET nach dem Ultraschallbefund. Der errechnete ET war am 6.7. und der ET nach Ultraschall war bereits am 1.7. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass der 6.7. stimmt, da ich in dem Zyklus, in dem ich schwanger geworden bin, die Temperatur gemessen habe und ganz genau weiß, wann mein Eisprung war.
Also war ich in Erwartung, dass es vielleicht schon Ende Juni losgeht. Am 1.7. dann, dem ET nach Ultraschall, hatte ich ziemlich starke Vorwehen, welche sich aber nach ein bisschen Hinlegen bald wieder beruhigten. Auch der zweite ET verstrich, ohne das etwas passierte. Es war Hochsommer, ich hochschwanger, aber mir ging es bestens. (Das letzte Trimester war eigentlich mein bestes.) Ich habe stundenlange Spaziergänge unternommen, auch um ein bisschen die Geburt zu provozieren. Dann Himbeeblättertee, dann irgendwann auch Ingwer und Zimt. Aber nichts. Am 10.7. war ich zu einer Kontrolle in dem Krankenhaus, in dem ich entbinden wollte. Befund: Völlig geburtsunreif. Ich konnte den Arzt davon überzeugen, dass der spätere ET stimmt und wir mit einer Einleitung noch warten. Er war sehr freundlich und ging darauf ein. Zwei Tage später bei einer erneuten Kontrolle wurde der gleiche Befund gestellt, nur diesmal war es eine Ärztin der alten Schule. Sie rechnete mir vor, dass das Kind laut WHO bei 41+7 auf der Welt sein muss, uns also noch genau drei Tage bleiben. Ich war in einer Zwickmühle. Ich wollte unbedingt die Chance bekommen natürlich zu gebären aber auch die Geburt nicht einleiten. Den Mumm, das einfach abzulehnen und auf eigene Verantwortung nach Hause zu gehen und weiter zu warten und dann eventuell in einem Notkaiserschnitt zu enden, hatte ich nicht. Heute würde ich es vielleicht anders machen, mit meiner Erfahrung, die ich jetzt nach meiner ersten Geburt habe. Aber damals habe ich mir das nicht zugetraut. Aber eigentlich ist es genau diese Erfahrung, die man bei einer Geburt sammeln kann – die eigene Kraft erfahren, über seine Grenze zu gehen, seiner Intuition zu vertrauen, loszulassen, sich durchzubeißen und es zu wollen und zu schaffen.
Ich habe dann mit meinem Freund telefoniert, welcher Arzt ist, und wir haben beraten, was wir machen. Eine Hälfte in mir wollte die Anweisung der Ärztin pflichtgemäß und ordentlich erfüllen, die andere wollte auf das Kind und auf mich vertrauen und warten. Ich bin dann auf die Station gegangen, auf die ich eingewiesern werden sollte. Dort begegnete ich einem Arzt, der mich fragte ob ich etwas suche. Irgendwie erzählte ich ihm von meinem Problem, aber er meinte nur, dass ist doch schon ziemlich weit drüber. Wir fangen an einzuleiten und dann werden Sie ganz wunderbar gebären.
Am 12.7. bekam ich mittags die erste Tablette vor den Muttermund und abends die zweite. Mein Freund ist auch Akupunkteur und so haben wir die Geburt auch per Akupunktur eingeleitet an diesem Abend. In der Nacht hatte ich leichte Wehen und konnte fast gar nicht schlafen vor Schmerzen, aber es ging auszuhalten. Die Wehen waren noch nicht regelmäßig, aber etwas tat sich. Am nächsten Morgen wurde in mein Zimmer eine Frau eingeliefert, welche ich von den Kontrolluntersuchungen her kannte. Wir hatten den gleichen ET. Bei ihr war in der Nacht die Fruchtblase geplatzt. Nach dem Ultraschall wurde das Gewicht des Kindes aber auf 4,5 kg geschätzt und somit war sie automatisch ein Kandidat für einen Kaiserschnitt. So schnell kann‘s gehen, da habe ich immerhin nochmal Glück gehabt. Am 13.7. ging dann die Einleitung mit einer Tablette am Mittag und Abend weiter. Gegen 18 Uhr wurden die Wehen dann regelmäßiger und um 20 Uhr kamen sie aller 15 Minuten. Wir haben auch wieder per Akupunktur nachgeholfen. Mein Freund fuhr dann ersteinmal nach Hause, da sich nicht abzeichnete, dass es bald losging. Er war aber in Rufbereitschaft. Etwas später ging dann mein Schleimpfropf ab. Ich blutete aber relativ stark und es hörte auch nicht auf (ganz ähnlich Symptome, wie am Anfang der Schwangerschaft). Dann wurde um 22 Uhr nochmal ein CTG geschrieben. Alles i.O. Die Wehenabstände verkürzten sich auf 8-10 Minuten. Da die Blutungen anhielten, sollte ich in den Kreißsaal umziehen, da dort eine Dauerüberwachung per CTG möglich war. Also Sachen gepackt und los ging es. Um 11 war ich im Kreißsaal. Die Hebamme dort gab mir ein paar Anweisungen. Viel warmes Wasser und duschen um die Wehen anzuregen. Danach verschwand sie erst mal wieder um dann ca. einmal pro Stunde für 5 Minuten wieder zu kommen. Also lag ich da so ganz einsam in dem Kreißsaal. Auf einer Kommode war schon alles vorbereitet für das Baby (Tücher auf einem Kissen), aber für mich war das noch so unreal und so weit weg. Sollte es wirklich bald soweit sein? Ich konnte mir das irgendwie gar nicht vorstellen. Eigentlich sollten Kreißsäle ja angeblich immer sehr warm sein, meiner war eiskalt, oder ich habe ziemlich gefroren, ich weiß es nicht. Die Wehen wurden stärker, waren aber noch gut auszuhalten. Ich schaukelte auf einem Pezziball hin und her, was den unteren Rücken lockerte. Das war für mich die beste Position. Gegen 2 Uhr kam die Hebamme wieder mal herein mit dem Fahrplan für den Rest der Nacht. Ich sollte einen Einlauf bekommen, dann wollten wir noch ein bisschen warten, der Muttermund war erst bei 3 cm und dann die Fruchtblase öffnen. Und schon befand ich mich im weiteren Verlauf der Interventionskette. Das wollte ich mit meinem Freund beraten und langsam ging es auch vorwärts, also rief ich ihn an. Um 3 Uhr war er bei mir und um 4 Uhr wurde die Fruchtblase geöffnet. Es war ein komischen Gefühl und ich hatte ein bisschen Angst davor – so ein point of no return. Aber irgendwie musste unser Kind ja raus. Bei der Zustimmung hatte ich so ein Gefühl, wie vom 10 Meter Turm zu springen, den ersten Schritt zu machen, ohne das man weiß, was einen genau erwartet. Aber im Prinzip läuft eine ganze Geburt nach diesem Motto ab und darin liegt auch die Stärke. Sich trauen, den unbekannten Weg zu gehen und es einfach zu machen und sich darauf einzulassen.
Das Fruchtwasser lief ganz warm aus mir heraus und wurde in einer Schale aufgefangen. Ich wollte es unbedingt sehen. Danach ging es dann richtig los. Die Wehen nahmen sehr schnell an Intensität zu, die Abstände verkürzten sich. Ich schaukelte auf meinem Pezziball und bei jeder Wehe kam immer noch ordentlich Fruchtwasser heraus. Mein Freund hielt mir tapfer die Hand und war einfach da, was eine Riesenunterstützung war für mich. Zwischen den Wehen, konnte ich noch lachen und Witze machen. Das änderte sich aber recht bald und die Wehen wurden ziemlich unaushaltbar. Gegen 8 Uhr war mein absoluter Tiefpunkt. Ich war müde, denn ich hatte zwei Nächte nicht geschlafen und die Wehen haben mich in ihrer Intensität einfach umgehauen. Durch den Schichtwechsel kam auch eine neue Hebamme, die sehr kalt war und wie eine Maschine funktionierte. Sie schlug nur Medikamente vor, gab mir aber keine Hilfe zum Atmen oder Positionswechsel. Der Muttermund war erst bei 5 cm und ich mit meinen Kräften schon ziemlich am Ende. Wenn jetzt erst 5 cm geschafft sind, wie soll ich bei 1 cm pro Stunde das noch weitere 5 Stunden durchhalten? Die Hebamme schlug eine PDA vor, was ich natürlich nie wollte und mir vorher ganz fest vorgenommen habe, es abzulehnen. Ich habe abgelehnt und wollte es ersteinmal n weiter ohne versuchen. Nach einer weiteren Stunde hatte sich aber nichts groß getan. Die Wehen waren höllisch. In dieser Situation – ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie ich diese Wehen noch mehrere Stunden aushalten sollte. Am Ende hätte ich sehr wahrscheinlich überhaupt keine Kraft mehr zu pressen und dann endet alles letztendlich doch mit einem Kaiserschnitt. Ihr Argument, dass ich mich durch die PDA auch mehr entspanne und sich der Muttermund dadurch schneller und besser öffnet, hat mich dann überzeugt. Das Setzten der PDA gegen 9 Uhr ging schnell und problemlos. Ca. 30 Minuten später setzte die Wirkung ein. Ich konnte meine Füße noch spüren und mich auch noch bewegen. Die Wehen waren nicht mehr so heftig und nur noch als Druck wahrnehmbar. Ich fühlte mich als Versager, aber ab jetzt war es auszuhalten, wenn das so weitergeht bis zum Schluss. Eine Stunde hatte ich Pause von den Wehen, bin auch fast eingeschlafen zwischendurch. Dann auf einmal ging es wieder los. Der Schmerz wurde wieder stärker und ich dachte, was geht denn jetzt los, ich dachte, ich jetzt habe ich keine Schmerzen mehr. Doch die Wehen wurden wieder genauso heftig, wie zuvor. Ab jetzt war ich wie in Trance und kann mich nur noch an einzelne Gefühle erinnern. Ich habe einfach versucht, das zu überleben. Ich habe an nichts mehr gedacht. Die Schmerzen waren die Hölle, ich bekam Sauerstoff und auch die Herztöne vom Kind waren kurzzeitig mal niedrig. Dann habe ich sofort an mein Kind gedacht und es wurde in dem Moment wieder besser. Ich war die ganze Zeit so mit mir beschäftigt, dass ich mein Kind vergessen hatte, das da jetzt genauso kämpft und Schmerzen hat und im Gegensatz zu mir nicht weiß, was mit ihm passiert und ob es das überhaupt überlebt. Ich war im Nachhinein sehr traurig darüber, dass ich den Kontakt zu meinem Kind verloren habe unter den Schmerzen. Plötzlich spürte ich auf einmal einen enormen Druck nach unten, ich musste einfach dem Druck nachgeben und drückte wie aus einem Schwamm eine Menge Fruchtwasser aus mir raus. So ein Gefühl, wie wenn man einen sehr starken Brechreiz hat, nur da unten... Plötzlich schrie die Hebamme, noch nicht pressen! Wie, sind wir schon so weit? Ich dachte, ich habe noch Stunden vor mir und jetzt waren wir schon am Pressen. Ein Hoffnungsschimmer! Wie vom Himmel geschickt war auch plötzlich eine neue Hebamme da, viel netter als die davor. Ich sollte mich dann auf die linke Seite drehen, damit sich das Kind richtig ins Becken dreht. Auf einmal habe ich auch den Druck seines Kopfes gespürt. Mein kleiner Bauchastronaut bringt sich in Position! Dann wieder auf den Rücken drehen und pressen. Der Arzt der hinzu kam half mir sehr und erklärte mir das pressen mit einem schönen Bild: Wie Luft holen, bevor man im Wasser taucht und dann pressen. Mir war jetzt alles egal, ich habe einfach nur noch versucht zu funktionieren und war froh über eine konkrete Ansage. Drei Presswehen, ich habe gedrückt, was ich konnte, alle Kraft, all meinen Willen. Ich wollte dieses Kind zur Welt bringen, ich wollte das schaffen um jeden Preis, ich wollte keine Zange und keinen Kaiserschnitt. Dann merkte ich, wie mir jemand da mit seinem Finger irgendetwas machte und blickte nach unten und da sah ich, wie mein Kind aus mir heraus kam. In meinem Trancezustand war alles so unreal, aber diese Bilder habe ich ganz deutlich vor Augen.
Danach kam alles ganz anders. Kein Auspulsieren der Nabelschnur und stundenlanges Bonding im Kreißsaal. Mein Baby wurde erst kurz untersucht und vermessen. Ich sah als erstes sein Gesicht, wie er auf dieser Kommode lag und war überwältigt, was wir doch für ein süßes Kind bekommen hatten. Dann wurde er mir kurz auf den Bauch gelegt. Das war so ein wunderbarer Moment! Die Plazenta wurde geboren und mir mir kurz gezeigt und dann musste alles sehr schnell gehen. Bei mir hat es da unten alles zerrissen, was so geht, Scheidenriss innen und außen, Dammschnitt, Schließmuskelriss. Ich habe viel Blut verloren. Mein Sohn wurde dem Vater übergeben und ich wurde schnellstmöglich umgebettet und in den OP zum Nähen gefahren. Ich wurde unter Vollnarkose genäht und kam dann erstmal auf die Aufwachstation. Alles,was ich von meinem Kind hatte, war eine Karte, mit seinem Namen und seinen Daten. Ich habe diese Karte in der darauf folgenden Nacht wahrscheinlich hundert Mal gelesen, um mir zu bestätigen, dass die Geburt real satt gefunden hat. Alle drei Stunden kamen die Babys zum Stillen. Das war so schön und in dieser Zeit hatte ich auch keine Schmerzen. Ab dem nächsten Tag waren wir dann zusammen!
Wir beide, mein Kind und ich, haben noch lange an dieser Geburt zu knabbern gehabt. Er hat sehr viel geweint am Anfang, hat sogar im Schlaf geschrien und ist immer nur schreiend aufgewacht. Ich habe mich als Versager gefühlt, weil ich eine PDA hatte, weil cih so viel geschrien haben und weil die Wehen mich so gelenkt haben. Die Austreibungsphase war die aktivste Phase, in der ich wirklich stark war und etwas machen konnte.
Ende gut, alles gut. Eine Hebamme meinte nachher zu mir, die meisten Einleitungen enden entweder mit der Zange oder mit einem Kaiserschnitt. Ich habe ein gesundes Kind geboren! Er war bei der Geburt ein richtiger Kämpfer, er hat alles richtig gemacht und war so stark!
Kleiner starker Kämpfer
Schade das du vieles so negativ siehst.
Du bist doch kein Versager! Du hast ein Baby geboren. Ob mit oder ohne PDA ist doch scheiß egal!
Ich wollte auch beim 1. alles ganz natürlich, kein Schmerzmittel usw......diesen Wunsch hab ich ganz schnell revidiert als ich bei 4cm einen Wehensturm hatte........das hätte ich keine Stunde, geschweige denn mehrere ausgehalten. Dazu kam Schlafmangel, nichts gegessen (wäre nicht drin geblieben also hab ich es ganz gelassen).
Was hätte denn dein Kind oder du davon gehabt wenn du dich ohne PDA da durch gebissen hättest und es dann am Ende eine Saugglocke oder Zange oder Sectio geworden wäre? Nichts!
Und, früher haben die Frauen das auch ohne geschafft. Ja, denn die hatten keine andere Wahl. Früher sind auch mehr Babys und Mütter bei einer Geburt gestorben, unter anderem weil man ihnen keine Pause verschaffen konnte. Warum ist man ein Versager wenn man den leichteren Weg wählt? Ist man auch ein Versager wenn man die Gondel nimmt statt zu Fuß den Berg zu erklettern? Oder die Brücke nutzt statt den Fluss zu durchschwimmen?
Ich hab da mal mit meiner Oma drüber gesprochen. Als ich meinte "Ich wollte ja keine PDA, aber ohne hätte ich das nicht geschafft" war ihre Antwort "Was? Hätte ich diese Option gehabt, ich wäre die erste gewesen die hier geschrien hätte! Wir mussten da durch, wir hatten keine Wahl."
Glückwunsch zum Sohn! Ich habe bereits 2 spontan Geburten hinter mir und die 3 steht in wenigen Wochen bevor (34.ssw).
Wenn ich das so lese,kommt ganz klar das Gefühl in mir auf,dass du im falschen KH warst.Ich hatte beim 2.Kind eine 24h Geburt...er war einfach ein Propper für meine körperlichen Verhältnisse. Aber die Hebammen (sehr alternativ)gingen stets mit Ruhe vor...so wurde das Kind auch nicht ubzer Druck gesetzt mit einer Blaseneröffnung!
Dann glaube ich das du zu viel Kopf Mensch bist....Ich wünsche dir wenns ein weiteres Kind geben sollte,dass es besser läuft.Denn auch lange Geburten können "schön"sein.
Hallo Liebes,
nachträglich alles erdenklich Gute zur Geburt deines kleinen Wunders.
Du bist mitnichten ein Versager. Du hast ein Leben auf die Welt gebracht und wirst dieses Wesen lieben, pflegen und wachsen und gedeihen lassen.
Meine Mutter wurde nach meiner natürlichen Geburt für Tod erklärt und plötzlich kam sie wieder, einfach so. Weil sie mich sehen wollte. Einmal nur, bevor sie geht. Und sie meinte, mich zu sehen, das wunderschönste auf der Welt, gab ihr die Kraft, genug Lebenskraft, damit sie durchhielt, bis sie nach ein paar Tagen über den Berg war.
Eine natürliche Geburt kann so erschöpfen und lebensbedrohlich sein. KANN. Seien wir froh, dass es heute so viele Möglichkeiten gibt, die uns in irgendeiner Weise helfen und Kraft spenden oder sparen können.
Das ist 34 Jahre her. Mein älterer Bruder und ich wären ohne Mutter aufgewachsen und seit 2009 Vollwaisen, wobei mein Vater wegen Multiple Sklerose bereits seit meinem 7. Lebensjahr, also 1990, und Scheidung im Pflegeheim lebte.
Alles Liebe
Mieze 💟 30. Woche