Ich habe hier etliche Geburtsberichte verschlungen. Nun möchte ich euch meinen zeigen. Obwohl es alles sehr schnell ging, ist er sehr lang. Ich möchte einfach auch für mich protokollartig alles "konservieren".
Schon eine Woche vor der Entbindung (an einem Montag) war ich mit geburtsreifem Befund beim Frauenarzt. Alle 6 Minuten schmerzfreie Wehen, Muttermund 2cm offen, Kopf fest im Becken. Mein Arzt wettete, der Kleine würde bis Donnerstag nicht drin bleiben. Da lag er falsch. Und er meinte, die Geburt würde mit einem Blasensprung beginnen. Ich war gespannt.
-- Der Tag vor der Geburt (SSW 38+5) --
Die Nacht war schlecht. Ich konnte kaum schlafen und bin daher erst 11:30 Uhr aufgestanden. Tagsüber beschäftigte ich mich viel mit "Gewalt im Kreißsaal" und schrieb auch hier bei Urbia. Mein Partner und ich hörten uns einen erschütternden Podcast zum Thema an, der mich dazu brachte, meine Wünsche zur Geburt aufzuschreiben.
gegen 16:00 - Es ist schon schummrig draußen und wir gehen spazieren. Auf einer Rasenfläche übersehe ich ein Loch, stolpere und falle auf die Knie. Ich lande weich, aber überlege, ob man das abklären sollte oder nicht. Die Gebärmutter ist auch ein paar Minuten etwas nervös, aber da nach 5 Minuten alles völlig normal ist, entscheiden C. und ich, dass wir es nicht abklären lassen. Wir scherzen noch herum, dass nicht mal ein Sturz die Fruchtblase zum Platzen bringt und der Arzt mich vorigen Montag noch um den Fahrstuhl statt der Treppen gebeten hat, damit sie bloß nicht noch im Gebäude springen möge.
gegen 21:00 - Ich habe meinen Geburtsplan ausgedruckt und sage noch wortwörtlich zu Christian: "Jetzt kann Benjamin kommen."
gegen 23:30 - Teile vom Schleimpropf gehen ab und das erste Mal blutig. Hier denke ich das erste Mal, dass es eventuell wirklich diese Nacht losgehen könnte.
gegen 00:00 - Wir dachten uns, das wäre nun vielleicht die letzte Chance für längere Zeit, nochmal intim zu werden... Ob wir uns das nur dachten oder auch Konsequenzen folgten, bleibt eurer Phantasie überlassen
-- Die Geburt --
gegen 00:30 - Wir gehen ins Bett, aber ich bemerke Kontraktionen, die im Liegen so unangenehm sind, dass ich aufstehe. Das erst Mal finde ich sie wirklich unangenehm schmerzhaft.
gegen 01:00 - Ich frage mich, ob die Kontraktionen normal sind. Sie kommen häufig doppelt (also eine Wehe gleich nach der anderen) und die Abstände liegen zwischen 2 und 8 Minuten. Es soll doch mit 20 Minuten-Abständen losgehen und langsam kürzer werden! Pausen, hallo? Ich kann aber trotz wirklich schmerzhafter Kontraktionen noch währenddessen reden. Ich stelle mir das erste Mal die Frage, ob diese chaotischen Wehen eine Folge des Sturzes sind und mache mir Sorgen.
gegen 01:30 - Ich rufe im Kreißsaal an und sie sagen (natürlich) ich soll kommen. Wäre ich nicht gestürzt, hätte ich zu diesem Zeitpunkt Christian noch nicht geweckt. So aber wecke ich ihn und bringe ihm bei, dass wir losfahren sollten. Er ist irritiert und eigentlich will er nicht los. "Es wird schon nichts sein". - "Ich weiß nicht. Alles ist komisch und außerdem fühle ich mich unwohl, lass uns bitte fahren." Die Wehen an sich nehme ich zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich ernst. Mein Partner schon gleich gar nicht.
gegen 2:20 - Eine Stunde verbringen wir gemütlich mit Anziehen, Checkliste prüfen und ich mit Wehen veratmen (konnte aber trotzdem noch reden). Langsam denke ich mir, dass das jetzt auch wegen der Wehen an sich ein guter Losfahrzeitpunkt ist (die Wehen sind nicht richtig stark, aber dennoch schmerzhaft und einfach so irre viele) und ich bin froh, dass ich Christian schon geweckt habe. 2:30 fahren wir los. Vor der Autofahrt graut es mir. Sitzen tut einfach nur weh. Mittlerweile kommen die Wehen alle 2-3 Minuten und ich jammere über zu kurze Pausen und fühlte mich "jetzt schon" überfordert. Wie soll ich das noch 20 Stunden aushalten?! (Einige Geburten dauern ja so lang...) Im Auto denke ich an meine Freundinnen, die schon entbunden haben und frage mich, wie sie das nur viele Stunden aushalten konnten. Ich hängte mich oben im Haltegriff über der Autotür ein, wenn Wehen kommen und versuche, sie irgendwie anzunehmen. Zu Christian sage ich vorgespielt tapfer: "Jede Wehe bringt mich Benjamin näher". Innerlich fluche ich. Jetzt bin ich sicher "Es geht los."
gegen 02:45 - Wir kommen am Krankenhaus an und der Vordereingang ist zu. Ich könnte heulen und wir laufen nochmal ca. 300m zum Eingang der Notaufnahme. Ich jammere, laufe während der Wehen aber - obwohl ich mich kaum auf den Beinen halten kann - weiter, weil ich einfach merke "Ich muss in den Kreißsaal".
gegen 02:55 - Ich werde aufgenommen. Dieser Zeitpunkt steht auf dem Bändchen, das mir umgebunden wurde. Die Kreißsaalstation sieht sehr leer aus. Beide CTG-Zimmer sind dunkel. Ich bin froh, denn ich hatte große Angst, ich müsste noch auf dem Flur warten wie meine Freundin bei ihrer letzten Geburt im selben Krankenhaus.
gegen 03:00 - Eine liebe Hebamme hängt mich ans CTG. Ich will unbedingt Sitzen, weil Liegen mir unerträglich scheint. Außerdem habe ich schon vorsorglich nach einem Kotzbeutel gefragt, denn mir ist total übel. Ich darf sitzen. Und ich kotze. Etliche Wehen werden aufgezeichnet und man sieht, dass ich kaum Pausen habe. Leider verliert es aber auch manchmal Benjamins Herzschlag und dann muss ich doch liegen . Zwischendurch schicke ich Christian zur Hebamme - ich fühle mich unwohl und habe das erste Mal das Gefühl, dass sich sowas wie ein Pressdrang einstellt. Mir wird wieder schlecht und ich übergebe mich erneut. Dann fällt mir ein, dass ich nicht besonders häufig auf Toilette war und ich habe große Angst, mit der Geburt ein größeres Geschäft zu hinterlassen. Also möchte ich unbedingt aufs Klo.
gegen 03:40 - Endlich werde ich abgestöpselt und die Hebamme untersucht mich: Muttermund 3-4 cm, aber "wirkt so als könnte es nun schnell gehen" (versteh ich nicht, nehm ich nicht ernst). Ich bin froh, dass "sich wenigstens etwas getan hat". Ich schleppe mich zur Toilette.
auf Toilette - alles drückt und tut weh und ich habe das Gefühl pressen zu müssen. Den noch leichteren "Pressgefühlen" gebe ich nach, denn ich hoffe ich ja auf ein größeren Geschäft. Nach und nach wird der Pressdrang stärker und ich habe das Gefühl, der Druck verlagere sich weiter nach vorne. Jetzt steigt Panik in mir auf, dass ich Benjamin auf Toilette bekommen könnte. Die Wehen werden immer heftiger. Mit ihnen der Pressdrang und ich hechle sie automatisch weg. Als ich endlich eine Wehenpause habe (es folgen immer noch wahnsinnig schnell Wehen aufeinander), mache ich mich fertig und schleppe mich raus. Ich soll direkt in den Kreißsaal. Ein paar Meter. Keine Ahnung, wie ich die schaffen soll, aber irgendwie komme ich an.
03:55 - Mir wird das Bett angeboten. Keine Chance. Ich sehe das Seil, eine Wehe überrollt mich und ich hänge mich ran. Tut auch schrecklich weh, aber erscheint mir so am besten auszuhalten.
Die Hebamme oder die Ärztin, eine von beiden, tastet. Ich kriege grob irgendwas mit "+3" mit oder so und eine meint: "Na, dann kriegen wir mal JETZT Ihr Kind". Waas? Keine Zeit, das zu verarbeiten. Presswehe weghecheln. Es tut einfach nur so unsagbar weh.
Ich weiß nicht, wie viele Presswehen es waren. Viele und die Pausen waren kurz. In der viertletzten oder fünftletzten öffnete die Hebamme die Fruchtblase. Ich durfte sie nochmal fühlen. Als die Blase springt ist das kühlende Wasser eine Wohltat. Ich sag auch was wie "DAS tut gut" und dann rutscht das Köpfchen weiter nach unten. Nun darf ich auch den Kopf fühlen. Dieser Druck und vor allem dieses Brennen in der vorletzten Wehe, als ich merke, wie sein Kopf "nach vorne" kommt (vorher war der Druck mehr Richtung Po) sind unbeschreiblich. Ich sage in der Wehenpause, dass sie ihn einfach rausziehen sollen und meine das natürlich nicht so. Und dann kommen nur noch Wehen, in denen ich nicht schreien, sondern pressen soll.
Und dann - alles brennt und zwiebelt und die Schmerzen lassen mich noch ein letztes Mal aufschreien, weil ich es einfach nicht verhindern kann und pressen soll ich auch nicht mehr - gleitet Benjamin 4:15 Uhr aus mir heraus. 20 Minuten nach meiner Ankunft im Kreißsaal, Minuten nach meiner Ankunft im Krankenhaus und keine 4 Stunden nach der ersten zaghaften Idee, es könnte sich um Geburtswehen handeln.
Das Bündelchen liegt vor uns auf einem Tuch auf einer Matte und guckt uns an. Er schreit kurz und dann grunzt er wie ein kleines Schweinchen. Christian und ich sind total auf ihn fixiert und verzaubert. Der Papa schneidet die Nabelschnur durch, nachdem sie auspulsieren konnte. Unser Sohn ist sooooo weich. Wir betätscheln ihn und ich stammle die ganze Zeit nur Zeug wie "Mein Baby.", "Oh Gott, was bist du süß.", "Hallo kleiner Benjamin". Ich bin völlig fassungslos. Voller Schmerzen und voller Glück, dass er da ist. Voller Erschöpfung und Euphorie. Voller Angst, wie es mir untenrum geht und voller Glücksgefühl und der Überzeugung, der Hauptperson hier im Raum - dem kleinen Benjamin - geht es prächtig.
Der Kleine wiegt 3005g, ist 50cm groß und hat den ganzen Kopf voller Haare. Ich selbst habe ein paar Abschürfungen und bin ein bisschen gerissen, sodass ich auch genäht wurde. Gegen 9:00 Uhr packten wir unsere Sachen und unser Baby ein und fuhren nach Hause Das angehängte Foto zeigt Benjamin im Alter von zarten 4 Stunden in seiner Babyschale.
Insgesamt war es zwar keine Wannengeburt wie ich es mir vorher als Traumgeburt ausgemalt hatte, aber - jetzt mit etwas Abstand (am Tag der Geburt hätte mir das niemand erzählen brauchen, denn es tat einfach saumäßig weh) - eine absolute Traumgeburt. Von Anfang bis Ende gab es mit Ausnahme der Fruchtblaseneröffnung ganz am Ende - keinen einzigen Eingriff in die Geburt. Die Zeit war sogar zu knapp, um überhaupt einen Zugang zu legen.
Morgen wird Benjamin 2 Wochen alt und ich bin komplett im Baby Honey Moon angekommen, auch wenn es leider ein paar Stillprobleme gibt, da mein Milcheinschuss erst am 5. Tag nach der Geburt kam.
Blue mit Benjamin geboren am 20.11.2017 um 04:15 Uhr
Meine Traumgeburt
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Vielen Dank für diesen super schönen Geburtsbericht, liebe Blue.
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Weil Benjamin auf dem Babyschalenfoto nicht ganz zu sehen ist, hier noch ein "Ganzkröperfoto" vom zweiten Lebenstag
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Danke. Dieser Bericht war wirklich einer der schönsten die ich gelesen habe. Und euer Benjamin ist wirklich unglaublich süß!! Herzlichen Glückwunsch und alles Gute für eure gemeinsame Zukunft!! ❣️👍
LG Josy mit kleinem Mann im Bauch 25+3ssw💙
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Hallo Blue,
Schöner Bericht ! Ich gratuliere zur Geburt ! Einen ganz süßen Jungen habt ihr da!
Liebe Grüße
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Was für ein traumhafter geburtsbericht! ❤ vielen dank fürs teilen und alles, alles liebe für euch!!! ❤❤❤