Zwei spontane Klinikgeburten. Die erste traumatisch, die zweite sehr schön (sehr lang).

Ich bin schon seit 2012 Mitglied und habe zum Zeitpunkt meiner ersten Schwangerschaft damals sehr gerne die Geburtsberichte gelesen und freute mich schon darauf meinen zu verfassen.

Nachdem ich dann aber die Geburt meiner ersten Tochter als sehr traumatisch erlebt habe, habe ich mich dagegen entschieden. Ich hätte nicht gewusst was Schwangere beim Lesen dieses Berichts davon gehabt hätten, außer sich um ihre eigene Geburtserfahrung zu sorgen.

Jetzt ist es eine Woche her, dass unsere zweite Tochter das Licht der Welt erblickt hat. Und gerade, weil diese Erfahrung für mich so positiv (und so heilend) war, könnte ich mir vorstellen, dass die beiden sehr unterschiedlichen Geburtsberichte sehr interessant für diejenigen von euch sein könnten, die eine ähnlich traumatische Erfahrung hinter sich haben und ihrer zweiten Geburt noch nicht mit Freude entgegensehen können.

2012: Ich hatte eine sehr unkomplizierte, schöne Schwangerschaft. Betreut wurde ich durch eine Frauenärztin und ich habe mir eine Nachsorgehebamme gesucht, die sich bereit erklärte einen Teil der ersten Phase der Geburt mit meinem Mann und mir gemeinsam zu Hause zu verbringen. Wir hatten eine Klinik ausgesucht und ein sehr gutes Vorgespräch mit dem Chefarzt. Ich hatte viel über den Geburtsschmerz und die Phasen der Geburt gelesen und freute mich auf die Geburt, bei der ich auf Schmerzmittel und auch PDA verzichten wollte. In Kurz, ich war sehr positiv und fühlte mich gut vorbereitet.

September 2012, 21 Uhr: 2 Tage vor ET verspürte ich ein Ziehen, das ich so vorher noch nicht kannte. Ich war mir irgendwie sicher, dass es losging. Ich war so aufgeregt, dass ich mich ab da nicht mehr schlafen legen konnte. Ich war mehr damit beschäftigt die Abstände zu kontrollieren (die nie regelmäßiger zu werden schienen, aber dafür auch hin und wieder im 2 Min. Abstand kamen).

2 Uhr: Ich war mir so unsicher wie weit ich in dem Geburtsprozess bin, dass mein Mann und ich entschlossen kurz in die wenig entfernte Klinik zu fahren, bevor ich die Hebamme wegen nichts wecke. Dort angekommen erfuhren wir, dass ich bei 2-3 cm war und die Wehen noch sehr schwach. Die Geburt ging also los, aber es konnte noch lange dauern.

9 Uhr: Ich rief meine Hebamme an, die auch schon eine viertel Stunde später da war. Sie stellte fest, dass mein Baby sich nicht richtig ins Becken einstellen konnte und empfahl mir verschiedene Positionen, um den Prozess zu unterstützen. Außerdem überredete sie mich zu einem Einlauf (was ich ursprünglich auf gar keinen Fall wollte), bei dem auch noch mein Mann dabei war (er bekam ungefragt den Beutel in die Hand gedrückt), was mir total unangenehm war.

15 Uhr: Nichts war vorangegangen und meine Hebamme empfahl uns in die Klinik zu fahren, da sie einen Geburtsstillstand vermutete. Dort angekommen war ich aber plötzlich auf 6 cm und der Chefarzt sehr zufrieden. Leider tat sich dann aber bis um 19 Uhr wieder nichts. Bis hier hin kann ich mich daran erinnern nie wirklich regelmäßige Wehen empfunden zu haben die wie Wellen kamen und gingen. Aber ich kann mich bis dahin auch nicht an sehr große Schmerzen erinnern.

19 Uhr: Der Arzt empfahl die Fruchtblase zu öffnen. Ich stimmte zu. Anschließend wurde ich sofort an einen Wehentropf gehangen. Ich fragte nach dem Grund und erhielt als Antwort, das mache man immer so, wenn die Fruchtblase eröffnet wird (hätte man mir das vorher erklärt, hätte ich vermutlich nach Alternativen gefragt, denn dadurch, dass ich mich im Vorfeld mit dem Geburtsschmerz beschäftigt hatte, wusste ich auch, dass künstliches Oxytozin zu unphysiologischen Schmerzen und auch zu verminderten Wehenpausen führen kann).

Ab da verschwimmt meine Erinnerung. Eigentlich hätte ich mich trotz Wehentropf bewegen können, aber der Akku der das Gerät betreibt, das den Durchfluss des Wehentropfes reguliert, war defekt und das Gerät nur über die Steckdose zu betreiben. Bewegungsradius lag somit bei 2m. Mir wurde zwar angeboten den Wehentropf immer mal wieder von der Steckdose zu nehmen, aber das Alarmsignal, das dieser dann machte, konnte ich nicht ertragen. So fand ich mich dann auf dem Rücken liegend im Bett wieder (was ich nie wollte). Als die Wehen unerträglich wurden empfahl mir die Krankenhaushebamme mehrfach eine PDA, obwohl in meinem Geburtsplan stand, dass ich diese, wenn dann von mir aus erfragen würde. Da das auch der einzige Vorschlag von ihr war, um mir die Schmerzen erträglicher zu machen (sie erinnerte mich weder an Atemtechniken, die ich unter den Wehen komplett vergessen hatte, noch schlug sie alternative Positionen vor, die nicht den piependen Wehentropf mit eingeschlossen haben), verlor ich das Vertrauen in sie und fühlte mich hilflos und allein gelassen.

ca. 21 Uhr: Der Arzt war unzufrieden mit dem Fortschritt und dehnte den Muttermund manuell. Diese Schmerzen waren unbeschreiblich. Ich schrie das ganze Krankenhaus zusammen. Nach dem zweiten Mal bat ich ihn wimmernd es nicht noch ein drittes Mal zu machen. Er sagte nur zu meinem Mann was für eine tapfere Frau er hätte und machte es ein drittes Mal. Ich verlor kurz das Bewusstsein und kam mit Sauerstoffmaske zu mir. Mein Mann sprach mit dem Arzt, der ihm versicherte, dass das Schreien gut wäre, damit ich endlich loslasse und mich auf den Geburtsprozess einlasse.

Etwas später setzte der Drang zu pressen ein, den ich gar nicht zuordnen konnte. Auf dem Rücken liegend ging er ins Nirgendwo und ich empfand diesen Pressdrang als spastischen Unterleibskrampf den mir keiner erklärte. Ich sollte auch noch nicht pressen, weil ich noch nicht auf 10 cm war. Auch in dieser Phase konnte ich nur Schreien.

Irgendwann wurden mir die Beine auseinandergeschoben und angewinkelt und ich sollte auf Anweisung des Arztes mein Kinn auf die Brust drücken, den Atem anhalten und auf dem Rücken liegend Pressen, wenn mir gesagt würde wann es Zeit sei. Auch da schrie ich und der Arzt sagte, ich solle damit aufhören und die Energie ins Pressen stecken, was mir nicht wirklich gelang.

ca. 22:30 Uhr: Ich presste fast 2 Stunden. Während der ganzen Zeit hieß es, mein Baby sei gleich da. Am Ende presste ich auch ganz ohne Wehen und dachte nur bei mir: „Komm endlich aus mir raus du elendes Miststück, ob tot oder lebendig ist mir egal!“ Mit diesem Gedanken hatte ich noch lange Zeit zu kämpfen. #heul

Es stellte sich heraus, dass sie sich im Geburtskanal nach oben gedreht hat und als Sternengucker zur Welt kam. So fand das Köpfchen keinen Halt an meinem Schambein und rutschte deswegen immer wieder zurück, was die lange Pressphase erklärte.

Endlich war es geschafft, mein Kind lag auf meinem Bauch und ich wartete darauf, dass die Schmerzen vergessen seien und ich selig lächelte. Dem war aber nicht so. Ich hatte im Gesicht und dem Oberkörper und sogar in den Augen viele geplatzte Blutäderchen. Ich hatte einen Dammriss zweiten Gerades und einen Scheidenriss, die über eine Stunde genäht wurden. Ich blieb noch 5 Tage im Krankenhaus, weil ich gar nicht das Bett verlassen konnte.

Noch Monate nach der Geburt fing ich an zu weinen, wenn jemand fragte wie die Geburt war. Die Erinnerungen an die Schmerzen mögen im Laufe der letzten Jahre in den Hintergrund getreten sein, aber der Kontrollverlust und das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben blieben. Zumal ja schlussendlich alles gut gegangen ist, konnte Keiner verstehen, warum ich die Geburt als traumatisch empfunden habe. Es kamen auch Kommentare der Art, dass ich es ja nicht anders wollte mit meinem Wunsch auf Schmerzmittel und PDA zu verzichten.

Als ich 2017 erneut schwanger war, musste ich mich dem ersten Geburtserlebnis stellen. Wir leben mittlerweile in den USA und meine Angst vor Interventionen, auch bei meiner zweiten Geburt, stieg ins Unermessliche. Aufgrund meines Alters (werde dieses Jahr 40) und den Vorgaben unserer amerikanischen Versicherung, kam nur eine Klinikgeburt in Frage.

Hier ist das Konzept einer Nachsorgehebamme so nicht bekannt. Dafür werden hier Geburten und die Zeit davor und danach häufig durch Doulas begleitet. Eine Doula ist eine Frau, die bereits selber Kinder und schon einige Frauen unter der Geburt begleitet hat und die eine Geburt und die Zeit davor und danach -unabhängig vom medizinischen Aspekt- betreut. Eine Freundin von mir bekam einige Monate vor mir ihr Kind und konnte nur Positives von ihrer Doula, bzw. der Agentur berichten. Eine deutsche Hebamme entspricht hier also etwa dem Paket aus Doula und Hebamme. Also entschieden wir uns für diese Art der Geburtsbegleitung. Außerdem fand ich ein Ärztehaus, das die Betreuung der Schwangerschaft durch Hebammen anbot, was ich ab der 20 Woche in Anspruch nehmen konnte. Ab da sah ich bei den Vorsorgeterminen immer wieder eine andere Hebamme bis ich alle 7 kennengelernt hatte.

Um mich mit meiner Angst vor der zweiten Geburt auseinander zu setzen las ich Hypnobirthing Course von hypnobirthinghub.com und hörte die entsprechenden Hörbücher. Außerdem las ich das Buch von Nancy Bardacke, Mindful Birthing (Deutscher Titel: Der achtsame Weg durch Schwangerschaft und Geburt) und sprach bei den Vorgesprächen mit meiner Doula über meine Ängste und den Ablauf der ersten Geburt und meine Wünsche für die bevorstehende Geburt.

Der Hypnobirthing Course ist übrigens nicht nur etwas für Frauen, die eine Hypnobirth anstreben. Mir war schnell klar, dass ich nicht der Typ für Selbsthypnose bin. Mein Ziel war auch nicht den Geburtsschmerz gar nicht zu empfinden, sondern besser mit ihm umzugehen. Die Atemtechniken und die Erklärung was bei gezieltem Pressen unter Anweisung und bei dem Pressen lassen durch den Körper passiert, haben mir sehr geholfen zu verstehen, warum es mir so schwer fiel nach der Geburt Freude zu empfinden. Und im Buch Mindful Birthing bekam ich viele Antworten auf meine Fragen was bei der ersten Geburt passiert ist, was mich so traumatisiert hat, und wie ich das bei der zweiten Geburt vermeiden kann.

Unterm Strich habe ich mich durch einige Dinge die im ersten Geburtsprozess mit mir gemacht wurden, sehr unwohl gefühlt (angefangen mit dem Einlauf, was vielleicht dazu führte, dass es auch zu Hause einfach nicht mehr voranging). Solche Ereignisse unter der Geburt können zu einem Angst-Anspannung-Schmerz Kreislauf führen, wodurch ich mich wohl aktiv den Wehen entgegengestellt habe, anstatt mich auf sie einzulassen. Dadurch kam es nie zu den Wehenwellen die man erwarten würde und in Folge dessen zu den dann nötigen Interventionen, damit die Geburt dennoch vorangeht.

Ich konzentrierte mich bei der mentalen Vorbereitung auf die zweite Geburt vor allem auf Atem- und Entspannungstechniken und visualisierte die verschiedenen Stadien der Geburt. Außerdem stellte ich mir die Fahrt im Taxi zum Krankenhaus genau vor, weil ein Ortswechsel bei vielen Frauen den Geburtsvorgang erst einmal verlangsamen kann und eine mentale Vorbereitung dem entgegensteuern kann.

Feb 2018, Mitternacht, 1 Tag vor ET: Auch meine zweite Schwangerschaft verlief komplikationslos. Ich hatte schon Tage vorher leichte Wehen und bin mir daher dieses Mal sehr unsicher ob es losgeht. Aber ab Mitternacht kommen die Wehen mehrmals in der Stunde und gegen 1 Uhr bin ich mir dann auch sicher.

3 Uhr: Ich rufe meine Doula an und bereite sie darauf vor, dass es losgegangen ist. Es schneit schon den 3. Tag in Folge und ich habe Sorge, dass sie wohlmöglich Probleme hat zu uns zu kommen. Sie beruhigt mich und empfiehlt mir, mich auszuruhen. Wehen sind gut zu veratmen. So lange es geht liege ich im Bett. Dass die Wehen extrem unregelmäßig kommen und manche auch alle 2 Minuten macht mich supernervös und ich schreibe immer mal wieder meiner Doula. Sie kann mich weiterhin beruhigen. Empfiehlt mir ein Bad zu nehmen und etwas zu essen.

10 Uhr: Wehen sind weiterhin unregelmäßig, aber ich konnte mich insgesamt recht gut ausruhen. Mein Mann bringt unsere große Tochter zu Freunden. Ich bin wütend, dass alle Welt zu mir gesagt hat beim Zweiten ginge alles sehr viel schneller und das auf mich so gar nicht zuzutreffen scheint. Da die Wehen erneut für einige Zeit im 2 Minuten Takt kommen, um dann wieder für 10 oder 20 Minuten Pause zu machen, rufe ich meine Doula an und erkläre ihr, dass ich es nicht mehr schaffe mich in den Wehenpausen zu entspannen, weil ich Sorge habe, dass alles genauso laufen wird wie bei meiner ersten Geburt, und sie bitte kommen soll. Kurze Zeit später ist sie da und empfiehlt mir eine Position auf dem Pezziball. Mein Oberkörper ruht auf einem Kissenstapel auf meinem Bett. Mein Mann unterstützt mich indem er mir zwischen den Wehen den Rücken massiert, was sehr guttut. So vergehen weitere Stunden.

12 Uhr: Die Wehen werden so stark, dass meine Doula mir empfiehlt mich zu bewegen und zu tönen. Eigentlich ist das Tönen so gar nicht mein Ding, aber da sie es so schön vormacht und auch mitmacht, springe ich über meinen Schatten. Ich merke bewusst, dass ich der Stärke der Wehen versuche auszuweichen und versuche mich vom Verstand her mehr auf sie einzulassen was mir nicht ganz gelingen will.

14 Uhr: Ich beschließe, dass es Zeit ist ins Krankenhaus zu fahren. Es läuft alles genauso wie ich es mir dutzende Male vorgestellt habe. Mein Mann sitzt vorne, meine Doula links von mir. Bei einer Wehe nehme ich ihre Hand und achte bewusst darauf sie nicht zu drücken, sondern mich auch unter der Wehe zu entspannen. Außerdem entscheide ich mich gegen das Tönen (das kann ich in der Öffentlichkeit einfach nicht), sondern puste den Atem unter der Wehe aus und zähle jeden Atemzug mit. Meist ist bei 5 der Höhepunkt der Wehe erreicht und so wie ich es schon zu Hause gemacht habe, lächle ich bewusst, wenn die Wehe wieder schwächer wird, um die Ausschüttung der Glückshormone in den Wehenpausen zu unterstützen, was extrem gut klappt.

14:30 Uhr: Die Taxifahrt dauert nur 15 Min. und wir treffen in der Klinik ein. Dort ist viel los und es dauert noch mindestens 20 Min. bis wir zur Aufnahme vorgelassen werden. In den 20 Min. überrollen mich sehr starke wehen, die ich weiterhin sehr konzentriert „verpuste“. Als eine Wehe bei 5 nicht ihren Höhepunkt erreicht und auch nicht bei 10, denke ich ganz ruhig „dann beginne ich eben einfach wieder von vorne“ und beim zweiten mal 5 ist da auch die Spitze der Wehe geschafft und ich lächle wieder auf die Wehenpause zu. In den Wehenpausen kommentiere ich fleißig, dass es kaum so aussieht als wäre einer der Anderen im Warteraum in den Wehen und dass ich einfach nicht glauben kann, dass wir tatsächlich im Warteraum so lange warten müssen.

14:50 Uhr: Wir werden in die Aufnahme gerufen. Ich stehe auf und eine Wehe überrollt mich. Ich stehe mitten im Warteraum, der in der Zwischenzeit noch voller geworden ist und bin mir der Blicke der vielen Fremden sehr bewusst. Aber anstatt in Panik zu geraten bleibe ich stehen, halte mit geschlossenen Augen die Hand meiner Doula, zähle meinen Atem, den ich mit einer auf und Abwärtsbewegung meiner freien Hand unterstütze, auf der meine volle Konzentration liegt. Dennoch nehme ich wahr, dass wir gefragt werden ob wir einen Rollstuhl brauchen, mein Mann lehnt dankend ab. Die Wehe vergeht und ich kann entspannt hinter der Arzthelferin zur Aufnahme gehen. Dort werden wir erstmal erneut eine viertel Stunde uns selbst überlassen. Als die Krankenschwester (Klinik-Hebamme?) kommt werde ich Vieles gefragt, auch unter einer Wehe. Ich nehme an sie will herausfinden, ob ich noch antworten kann, was ein klares Zeichen wäre, dass ich noch am Anfang der Eröffnungsphase bin. Antworten kann ich jedoch nicht. Ich kann aber in den Wehenpausen fragen ob ich mein eigenes Nachthemd anbehalten könne (darf ich), ob auf einen Zugang verzichtet werden kann (kann es), ob sie meinen Geburtsplan sehen möchte (möchte sie) und darum bitten die Musik im Hintergrund auszuschalten, weil sie mich in meiner Konzentration stört (tut sie). Außerdem bitte ich darum beim CTG so aufrecht wie möglich zu sitzen, auch das ist kein Problem. Als sie dann verkündet, dass ich auf 8 cm sei, bin ich selig, was mein Körper mit dem ersten Pressdrang quittiert, bei dem auch die Fruchtblase platzt. Danach geht alles sehr schnell, aber hochprofessionell. Ich darf auf dem Bett bleiben, werde in den Fahrstuhl geschoben, ein vorbeikommender sichtlich unmotivierter Mediziner wird mit in den Fahrstuhl geschoben (Krankenhausrichtlinien, falls der Fahrstuhl stecken bleibt) und ich bin auf dem Weg in den Kreißsaal. Nach der geplatzten Fruchtblase habe ich eine Wehenpause, so dass ich den Stationsschwestern fröhlich bei meiner Vorbeifahrt zuwinken kann.

Ich wechsele in das Kreißbett. Die nächsten Wehen veratmete ich. Als ich die Augen öffne steht meine Hebamme vor mir (eine der 7 die ich im Laufe der letzten Wochen kennen gelernt hatte und eine die mir schon damals sehr sympathisch war) und ich begrüße sie strahlend. Als ich den Drang zu pressen verspüre gehe ich in den Vierfüßlerstand auf dem Bett. Meine Hebamme sagt mir, dass sie mir gleich sagen wird wann ich pressen soll. Ich merke, dass sich diese Position für mich nicht richtig anfühlt und lege mich im Sitzen auf die Seite. Bei der nächsten Wehe hilft mir eine Krankenschwester mein Bein hoch zu halten, um dem Baby in meinem Becken Platz zu machen und mein Körper presst von ganz allein. Dieser ununterdrückbare, animalische Pressdrang versetzt mich leider zurück in meine erste Geburt. Ich bekomme Angst. Als dann noch alle sagen, mein Baby wäre gleich da, verliere ich mein Vertrauen. Das sagte man mir beim ersten Mal auch. ZWEI STUNDEN lang! Meine Doula schafft es aber mich aus dieser Angst wieder heraus zu holen indem sie mit mir atmet, aber eine Anspannung bleibt. So wehre ich mich immer wieder gegen den Pressdrang mit lautem Stöhnen. Jedoch schreie ich zu keinem Zeitpunkt, sondern kann mich immer wieder fokussieren und in den Wehenpausen entspannen. Durch das Ausatmen unter dem Pressdrang und nicht Luft anhalten kann mein Körper die 4-5 Pressdränge unter einer Wehe recht gut nutzen. Durch meine Anspannung habe ich aber das Gefühl das Köpfchen durch eine Betonwand zu drücken. Eine Wehe soll ich verhecheln, was sehr gut klappt. Das Köpfchen ist draußen und nach nur 18 Min. Presswehen, können wir unser zweites Mädchen begrüßen.

Alle Beteiligten äußern sich begeistert, dass ich ganz ohne Anweisung pressen konnte. Wenn in den Geburtsverlauf eingegriffen wird, z.B. durch Schmerzmittel oder PDA fehlt dieser Drang häufig, daher ist es wohl für eine Klinikgeburt tatsächlich relativ selten, dass der Körper diesen letzten Schritt ganz von alleine macht. Ich muss nur ein klein bisschen genäht werden und wir können schon am nächsten Tag die Klinik verlassen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass diese zweite Geburt zur Heilung der Erinnerungen der ersten Geburt beigetragen hat. Der größte Unterschied besteht darin, dass ich mich auf die zweite sehr viel besser vorbereitet habe was Atem- und Entspannungstechniken betrifft. Außerdem habe ich mir im Vorfeld nur noch schöne Geburtsberichte durchgelesen und mir die Geburt meiner zweiten Tochter immer wieder im Vorfeld ohne Komplikationen vorgestellt (hypnobirthing – birth affirmation). Aber ich habe mir auch im Vorfeld darüber Gedanken gemacht, dass wenn es wieder zu einem Wehentropf kommen sollte (meine größte Befürchtung), ich mir eine PDA legen lassen werde. Denn bei Hypnobirthing habe ich gelesen, dass wenn durch einen Wehentropf unphysiologische Schmerzen auftreten eine PDA häufig der beste Weg ist eine negative Erfahrung, die die ganze Geburt überschattet, zu vermeiden.

Wenn sich jemand fragt warum ich die Hand meiner Doula gehalten habe und nicht die meines Mannes … mein Mann ist sehr schlecht im Nichtstun und so hat er meine Hand nicht gehalten, sondern immer wieder liebevoll geknetet, was mich total abgelenkt hat. 😉 Aber dafür hat er mir den Rücken gestreichelt und massiert und mir in der Pressphase den Nacken mit kalten Lappen gekühlt. Auch er hat die zweite Geburt als schön empfunden, vor allem weil ihm dieses Mal klar war wie er mich am besten unterstützen kann.

Im Nachhinein habe ich die Taxifahrt und das Warten im Wartezimmer am schönsten in Erinnerung, was eigentlich seltsam ist, weil ich da in der Öffentlichkeit war. Vielleicht liegt es aber daran, dass diese beiden Zeiträume klar zeitlich begrenzt waren und ich mich dadurch viel besser auf den Augenblick konzentrieren konnte. Ich wusste wir werden nicht ewig Taxi fahren und ich wusste wir würden nicht ewig im Wartezimmer warten. In den ersten 14 Std war ich oft damit abgelenkt mich zu fragen, wann die Wehen endlich regelmäßig werden und mich darüber zu sorgen, ob es wohlmöglich wieder zu einem Geburtstillstand kommen wird und wie lange das alles noch dauern wird. Und die Pressphase, die von Frauen ja häufig als leichter empfunden wird als die Übergangsphase, hat mich ja leider in die Vergangenheit katapultiert und war durch die schlechten Erinnerungen überschattet.

Am entspanntesten war ich als ich einfach nur im hier und jetzt geatmet habe ohne an die vergangene oder die nächste Wehe zu denken. Und das kann man im Vorfeld tatsächlich üben indem man sich Ankerpunkte setzt, wie zum Bsp. die Konzentration auf die Handbewegung die den Atem unterstützt oder auf die bewusste Fokussierung die Hände entspannt zu lassen.

Ich wünsche allen Schwangeren von euch eine selbstbestimmte, schöne Geburtserfahrung! Habt vertrauen in euren Körper! Der weiß am besten was zu tun ist.

Und denjenigen unter euch mit einer traumatischen Geburtserfahrung wünsche ich, dass ihr diese verarbeiten und annehmen könnt. Ihr habt alles richtig gemacht!

Lieben Gruß,
Manja

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Grandios! So selbstbestimmt, so kraftvoll und so schön beschrieben! Diese Erfahrung, dass Geburt auch so sein kann ist so wichtig und gibt das Gefühl als Frau zurück und das Vertrauen in den eigenen Körper. Ich würde mir wünschen, falls es bei mir eine Geburt Nr. 2 gibt, was ich hoffe, dass ich die Geburt auch so selbstbestimmt wie Du erleben kann. Bei Nr. 1 habe ich das vermisst und die Geburt hat bis heute bei mir ein Gefühl des Versagens hinterlassen, des ausgeliefert seins. Danke für Deinen schönen Bericht!

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Manja
Ich danke dir von Ganzem Herzen für diesen Geburtsbericht.#herzlich
Ich habe ihn genau wegen der Überschrift gelesen und bin so dankbar darum. Auch ich hatte eine sehr sehr dramatische erste Geburt wie Eis es nie wollte....Fremdbestimmt durch Einleitung, wehenhemmer, wieder wehentropf. .unbeschreiblichen Schmerzen welche ich trotz vieler anderer krankheitserfahrungen nicht gekannt habe und nie mir so vorgestellt hätte. Ich habe zu meinem Mann am Schluss der ersten Geburt gesagt: jetzt bringen Sie mich um und ich lasse euch beide falls das Baby überlebt alleine....und das war nicht daher gesagt es war leider mein ernstes Gefühl......
So nun bin auch ich wieder hoch schwanger und warte noch 3 Wochen um den ET. Auch ich habe mich viel mit meiner Einstellung und dem Trauma der Geburt befasst und mich an Entspannungsübungen gemacht. Im Moment merke ich Wie ich schwanken zwischen ich vertrauen ich kann es und einfach der Angst dass es wird wie beim ersten Mal....
Ich weiß auch wie du dass ich vor dem Schmerz „fliehen“ wollte.
Naja aber eigentlich wollte ich nur danke sagen #liebdrueck und hoffe uns darf es dieses Mal ähnlich gehen

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Liebe Manja,
deine Berichte lesen sich sehr gut. Auch wenn deine erste Geburt für dich so ein traumatisches Erlebnis war. Das tut mir sehr leid. Um so mehr freut es mich, dass deine 2. Geburt soviel entspannter und selbstbestimmter war und ein Stück weit zur seelischen Heilung beitrug. Du kannst unglaublich stolz auf dich sein. Du hast 2 gesunde Babys spontan und natürlich geboren. Trotz deiner verständlichen Angst hast du deinem 2 Kind die Möglichkeit gegeben auf natürlichem Weg das Licht der Welt zu erblicken. Du verdienst meinen vollen Respekt.
Ich wünsche dir und deiner Familie alles alles Gute. Genieße diese tolle Zeit mit 2 Mäusen an der Hand. Es ist so was schönes 😍🍀❤️

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Vielen Dank für deinen tollen Bericht, ich hatte ebenfalls eine für mich traumatische Geburt, fühlte mich ebenso allein gelassen, eigentlich alles so wie bei dir, Dammriss, Scheidenriss usw...

Ich konnte mich jetzt erst nach fast 3 Jahren überwinden an ein 2 Kind zu denken, dein Bericht baut mich sehr auf, doch die richtige Entscheidung getroffen zu haben!

Vielen lieben Dank dafür!!

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Ich danke dir von Herzen für diesen wundervollen Bericht.

Mir ging es nach meiner 1. Geburt ganz genau so wie dir. Die Angst vor der Nächsten hat bis eben noch die ganze Vorfreude auf eine erneute Schwangerschaft überschattet. Danke, danke, danke. Du hast mir so viel Mut gemacht!

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Das freut mich sehr zu lesen! 😀