Eine ganz normale Geburt, die ich als sehr schlimm empfand

Da ich seit kurzem weiß, dass ich wieder schwanger bin, möchte ich mir hier meine erste Geburt von der Seele schreiben. Vorab: ich weiß, es war eine völlig normale Geburt, jedoch habe ich sie als extrem schmerzhaft empfunden und konnte mir sehr lange nicht vorstellen ein weiteres Kind zu bekommen.
10 Tage vor ET hatte es verrückterweise 30 Grad. Ganz gemütlich saßen mein Freund und ich mit einigen Freunden auf dem Marktplatz, ich bei Apfelschorle und alle anderen bei Bier. Meine Füße waren bei dieser Hitze ein bisschen angeschwollen, die Übelkeit war schon seit einigen Wochen zurück, aber im Großen und Ganzen konnte ich mich wohl nicht beschweren. Als wir dann abends gekocht haben, ich weiß noch genau, es gab grüne Bohnen mit Bratkartoffeln und Spiegelei, saß ich vor meinem Teller und sagte, dass mir ein wenig komisch wäre. Ich habe den Teller stehen lassen und bin lieber in die Badewanne. Danach bin ich ins Bett und habe gelesen, konnte aber nicht einschlafen, zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Wehen, aber einfach eine enorme innere Unruhe. Gegen 00Uhr habe ich dann die ersten Wehen verspürt, sehr unregelmäßig mal alle 3 Minuten mal alle 15 Minuten. Ich bin ins Bad gegangen und habe in den Spiegel geschaut (den Tipp hatte mir meine Hebamme gegeben „Schau dir selbst ins Gesicht, wenn du denkst es geht los. Dann siehst du es“) und tatsächlich sah ich sehr seltsam aus. Kreidebleich, aber –trotz Eisenmangels – knallrote Lippen. In diesem Moment wusste ich: es geht los. Ich wollte trotzdem nochmal zurück ins Bett, mein Freund ist dabei aufgewacht und meinte gleich „Geht es los?“. Wir haben dann mal im Kreissaal angerufen und die meinten, wir könnten ruhig kommen – vor allem da wir ca. 45 Minuten Fahrt vor uns hatten. Mein Freund holte ,im mittlerweile strömendem Regen, das Auto und wir machten uns auf den Weg. Die Fahrt im sitzen fand ich sehr, sehr unangenehm aber aushaltbar. Dort angekommen wurde ich ans CTG gehängt und untersucht. Muttermund auf 2cm –ernüchternd. Ich könne aufs Zimmer gehen und eine warme Dusche nehmen. Es war ca. 5 Uhr. Um 6 Uhr kam die Hebamme aufs Zimmer, ich war schon dabei die Wehen zu veratmen, sie meinte ich könne mit in den Kreissaal und fragte ob ich ins Wasser wolle. Wollte ich. Also zog ich mich aus und ging ins Wasser, das ich aber als sehr kalt empfand und immer heißer drehte. Als die Hebamme das merkte sagte sie, das ginge nicht, da es schlecht für meinen und den Stoffwechsel des Babys wäre. Während ich in der Wanne lag wurden die Wehen immer schlimmer, ich fing schon da an zu weinen, tauchte bei jeder Wehe unter. Mir war kalt, ich kam mit den ständigen Wehen nicht zurecht, mein Freund war bei mir, aber ich fühlte mich total allein gelassen. Die Hebamme schaute nur ab und zu vorbei. Um 7Uhr dann Schichtwechsel, eine harsche, ältere Hebamme begrüßte mich, die einen solch starken Dialekt sprach, dass ich sie kaum verstand (ich lebe nicht in Deutschland). Ich weinte, wollte Schmerzmittel und unbedingt aus dieser blöden Wanne heraus. Als ich aufstand war mein eines Bein total angeschwollen, dies bemerkte auch die Hebamme und rief sofort den Internisten, dass er sich mein Bein im Ultraschall anschauen solle – sie vermutete eine Thrombose. Anscheinend wurde in diesem Zuge auch gleich ein Anästhesist gerufen, dass dieser im Fall der Fälle gleich eingreifen könnte. Ich weiß noch, dass ich nackt und nach wie vor weinend und um Schmerzmittel bettelnd an dem von der Decke baumelndem Tuch hing, als der Anästhesist herein kam und mich beäugte wie ein Stück Schlachtvieh. Das war unglaublich entwürdigend, wie er da im Türrahmen lehnte mich kurz anschaute, die Hand am Kinn, nickend und irgendetwas vor sich hin murmelnd. Als der Internist dann mit dem Ultraschall Gerät kam, musste ich mich auf die Liege legen, was ich als unaushaltbar empfand. Ich konnte die Schmerzen nicht mehr ertragen. Dass ich wenigstens kurz liegen bleiben konnte, wurden mir Wehenhemmer gespritzt. Der Internist schallte so schnell es ging und konnte keine Thrombose festellen, er meinte das Kind drückt wahrscheinlich grade irgendwas ab. Als die einzig freundlichen Worte während der Geburt sind mir seine in Erinnerung „Ich weiß, dass das schlimm ist. Sie machen das gut und wenn ich mir das als jemand erlauben darf, der nicht vom Fach ist: Sie haben es sicher bald geschafft, der Kopf ist schon richtig weit unten. Sehen Sie!“ er schallte kurz über den Bauch und zeigte mir das Bild. Mit der nächsten Wehe sprang ich vom Bett und klammerte mich lieber wieder stehend ans Tuch. Ich hatte überhaupt keine Pausen mehr zwischen den Wehen, die ich nur noch im Rücken gespürt habe und die ich 0,0 fähig war zu veratmen. Weiter bettelte ich um eine PDA. Die Hebamme sagte mittlerweile schon seit 2 Stunden zu mir, dass sie bald jemanden holt. Ich habe recht schnell gemerkt, dass sie mir die PDA einfach nicht geben will, weil sie das nicht gut findet. Irgendwann hat sie mir einen Tropf angehängt und behauptet es wäre Schmerzmittel, dummerweise mit dem Etikett zu mir „NaCL“ – blöd bin ich nicht, aber ich konnte in dem Moment einfach nichts sagen. Ich war am Ende meiner Kräfte, fühlte mich hilflos und ausgeliefert. Die Hebamme, die nur selten da war, weil der zweite Kreissaal auch belegt war und Wochenende war, meinte zu mir ich solle mal pinkeln gehen. Also setzte ich mich auf Klo, konnte aber nicht. Ich fand diese Position allerdings sehr bequem und wäre liebend gerne so sitzen geblieben. Wieder war es die Hebamme, die mich aufscheuchte „Wenn du das noch zwei Wehen so machst, dann hast du einen Dammriss“. Also hing ich wieder am Tuch. Ich schwöre, wenn in diesem Moment jemand gefragt hätte „Kaiserschnitt?“, ich hätte vor Freude gejubelt und vermutlich sogar auf die Narkose verzichtet, denn ich dachte mir, dass es keine schlimmeren Schmerzen geben kann als das. Irgendwann wurden die Herztöne von meinem Kind schlechter, ich sollte mich auf die Liege legen. Der Arzt kam, er schaute sich das ganze kurze Zeit an aber anscheinend war ich zu blöd um richtig mitzupressen. Ich habe keinen Unterschied zwischen den Wehen davor gespürt, keinen Pressdrang, es hat einfach nur scheiße weh getan! Dann hörte ich den Arzt zur Hebamme sagen „Bei der nächsten Wehe muss es kommen“, ich sah wie er sich die Schere zurecht legte, die Hebamme hielt meine Beine fest und rief nach einer Kinderkrankenschwester, der Arzt drückte mit dem Elllebogen auf meinen Bauch. Ich schrie „Was macht ihr?“ Und die Hebamme schrie zurück „Das ist der Kopf von deinem Kind“. Ich hätte ihr am liebsten ins Gesicht getreten, ich wollte nicht so liegen, ich wollte stehen. Mit der zweiten Wehe kam mein Sohn. Er wurde mir sofort auf die Brust gelegt und sowohl ich, als auch mein Freund weinten, diesmal vor Glück. Ich musste ganz kurz genäht werden, wenigstens hier habe ich gehört wie die Hebamme zum Arzt sagte „Spar nicht an Schmerzmitteln“. Ich weiß nicht genau wieso mich diese Geburt nicht los lässt, denn während ich das hier schreibe laufen schon wieder die Tränen…. Mein Freund fragte nach der Geburt entsetzt „War das eine normale Geburt?“ Und die Hebamme sagte: „Ja, eine ganz normale Geburt“. 13 Stunden hat die Geburt gedauert, die mir zwar das größte Glück beschert hat, aber die ich während dessen als die Hölle empfunden habe. Als wir aufs Zimmer gingen, ich gestützt, da mir alles weh tat und ich mich sehr schwach fühlte, fing es draußen an zu schneien. Am Tag davor 30 Grad und dann Schnee. Der Wetterumschwung hat mir meinen Sohn gebracht. Wir erfuhren dann noch, dass 5 Minuten vor mir eine andere Frau im Kreissaal nebenan entbunden hat. Das Krankenhaus ist sehr klein, 250 Geburten im Jahr und es war, wie gesagt, Wochenende. Die Hebamme war wohl auch deshalb so viel nicht da, weil sie dachte bei mir dauert es noch länger und deshalb hat sie eher die andere Frau betreut. Ich habe mich dadurch leider ziemlich allein gelassen gefühlt. Ich musste noch vier Tage bleiben (in denen keine einzige Geburt mehr in dem Krankenhaus stattfand), da mein Eisenwert unterirdisch war und ich zudem auch noch Stillprobleme hatte, mit extrem wunden Brustwarzen und einem Kind, das viel zu müde zum trinken war. Auch das beeinflusst sicherlich meine Erinnerungen. Das Krankenhaus ist als familien- und stillfreundliches Krankenhaus zertifiziert. Ich kam mir dabei vor, als wäre ich nur die „Gebärende“. Schmerzmittel gab es nicht, denn das wäre schlecht fürs Kind. Stillen sollte ich um jeden Preis, denn das ist schließlich das beste fürs Kind. Bei alldem wurde mein Wohl immer hinten angestellt und vielleicht ist es das, was mich im Nachhinein so traurig daran gemacht hat. Mich plagen da sicherlich auch Selbstzweifel. Ich bin normalerweise eine gestandene, emanzipierte Frau, aber in diesem Moment habe ich mich dermaßen ausgeliefert und schutzlos gefühlt – das war keine schöne Erfahrung. Ich habe schon jetzt sehr große Angst vor der zweiten Geburt und hoffe es wird besser und leichter, als bei der ersten.
Das ganze ist nun gute zwei Jahre her, aber ich habe die Schmerzen noch immer nicht vergessen.

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Hallo!

Ich habe 2016 selbst entbunden, für mich war es das 1. Mal und so dermaßen furchtbar, dass ich lange kein 2. wollte. Nun hibbeln wir wieder und auch ich habe wegen meiner Erfahrung wirklich ein bisschen Angst.

Auch wenn es bei mir etwas anders lief als bei dir (bei mir musste wegen grünem Fruchtwasser eingeleitet werden und es tat sich nix...), ich glaube das Schlimmste für uns beide war, dass unsere Geburten 0 selbstbestimmt waren und wir so erschlagen von der Wucht dieser Naturgewalt (und das ist eine Geburt in meinen Augen) waren, dass wir als emanzipierte, gestandene Frauen einfach komplett überfahren waren. Oder?

Das passiert uns bei 2. Mal nicht! Versprochen!

Alles Gute! #klee

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Normalerweise kommentiere ich Geburtsberichte nicht, da jede Erfahrung individuell ist. Dein Bericht erinnert mich aber teilweise an meine erste Entbindung 2016. Auch bei mir steht in wenigen Tagen die zweite Entbindung an und auch ich habe Angst bzw großen Respekt davor.
Auch meine erste Geburt war für mich sehr dramatisch obwohl sie wahrscheinlich gar nicht so "unnormal" war. Aber ich wurde nicht ernst genommen (Erstgebärende mit einer Geburt unter zwei Stunden), dann durfte ich nie das machen was mir gut tat - fühlte mich also auch sehr ausgeliefert und dann folgte leider noch eine Not-OP...

Dennoch will ich mich meiner Vorrednerin anschließen - so etwas passiert uns nicht nochmal. Dieses mal wissen wir zumindest im Groben was auf uns zu kommt und wir wissen, was wir nicht wollen, was uns nicht gut tat.

Ich wünsche dir alles Gute!

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Liebe lilliofthewest,

ich fühle sehr mit Dir. Auch meine erste Geburt habe ich als sehr traumatisch empfunden und hatte sehr große Ängste zu Beginn meiner zweiten Schwangerschaft.

Die zweite Geburt empfand ich hingegen als schön und selbstbestimmt und sie konnte dazu beitragen die traumatischen Erfahrungen der ersten Geburt zu verarbeiten.

Vielleicht können Dir meine Geburtsberichte, die ich vor einigen Wochen hier veröffentlicht habe, ein bisschen Deiner Angst nehmen.

https://m.urbia.de/forum/43-geburtsberichte/5039841-zwei-spontane-klinikgeburten-die-erste-traumatisch-die-zweite-sehr-schon-sehr-lang

Ich wünsche Dir eine schöne, selbstbestimmte Geburtserfahrung.

Lieben Geuß,
Manja

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Oh, das kommt mir so bekannt vor... bei mir hat es über 3 Jahre gedauert um es zu überwinden... das geburtstrauma wurde mir diagnostiziert - bekomme jetzt einen Kaiserschnitt .. das hilft mir gerade wahnsinnig positiv mit allem umzugehen .. ich weiß, ist nicht jedermanns Lösung - aber für mich die beste 😉

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Ich hatte auch zwei Kaiserschnitte, nach meiner ersten, für mich traumatischen Geburt. Gut ein KS war medizinisch indiziert. Für mich waren das super Geburten. Jederzeit wieder Kaiserschnitt. Alles Gute

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Das war keine “ganz normale Geburt“!! Du hast dich nicht wohlgefühlt, du bist nicht unterstützt worden, das Personal war kilometerweit vom Thema Empathie entfernt. Das ist nicht “normal“! Unter diesen Umständen hast du das wirklich großartig gemacht und ich stimme meinen Vorrednerinnen zu, dass du diesmal weißt, was dir wichtig ist. Hast du mal über eine Beleghebamme nachgedacht? Alles Gute für dich!

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Hallo Liebes,
Als ich dein Bericht gelesen habe, sollte ich weinen. Vor 10 Jahren könnte es mein Bericht sein! Die Schmerzen sind immer noch nicht vergessen und ich bekomme jetzt Zwillinge... habe tierische Angst davor!

Lg