Geburt vom achten bis zum zehnten Juni

In wenigen Tagen wird mein Sohn ein Jahr alt. Ich habe lange gebraucht, um seine Geburt zu verarbeiten, denn sie ist nicht so verlaufen, wie ich es mir erhofft hatte. Mittlerweile bin ich nicht mehr traurig, wenn ich daran zurück denke, sondern nur noch dankbar, dass mein Sohn hier ist. Schwangeren rate ich, diesen Bericht nicht zu lesen.

Am 8.Juni begannen am späten Nachmittag meine Wehen. Ich war in der 38.Schwangerschaftswoche. Ich war aufgeregt und spürte Vorfreude. Um zu testen, ob es echte Wehen waren, ging ich unter die Dusche, wodurch sie stärker wurden. Ich versuchte, mich noch ein wenig hinzulegen. Mein Mann hielt mich im Arm, bis ich es nicht mehr aushielt, zu liegen und herumlaufen musste. Als die Wehen gegen ein Uhr im Abstand von fünf Minuten kamen, machten wir uns zu Fuß auf den Weg ins Krankenhaus. Währenddessen wurden sie schwächer. Wir klingelten trotzdem beim Kreißsaal, wo ich ans CTG angeschlossen wurde. Anschließend untersuchte mich eine sehr nette Hebamme. Zwar zeigte das CTG Wehentätigkeit an, jedoch war mein Muttermund kaum einen cm geöffnet. "Das kann noch lange dauern", sagte die Hebamme, "Wenn sie in der Nähe wohnen, rate ich ihnen, noch mal nach Hause zu gehen." Auf dem Weg zurück kam ich mir lächerlich vor. Von regelmäßigen Wehen war nichts mehr zu spüren. Zuhause schaffte ich es sogar, mich noch mal hinzulegen und zu schlafen.

Bis ich am frühen Morgen davon geweckt wurde, dass meine Fruchtblase platzte und ich in einer Pfütze aus Fruchtwasser lag. Ich weckte meinen Mann und wir gingen zurück ins Krankenhaus. Erneut wurde ich untersucht, dann erhielt ich ein Zimmer auf der Station neben dem Kreißsaal. Ich hatte nur eine leichte Wehentätigkeit und mir wurde gesagt, dass die Geburt am nächsten Morgen eingeleitet würde, wenn sich bis dahin nichts verändert hätte. Am Nachmittag wurden die Wehen jedoch so stark, dass ich nicht mehr sitzen konnte. Ich lief über die Krankenhausflure und musste immer wieder anhalten und mich festhalten, wenn ich von einer Wehe "überrollt" wurde. Während der CTGs fiel es mir schwer, stillzuhalten. So ging es die ganze Nacht weiter. Mitten in der Nacht ging ich in den Kreißsaal, in der Hoffnung, dass das Baby käme. Das CTG zeigte zwar alle zwei bis fünf Minuten Wehentätigkeit an, jedoch war mein Muttermund nur zwei cm geöffnet. Dabei blieb es leider auch.

Am Morgen des 10.Juni wurde die Geburt nicht eingeleitet. Schließlich hatte ich starke Wehen. Am Mittag stand ich völlig erschöpft im Kreißsaal. Ich wurde wieder ans CTG angeschlossen. Mit mehreren Schwangeren saß ich in einem Raum. Während der Wehe schaffte ich es nicht, stillzuhalten. Im nächsten Moment kam die Hebamme zurück ins Zimmer und wollte wissen, ob ich das CTG "entfernt" hätte. Ich erklärte, dass ich mich nur wegen einer Wehe bewegt hatte. Sie ging wieder nach draußen und kam unmittelbar nach der nächsten Wehe wieder. Sie sagte, ich solle in einen anderen Raum kommen. Dort war ich alleine. Wieder wurde ich ans CTG angeschlossen und mir wurde gesagt, dass die Herztöne meines Babys abgefallen seien. Zwei oder drei Wehen musste ich noch aushalten, bevor der Arzt kam. Er ging in seiner Formulierung sogar noch weiter als die Hebamme und sagte, dass das Herz des Babys bei jedes Wehe aussetzte. Die Wehen wurden gestoppt und während ich ein Aufklärungsgespräch über den Kaiserschnitt hatte, kam mein Mann. Ich hatte Angst und ich heulte. Mir wurde eine PDA gesetzt und dann ging es sehr schnell.

Der Kaiserschnitt verlief gut. Der erste Schrei unseres Babys war überwältigend. Ganz kurz wurde uns unser Sohn gezeigt und dann nach draußen gebracht. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bevor er mir neben den Kopf gelegt wurde. Mein Mann sollte ihn festhalten, nahm ihn aber nach kurzer Zeit auf den Arm. Ich hatte vorher viel über den Moment nach der Geburt gelesen und die Leiterin im Vorbereitungskurs hatte davon geschwärmt, wie vollkommen sie sich gefühlt hatte, als man ihr das Baby auf die Brust gelegt hatte. Sie hatte auch gesagt, dass es wichtig für die Bindung und den Stressabbau des Babys sei. Ich war traurig, dass ich diesen Moment nicht hatte. Unser Sohn schrie und ich versuchte, ihn durch Worte zu beruhigen. Dann verließ er auf Anregung der Hebamme mit meinen Mann das Zimmer, während ich noch genäht wurde. Ich wollte bei ihm sein und ihn halten. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich endlich zu ihnen gebracht wurde. "Bitte gib ihn mir", sagte ich zu meinen Mann. "Du hattest gerade erst eine OP", sagte er. Er stand so weit weg und er schaukelte das winzige Baby meines Erachtens nach viel zu wild, dafür, dass es gerade erst geboren wurden war. Ich bat ihn noch einmal, mir unsern Sohn zu geben, oder wenigstens näher zu kommen, damit ich mein Kind sehen konnte. Er sagte, ich solle mich erst mal von der Geburt erholen. Vielleicht wirkt diese Situation wie eine Kleinigkeit, aber ich fühlte mich machtlos und verzweifelt. Es war mein starkes Bedürfnis, meinem Kind unmittelbar nach der Geburt nah zu sein. Mein Mann hat das nicht verstanden. Schließlich bat ich die Hebamme, mir zu helfen, meinen Sohn anzulegen. Sie nahm ihn meinem Mann weg und gab ihn mir. Zum ersten mal durfte ich dieses wundervolle, zarte Wesen halten. Ich verspürte tiefe Dankbarkeit. Unser Sohn wog nur 2200 Gramm. Die erste Nacht hat er im Brutkasten verbracht und ich konnte nach dem Kaiserschnitt nicht zu ihm gehen. Am frühen Morgen wurde er mir dann gebracht und ich werde nie diese wundervollen Stunden vergessen, in denen er an meiner Brust schlief und ich ihn einfach nur betrachtete.

Die Geburt ist nicht so verlaufen, wie ich wollte. Ich glaube, ich hätte sie anders empfunden, wenn ich mich vorher auf den Kaiserschnitt eingestellt hätte. Doch es ist nicht entscheidend, wie mein Sohn auf die Welt gekommen ist, sondern dass er da ist.

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Hallo Paulee

Obwohl ich schwanger bin, lass ich trotzdem mit ☺️. Aber ehrlich gesagt, erschreckte ich mich kaum, denn so ähnlich erging es mir damals auch vor 7 Jahren. Ich hatte den ganzen Tag leichte Wehen, da ich aber sehr ängstlich war und so schnell wie möglich eine PDA wollte, fuhren wir ins Krankenhaus. CTG zeigte zwar leichte Wehen an, aber ich solle doch nochmals nach Hause. Sie gaben mir Orangenblütentee mit und ein Zäpfchen. Um Mitternacht war ich Zuhause und schlief irgendwie...
Am nächsten morgen verlor ich den Schleimpfropf und ab dann hatte ich wieder stärkere Wehen. Auch ich ging in die Badewanne, Wehen waren immer noch da. Ich rief wieder im Krankenhaus an und ging wieder hin. CTG zeigte Wehen an aber Muttermund öffnete sich nicht. Den ganzen Tag ging es so. Über Nacht gaben sie mir eine Infusion, die die Wehen stoppen sollte, damit ich nachts einigermassen schlafen konnte. Am nächsten Tag, dann wieder eine Infusion, damit die Wehen wieder normal werden. Muttermund öffnete sich wieder nicht. Endlich bekam ich die PDA, ab dann ging es mir besser, allerdings tat sich noch immer nichts, Muttermund öffnete sich nicht. Plötzlich wurde bei mir auch über einen KS diskutiert, ich durfte nichts mehr trinken falls es zum KS kam. Sie gaben mir noch 2 Stunden, falls sich weiterhin nichts tut, dann wäre es Zeit für den KS. Auch ich weinte, denn meine 1. Tochter war ein KS und ich wollte nicht schon wieder!! Wie der Zufall es wollte, nützten die 2 Stunden tatsächlich und plötzlich war alles geburtsbereit. Mein Sohn kam dann endlich bei 40+4.

Ich kann dich sehr gut verstehen, da du eine normale Geburt wolltest, aber leider einen KS hattest. Immerhin ein kleiner Trost, anderst als bei geplanten KS, durfte dein Kind selber noch entscheiden, wann es losgeht ☺️

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Danke, dass du deine Erfahrung mit mir teilst.
Da bin ich ja beruhigt, dass dich die Geschichte nicht abgeschreckt hat 😊
Ich wünsche dir eine angenehme Geburt 👶

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Ich habe den Bericht gelesen und Tränen in den Augen.

Eine persönliche Frage, die du nicht beantworten musst: hat sich das Verhältnis durch diese Situation zu deinem Mann verändert?

Ich wünsche dir alles Gute ❤

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Danke ❤
Wir hatten nach der Geburt keine einfache Zeit, was nicht nur an dieser Situation lag, aber wir haben viel darüber gesprochen und inzwischen ist unsere Beziehung wieder sehr gut. Er hat das überhaupt nicht böse gemeint damals. Er hat einfach nicht verstanden, wie wichtig es mir war, unseren Sohn nach der Geburt zu halten.

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Hallo Paulee,

meine Vorgeschichte ist jeweils eine andere, aber dieses Gefühl danach, wenn das Kind raus und weg ist, das kenne ich leider nur zu gut.

Meine Große musste wegen einer Infektion (grünes Fruchtwasser) nach dem NotKS auf die Frühchenstation. Ich habe sie im OP zweimal kurz gesehen, man hat sie mir hingehalten und eine Hand frei gemacht. Dann war ich nicht fit genug um direkt zu ihr zu können (nachträgliche Schwangerschaftsvergiftung). Erst nach 12 Stunden konnte ich zu ihr. Daran hatte ich ordentlich zu knabbern. Sie war ein absoluter Tragling und hat anfangs auf mir und an mir gelebt, ich glaube immer, dass wir beide so versucht haben, etwas nachzuholen.

Drei Jahre später hatte ich den nächsten NotKS, diesmal war es wegen der Nabelschnur, die kreuz und quer um Bauch und Hals gewickelt war. Mittags sagte mir ein Arzt schon, ich soll mal lieber nix mehr essen und mich aufnehmen lassen (ich war eigentlich nur zur Untersuchung da). Beim Wehenbelastungstest fielen die Herztöne dann rasant ab und die Hebamme hat mich schnell auf die Seite geworfen. Ab da ging es alles sehr schnell. Bei der Aufnahme vorher kam bei mir aber alles vom 1. KS wieder hoch und bald wusste jeder, dass das meine allergrößte Sorge ist. Es haben sich dann die Hebamme und ein Assistenzarzt bei den Kindern so für mich eingesetzt, dass meine Tochter nicht auf die andere Station musste, sondern neben mir mit allem drum und dran überwacht wurde. Als ich nach dem Aufwachraum aufs Zimmer durfte, war sie schon da bei meinem Mann.

Im September werde ich in demselben KH einen geplanten KS haben und ich hoffe, dass ich diesmal ohne große Probleme mein Kind direkt bei mir haben kann.

Ich habe lange gebraucht nach dem 1. KS, um irgendwie damit fertig zu werden. Es ging irgendwann, aber ganz vorbei wird es nie sein. Wenn ich zum Beispiel höre, wie schön eine selbstbestimmte Geburt war oder wie jemand sein eigenes Kind selbst aufgefangen hat, als es kam - dann ist alles wieder da. Sonst überwiegt natürlich die Dankbarkeit, dass alles gut ging, wie bei dir auch.

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Hallo Dina,
es tut mir leid, dass du dieses Gefühl auch erfahren müsstest. Immerhin durfte dein zweites Kind bei dir bleiben.
Ein absoluter Tragling ist mein Sohn auch. Ich habe nie darüber nachgedacht, dass das mit dem Geburtserlebnis zusammenhängen könnte.
Ich wünsche dir, dass die dritte Geburt so verläuft, wie du es dir erhoffst und dein Kind unmitteobar danach ohne Diskussionen bei dir bleiben darf ❤

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Dankeschön! 😊 Ja, ich werde vorher tun, was ich kann, damit sie in dieser Hinsicht möglichst viel mitmachen. Ich hab ja schon erlebt, dass es was ändern kann. Das kennen sicher viele Frauen, dass sie beim zweiten Mal deutlicher sagen können, was sie brauchen und sich auch trauen, es auszusprechen.

Vielleicht hat sich das für mich nur deshalb wie ein Nachholen angefühlt, weil ich damit das Gefühl hatte, ich kann was wieder gut machen. Die Zweite hab ich auch viel getragen, sie war als Baby aber gar nicht mal so anhänglich (das ist sie dafür jetzt).