Hausgeburt 2. Kind

Mittlerweile ist Nr. 2 fast schon 3 Monate alt und so langsam kommt so etwas wie Normalität auf. Da er gerade seelig neben mir liegt und schläft habe ich Zeit seinen Geburtsbericht zu schreiben.

Vorgeschichte: Im Gegensatz zur ersten Schwangerschaft hatte ich an dieser nicht so viel Freude. Ich hatte bis zur 14 Woche mit starker Übelkeit zu kämpfen, nächtliche Wadenkrämpfe, meine Beine sahen aus wie eine Karte für die Binnenschiffahrt, ich war sehr kurzatmig und die Hitze im August hat mich schier erschlagen. Mein Bauch war sehr groß und die Haut würde so stark gespannt daß die Haut an einigen Stellen taub war. Im letzten Monat kamen dann auch noch Schmerzen in den Oberschenkeln hinzu. Es fühlte sich an als wenn die Oberschenkel aus den Gelenkpfannen gedrückt würden sobald ich auf der Seite lag. Dummerweise konnte ich aber auch nicht auf dem Rücken liegen weil ich auch das als unangenehm empfand. Kurz und gut ich war es leid schwanger zu sein.
Bei den Vorsorgeuntersuchungen war stets alles in Ordnung mit dem Baby und ich freute mich trotz allem sehr auf unseren 2. Sohn. Er war seiner Zeit immer eine Woche vorraus und ich wusste von Anfang an dass er vor dem Termin 4.11.20 kommen würde. Ich habe die Vorsorge immer abwechselnd bei meinem Frauenarzt und meinen Hebammen gemacht. 3 Wochen vor ET hatte ich dann auch die Rufbereitschaft Liste bekommen. Alles für die Geburt war vorbereitet (in erster Linie bedeutete das Handtücher und wasserundurchlässige Abdeckungen für die Couch) Wir waren so bereit wie man es sein kann.

Samstag 24.10.2020
Wie immer in den letzten Wochen wache ich um kurz vor 6 auf weil mir alles weh tut und die Blase drückt. Ich arbeite mich ächzend aus dem Bett und ins Bad. Da ich weiß dass ich sowieso nicht mehr einschlafen kann, gehe ich runter in die Küche. Merke dass ich periodisch Bauchkrämpfe habe, die ziemlich zwicken. Schaue auf die Uhr.... Alle 15min. Hmm. Ob es losgehen sollte? Beschließe abzuwarten und die Uhr im Auge zu behalten.
Eine gute Stunde später weiß ich, der Startschuss ist gefallen. Sage meinem Mann Bescheid und hoffe dass es nicht zu lange dauern wird. Um 8 sind die Abstände bei 10-12min und es tut echt weh. Der angehende große Bruder will meine Hand halten zum trösten aber ich sage ihm dass er das lassen soll weil ich ihm sonst womöglich die Hand breche. Stattdessen macht er die Stereoanlage an und singt mir laut was vor.🥰 Ich melde ihn dann schon mal bei meiner Freundin an. Wir hatten schon vor einiger Zeit geklärt dass wir den Großen auswärts versorgen wenn es ernst wird. Ich hätte mich nicht wirklich auf die Geburt einlassen können wenn ich wusste dass er daheim ist und alles mitbekommt. Habe dann gegen halb 9 die diensthabende Hebamme informiert dass sie heute noch zu mir kommen muss. Habe gesagt dass ich mich melde wenn ich bei 8min bin.
Bis dahin habe ich.mir schon mal das Geburtshemd angezogen die Couch ausgeklappt und abgedeckt etc. Bin eigentlich ab 8 Uhr nur noch hin und her gelaufen. Wie schon bei der ersten Geburt war mir das Hinlegen und Sitzen ein Gräuel. Die Schmerzen machten mich dann immer schier wahnsinnig. Habe in den Wehenpausen noch rasch via WhatsApp allen Bescheid gegeben dass es losgeht und bis das Baby da ist Funkstille ist.
Um 9:45 war ich bei 7min und habe die Hebamme gebeten doch auf 11 Uhr zu kommen. Sie kam dann so gegen 11:20 und sobald sie da war hat mein Mann den Großen weggebracht. Habe ihn schnell gedrückt und gesagt wenn er zurück kommt wird er ein Geschwisterchen haben.
Um 12 war mein Mann zurück und ab da ging es dann wirklich mit großen Schritten voran. Mittlerweile waren die Abstände bei 5min und ich hätte die Wände hochgehen können. Die Natur hat es schon gut eingerichtet dass man nach einer Geburt vergisst wie weh es getan hat. Ansonsten wäre keine so verrückt das mehrmals zu machen...
Habe beim Laufen immer brav getönt. 2x hat mich meine Hebamme dazu gebracht kurz still zu stehen um mich zu untersuchen. Ergebnis: 8cm und alles parat. Nur der Kleine war noch nicht runtergerutscht. Kurz nach 13 Uhr habe ich gesagt dass sie die Fruchtblase aufmachen soll damit es voran geht. Das hat damals beim ersten Mal auch geholfen. Da war es auch so. MUMU offen aber das Kind nicht im Becken.
Musste mich also auf das Sofa legen und die Hebamme öffnete die Fruchtblase. Die Wehe danach war eine ganz andere Hausnummer. Ich bin aufgesprungen und habe wieder meine Wanderung aufgenommen. Mein Mann hat mir immer was zu trinken gereicht weil ich vom Schnaufen so einen trockenen Mund hatte. Er hat mir Traubenzucker gegeben weil ich zittrig würde, hat mir den Rücken massiert und sich volljammern lassen. Außerdem habe ich ihm gesagt dass das definitiv das letzte Mal ist dass ich das mitmache etc.
Irgendwann könnte ich dann einfach nicht weiterlaufen und bin vor dem Sofa auf die Knie. Ich wusste jetzt musst du pressen.😭 Und mir fiel wieder ein was das für eine Plackerei beim ersten Mal gewesen war. Ich wollte nicht. Ich war müde und mein Becken brachte mich um. Alle Schrein immer was von Gleichberechtigung. Warum also können die Männer das nicht machen. 😖
Naja alles Jammern half nichts. Also presste ich. Aber es kam mir ewig vor. Ich habe geknurrt wie ein Wolf und meinem Mann die Hand zerquetscht aber ich hatte nicht das Gefühl dass sich irgendwas voran bewegt. Von wegen die Zweiten kommen leichter. Quatsch!
Aber irgendwann hat es dann doch geklappt und ich merkte wie sich der Kopf rausschob . Die Hebamme rief dann ich solle nicht mehr pressen was ich dann auch tat. Nicht so sehr weil sie es sagte (ich wollte es nur hinter mich bringen) sondern weil die Wehe weg war. Und dann kniete ich da und zwischen meinen Beinen war ein Kopf?!! Ich stand total neben mir. Ich habe den Kopf gestreichelt. Es fühlte sich wie ein warmer nasser Pfirsich an. Habe meinen Mann angelacht und gleichzeitig geheult und gesagt: Er ist fast da. Gleich ist es geschafft!
Naja aber da war ich etwas voreilig. Es kam keine Wehe mehr und ohne könnte ich einfach nicht kräftig genug pressen. Deswegen meinte die Hebamme ich sollte mich doch bitte auf die Couch legen. Der Positionswechsel sollte mir bei den letzten Zentimetern helfen. Ich jammerte sofort: Nein bitte nicht bewegen. Ich will nicht... Aber es half alles nichts. Ich bin also irgendwie auf die Couch und habe mich an meinen Mann gelehnt der hinter mich geklettert war. Und dann kam auch schon die lang ersehnte Wehe und mit einem letzten Knurren meinerseits würde unser 2. Sohn geboren.
Mein Gott war ich froh. Endlich waren die Schmerzen vorbei. Die Hebamme legte ihn auf meinen Bauch und deckte ihn zu. Er hat nur kurz gekräht und war dann still. Wir haben ihn dann begrüßt und angeschaut. Mein Gott wie klein und wunderschön er war. Kein Blut nur ein bisschen Käseschmiere. Er hatte einen feinen Flaum auf den Schultern... Wir könnten uns nicht satt sehen. Er sah ganz anders aus als sein Bruder und doch war er genauso perfekt. Mein Mann hat dann die Nabelschnur durchgeschnitten und den kleinen Mann in warmen Handtücher eingewickelt auf den Arm bekommen. Denn Mama muss ja noch die Nachgeburt hinter sich bringen. Oh Mann das hatte ich komplett vergessen. Ich hatte auch so gar keine Lust mehr aber als wäre es das Stichwort gewesen kam noch eine kleine Wehe und es kam alles raus was noch drin war. Meine Hebamme war etwas überrascht weil bis jetzt so gut wie keine Flüssigkeit ausgetreten war. Und jetzt kam alles mit einem Schwall raus. Es waren wohl gute 700ml und mir war danach etwas zittrig aber nichts schlimmeres. Es lief auch nach diesem einen Schwall nicht mehr weiter und so brauchte ich mir keine Sorgen machen. Sie hat mich schnell untersucht und... Nur ein ganz kleiner Riss. Der musste nicht mal genäht werden.
Danach haben mein Mann und die Hebamme die Kampfspuren beseitigt und ich dürfte kurz unter die Dusche. Als ich dann halbwegs sauber und mit einer Surfbrett Saugeinlage im sexy Netzschlüpfer auf dem Sofa lag würde unser Schatz gewogen und gemessen. Es gab eine große Überraschung.
4100g
37cm Kopfumfang
53cm groß

Hui. Damit haben wir nicht gerechnet. Eine Woche vorher würde er auf 3200g geschätzt. Ich habe also mit max 3,6-3.8kg gerechnet. Ein Glück dass ich das nicht vorher gewusst habe sonst hätte ich mir Sorgen gemacht ob er passt. Ich bekomme Angst bei der Vorstellung wie groß er gewesen wäre wenn er bis zum ET gewartet hätte.
Aber das beweist dass die Babys schon wissen wann sie kommen sollen.
Wir waren zwar überrascht aber umso erleichtert dass alles ohne Probleme geklappt hatte. Habe dann auch gefragt wie spät es bei seiner Geburt gewesen war. 14:15!
Von den ersten Sehen bis zur Geburt waren es also knapp 8 Stunden. Genauso lange hatte ich damals auch für den großen Bruder gebraucht.

Die Hebamme hat sich dann verabschiedet und mein Mann ist losgefahren um Pizza und den großen Bruder abzuholen. Um 19 Uhr war er dann da und hat ganz neugierig seinen kleinen Bruder bestaunt. Er hat ihn Süßling genannt weil er so süß war. Einen Namen hatte er nämlich noch nicht. Mein Mann hat gesagt dass das bis zum Montag Zeit hat. Vorher macht das Standesamt ohnehin nicht auf.

Am Montag ist er ihn anmelden gegangen, was dort eine gewisse Aufregung verursacht hat. Man wusste dort nicht so recht wie man bei einer Hausgeburt vorgehen muss. Aber schließlich haben sie es trotzdem geschafft und Clemens hat seine Geburtsurkunde bekommen.

Nun sind wir dabei uns an das Leben zu 4 zu gewöhnen. Ich bin gespannt wie sich der kleine Mann entwickelt.

Ich wünsche allen hier eine komplikationsfreie Geburt.

1

Danke für diesen richtigen tollen Bericht! Liest sich sehr sympathisch.
Alles Gute euch ♡

2

Vielen Dank für diesen tollen Bericht. 😊
Alles gute euch