Ich habe während meiner Schwangerschaft hier immer die Berichte von anderen Frauen gelesen, weil ich wissen wollte, auf was ich mich einstellen muss bei der Geburt. Aus diesem Grund dachte ich, dass meine Erfahrungen vielleicht anderen helfen könnten, sich auf das unglaublichste Erlebnis ihres Lebens vorzubereiten.
Schwangerschaft & Geburtsvorbereitungen
Meine Schwangerschaft war meine erste Schwangerschaft überhaupt und trotz eines absolut unproblematischen Verlaufs war ich Anfangs nicht wirklich entspannt. Vielleicht weil wir davor fast ein Jahr Kinderwunsch hatten/ es probiert haben, vielleicht weil ich ein Mensch bin, der zu Ängsten neigt. Mit der Zeit wurde ich mir aber meines Umstands immer sicherer und habe dann angefangen, mich mit der Geburt zu beschäftigen. Irgendwie hat die fortschreitende Schwangerschaft, die Angst vor der Entbindung selber genommen (irgendwie muss es ja raus, nicht wahr?). Je dicker der Bauch wurde, desto entspannter habe ich der Entbindung entgegen geblickt. Dabei hat mir die Lektüre von dem Buch „Childbirth without fear“ von Grantly Dick-Read (gibt es nur gebraucht leider) geholfen und die Tatsache, dass mein Freund und ich das Wochenbett und die Umstände rund um die Geburt super vorbereitet haben (z.B. „Wohin kommt der Hund, wenn es losgeht?“, „Was fehlt im Schlafzimmer, damit ich mich wohler fühle/ alles für ein Baby stimmt?“ etc.)
Körperlich habe ich ab 36+0 „Louwen Diät“ gemacht. Ich schreibe es in Anführungszeichen, weil ich nach einer Woche strengem Essen nach glykalischen Index durchgedreht bin und ab da nur Weizen(produkte) und Zucker weggelassen habe. Ich musste einfach wieder Reis, Kartoffeln und getrocknete Früchte essen! Das habe ich bis auf ein, zwei Ausnahmen echt bis zur Geburt durchgezogen (Ostern war besonders hart; habe mir ein paar Lindor-Eier in meine Kliniktasche gepackt, um sie nach der Geburt mit großer Freude in mich reinzustopfen).
Außerdem habe ich bei 37+6 mit wöchentlicher geburtsvorbereitenden Akupunktur angefangen, die total gewirkt hat (hatte nach dem ersten Mal zum ersten Mal eine Senkwehe und am Tag nach dem zweiten Mal ist meine Tochter gekommen). Sonst habe ich nichts gemacht (kein Hypnobirthing, keine Damm-Massage, keine Sitzbäder…)
Die Geburt
An 38+6 hatte ich, wie beschrieben, meinen zweiten Akupunkturtermin mit meiner Hebamme. Danach habe ich direkt gemerkt, dass „mein Unterleib arbeitet“. Es war einfach ein Pumpen und schmerzloses Ziehen, dass da unten stattgefunden hat. Abends habe ich mir noch entspannt eine Doku angeschaut und bin dann sehr früh ins Bett gegangen, weil ich mich ausgelaugt gefühlt habe. Morgens um halb 5 bin ich aufgewacht und hatte „in die Hose gepinkelt“. Schlaftrunken bin ich aufs Klo gewackelt und habe mich auf die Toilette gesetzt. Erst dort wurde ich langsam wach und mir kam, dass es vielleicht auch kein Urin sein könnte. Unterhose runter, gesehen, dass die Flüssigkeit hellrosa war. Aufregung! Fröhlich tropfend, mit Klopapier zwischen die Beine geklemmt, watschelte ich zum Badezimmerschrank, einen PH Test holen, den ich mir in der 13. Woche mal geholt hatte (wegen Paranoia vor Fruchtwasserverlust). Der Test war dunkel, da war ich sicher, dass es echt Fruchtwasser war. Aufgeregt rief ich meinen Freund „Es geht los! Oh mein Gott, es geht los!“
Da mir meine Frauenärztin leider nicht gesagt hatte, ob meine Kleine bereits fest im Becken saß und ich kleinen Nabelschnurvorfall riskieren wollte, sind wir direkt in unser Krankenhaus gefahren. Dort wurde ich untersucht, Diagnose: Blasensprung, nur zwei vereinzelte, unwirksame Wehen. Die Ärztin meinte, ich könnte („auf eigenes Risiko“) für 12 Stunden nach Hause fahren oder direkt dort bleiben. Nach 12 Stunden würde man dann eine prophylaktische Antibiose geben (wegen potentiellen Infektionen) und über Einleitung reden, wenn sich nichts täte. Ich entschied, nach Hause zu fahren. Dort angekommen brachte mein Freund unseren Hund zu Freunden und ich duschte und legte mich dann ins Bett und hörte drei ???. Währenddessen stellten sich leichte „Menstruationsschmerzen“ ein. Mein Freund kam zurück und wir zogen uns ins Bett zurück, kuschelten und ich wehte vor mich hin. Anfangs waren die Wehen gut auszuhalten (echt 1:1 wie bei der Periode), nach etwa 10 Stunden musste ich anfangen zu veratmen). Als die Wehen ca alle 4 Minuten kamen und um die 90 Sekunden dauerten, wollte ich wieder ins Krankenhaus. Ich dachte, ich wäre schon kurz vor der Geburt (haha!).
Im Krankenhaus untersuchte mich eine Hebamme. Muttermund bei 2cm und Gebärmutterhals fast verstrichen. Ich dachte mir „Uff, dann liegt noch echt eine lange Zeit vor uns!“. Sie legte uns ans Herz, eine Runde spazieren zu gehen. Gesagt, getan. 1,5 Stunden liefen wir durch den nah gelegenen Schlosspark. Es war nichts los und der Frühling zeigte sein schönstes Gesicht. Blauer Himmel, die ersten zarten Blättchen an den großen, alten Bäumen und der Geruch von Blumen sind mir in Erinnerung. Mein Freund und ich machten viele Witze und es war einfach unglaublich innig. Als wir auf dem Rückweg zum Krankenhaus waren, begannen die Wehen schmerzhafter zu werden. Sie dauerten länger und hatten teilweise nicht nur eine, sondern zwei Schmerzspitzen. Das führte dazu, dass es mir im wahrsten Sinne, die Beine wegzog. So dauerte der Weg zurück ewig, weil ich mich wirklich an jedem Geländer zwischen Park und Krankenhaus festhalten musste, wenn eine Wehe kam (zweimal fing mein Freund mich auf, weil kein Geländer griffbereit war). Wenn ich die Wehen beschreiben sollte, würde ich sagen, es fühlt sich so an, als triebe man in einem wilden Ozean und der eigene unkaputtbare Körper, wird immer wieder von der Strömung in das Meer herausgezogen (Wehenpausen), um dann mit Anlauf mit der nächsten Welle gegen die Felsen geschleudert zu werden.
Wieder zurück im Krankenhaus, schlug die Hebamme eine Entspannungsbad mit ätherischen Ölen vor. Dieses war anfangs sehr sehr angenehm. Im abgedunkeltem Raum wehte ich darin entspannt vor mich hin, während mein Freund aus einem Buch vorlas. Nach ca. 30 Minuten änderten sich die Wehen und wurden noch einmal schmerzhafter. Ich wollte SOFORT aus dem Wasser. Mein Instinkt sagte mir, dass mein Kind bald bei mir sein würde und ich wollte in den Kreißsaal. Die Hebamme sah das anders und „vertröstete“ uns mit einem Wehenzimmer mit Sofa. Dort untersuchte sie mich. Muttermund bei 6cm. Ich konnte und wollte es nicht glauben! Sie riet uns, einfach weiterzumachen, das Kind käme noch nicht, sie müsse schnell weg. Ich protestierte, aber sie war schon aus der Tür. Ab diesem Zeitpunkt sind die Erinnerungen etwas verschwommen für mich. Mein Körper/ meine Psyche „depersonalisierte“ - das bedeutet ich nahm mich, die Schmerzen und das Geschehen wie von Außen wahr. Leute, die in ihren Leben eine starke Panikattacke hatten, wissen vielleicht, wie sich das anfühlt (bzw. es gibt bestimmt auch Drogen die sowas auslösen können, aber da kenne ich mich nicht aus :)
Ich wusste nur eines: mein Kind kam! Ich glitt vom Sofa, ging auf die Knie und stützte meinen Oberkörper auf dem Sofa ab. Bei der nächsten Wehe fühlte ich das erste mal den Drang zu pressen. Was. Für. Eine. Erleichterung. Ab diesem Zeitpunkt brachte mir das veratmen gar nichts mehr und ich fing an zu tönen und schreien. Ich musste nachgeben. Ich heulte in Richtung von meinem Freund „Ich muss pressen, hol sie zurück.“ Er drückte mit panischem Gesicht den Notfallknopf über mir. Die Hebamme kam zurück, sah mich an und sagte ganz bestimmt „Oh, das ging sehr schnell, ab in den Kreissaal.“ Die Erinnerung, wie ich in den Kreissaal kam fehlt mir komplett, das nächste an was ich mich erinnern kann, ist, dass ich auf ein großes Bett in einem abgedunkelten Raum kroch und die Hebamme mich anwies, mich auf die Seite zu legen, weil das Baby sonst zu schnell käme. Ich protestierte, weil ich das in dem Moment ja wollte, aber sie meinte, es wäre nicht gut für mich und das Baby. So verbrachte ich einige Wehen in der Seitenlage, bis die Hebamme meinte, ich dürfe wieder zurück auf die Knie. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Instinktiv wollte ich so gebären. In der nächsten Wehenphase ging ich auf die Knie und sie fuhr dem Kopfteil des Bettes so hoch, dass ich mich darauf abstützen konnte. Auf diese Art und Weise war es ihr möglich, das Geburtsgeschehen vom Fußende des Bettes zu managen. Ich spürte wie mein Damm immer wieder warm wurde und erkannte, dass sie mir Kompressen anlegte um die Haut dehnbarer zu machen.
Gefühlt drei Presswehen später, verkündete sie mir von hinten, dass man den Kopf sehen könne und ob ich ihn fühlen möchte. Ich wollte nicht, ich wollte mein Kind da raus haben! Ich spürte wie der Kopf bei jeder Presswehe gegen meine Vagina stieß. „Bei der nächsten Wehe, möchte ich, dass du aufhörst zu pressen, wenn ich stopp sage. Dein Kind kommt gleich.“ wieß mich die Hebamme an. Als treue Urbia Geburtsberichtsleserin, war mir aber in Erinnerung, dass die Ärzte immer gerufen wurden, wenn das Kind kam. So drehte ich mich nach hinten um und sagte der Hebamme: „ Die Ärztin ist nicht da. Das Kind kann noch gar nicht kommen.“ Ihre Antwort: „Du brauchst keine Ärztin, um ein Kind zu bekommen.“
Also tat ich bei der nächsten Presswehe wie geheißen. Ich presste aus vollem Leib und ä spürte ein leichtes Brennen (absolut nicht schlimm in dem Moment!) und sie sagte „Stop! Aufhören zu pressen!“. Auch wenn es schwer fiel, tat ich, wie geheißen, bis die Wehenpause kam. Mir war das in dem Moment noch nicht klar, aber: der Kopf war geboren.
Plötzlich kam eine Frau zur Tür rein. Ich - total im Delirium - drehte den Kopf zu ihr und fragte wenig höflich „Wer bist du?“. Sie schaute verdutzt und stellte sich als Dr. Soundso vor (da stelle man sich die Szenerie vor: du wirst als Ärztin in einen Kreissaal gerufen und die Alte, die da gebärt,welcher der Kopf ihrer Tochter bereits hinten rausschaut, fragt dich beim eintreten herrisch, wer du seist:). Da kündigte sich schon die nächste Presswehe an und ich konzentrierte mich wieder auf das Pressen und nicht auf mein Publikum. Ich drückte und plopp, plopp, plopp, spürte ich den Körper meiner Tochter aus mir herausgleiten. Es fühlte sich an, als hätte jemand an einem Klavier mit der Hand im Vorbeigehen alle Tasten gespielt und ich spürte auch, dass sie ganz warm war.
Die Hebamme von hinten: „Deine Tochter ist da.“ Ich drehte meinen Oberkörper nach hinten zu ihrer Stimme und schaute in die verschwitzten Gesichter von Hebamme und Ärztin. Aber da war kein Kind! „Wo ist sie?“ fragte ich flehend. Die Hebamme grinste und antwortete: „Schau mal unter dich.“ Wie in Zeitlupe wandte ich mich um und sah zwischen meine gespreizten Beine. Da, zwischen allerlei Blut, Kot, Glibber (es sah aus wie Innereien auf einem Fischmarkt) lag ein blau-weißliches perfektes Menschlein und regte sich nicht. Ich rutschte auf den Knien etwas zurück, um mit dem Gesicht ganz nah an sie ranzukommen und fasste ihr wunderschönes Gesicht an. In diesem Moment kam Leben in das Fischlein und sie gab einen quäkenden Laut von sich. Ich streichelte ihr Gesicht und sagte ihr, wie wir uns auf sie gefreut hätten und wie wunder-, wunder-, wunderschön sie sei. Mein Freund wurde gefragt, ob er die Nabelschnur durchschneiden wollte und als er verneinte, bat ich die beiden Damen, die letzte physische Verbindung zu meinem Kind kappen zu dürfen. Sie klemmten sie ab und ich schnitt. Es fühlte sich so an, als würde man eine unfertige , hohle Nudel zerschneiden.
Danach entfernten sie den Fischmarkt und baten mich, sich auf den Rücken zu legen und die Beine zu spreizen. Dann gaben sie mir meine Tochter auf die Brust zum bonden/ andocken, während die Ärztin meinen Unterleib inspizierte. Diagnose: Dammriss 1. Grades, den sie mir gleich mit zwei absolut (!) aushaltbaren Stichen nähte. Währenddessen erzählte die Hebamme, dass die Plazenta mit dem Körper herausgekommen war und zeigte sie mir. Im Anschluss zogen Ärztin und Hebamme sich zurück und ließen meinen Freund, meine Tochter und mich für magische, wunderschöne, heimelige zwei Stunden, mit ausreichend warmen Handtüchern ausgestattet, zurück.
Seitdem sind wir eine Familie. Und auch wenn ich von mir nicht, wie andere Frauen behaupten kann, dass ich die Schmerzen nach der Geburt vergessen hätte - es war die krasseste Schmerzerfahrung, die ich jemals gemacht habe - würde ich es ohne mit der Wimper zu zucken sofort wieder durchleben. Ich habe bis zur Schwangerschaft immer mit den Augen gerollt, wenn Leute die Schwangerschaft oder dann das Kind als Wunder bezeichnet haben, weil ich es irgendwie pathetisch fand, aber es ist genau das: ein wundervolles Wunder der Natur/ des Lebens und ich bin voller Dankbarkeit, dass ich es erleben durfte bzw. in Form meiner wundervollen Tochter immernoch darf.
Tolle natürliche Geburt - erstes Kind
Guten Morgen,
Erst einmal möchte ich dir zur Geburt zu deiner Tochter gratulieren! ❤️ Ich wünsche euch eine wunderschöne erste gemeinsame Zeit!
Und dann: vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht! Ich habe das ein oder andere mal herrlich lachen müssen - aber es sind auch ein paar Tränen geflossen.
Ich bin aktuell bei 40+6 und alles spielt (hormonell) verrückt, vielleicht „trifft“ dein Bericht da bei mir nochmal einen ganz besonderen Nerv.
Ich danke dir auf jeden Fall und wünsche euch alles Gute! ❤️
Ein toller Bericht!
Herzlichen Glückwunsch und willkommen auf der Welt.
So empfand ich die Geburten auch, die der Zwillinge war wirklich wunderbar. Ich würde es immer wieder tun. Die Belohnung ist einfach unbeschreiblich.
Alles Gute 🍀
Herzlichen Glückwunsch ❤️🥰🌈☀️ Was ich am Ende vom Bericht dachte „Wow“!
Wow, was für eine tolle Geburt und ganz toller Bericht. Danke dafür
Ich fiebere auch der Geburt entgegen und weiß wie schmerzhaft diese ist. Aber es ist eine unglaubliche Erfahrung, die hält nur für einen kurzen Augenblick und im besten Fall erinnert man sich gerne daran.
Meine zweite Tochter kam auch ohne PDA und die schmerzen sind unglaublich intensiv aber gleichzeitig so aushaltbar, das ich das ganze Prozedere noch einmal erleben möchte.
Eine wunderbare Zeit wünsche ich euch drei.
LG von evi, bald mit drei Mädels an der Hand
Schöne Geburt, herzlichen Glückwunsch
Hab herzlich gelacht, als die Ärztin reinkam.
Danke, für deinen wundervollen Bericht 🙏🏻
Alles Liebe für dich und deine kleine Familie 🥰🍀🙏🏻