Hallo,
endlich kann ich mich dazu überwinden mein Geburtserlebnis aufzuschreiben. Wie der Titel schon vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine Traumgeburt. Trotzdem möchte ich das Erlebte mit euch teilen, weil ich als Schwangere auch lieber von schönen Geburten ohne Komplikationen gelesen habe und daher nicht auf das eingestellt war, was eben auch passieren kann.
Schwangerschaft:
Ich wurde, trotz Zyklen von 40-50 Tagen, bereits im 3. ÜZ schwanger. Ich fühlte mich tatsächlich "anders" und hatte sehr unangenehme Unterleibsschmerzen. Da ich bereits in der Vergangenheit, wie so oft hier im Forum von vielen Frauen berichtet, jedes Ziehen als mögliche Schwangerschaftsanzeigen interpretierte, testete ich erst nach NMT. Der Test war sofort und eindeutig positiv. Da eine Freundin von mir erst kurz davor eine Fehlgeburt hatte (Windei), war meine Freude gedämpft. Ein positiver Test lässt schließlich nicht automatisch auf eine intakte Schwangerschaft schließen. Mein Mann und ich freuten uns daher noch sehr verhalten und die Euphorie hielt sich in Grenzen. Den ersten Frauenarzttermin hatte ich in der 7. SSW und da konnte man zum Glück einen Embryo mit Herzschlag sehen Die weitere Schwangerschaft war nicht gerade traumhaft, verlief aber dennoch ohne Komplikationen.
Geburt:
Drei Tage nach dem errechneten Entbindungstermin (Samstag) war ich zur Vorsorge im Krankenhaus, da meine Frauenärztin Urlaub hatte. Unser Sohn lag bereits in "Startposition" und der Muttermund war 3 cm offen. Wehen hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt keine bzw. nur ganz wenige. Es sah alles gut aus und alles war unauffällig, bis auf die Tatsache, dass unser Kind wohl recht groß und schwer geschätzt wurde.
Am Samstag ging ich gegen 22:30 Uhr schlafen. Um kurz nach Mitternacht erwachte ich plötzlich aufgrund starker Rücken- und Unterleibsschmerzen. Ich schlug die Augen auf und wusste sofort: DAS sind Wehen. Geburtswehen. Ich stand auf und ging ins Wohnzimmer, um die Zeit zu stoppen und zu prüfen, in welchen Abständen die Wehen kamen. Doch ich hatte solche Schmerzen, dass ich kaum stehen konnte. Auch das Veratmen der Wehen war nicht möglich, weil sich mein ganzer Körper verkrampfte. Ich versuchte auf meinem Handy die Wehenpausen zu ermitteln und merkte ziemlich schnell - es gab keine Pausen. Die Kontraktionen kamen ohne Unterbrechung. Also weckte ich meinen Mann und versuchte anschließen mich anzuziehen. Vergeblich. Mein ganzer Körper zitterte und ich konnte mich kaum bewegen. Irgendwie schaffte es mein Mann mir eine Hose anzuziehen und dann fuhren wir sofort in die Klinik. Eigentlich wollte ich noch duschen, doch das war unmöglich.
Gegen 01:30 Uhr kamen wir in der Klinik an. Dort wurde ich sehr schnell in den Kreißsaal gebracht und ans CTG angeschlossen. Meine Vermutung bestätigte sich. Ich hatte kontinuierliche Wehen mit minimalen Pausen unter 30 Sekunden. Die Hebamme war sehr freundlich und einfühlsam. Sie erklärte mir, dass es sich bei meinen Wehen um einen Wehensturm handelte. Damit mein Kind und ich wieder etwas "zur Ruhe" kamen, bekam ich ein Mittel, welches die Wehen hemmte. Danach wurde es etwas besser. Die Wehen blieben natürlich sehr schmerzhaft, aber noch erträglich.
Gegen 02:15 Uhr kam die Ärztin herein, um zu prüfen, wie weit der Muttermund schon offen stand. Sie untersuchte mich und stellte überrascht fest, dass dieser sich bereits auf 9 cm geöffnet hatte. Der Geburt stand eigentlich nichts mehr im Wege. Eigentlich. Denn unser Sohn war mit seinem Köpfchen noch nicht fest im Geburtskanal verankert und stieß bei jeder Wehe an mein Schambein. Die Ärztin empfahl mir eine PDA, damit das Kind langsam zum "Ausgang" rutschten konnte. Ich stimmte zu und wenig später wurde mir die PDA verabreicht. Das Legen der PDA klappte ohne Probleme und war völlig schmerzfrei. Kurze Zeit später durfte ich mich hinlegen und konnte endlich durchatmen. Ich schaffte es sogar ein bisschen zu dösen
Um ca. 07:00 Uhr untersuchte mich die Ärztin erneut und stellte fest, dass der Muttermund nun komplett geöffnet und das Kind in der Geburtsposition lag. Aufgrund der PDA spürte ich die Presswehen kaum, weshalb die Hebamme meinen Mann und ich zu viel Körpereinsatz verdonnerte Am Ende klappte es sehr gut und um 08:33 wurde unser Sohn am Pfingstsonntag 2021 (ET + 4) mit 56 cm und 4080 Gramm geboren.
Der Kleine schrie kaum und krächzte nur ein bisschen. Dennoch legte man mir das Kind auf die Brust und eine Schwester versuchte ihn anzulegen. Währenddessen wurde ich genäht (Scheidenriss beidseitig, Dammriss 2. Grades) Ich empfand das Nähen, trotz der PDA im Vorfeld, als schmerzhaft und konnte mich kaum auf meinen Sohn konzentrieren. Nachdem mein Sohn ca. 10 - 15 Minuten bei mir war, wurde er wieder untersucht und die zuständige Ärztin war plötzlich sehr hektisch. Man sagte uns schließlich, das Kind habe Unterzucker und sehr viel Fruchtwasser in der Lunge. Man müsse es zur Überwachung auf die Neo-Intensiv bringen.
Ich selbst war von der Geburt noch sehr geschwächt und wurde im Rollstuhl aufs Zimmer gebracht. Mein Mann war in der Zwischenzeit auf der Intensivstation und erledigte die Formalitäten. Am späten Nachmittag wurde ich, immer noch im Rollstuhl, auf die Intensivstation gebracht. Dort lag unser süßes Baby mit Infusionen im Kopf. Es tat mir so weh, ihn dort zu sehen. Die Pflegekräfte kümmerten sich aber sehr gut um ihn und waren generell sehr einfühlsam.
Obwohl man uns nach der Geburt gesagt hatte, dass unser Sohn "nur kurz" und nur "zur Überwachung" auf der Intensivstation bleiben musste, erhielten wir in den nächsten Tagen ständig neue Hiobsbotschaften. Unser Sohn konnte zunächst keine Nahrung bei sich behalten und erbrach ständig. Er hatte Sättigungsabfälle und schlechte Hämoglobinwerte. Dann wurde eine Neugeboreneninfektion diagnostiziert, weshalb er Antibiotika bekam. Das Anlegen klappte sehr schlecht, da meine Brustwarzen (Schlupfwarzen) ständig bluteten und sich mein Sohn deswegen natürlich wieder übergeben musste. Auch mit Stillhütchen klappte es nur bedingt. Ich pumpte fleißig ab, doch es kam nichts. Das sei normal am Anfang, sagte man mir und ich sollte es weiter versuchen. Mein Mann und ich waren überhaupt nicht auf diese Komplikationen eingestellt und dementsprechend verzweifelt und traurig. Ich weinte viel und konnte es gar nicht ertragen, dass alle Frauen um mich herum ihre Babys bei sich hatten. Anders als bei den Frühchenmamas, lag ich nämlich auf der "Normalstation". Um mich herum all die glücklichen Mütter mit ihren süßen Babys.... Das war sehr schlimm für mich. Außerdem litt ich bereits an starkem Schlafmangel, da ich keine Ruhe fand und ich seit der Geburt nicht mehr richtig geschlafen hatte.
Inzwischen brauchte unser Sohn auch eine Magensonde, da er zu müde und schwach zum Saugen war. Ich saß fast den ganzen Tag an seinem Bett. Auf einem harten Plastikstuhl, obwohl ich durch die Geburtsverletzungen kaum sitzen konnte. Meine Beine waren dick und ich fühlte mich so hilflos. Niemand wusste, was unserem Sohn eigentlich genau fehlte. Man suchte nach Stoffwechselerkrankungen. Wir bekamen eine Informationsbroschüre in die Hand gedrückt, in der standen viele möglichen Erkrankungen, bei denen am Ende beinahe überall stand "führt unbehandelt zum Tod" oder "lebenslange, schwerwiegende Einschränkungen".
Nach 4 Tagen Krankenhausaufenthalt wollte ich unbedingt nach Hause und musste meinen Sohn schweren Herzens zurück lassen. So hatte ich mir das mit der Geburt nicht vorgestellt...
Kaum 2 Tage zu Hause, erhielten wir den Anruf, dass unser Sohn ins Kinderkrankenhaus verlegt wurde, weil man das Bett auf der Neo-Intensiv benötigte. Ich ließ mich als Begleitperson stationär im Kinderkrankenhaus aufnehmen, damit ich meinen Sohn rund um die Uhr auf der Intensivstation besuchen und versorgen konnte. Die nächsten 3 Wochen drehte sich alles um das steigern der Trinkmenge. Außerdem erhielten wir die Info, dass wir die Klinik erst verlassen durften, wenn unser Sohn an zweit darauffolgende Tage keine Sättigungsabfälle mehr hatte. Mir ging es psychisch und körperlich nicht gut. Das Stillen klappte nicht und auch nach insgesamt 4 Wochen kamen beim Abpumpen nur max. 30 ml. Milch aus einer Brust. Selbst die Stillberaterin wusste sich keinen Rat mehr und empfahl mir aufzugeben und nur noch Pre Milch zu füttern. Ich war traurig und erleichtert gleichzeitig. Zum Glück nahm unser Sohn endlich etwas zu und steigerte seine Trinkmenge. Die Sättigungsabfälle wurden weniger, verschwanden aber nicht. Deshalb wurden wir nach gut 4 Wochen mit Heimmonitor aus der Klinik entlassen. Mein Mann und ich waren überglücklich..
Obwohl wir zu Hause waren und unser Sohn sich gut entwickelte, weinte ich ständig und konnte plötzlich nichts mehr essen. Ich fühlte mich unendlich erschöpft, konnte aber nicht mehr schlafen. Ständig war ich nervös und angespannt. Als sich die Situation auch nach weiteren 4 Wochen nicht besserte, empfahl mir meine Hebamme mir Hilfe zu holen. Ich machte eine Therapie und suchte einen Psychiater auf. Diagnose: Akute Wochenbettdepression.
Ich bekam Antidepressiva und Benzos zur Beruhigung. Die Nebenwirkungen waren die Hölle und es dauerte fast 6 Wochen, bis die Tabletten endlich Wirkung zeigten...
Gut ein Jahr nach diesen Ereignissen geht es mir zum Glück wieder gut. Auch unser Sohn entwickelt sich prächtig und ist vollkommen gesund. Den Monitor benötigte er übrigens nur knapp 4 Wochen. Auch die anfängliche Diagnose Hörverlust konnte inzwischen ausgeräumt werden.
Das Erlebte werden wir alle nicht mehr vergessen und ja, auch Narben bleiben.
Wer den Bericht bis hierher gelesen hat: Vielen Dank.
Ich wünsche euch allen viele wunderschöne Traumgeburten , möchte euch aber auf diesem Weg sagen, dass auch bei unauffälligen Schwangerschaften Komplikationen auftreten können.
Herzliche Grüße
Wehensturm, Neo-Intensivstation und Wochenbettdepression
Erstmal herzlichen Glückwunsch zu eurem Sohn, auch wenn die Geburt schon etwas länger hinter euch liegt!
So stark, was eine Mama für ihr Kind alles auf sich nehmen kann! Es tut mir leid, was ihr durchmachen musstet und ich hoffe du bist inzwischen von den Psychopharmaka weg.
Alles Liebe
Vielen Dank für die Glückwünsche Ja, inzwischen schleiche ich die Medikamente aus. Bin schon fast fertig mit dem Absetzen.
Vielen Dank für Deinen Mut, dies zu posten. Hut ab für Deine Kraft & Energie, Euren Zusammenhalt. Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute und Liebe
Danke dir für die lieben Worte
Alles gute euch! Und vielen Dank für's teilen!
Vielen Dank fürs Lesen