Hallo in die Runde,
In den letzten Tagen meiner Elternzeit habe ich es noch geschafft, meinen Geburtsbericht aufzuschreiben und habe mich dabei vielleicht etwas in Details verloren, er ist also etwas länger geworden 😉
Vorab: ich habe mir eine möglichst interventionsarme Geburt gewünscht und habe meinem Körper vertraut, dass er weiß, was zu tun ist. Ich hätte im Zweifelsfall aber auch eine PDA genommen, wenn es anders nicht auszuhalten gewesen wäre. Ich habe Hypno Birthing etwa zur Hälfte gelesen. Manches kam mir arg esoterischen vor, aber ich habe vor allem mitgenommen, dass ich positiv an die Geburt rangehe und es mir im voraus nicht schon von anderen (die vielleicht selber nicht mal eine Geburt erlebt haben) schlecht reden lasse. Außerdem habe ich aus dem Buch eine Übung zur Entspannung des Kiefer regelmäßig vor der Geburt gemacht.
38+6: Nachmittags beim FA sieht alles noch super aus, nur der Muttermund ist etwas nach oben gegangen, aber ansonsten ist der Befund geburtsunreif. Das ist gut, denn es steht noch einiges auf meiner To-do-Liste vor der Geburt. Aber ich habe ja auch noch Zeit, denn nach wie vor bin ich überzeugt, dass es über Termin geht. Ich überlege noch diesen Abend auf ein Konzert zu gehen, aber mache es nicht, denn ich möchte mich auf den letzten Metern nicht mit Corona anstecken. Ich bin insgesamt sehr entspannt und erwarte nicht, dass es demnächst losgehen könnte. Vielleicht versuche ich auch ein wenig zu verdrängen, welche große Veränderung in unserem Leben so kurz bevorsteht.
39+0: Um halb zwei nachts muss ich das erste mal auf die Toilette, nicht unüblich in den letzten Wochen. Beim Hinlegen eine leichte Wehe, die ich nur spüre, weil ich die Hand auf den Bauch lege und merke, wie er hart wird. Auch das kommt in den letzten Tagen nachts gelegentlich vor. Um halb drei wache ich wieder auf und bemerke ein leichtes Ziehen und gleichzeitig wieder den Drang aufs Klo zu müssen. Also wieder aufstehen und die Treppe runter ins Bad. Anschließend lege ich mich wieder ins Bett, aber die Wehen kommen jetzt regelmäßiger und jedes Mal habe ich das Gefühl, dringend aufs Klo zu müssen. Einige Wehen und Sprints die Treppe runter später, wird mir zusätzlich schlecht und ich muss mich übergeben. Kurz erinnere ich mich an den Geburtsvorbereitungskurs, wo es hieß, dass es häufig vorkommt, dass man sich bei ca 8 cm Öffnung übergeben muss. Aber das kann zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht sein, die Wehen haben vielleicht vor 1 1/2h angefangen und als Erstgebärende gehe ich von mindestens 8-12h aus.
Also heißt es Zeit zu schinden, bevor wir uns ins Krankenhaus aufmachen. Ich veratme einige Wehen im Vierfüßlerstand auf dem Bett, kreise dabei meine Hüfte und versuche den Kiefer zu entspannen. Mein Mann erinnert mich gelegentlich daran, ruhig zu atmen. Die Abstände sind recht kurz und langsam dämmert es mir, dass es vielleicht doch etwas schneller gehen könnte. Ich will aber noch unbedingt duschen und mein Mann bekommt den Auftrag in der Zeit alle (!) unsere Pflanzen zu gießen, wer weiß wie lange wir weg sind, wenn wir ein Familienzimmer bekommen. Also gießt der Arme um vier Uhr nachts alle Blumen, während ich beim Duschen mehrfach auf alle Viere gehen muss, um die Wehen zu veratmen. Ich hole mir ein T-Shirt aus dem Trockner im Keller und wieder muss ich vor der Kellertreppe auf alle Viere gehen. Mittlerweile gebe ich dabei auch lautere Geräusche von mir und die Katze guckt mich ziemlich irritiert an, wie ich da vor der Treppe liege und stöhne.
Mein Mann hat in der Zwischenzeit seine Aufgabe erfüllt alle Pflanzen zu gießen, sich einen Kaffee gemacht und ist ebenfalls noch duschen gegangen. Wir wollen ja noch Zeit schinden und bloß nicht zu früh ins Krankenhaus. Doch dann wird es etwas hektisch. Ich gehe noch mal zur Toilette und stelle eine leichte Blutung fest. Ich bin verunsichert, weil ich nicht weiß, ob das nur die Zeichnungsblutung ist oder doch etwas anderes. Es ist mir egal, dass die erste Wehe erst 2 1/2h her ist, ich möchte jetzt ins Krankenhaus. Die Wehen haben mittlerweile einen Abstand von weniger als 5 min. Also will mein Mann ein Taxi rufen (wir haben kein Auto). 20 min bis sie da sind, "Das schaffe ich nicht mehr, ruf den Krankenwagen".
Gesagt, getan und in der Wartezeit auf den Krankenwagen wird mein Mann langsam etwas nervös und braucht eine Aufgabe, also will er ihn einweisen, weil wir in zweiter Reihe am Ende eines Stichwegs wohnen. Er kommt aber nur bis zur Haustür, denn davor liege ich wieder auf allen Vieren und veratme eine Wehe. Er guckt mich völlig entgeistert mit der Kliniktasche unterm Arm an und sagt:"Du kannst da jetzt nicht liegen, ich muss da raus" 😂 ich mache ihm ziemlich deutlich, dass ich mich die nächsten 30 sek nicht dort wegbewegen kann und räume anschließend die Tür. Zum Aufstehen reicht es allerdings nicht mehr und ich beobachte auf der Türmatte sitzend und von der Katze ungläubig beäugt, wie der Krankenwagen an der Straße hält und nicht die Einfahrt reinfährt. Mein erster Gedanke "die 30m bis zum Krankenwagen schaffe ich nicht ohne Wehenpause. Ich werde gleich auf allen Vieren eine Wehe in der Einfahrt veratmen." Doch es kommt noch besser.
Die Rettungssanitäter scheinen zunächst mäßig begeistert von ihrem Einsatz: Erstgebärende, 2 1/2h Wehen, so dringend wird es wohl nicht sein. Einer spricht mit meinem Mann, der andere stützt mich auf dem Weg zum Krankenwagen."Hatten Sie schon Fruchtwasser Abgang?" "Nein, ich glaube nicht." Ein Schritt später "Doch jetzt gerade." Mitten in der Einfahrt platzt mir filmreif die Fruchtblase und ich bin erstaunt, wie viel Fruchtwasser das ist.
Im Krankenwagen angekommen, haben sich die Wehen verändert. Mit jeder Wehe kommt noch etwas Fruchtwasser mit und ich habe das Gefühl mitpressen zu müssen. Auf der Liege kann ich sie auch nicht mehr so gut veratmen. Der Sanitäter hinten im Wagen bemerkt das und ruft dem Fahrer zu "Wehenabstände 2 min" Er erklärt mir, dass sie letztens erst eine Geburt im Krankenwagen hatten, aber der Weg zum Krankenhaus nur 5 min dauert und es besser wäre, wenn wir es bis dahin noch schaffen. Mein Mann durfte zum Glück trotz Corona im Krankenwagen mitfahren, sodass er die ganze Zeit bei mir war.
Im Krankenhaus angekommen, ging es direkt in den Kreißsaal, wo wir von einer sehr netten und kompetenten Hebamme und einer Ärztin empfangen wurden. Die Hebamme untersuchte mich sofort und dann kamen die Worte, mit denen ich trotz aller Anzeichen nicht gerechnet hatte (denn die erste Geburt dauert ja 8-12h) "Vollständig geöffnet, sie dürfen mitpressen. Ich kann schon das Köpfchen sehen." In dem Moment war mir auch klar, dass wir für Schmerzmittel eindeutig zu spät sind und ich da jetzt so durch muss. Von der Hebamme motiviert vergingen einige Presswehen und mein Mann glaubte zu diesem Zeitpunkt noch, die Hebamme wollte mir nur Mut zu sprechen und das "es ist gleich geschafft" wäre nur eine Floskel.
Dann kam die Geburt kurz ins Stocken, ich wusste nicht, wie ich richtig mitpressen sollte und wollte lieber auf die Knie gehen, statt auf dem Rücken zu liegen. Das war aber doch nicht gut und ich drehte mich wieder auf den Rücken. Die Hebamme fragte, ob ich das Köpfchen mal anfassen möchte. Das tat ich, es fühlte sich aber ziemlich surreal an. Die Wehen wurden etwas schwächer und kürzer und die Hebamme fragte, ob sie einen Wehentropf anhängen und ggf. einen Dammschnitt machen dürfen. Ich bejahte beides, denn ich war doch etwas verzweifelt und wollte, dass es vorbei ist. Mir schoss sogar kurz der Gedanke an einen Kaiserschnitt in den Kopf, den ich im voraus eigentlich um jeden Preis verhindern wollte und ich teilte der Hebamme nach einer wiedermals erfolglosen Presswehe mit:"Das passt nicht!" Sie redete mir weiter gut zu, während die Ärztin versuchte mir einen Zugang zu legen. Das gelang ihr allerdings erst im zweiten Versuch. Gleichzeitig erklärte mir die Hebamme, dass ich den Druck nicht durch Stöhnen durch den Mund raus lassen soll, sondern den Mund geschlossen halten soll beim Pressen. Genau das war die Anweisung, die ich brauchte. So konnte ich viel effektiver mit den Wehen mitarbeiten und zwei Presswehen und einen Dammschnitt später war das Köpfchen geboren, bevor der Wehentropf überhaupt wirken konnte. Der Rest des Körpers kam mit der nächsten Wehe.
Um genau 6:00 Uhr und nach nur einer 3/4h im Kreißsaal war unser kleiner Sonnenschein auf der Welt. Die Hebamme legte mir ihn mit den Worten "Na wen haben wir denn da?" auf die Brust und so waren meine ersten Worte nach der Geburt "Keine Ahnung". Wir hatten uns nämlich noch nicht auf einen Namen geeinigt und weil ich so fest davon ausging, über Termin zu gehen, hätten wir ja auch noch ein paar Tage Zeit gehabt. Das waren übrigens die ersten Gedanken meines Mannes, als er in dieser Nacht wach wurde "Mist, wir haben noch keinen Namen" Aber wir konnten uns dann doch schnell für einen von beiden Favoriten entscheiden.
Auch die Plazenta kam ohne Komplikationen und mein Mann begutachtete sie interessiert mit Erklärungen der Hebamme. Außerdem durchtrennte er die Nabelschnur, nachdem sie auspulsiert war, eine Aufgabe, um die ich ihn nicht beneide. Das anschließende Nähen empfand ich als sehr unangenehm, was zum einen wohl daran lag, dass die Ärztin recht schnell anfing, wo die Betäubung noch nicht wirkte und zum anderen auch an ihrem Können (wurde mir zu Hause von meiner Hebamme bestätigt, dass die Naht nicht besonders toll sei und Knoten an unmöglichen Stellen gemacht wurden)
Wir durften insgesamt 2h gemeinsam im Kreißsaal verbringen, diese Zeit brauchten wir beide, um zu realisieren, dass unser Baby jetzt tatsächlich da ist und es viel früher und schneller ging als wir es gedacht hatten. Das erste Anlegen klappte gut, die aufgehende Sonne tauchte den Kreißsaal in ein warmes goldenes Licht und die Hormone durchfluteten meinen Körper auf eine Weise, die man sonst nur chemisch induziert erlebt.
Alles in allem war es für mich eine sehr schöne Geburt und über einiges kann ich noch heute schmunzel. Natürlich hatte ich auch ordentliche Schmerzen, aber da es nicht so lange dauerte, war es für mich auszuhalten und die Frage meiner Zimmernachbarin, ob ich mir eine zweite Geburt vorstellen kann, konnte ich ganz klar mit "ja" beantworten. Aber die Frage, ob der schnelle und unkomplizierte Verlauf nun an den vielen Sprints die Treppe runter, dem Hüfte kreisen, dem entspannten Kiefer, meiner Einstellung oder einfach mit Glück zusammen hing, wird wohl für immer unbeantwortet bleiben.
Positive 1. Geburt
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So ein schöner Bericht! Alles Gute dir und deiner Familie!
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Dankeschön 🥰
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So schön geschrieben! Danke für das Teilen deines Geburtsberichts und alles Gute für Euch