Kaiserschnitt nach Blasensprung in SSW 32

Ich hoffe, das Aufschreiben hilft etwas, das Geschehen zu verarbeiten.

Wir befinden uns in der 32. Schwangerschaftswoche, quasi auf der Zielgeraden zum Mutterschutz. Auf der Arbeit ist soweit schon alles dafür vorbereitet, diverse Projekte wurden an die Kollegen übergeben. Nach der Mittagspause merke ich plötzlich, es läuft! Sofort ist mir klar: Das ist kein Urin, das fühlt sich nicht nach Blasenentleerung an! Als ich schnellen Schrittes die Toilette erreiche, ist meine Hose bereits durchweicht, es plätschert fröhlich weiter in die Schüssel. Mein Telefon klingelt, eine Kollegin verlangt nach mir und ich erläutere kurz meine Situation.
Zum Glück arbeite in einem Krankenhaus, die Kolleginnen schalten schnell, besorgen eine neue Hose, Inkontinenzunterlagen, einen Rollstuhl und ab geht's Richtung Kreissaal.

Mit Blick auf meine schon wieder völlig durchweichte Hose kommentiert die zuständige Ärztin: "Ich glaube den Test auf Fruchtwasser können wir uns sparen." Zum Glück bestätigt der Ultraschall, dass das Kind in Schädellage liegt, das CTG zeigt keine Wehen, Herztöne sind ok, auch wenn Mister Baby sich höchst unkooperativ zeigt. Mir wird die Option gegeben zu bleiben oder mich in ein wohnortnäheres KH bringen zu lassen. Zunächst erleichtert wähle ich die letzte Option, informiere meinen Mann und engagiere meine Schwiegermutter als Fahrdienst.

Im nächsten Kreißsaal angekommen, wird doch noch ein Test auf Fruchtwasser gemacht, der natürlich knallpositiv ist. Glücklicherweise habe ich genug Flüssigkeit hierfür im Angebot. Nach einer kurzen Eingangsuntersuchung, die nochmal bestätigt, dass genug Fruchtwasser vorhanden ist und es dem Baby gut geht, beziehe ich mein Zimmer.

Zügig kommt eine Hebamme, mir wird ein Zugang gelegt, Aufklärung, dann laufen auch schon Antibiose und Wehenhemmer und ich habe die erste Lungenreifespritze im Gesäßmuskel stecken. Die brennt wie Hölle. Pure Vorfreude darauf, das in 24h zu wiederholen. Natürlich gibt’s auch wieder CTG. Eigentlich sollte das eine halbe Stunde dauern, aber dank Mister Babys unkooperativen Verhalten dauert es länger. Mein Mann besorgt mir währenddessen etwas zu futtern. Mittlerweile ist es Abend.

Die erste Nach im Kreißsaal verläuft unruhig. Die zuständige Nachtdiensthebamme stellt sich nach dem Schichtwechsel um 22:30 vor und es werden nochmal Vitalzeichen gemessen. Um 6:30 morgens dasselbe mit dem Frühdienst. Dazwischen wird eine neue Dosis Antibiotikum angehängt sowie eine neue Flasche des Wehenhemmers, natürlich nicht zur selben Zeit. Zwischendrin piepst die Infusionspumpe, weil ich meinen Arm ungünstig abgeknickt habe und die Infusion nicht laufen kann.

Der Tag verläuft unspektakulär. Essen, Besuch, immer wieder ans CTG, keine Wehentätigkeiten, Herzschlag des Babys ist ok, dafür ist mein Ruhepuls dank Wehenhemmer bei 110. Ich fühle mich gut, bin allerdings wenig begeistert ob der Aussicht, die nächsten Wochen definitiv stationär verbringen zu müssen. Es ist Mitte September und gerade beginnen die ersten herbstlichen Tage. Der Herbst ist meine Lieblingsjahreszeit. Außerdem fühle ich mich um die schöne Zeit zuhause im Mutterschutz betrogen, auf die ich mich echt gefreut habe.

Die Hebammen merken, dass es mir nicht so gut geht. Immer wieder wird mir versichert, dass ich die 30 Wochen schon geschafft habe und, selbst wenn das Baby jetzt kommt, es sehr gute Aussichten hat, ohne Folgeschäden davonzukommen. Doch es ist nicht primär die Sorge um mein Kind, die mich traurig stimmt, sondern die Trauer um die verlorene Zeit zu zweit zuhause. Ich sage nichts, weil ich mich dafür schäme, mir so wenig Gedanken um mein Kind zu machen und mir primär selbst leidzutun.

Am Abend folgt die zweite Lugenreifespritze. Welch Freude. Dagegen ist die Spritze zur Thromboseprophylaxe gar nicht so schlimm. Die zweite Nacht ist so wenig ruhig wie die erste. Ich freue mich, dass der Mittwoch der letzte Tag am Tropf sein wird und ich die Nacht darauf endlich richtig schlafen kann. Die Ärztin erklärt mir, dass ich abends, sobald der Wehenhemmer abgesetzt wird, aus dem Kreissaal auf Station kommen werde. Ein bisschen freue ich mich darauf. Ein Einzelzimmer ist zwar ganz schön, aber auch etwas einsam. Außerdem habe ich das Bedürfnis, mal wieder zu duschen und im Kreißsaal gibt es keine.

Abends ist mein Mann da und ich freue mich, dass ich endlich nicht mehr an den Infusionsständer gekettet bin. Die Hebamme kommt und kündigt an, dass noch ein letztes CTG geschrieben werden müsse, dann würde ich auf Station kommen. Ich seufze innerlich, weil ich jetzt schon weiß, dass aus den 30 min CTG schreiben wieder 1,5h werden werden. Ich sage meinem Mann, dass er heimgehen kann, das hier wird dauern. Er geht und wie erwartet, dauert das CTG wieder ewig, weil Mister Baby immer wieder in die Untiefen der Gebärmutter abtaucht, um sich vor dem Ultraschallkopf zu verstecken. Die diensthabende Ärztin kommt und erklärt mir ruhig, dass ich mir keine Sorgen machen soll, aber sie mich mit dem CTG nicht guten Gewissens auf Station schicken kann. Die Herztöne an sich seien zwar gut, aber die Varianz so gerade an der Grenze des Tolerierbaren. Ob ich mir vorstellen kann, noch eine Nacht im Kreißsaal zu schlafen. Ich bejahe, die blöden Infusionen sind ja ab, und bedauere kurz lautstark, dass ich echt gern duschen gegangen wäre. Die Hebamme verspricht mir, mich nach dem nächsten CTG in die Wanne zu setzen. Darauf freue ich mich und der Gedanke daran hält mich komischerweise aufrecht.

Ich sage mir „nur noch ein CTG, dann schön in die Wanne und dann darf ich schlafen.“ Das CTG ist ein besonderes CTG mit einer Software, die die Varianzen des kindlichen Herzschlags aufzeichnet. Die Hebamme erklärt mir, dass ein Programm abläuft und das Gerät grün blinkt, wenn das CTG fertig ist. Immer wieder verliert das Gerät die Herztöne des Babys und es muss von vorne angefangen werden. Ich schiele auf die Uhr. Um 22:30 ist Schichtwechsel, dann ist die nette Hebamme weg und dann war’s das mit der Wanne. Außerdem bin ich total müde, die Liege ist mega unbequem und mir ist kalt. Und ich bin fertig mit den Nerven. Wie von selbst fängt mein Körper an zu zittern und zu weinen. Das Gerät wird einfach nicht fertig. Die Hebamme tröstet mich, deckt mich zu, aber kann mich leider nicht erlösen. Das CTG schreibt und schreibt und schreibt. Der Schichtwechsel kommt und geht. Gegen Mitternacht kommt eine Ärztin. Sie macht schonmal vorsichtshalber die Aufklärung für den Kaiserschnitt. Es ist wohl nur noch die Frage, ob bis zum Morgen gewartet werden kann oder der Kaiserschnitt noch in der Nacht erfolgen muss. Am Morgen könnte eine PDA für den Kaiserschnitt gelegt werden, in der Nacht müsste er aber unter Vollnarkose stattfinden, da dank der Thrombosespritzen das Blutungsrisiko beim Legen einer PDA zu groß wäre.

Ich nicke alles ab und unterschreibe die Aufklärung. Innerlich denke ich mir, dass so ne Vollnarkose eigentlich ganz nett wäre, dann würde ich immerhin nichts mehr mitbekommen. Mir ist inzwischen fast alles egal, ich will nur, dass es irgendwie vorbei ist.

Die Hebamme hat noch ein letztes Ass im Ärmel, um das Baby ein bisschen zu animieren. Sie schließt mich an eine Kochsalzlösung auf Kühlschranktemperatur an. Die kalte Flüssigkeit rinnt durch meine Venen und mir wird noch kälter. Aber das Baby scheint ähnlich apathisch wie ich. Um kurz vor 3 Uhr morgens kommt die Hebamme mit dem OP-Kittel und schnallt mich endlich vom CTG los. Der Chefarzt hat wohl letztendlich entschieden, nicht weiter zu warten. Das Kind muss jetzt raus. Wie in Trance laufe ich zurück in mein Zimmer. Während die Hebamme mir einen neuen Zugang in den Handrücken legt, rufe ich meinen Mann an und bitte ihn, in die Klinik zu kommen, aber vorsichtig zu fahren. Die Anästhesistin kommt und macht die Aufklärung für die Vollnarkose. Eine PDA, bestätigt sie, ist wegen des Blutungsrisikos nicht möglich. Das bedeutet auch, dass mein Mann, der inzwischen eingetroffen ist, nicht mit in den OP darf. Mühsam unterschreibe ich die Aufklärung. Mit Zugang im Handrücken ist das gar nicht so einfach. Währenddessen spritzt mir die Hebamme hochdosiertes Magnesium zur Neuroprotektion. Davon wird mein Gesicht ganz heiß und besonders gut für meinen ohnehin angeschlagenen Kreislauf ist das auch nicht.

Ich verabschiede mich von meinem Mann und werde Richtung OP gefahren. Umlagern kann ich mich noch selbst, dann wird mir der OP-Kittel ausgezogen und ich bekomme eine warme Decke über den Körper. Die ist echt schön. Im OP-Saal ist es gleißend hell. Ich halte konsequent die Augen geschlossen, ich will nichts sehen und sehne den Moment herbei, in dem die Narkose wirkt. Die Anästhesistin sitzt neben mir und gibt mir eine Maske mit Sauerstoff. Sie erklärt, dass ich tief einatmen soll, damit das Baby und ich einen Sauerstoffvorsprung haben für den kurzen Moment, bis ich intubiert bin. Sie leitet mich sanft an, tiefe Atemzüge zu nehmen. Das gestaltet sich etwas schwierig, weil ich beginne, zu hyperventilieren, aber ich tue mein bestes und die Ärztin ist zufrieden. Ich spüre, wie der Operationsbereich desinfiziert wird. Das Mittel brennt leicht, als es mir in den Intimbereich läuft.

„Es kann gleich leicht in der Hand brennen, aber dann sind sie auch schon weg“, höre ich die Anästhesistin sagen, doch das Brennen merke ich nicht mehr.

Als ich wieder aufwache, erkundige ich mich nach meinem Baby. Aber mehr, weil ich sicher bin, dass das von mir erwartet wird. Es wird noch ein paar Tage dauern, bis ich tatsächlich realisiere, dass das kleine Menschlein, das ich am Nachmittag das erste Mal kurz sehe, tatsächlich mein Kind ist. Und es wird Wochen dauern, bis ich keine Angst mehr habe, im Umgang mit ihm, etwas falsch zu machen. Sechs elend lange Wochen wird es dauern, bis er endlich nachhause kommen darf.

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Liebe Hasenbeere, danke, dass Du diesen sehr offenen Bericht geteilt hast. Hoffentlich hat Dir das Aufschreiben gezeigt, dass Du eine sehr starke Person bist, die einerseits vieles aushalten, aber andererseits vor allem selbst viel schaffen kann! Ich wünsche euch nun vieeeel mehr schöne als sorgenvolle Stunden miteinander ♡

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Danke dir!
Muckelchen ist seit Ende Oktober zuhause und wir sind mittlerweile ein tolles Team. Er ist ein sehr entspanntes, meist zufriedenes Baby, von daher glaube ich nicht, dass er iwas davon mitgenommen hat.

Es war anfangs nur zu viel. Er kam viel zu früh, es gab nie Anzeichen für ein Frühgeburtsrisiko, dann die Entbindung in Vollnarkose, Kind erstmal weg und in Obhut der Kinderintensiv, körperlich ging es mir miserabel... dass da nicht sofort die krassesten Muttergefühle aufkommen, finde ich mittlerweile ganz verständlich. Zumal er recht klein und schmal war und ich ihn im Bauch auch nur selten gespürt habe.