Liebe Urbianer,
Unsere Tochter Pauline ist gerade 5 Jahre alt geworden. Seit ihrer Geburt "hinkt" sie in ihrer sprachlichen, motorischen und geistigen Entwicklung hinterher. Sie ist jetzt ungefähr auf dem Stand einer 3 1/2 bis 4-jährigen. Ein IQ-Test im SPZ hat einen Wert von 80 ergeben, wobei einige Werte bei 66, andere bei 98 lagen, also zum Teil sehr auseinander gingen.
Wir wohnen in Brandenburg und soweit ich weiß, sind bzw. werden alle Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernbehinderung (dazu würde sie wohl gehören) zugunsten der Inklusion abgeschafft.
Wie sind eure Erfahrungen mit Inklusion?
Ich habe Angst, dass sie dann - wie auch schon im jetztigen Kindergarten - ein Außenseiter sein wird. Nach dem Motto: "Die Dumme bekommt wieder Extra-Unterricht."
Inwieweit ist ein solches IQ-Ergebnis mit 4 bzw. 5 Jahren repräsentativ für ihre Zukunft? Unsere anderen beiden Kinder sind normal geistig entwickelt, der ältere hat sogar eine Klasse übersprungen. Einen konkreten Grund für Paulines Probleme konnte auch das SPZ nicht finden.
Danke für eure Hilfe,
Bluetenstamm
Inklusion mit Lernbehinderung
Hallo,
wieso schickt ihr das arme Kind in so einen ignoranten Kindergarten? Mein Sohn hat wahrscheinlich eine mittelgradige geistige Behinderung. Sein EQ liegt noch unter 50, sein IQ wurde noch nie getestet. Er ist jetzt 5 Jahre und 7 Monate - sein kognitives Alter entspricht dem eines 2 Jahre und 4 Monate altem Kindes. Er geht als I-Kind in einen Regelkindergarten. Er hat eine 1:1 Betreuung - anders würde das nicht funktionieren. Aber er liebt seinen Kindergarten und die Kinder und Erzieher dort akzeptieren und respektieren ihn. Er wird in alle Aktivitäten der Gruppe mit eingebunden. Solche Aussagen wären für die Erzieher dort direkt ein Kündigungsgrund und für Eltern ein Grund, dass das jeweilige Kind die Gruppe wechselt. Falls ein Kind so etwas sagt, wäre zumindest ein ernstes Gespräch an der Tagesordnung.
Wenn sie kognitiv 3,5-4 Jahre alt ist, dann ist sie doch im normalen Kigaalter. Die jüngeren Kinder haben auch kein höheres Wissen. Ich verstehe nicht, wie jemand so etwas sagen kann.
Mein Ältester ist auch schwerbehindert. Allerdings keine geistige Behinderung. Er geht in eine inklusive Schule (mein Jüngster wird nächstes Jahr dort auch eingeschult). Das klappt dort ganz gut. Es sind 22 Kinder (davon 2 I-Kinder) in einer Klasse, 1 Grundschullehrerin, 1 Förderschullehrerin (dauerhaft außer im Musikunterricht), 1 I-Kraft. Es gibt zahlreiche AG's und letztendlich ist es auch ein bißchen in Richtung Waldorf. Allerdings eine staatliche Schule. Er geht gern dorthin. Mein ältester Sohn hatte übrigens auch einen IQ-Test mit 4 Jahren - bei ihm kam ein IQ von 100 heraus. Mir wurde damals gesagt, ein Kind kann keinen IQ-Test fälschen. Es gibt ein falsch-negatives Ergebnis (fehlende Mitarbeit), aber kein falsch-positives Ergebnis.
Hallo kati543,
Vielen Dank für deine Antwort. Nein, keine Erzieherin oder Kind haben das Pauline schon einmal konkret ins Gesicht gesagt! Aber Kinder können brutal sein! Meine Angst ist einfach, dass Pauline das einzige I-Kind auf der Regelschule ist und damit zum Außenseiter wird. Schön finde ich es - wie bei dir - wenn mindestens noch ein I-Kind in der Klasse ist. Wie integriert sind denn bei euch die beiden I-Kinder in der Klasse? Wie sehr fällt es den anderen Kindern überhaupt auf, dass sie "Sonderunterricht" bekommen?
Ich bin mir nicht sicher, ob nicht die Sonderschulen mit Schwerpunkt Lernbehinderung nicht das Bessere für die Kinder waren. Dort sind wohl acht Kinder in einer Klasse, alle haben ähnliche Probleme und können sich so auch gut miteinander messen und müssen keine Angst haben, wenn sie nicht so gut sind wie die anderen.
Ist Inklusion nicht eine tolle Idee, die aber eigentlich am Wohle des Kindes vorbeigeht?
Hallo,
"Wie integriert sind denn bei euch die beiden I-Kinder in der Klasse?"
Na sie sind eben 2 Schüler von 22. Da gibt es keine Unterschiede. Dafür gibt es genügend geschultes Personal in der Schule, die von vornherein versucht haben (schon vor den ersten Schultag der Kinder), alle Kinder in diese Schule zu integrieren. Es gibt bei uns auf der Schule sehr harte, klare Regeln. Eine davon ist z.B. dass es keine Gewalt gibt. Bei irgendeiner Art von Gewalt, werden die Eltern sofort aufgefordert das Kind abzuholen (es gibt keine Gewalt ). Dass die Kleinen diese Regeln erstmal lernen, dazu bekommen sie einen "Paten" aus der 3. Klasse. Dieser Pate musste ihnen einen Brief schreiben (noch vor der Einschulung) und sie eben Willkommen heißen und sich vorstellen. Er hat sie dann auf dem Schulhof abgeholt und in die Klasse gebracht. Zur Erkennung trug er ein Schild mit dem Klassenmaskottchen und dem Namen des Kindes.
Natürlich war der Schule von vornherein klar, welches Kind welche Besonderheiten hat. Es gab ja Kennlerntage. Bei I-Kindern wurde das sowieso nochmal extra von den Eltern angegeben und umfangreiche Arztberichte liegen in der Schulmappe. Das wird natürlich bei der "Vergabe" der Paten berücksichtigt. Also die I-Kinder bekommen Paten, die auch mit den I-Kindern zurecht kommen können. Eben je nach Behinderung.
Und wenn es harte, klare Regeln gibt, an die sich alle halten, dann kann man auch den Kindern weitgehende Rechte gewähren und sie viel selbst entscheiden lassen (innerhalb der Pause z.B.). Bei uns werden nicht nur behinderte Menschen inkludiert, sondern auch Menschen mit Migrationshintergrund oder auch hochbegabte Kinder, genauso wie Kinder mit einem schwierigen familiären Hintergrund. Eigentlich hat fast jedes Kind irgendein "Problem". Bei 22 Kindern: 2 behinderte Kinder, 14 mit Migrationshintergrund, 3 "Schlüsselkinder".
"Wie sehr fällt es den anderen Kindern überhaupt auf, dass sie "Sonderunterricht" bekommen?"
Garnicht. Jedes Kind bekommt bei uns individuellen Unterricht. Es gibt im Grunde kein gemeinsames Arbeiten in der Klasse und schon garkein "Abschreiben von der Tafel" oder sowas. Alle Kinder (bis auf eines) wird nach Regellehrplan unterrichtet, aber alle mit ihrer eigenen Geschwindigkeit.
"Ich bin mir nicht sicher, ob nicht die Sonderschulen mit Schwerpunkt Lernbehinderung nicht das Bessere für die Kinder waren. Dort sind wohl acht Kinder in einer Klasse, alle haben ähnliche Probleme und können sich so auch gut miteinander messen und müssen keine Angst haben, wenn sie nicht so gut sind wie die anderen."
Das habe ich auch einmal gedacht. Mein Ex war der große Verfechter der Inklusion bei uns. Letztendlich habe ich ihm hier zugestimmt. Mein Sohn war erst auf einer Sonderschule (Sprachheil), aber die Fahrtzeit...furchtbar. Jetzt ist es viel besser. Und außerdem ist es immer unser "Ziel" gewesen, ihn darauf zu trainieren, dass er auch in einer Menschenmenge das wichtigste herausfiltern kann. In der Sprachheil hatte er diesbezüglich nie Probleme (klar bei 6 Schülern). Jetzt bei 22 Schülern "schwimmt" er manchmal ganz ordentlich, aber er kommt mit. Entweder er schafft das jetzt mit Hilfe, oder er wird es in der Zukunft auch bloß nicht schaffen. Bei ihm geht es letztendlich noch darum, ob er eine "normale" Ausbildung machen kann, oder nur irgend etwas was eben für behinderte Menschen gefördert wird. Deswegen haben wir uns entschieden, ihn jetzt "ins kalte Wasser zu werfen". Entweder er schafft es, oder er geht zurück zur Sprachheil und dann eben eine Förderschule weiter.
Ich denke, die bessere Förderung findet ein Kind in einer guten (!) inklusiven Schule. In einer guten (!) Förderschule wird es letztendlich nur "betreut". Es hat eben immer diesen "Stempel": Naja, er/sie kann es ja auch einfach nicht. Lassen wir ihm einfach noch ein Jahr Zeit. - Es gibt kaum fördern durch fordern. Kindliche Vorbilder gibt es auch nicht, von denen die Kinder lernen können. Der Vorteil ist einzig und allein, dass ein Kind dort auch seine Therapien bekommt - das ist aber schlecht für die Pflegestufe und es gibt leider NULL Kommunikation zwischen dem Therapeuten und dem Elternhaus. So macht eine Therapie keinen Sinn. Das Problem ist einfach, dass man die guten inklusiven Schulen wahrscheinlich an einer Hand abzählen kann...deutschlandweit. Der Rest betreibt Schindluder und da ist die Förderschule wirklich besser.
Hallo Bluetenstamm,
besorge dir mal das Buch "Kinderjahre" von Remo Lago. Dann wirst Du feststellen, dass sich dein Kind ganz normal entwickelt und das ganze Gequatsche Blödsinn ist. Jedes Kind entwickelt sich individuell und Entwicklungsunterschiede von mehreren Jahren sind vollkommen normal und nicht krank.
Ich finde die Abschaffung der Schule für Lernbehinderung absolut sinnvoll. Diese Schulen gab es bisher übrigens nur in Deutschland, Europaweit gibt es keine besondere Schulen für diese Kinder, da diese in anderen Ländern nur als "Langsamlerner" und nicht als "Lernbehinderte" eingestuft werden. Das war eine unglaubliche Benachteiligung unserer Kinder, wenn man das mit dem Schulsystem der anderen Eu-Ländern vergleicht.
Die IQ Tests sehen viele Menschen sehr zwispältig. Es gibt viele Erfahrungsberichte von Eltern, deren Kinder alles waren von hochbegabt bis dumm (kannst du im Internet mal recherchieren. Darauf würde ich nicht soviel geben.
Wir haben selbst zwei IQ Tests machen lassen. Beim 1. war unser Sohn so unterdurchschnittlich, dass er stark behindert sein müsste. Beim 2. war er nur "lernbehindert". Dafür, dass er so dumm ist, kommt er allerding gut in der Schule mit. Nach Aussage des Psychologen dürfte er den Anschluss gar nicht bekommen bzw. halten. Das Gegenteil ist der Fall, er wird immer besser trotz LRS.
Lass Dich nicht verrückt machen. Ich würde mein Kind an deiner Stelle normal einschulen und dann abwarten wie es sich entwickelt. Eventuell kannst Du deine Tochter auch ein Jahr später einschulen.
LG
Carola
Huhu,
Mein Großer hatte auch so einen IQ-Test bei dem kam 72 raus, da war er 3,5 Jahre alt. Wir haben dem Test nie Glauben geschenkt.
Von seiner Entwicklungs- und Sprachverzögerung merkt man je nachdem noch etwas, aber er geht als normales Kind in eine Regelschule ohne Sonderrechte und es funktioniert gut. Er hat seine Stärken und Schwächen, wie jedes andere Kind auch.
Wieso er das hat wissen wir bis heute nicht, wir haben alles durchlaufen KinderKh, SPZ, MRT, EEG, CT, Humangenetik, Endokrinologin usw.
Bei uns hat viel der Kindergarten geholfen und dazu dann Logopädie und Ergotherapie und Krankengymnastik. Wir merken immer wieder in verschiedenen Bereichen, dass er ein Jahr länger als andere Kinder in seinen Alter braucht. Das ist von Kita zur Schule so gewesen und jetzt auch beim Sportverein wurde er ein Jahr zurückgestellt und man merkt dann wie ihm dieses Extrajahr gut tut.
Lg
Hi,
ich arbeite als FöL an einer Schwerpunktschule und die I-Kinder sind bei uns sehr gut integriert. Wir haben aber auch 2-4 in jeder Klasse. Ein Mädchen mit Down-Syndrom wurde unlängst zur stellvertretenden Klassensprecherin gewählt .
Es hängt auf jeden Fall sehr stark mit der Einrichtung zusammen, wie Integration oder Inklusion klappen.
Die Kinder wachsen bei uns von Anfang an damit auf, dass eben jeder verschieden ist und jeder aber auch irgendetwas besonders gut kann.
"Dumme", die Extraunterricht brauchen, gibt es nicht. Jedes Kind hat sogesehen in manchen Bereichen Extraunterricht, sei es Förderung in bestimmten Bereichen oder auch besondere Forderung der Stärkeren.
LG juju
Mein Sohn besucht in der 6. Klasse eine ganz normale Hauptschule. Er ist dort das einzige Kind mit dem Förderschwerpunkt Lernen.
Seine Tests sahen immer ähnlich aus, wie bei deinem Kind. In Teilbereichen ganz normal, in anderen schon im Bereich geistiger Behinderung. Seine Auffälligkeiten ziehen sich halt schon von Baby an wie ein roter Faden durchs Leben.
Er ist in seiner Klasse gut integriert. Es gibt ja eben auch Bereiche, in denen er nicht schlecht ist. Damit kann er kompensieren.
Allein schon die Tatsache, dass er sehr sportlich ist, hat ihm die Anerkennung seiner Mitschüler gebracht.
In der Grundschule war es sein praktisches Wissen. Wir haben ihn als Familie immer sehr viel "erleben" lassen, aus dem er zehren konnte und von dem er dann was im Unterricht zu bestimmten Themen beitragen lassen konnte. Er war auch in der Grundschule gut integriert und sehr beliebt bei den Mitschülern.
Auch aus dem Kindergarten kenne ich das Problem nicht, dass er in der Aussenseiterrolle gewesen wäre.
Er hat einen ganz normalen Kindergarten besucht (nicht integrativ). Einmal in der Woche kam die Frühförderung in den Kiga und hat ihn mit raus genommen (da waren aber auch noch andere dabei, die auch gefördert worden) und einmal in der Woche kam er halt später, weil wir zur Frühförderung gefahren sind. Die Kinder hat das doch überhaupt nicht interessiert.
Das ist wahrscheinlich ein sehr guter Ansatz: Die Stärken des Kindes in den Mittelpunkt stellen! Damit erlebt auch das Selbstbewusstein einen Auftrieb. Leider mangelt es nämlich gerade bei unserer Tochter daran. Sportlich ist sie leider auch nicht besonders gut. Aber sie hat eine sehr soziale Ader und liebt es, sich um andere zu kümmern.