Erfahrung mit ADHS + Medikinet und Tourette

Hallo liebe Eltern,
ich hätte mal eine Frage. Seit 8 Monaten bin ich mit meinem Sohn in eriner Uniklinik in Behandlung.
Sehr früh habe ich gemerkt, dass er irgendwie anders ist. Aber damals haben die Ärzte nur gesagt, er sei "verzogen". Letztes Jahr wurde dann sichtbar dass er etwas hat. Angefangen hat es mit motorischen Tics. Dann vokale Tics. Erst jetzt hat uns jemand ernst genommen und in die Uni geschickt. Er ist seit Geburt ein sehr schwieriges Kind. Hatte resp. Affektkrämpfe, hat nie gehört, lässt sich nicht bestrafen, hatte keine Freunde und wurde in Vereinen nicht akzeptiert. Er ist sehr unruhig, kann nicht still sitzen zappelt rum und kann sich nicht konzentrieren.

Diagnose lautet: Tourette Syndrom und ADHS
Autismus ist ausgeschlossen.

Therapiert wurde mit Neuroleptika für das Tourette die nicht angeschlagen haben.
Neurofeedback haben wir auch gemacht. Auch Ergo und Verhaltenstherapie. Alles umsonst.
Jetzt sollten wir mit Medikinet 10 mg retrad anfangen. Ich merke jedoch keinen Unterschied ob er es nimmt oder nicht.
Er soll dieses jahr eingeschult werden und ich befürchte fast dass das eine kleine Katastrophe wird.

Hat jemand eEfahrung mit dem Medikinet oder hat vielleicht ein ähnliches Problem?
Wäre wirklich froh für Hilfe da mittlerweile die komplette Familie sehr leidet. Es kostet sehr viel Kraft und Nerven.

Lieben Dank fürs Lesen :-)

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Hallo,
ich weiß nicht, was du von diesen Medikamenten erwartest. Dein Sohn hat 2 verschiedene Diagnosen...vielleicht auch noch mehr, was einfach bisher nicht gefunden wurde. Tourette ist nicht heilbar und auch nicht mit Medikamenten behandelbar. Es gibt ein einziges in Deutschland zugelassenes Medikament für das Tourette Syndrom. Dies hat aber dermaßen viele Nebenwirkungen, dass es in der Realität nicht verordnet wird - es nennt sich Haloperidol. Aus dem Grund werden andere Neuroleptika verordnet - nur ist dort nie eindeutig geprüft wurden, ob das überhaupt hilft.
ADHS ist bei euch sicher das "kleinere Übel". Dagegen gibt es aber Medikamente - beispielsweise eben das euch verordnete Medikinet. Natürlich hilft das auch nicht bei jedem Kind. Außerdem haben alle Medikamente Nebenwirkungen.
Also eine Besserung tritt vielleicht ein durch Medikinet - aber eben definitiv nicht bei Tourette.

Wenn er dieses Jahr eingeschult werden soll...habt ihr euch schon mal nach einer geeigneten Schule umgesehen und mit dieser Schule gesprochen? Sowas braucht in Deutschland echt viel Bürokratie. Für meine Jungs habe ich 1,5 Jahre gebraucht. Da gehen pro Kind einige Gutachten und Tests voraus.

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Wie schwer ist dein Sohn?

Bei 10mg hättet ihr eine Wirkung spüren müssen nach der ersten Einnahme. Sollte es keine Wirkung gezeigt haben, könnt ihr es bleiben lassen, er springt darauf nicht an.

Bezüglich der Problematik mit Tourette kann ich dir leider nichts raten.

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Hallo!

Seit wann hat dein Sohn die Tics? In welchem Alter haben sie begonnen?
Du schreibst, du bist mit ihm seit 8 Monaten in der Uni-Klinik in Behandlung. Hat er die Tics erst seit 8 Monaten?
Es wundert mich, dass so schnell die Diagnose Tourette gestellt wurde. Denn eigentlich ist dein Sohn für diese Diagnose noch "zu jung". Tourette beginnt typisch mit 7-9 Jahren, anfangs zeigen sich motorische Tics, erst später kommen vokale Tics dazu. Erst wenn sich ein Jahr über ohne längere Pause mehrere motorische Tics und mindestens 1 vokaler Tic zeigen, spricht man vom Tourette-Syndrom. Alles andere ist unter "Tic-Störung" einzuordnen, die besonders bei ADHS-Kinder sehr häufig auftritt.

LG Sandra

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Mein Sohn hat ADHS ohne Tourette. Mit Tourette kenne ich mich auch nicht aus.

Aber das Medikinet, das du da nichts von merkst kann sein, wenn es zu wenig war.

10mg Retard heißt ja das 2x 5 mg frei gesetzt werden, einmal relativ schnell, das 2. mal dann nach ca 4 Stunden. Von 5mg merke ich bei meinem Sohn auch kaum einen Unterschied. Sprich mit dem einstellenden Arzt, entweder erhöhen oder anderes Präparat ausprobieren.
Wir haben aber mit normalem, nicht retardiertem Ritalin eingestellt und sind dann erst als die Dosis gefunden war auf Retard umgestiegen.

Jetzt, 8 Jahre und ca 25Kg, nimmt er Retard 30. Heißt 2x am Tag werden 15mg frei gesetzt. Bei Bedarf kann er nachmittags nochmal 5-10mg unretardiertes nach nehmen (komischerweise reichen dann oft 5mg von denen man morgens kaum merkt ob er sie genommen hat oder nicht). Das machen wir z.B wenn er zur Therapie geht. Sonst kommt davon nämlich nichts an. Oder wenn besondere Termine anstehen (man MUSS in die Messe zum Beispiel....ohne Medikament eine Art Höchststrafe für mein Kind, ruhig sein, wenig bewegen und dann noch dem Pastor zuhören den man hier eh kaum versteht. Aber manchmal geht es nunmal nicht anders)

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Hey!
Unser Sohn, 9 Jahre, ADHS. Wir haben erst bei 30mg Medikinet MR eine Wirkung gemerkt. Allerdings haben wir ziemliche Nebenwirkungen in Form von Schlafproblemen und Appetitmangel - auch noch nach 1 Jahr. Trotzdem, für ihn ist es so besser, er kann sich in der Schule konzentrieren und hat nicht mehr andauernd mit allen und jedem Streit.
LG

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Hallo!

Ich kenne ADS mit Tic-Störung ohne ADS-Behandlung und nicht greifender Behandlung der Tic-Störung und ADS ohne Tic-Störung mit ADS-Behandlung.
Trotzdem kann ich zu Tourette nicht viel sagen, es wundert mich, dass einem so jungen Kind diese Diagnose aufdrückt. mein 12-Jähriger hat sie bis jetzt nicht, tickt aber seit er 3 J ist, teilweise mit bis zu 4 einfachen motorischen Tics und 2 einfachen vokalen Tics gleichzeitig. Mit der Pubertät sind es nun dann doch nur 1 einfacher motorische Tic und zeitweise ein einfacher vokaler Tic geworden.

Normalerweise beginnt man nicht gleichzeitig die Behandlung beider Krankheiten mit Medis ... Üblicherweise gibt es eine dominante Grunderkrankung und im Schlepptau diverse Komorbiditäten (Kunst des Arztes das richtig zu diagnostizieren!) und man würde mit der Behandlung der Grunderkrankung anfangen. Vielleicht macht man es in begründeten Fällen aber auch anders rum um überhaupt die Grundkrankheit therapieren zu können.

Bei vorhandener Tic-Störung muss man vorsichtig sein mit der Medikation von ADS. Die üblichen Medis dafür (mit Wirkstoff MPH, in Ritalin, Medikinet - die gängigsten) können zu einer dauerhaften oder vorübergehenden Verstärkung der Tics führen, aber es gibt auch die Erkenntnis, dass die Tics auch zurückgehen, ausbleiben können (vermutl. wenn Tics als Komorbidität zu der Grunderkrankung ADS kämen - genaues weiß man nicht!)

Es gibt aber zur Behandlung von ADS durchaus noch mehr Medis, die anders wirken, aber eben erst als 2. Wahl genommen werden, wenn die MPH-Medis nicht als 1. Wahl für den Patienten zu sehen sind, bzw. nicht wirken. Nachteil dieser Medis ist, dass die Einstellung deutlich schwerer ist (da muss sich erst ein Spiegel bilden über Wochen bis man was merkt und es baut sich eben auch über Wochen ab das Medi) und das sie bei Weitem nicht so gut in der Wirkung und Handhabung bekannt sind, weil eben eher seltener genommen.

Zur Einstellung mit MPH wird üblicherweise so vorgegangen, dass man das unretardierte Präparat in einem individuellen kleinschrittigen "Programm" über Tage / Wochen bis zur Wirkdosis steigert. Diese Dosis hält 3 - 4 Stunden. Wenn man sagen kann, wie das so wirkt beim Kind (Wirkbeginn ab Einnahme, Wirkdauer, Wirklöcher, Rebound, etc.), nimmt man über Tage eine 2. Dosis, direkt anknüpfend oder leicht überlappend ab dem Ende der Wirkdauer der 1. Dosis so dass man irgendwann auf eine vernünftige Tagesdosis kommt. Dann erst wird das retardierte Präparat gewählt und genommen. Direkt auf das retadierte Präparat zu gehen scheint mir jetzt ungewöhnlich, aber vielleicht gibt es Gründe dafür ....
Dass man bei 10 mg nichts merkt kann durchaus an einer Unterdosierung liegen (höchstwahrscheinlich), eher unwahrscheinlich, dass das Kind nicht auf das Medi anspricht (20%-30% (?) - steht im Beipackzettel). Dass man bei gleichzeitigem Tourette /Tic-Störung die Dosis eher gering hält - nun ja, wenn es dann wirkungslos ist - muss man das ADS Medi ändern.

Zu den anderen Therapien: Verhaltenstherapie - seit wann macht Dein Sohn das ? In ein paar Wochen ist da mit keinem "Erfolg" zu rechnen. Was sind die Therapieziele? Belies Dich wie und was so eine Verhaltenstherapie ist und guck dem Therapeuten auf die Finger - ich weiß, dass viele alles kennen, aber leider wenig können.
Habt ihr schon ein Elterntraining gemacht? - Das ist auch wichtig und ihr kriegt für den Alltag viele Tipps. Was davon bei Euch umsetzbar ist, müsst ihr selber entscheiden.

Auch wenn das Kind medikamentös eingestellt wird, dann erwarte nicht ein Wunder von jetzt auf gleich, OK aber in 8 Monaten hätte man schon ein Silberstreif am Horizont erblicken sollen ...
Leider ist mein langjährige Erfahrung, dass sehr viele über ADS reden, aber die allerwenigsten haben auch tatsächlich Ahnung davon und man kann unheimlich viel Zeit verplempern, Zeit die Euch wegläuft, speziell Deinem Sohn - den Ratschlagerteilern!

Unterm Strich:
Tic-Behandlung spät medikamentös angefangen und erfolglos, wegen Unverträglichkeit der Medis.
ADS-Behandlung sehr schwierig in der Dosisfindung gewesen + Nebenwirkungen, jedoch dann sehr erfolgreich ohne Nebenwirkungen (noch nicht einmal die gängigsten).

LG, I.

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Es gibt in Deutschland den Interessenverband IVTS wo Du betreffend Informationen zum Tourette Syndrom sicher besser aufgehoben bist als hier.

https://www.iv-ts.de/

Ich wünschte, ich könnte helfen.

LG
Tomm