Asperger und/oder ADS?

Ich schreibe einfach mal meine Beobachtungen auf. Ich fühle mich im Moment so ausgebrannt. Mein Sohn (nächste Woche 6, ab September Schulkind) saugt mir dermassen die Kraft aus. Er war schon immer anders, auf eine undefinierbare und für andere nicht nachvollziehbare Art. Schon als Baby wusste ich nie welche Bedürfnisse er hatte. Man konnte ihn einfach nicht "lesen" und er schien nie zufrieden. Richtig bewusst wurde mir das erst als seine Schwester als"normales" Baby zur Welt kam. Das zog sich durch seine ganze Kleinkindzeit. Um die Geburt seiner Schwester herum brach er regelrecht zusammen. Ich war mit einem Neugeborenen und meinem speziellen Kleinkind zu dem Zeitpunkt überfordert. Im Kindergarten schrie Er nur noch. So kamen wir zu unserer Frühförderstelle. Seitdem hat er einmal wöchentlich Heilpädagogik und Ergotherapie. Mit viel Einsatz unsererseits, des Kindergartens und Der Leute von der Früförderstelle haben wir es geschafft, ihn in seiner Umgebung zu integrieren. Er hat gelernt mit Menschen, die er kennt, umzugehen. Ich habe das Gefühl, dass er vieles, das wir auf unterbewusster emotionaler Ebene verarbeiten kognitiv verarbeitet. Er kann menschliche Reaktionen und Gefühle nicht interpretieren. Das führt dazu, dass er in aufregenden Situationen unerwartet und für andere nicht nachvollziehbar reagiert. Er hat in sechs Jahren nicht ein einziges mal "ich hab dich lieb" gesagt oder sich von sich aus entschuldigt. Er kann es einfach nicht. Auch bitte und danke fällt ihm schwer. Er hat bei Dingen, die ihm nicht liegen, eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Auf Dinge, die er mag, kann er sich über Stunden konzentrieren. Er hat auch eine tolle Fantasie in seiner Welt und kann sich damit toll beschäftigen. Jetzt habe ich grosse Angst vor der Einschulung. Mein Sohn findet sich mittlerweile wirklich gut zurecht in unserer Welt, aber er ist halt ein bisschen speziell. Es deutet sich schon an, dass wir in der Schule wieder neu anfangen müssen, seine Eigenarten zu erklären und für ihn zu kämpfen, um ihm die Chancen zu ermöglichen, die jedem Kind zustehen sollten. Er ist speziell aber nichtso auffällig, dass "DAS Problem" sofort offensichtlich wird.

Wir haben nie Diagnostik durchführen lassen, aber langsam frage ich mich, ob es nicht doch besser wäre. Ich weiß nämlich nicht, ob ich die Kraft habe immer wieder den Kampf gegen das System zu führen.
Auch das Geschwisterverhältnis ist sehr schwierig, da die Kinder immer die Grenzen des Anderen überschreiten, da sie diese einfach nicht nachvollziehen können (normal vs. speziell).
Mein Mann stimmt mir zwar grundsätzlich zu, sieht das alles aber nicht so eng. Aber die meiste Arbeit mit den Kindern habe ja auch ich.
Ich musste mir das alles mal von der Seele schreiben, ich weiß noch nicht so recht ob ich einfach die Schule auf uns zukommen lasse und bei Problemen reagieren soll oder ob ich eine Maschinerie (Diagnostik?) in Gang setzen soll indem ich agiere. Der Alltag ist sowieso so anstrengend mit den Beiden.

1

Hallo,
Ich habe eine sehr sehr ähnliche Situation.

NIEMALS wäre ich auf die Idee gekommen, keine Diagnostik durchführen zu lassen!!! Das war, vor allem in Hinblick auf die Schulzeit keine gute Idee, denke ich! Kümmern dich darum, erste Anlauf Stelle ist der Kinderarzt, der euch in ein kinderzentrum überweisen soll, wenn ihr eins in der Nähe habt. Alternativ ein kinderpsychiater, aber da wird euer Arzt ja wissen, welche Möglichkeiten es bei euch gibt.

Bei uns war die Diagnose entscheidend!! Endlich wird das richtige therapiert bei unserem Sohn und siehe da: es wird für alle Beteiligten besser! Unser Sohn ist übrigens Autist..

Alles Gute und lg,

Kate

2

Die Frage ist doch, was du erwartest.
Du bist dir mehr oder weniger sicher, dass dein Sohn auffällig ist und eine der beiden Behinderungen hat. Nehmen wir mal an, es ist tatsächlich so....was wäre wenn du:
a) die Diagnostik machen lässt:
Optimalerweise wird die Behinderung festgestellt. Du kannst dir dann sicher sein, dass du dein Kind NICHT falsch erzogen hast (kamen diese Andeutungen und Vorwürfe nicht ab und an mal?). Gehst du zu Personen (bspw. ein anderer Arzt), die dein Kind nicht kennen, kannst du direkt die Diagnose nennen und dein Kind kann entsprechend anders angesprochen/behandelt werden.
Es gibt natürlich keine Heilung, aber es gibt sehr wohl spezielle Therapien, die den Kleinen helfen sich in dieser Welt besser zurecht zu finden. So ein Kind kann dann große Fortschritte machen - nur eigentlich fängt man die Therapien so zeitig wie möglich an. Dazu braucht es aber eine gesicherte Diagnose.
Mit Diagnose kann man auch definitiv leichter die Pflegestufe und den Schwerbehindertenausweis beantragen. Damit wiederum ist es leichter, Leistungen über die Eingliederungshilfe zu beziehen.

b) die Diagnostik nicht machen lässt:
Nun, vorerst schlichtweg nichts. Deine Unsicherheit bleibt bestehen. Du kannst dir denken, was du willst, aber damit erreichst du nichts.
Dein Kind wird irgendwann in der Schule entsprechend auffallen und Schiffbruch erleiden. Vielleicht nicht gleich in der 1. Klasse. Aber dann geht das ganze unschöne Theater los. Die Schule lässt nämlich dann (da braucht sie keine Zustimmung) das Kind begutachten. In dem Gutachten ist optimalerweise fast alles drin. Nach dem Gutachten kommt das AOSF. Das Kind hingegen wird vielleicht in der Zwischenzeit die Schule hassen, von Mitschülern gemobbt werden, schlechte Noten schreiben,....

Die Diagnostik aus dem Grund zu machen weil du nicht mehr gegen das System kämpfen willst, ist falsch. Du wirst IMMER gegen das System kämpfen. Das ändert sich auch mit Diagnose nicht. Das wird mit Diagnose sogar noch schwerer. Aber man hat mehr Möglichkeiten. Es gibt mehr finanzielle Mittel. Es gibt auch mehr Möglichkeiten der Unterstützung für dich. Dein Kind könnte therapiert werden. Dein Kind könnte einen Schulbegleiter bekommen...vielleicht nur für den Anfang der Schulzeit, nur damit Kontakte geknüpft werden und Mobbing ausgeschlossen wird.

Keine Ahnung. Ich habe 2 Söhne mit Frühkindlichem Autismus, davon einer HFA und einer mit Retardierung und mir wäre nie, aber wirklich niemals der Gedanke gekommen, einer Diagnostik aus dem Weg zu gehen. Seit der Große geboren ist, renne ich Ärzten hinterher wegen einer Diagnostik. Als er 6 war, hat er die Diagnose bekommen - der Kleine war 4 bei der Diagnose Autismus und 7 bei der offiziellen Diagnose Geistige Behinderung (klar war das schon Jahre vorher, er hat einen IQ von 50).

6

Ich schließe mich dem auch an. Bei meiner kleinen wusste ich auch immer, dass sie irgendwie nicht ganz normal tickt, aber ich hatte so viel zu tun, ihre schulverweigernde Asperger-Schwester zum Laufen zu bringen, dass ich nicht den Nerv hatte, da auch noch noch das Haar in der Suppe zu suchen. Sie war ja bereits in therapeutischer Behandlung und da fielen auch schon Dinge auf, z. B. dass meine Tochter sehr intelligent ist, aber auch sehr enge Grenzen braucht, weil sie sonst so uferlos ist. Sie kann nicht warten, ist super-neugierig, muss alles anfassen und stellt 1001 Frage, hat einen sehr hohen Bewegungsdrang und ist voller (Selbst-)Vertrauen und hat vor gar nichts Angst. Durch ihre Waghalsigkeit verletzt sie sich auch oft. Sich mit ihr im Straßenverkehr zu bewegen, ist eine große Herausforderung, da sie teilweise sehr impulsiv handelt.

Nun ist sie in diesem Sommer eingeschult worden. Die Schulärztin hat ja direkt einen Förderbedarf festgestellt, wegen ihrer andauernden Wutanfälle, die sie ja voher im Kindergarten und zuhause auch schon hatte. Also verhaltensbedingt.

Nun ist sie seit ein paar Wochen im Schulalltag drin und es ergeben sich Probleme, die kein Mensch von uns auf dem Zettel hatte. Zum Beispiel hatte die Klassenlehrerin die Sitzordnung geändert, weil die Linkshänder wegen der Ellbogenfreiheit zusammensitzen sollten. Meine Tochter ist Linkhänderin und wurde entsprechend umgesetzt. Da wurde sie dann bockig und hat angefangen, die Stühle im Klassenraum umzuschmeißen. Es ist auch nicht so, dass sie sich dann nach 5 Minuten beruhigt. Sie ist dann teilweise den Rest des Vormittags nicht mehr zugänglich und verweigert dann auch die Mitarbeit im Unterricht.

Leistungsmäßig hat sie überhaupt keine Probleme, sie liefert das inhaltlich alles ab. Sie kann nach wenigen Wochen bereits alle Zahlen und Buchstaben schreiben. Aber wenn sie mal beim Ausmalen oder Einkreisen übermalt, dann radiert sie das Heft kaputt oder will es gleich in 1000 Stücke reißen oder schmeißt das Heft in den Mülleimer (das ist bis jetzt einmal vorgekommen.)

Ich hatte die Diagnostik ja schon vorsorglich mal angeschoben, aber man hat ja immer Wartezeiten. Jetzt bin ich sehr froh, denn man muss leider sagen, in dem Ausmaß sind ihre Verhaltensweisen eine Gefahr für sie selbst und für andere. Man kann das nicht einfach so laufen lassen. Und ich kann der Lehrerin kann man die Verantwortung dafür auch nicht so 1:1 übertragen, denn man es immer wieder sagen: Sonderpädagogik ist ein eigenes Studium, die Lehrer sind nun mal für den Normalfall ausgebildet.

Ich habe das jetzt ja schon mit meiner ersten Tochter mitbekommen, aber es ist super-schwierig für Lehrer, den Asperger-Autistmus als solches zu erkennen. Und man kann auf keinen Fall erwarten, dass die intuitiv auf die Bedürfnisse eines einzelnen Kindes so reagieren können. Das kann ich vielleicht, aber ich habe auch nur zwei Kinder und ich kenne sie seit der Geburt.

Man kann die Kleine vor einem Wutanfall bewahren, wenn man sie schnell umlenkt. Aber das ist eine hohe Kunst, die mir auch nicht immer gelingt. Von der Lehrerin kann ich das nicht verlangen.

Ich denke, ohne Schulbegleitung/i-Kraft wirds nicht gehen, obwohl ich mir das sicher auch anders gewünscht hätte... Und dazu braucht man nun mal eine Diagnose, damit die auch wissen, wie sie mit dem Kind arbeiten sollen.

Bei meiner großen wurde es seitens der Schule absolut versäumt, einen Förderbedarf feststellen zu lassen. Was ja bei der Diagnose Autismus echt mal peinlich ist... Die Auffälligkeiten bis hin zur totalen Schulverweigerung waren alle da... aber da die Noten ja im Rahmen waren, habe ich von der Schule null Unterstützung bekommen. Im Gegenteil - im Hausaufgabenheft standen täglich Beschwerden über das Verhalten meines Kindes, die ich immer schön abzeichnen durfte. Irgendwann habe ich darauf auch gar nicht mehr reagiert. Das Kind liest das ja auch alles mit... #contra

3

Ich schliesse mich meinen beiden Vorschreiberinnen an, in meinen Augen gibt es nichts was gegen die Diagnostik spricht und sehr vieles was dafür spricht.
Würdest du vermuten, dass dein Kind schlecht hört oder schlecht sieht, würdest du dann auch abwarten, oder die entsprechende Diagnostik unterlassen, es könnte sich ja auswachsen?

Da bei deiner Beschreibung nach eine Autismusspektrumsstörung in Betracht gezogen werden muss, achte bitte unbedingt darauf, dass die erste Anlaufstelle eine auf Autismus spezialisierte Fachstelle ist. Wenn es sich nicht um Autismus handelt, wenn es sich um AD(H)S handelt, oder gar keine klinische Störung vorliegt, dann sind sie dort in der Lage dies festzustellen. Der Umkehrfall, dass eine nicht auf Autismusfragen spezialisierte Anlaufstelle Autismus korrekt diagnostizieren könnte ist leider nicht gegeben.

4

Oh das ist ja eine eindeutige Resonanz. Da wir ihm in den letzten zwei Jahren eine gute Umgebung bieten konnten und er sogar gute Freunde hat, war mir das Problem gar nicht mehr so bewusst. Erst jetzt mit der Einschulung sind seine Besonderheiten wieder sehr zum Tragen gekommen. Im Schulspiel hat er sich schwer getan und das Gespräch mit der Lehrerin hat mir gezeigt wie begrenzt unser System doch ist. Danke für eure Meinungen. Ich werde als erstesmal unsere Kinderärztinansprechen. Sie ist zum Glück sehr offen.

5

Hallo,

ich bin ebenfalls für eine Diagnostik!

Wir haben ein ähnliches Problem und jahrelang rumgedoktert und sind von einer Therapie zur nächsten. ich will nicht sagen, dass es nicht geholfen hätte, aber es war nie optimal und oft wusste ich einfach nicht weiter.

Lass die Diagnostik machen, so schnell wie möglich!!!! ich erkläre dir auch warum:
- am wichtigsten ist, du weisst, was mit deinem Kind ist und kannst ihm helfen, dein Kind wird dir sehr dankbar sein
- weiterhin kannst du von Anfang an mit der Schule zusammenarbeiten, mein Sohn Phil hat 4 Jahre Horror-Grundschule hinter sich. hätte ich früher eine eindeutige Diagnose gehabt, hätte ich handeln können und Phil wäre vielleicht in der Schule anders/besser behandelt worden von Lehrern und Schülern.

Mein Sohn wird jetzt 11 Jahre alt, seit 1 Jahr kennen wir die Diagnose: Autismus-Specktrum-Störung atypisch
er ist intelligent, aber nicht hochbegabt, eigentlich ein normaler Junge, aber mit Eigenheiten. Wenn man diese kennt, kommt man super mit ihm aus.

Du wirst dein Kind in eine die harte Welt hinausschicken müssen, spätestens zum Schulanfang, gib ihm die besten Vorausssetzungen und lass ihn untersuchen!!!

lg Tina