Autismus erst mit 12?

Hallo,

mein Sohn (12) war schon immer "ein Kind mit autistischen Zügen". Feste Rituale, wenig Blick- und Körperkontakt, versteht oft nicht was gemeint ist und ist schwer von Begriff. Er ist künstlerisch sehr begabt und interessiert an Technik und ihm fallen oftmals Dinge auf, die andere übersehen würden. Er hat zwar Freunde, ist aber gern allein für sich und ihm fällt es schwer, Freundschaften zu schließen, andere müssen immer erst auf ihn zugehen und er redet nicht gern mit Fremden. Dass es ihm schwerfällt, Gefühle in Gesichtern oder an der Stimme zu erkennen haben wir erst erfahren, als er es uns erzählt hat, aufgefallen ist uns aber, dass er es zu ignorieren scheint, wenn es anderen schlecht geht.

Aber seit einiger Zeit benimmt er sich sehr seltsam. Er redet kaum noch, zuckt bei jeder Berührung zusammen und lässt keinen Blickkontakt zu. Außerdem "kapselt er sich ab", so wie man es von Kanner-Autisten hört: Er vergräbt das Gesicht und reagiert nicht mehr.
Deshalb meine Frage: kann es sein, dass sich Autismus erst in späteren Jahren richtig entwickelt? Kennt ihr das auch oder habt ihr schon einmal davon gehört?

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Kann er denn gut sprechen? Wann hat er angefangen mit sprechen?
Grundsätzlich klingt es danach, als hättest du dich etwas zu sehr auf Kanner fixiert. Hast du mal an Asperger gedacht? Vom Autismus her ist beides gleich.

Im übrigen...ich habe 2 Söhne mit Kanner Autismus und das Verhalten deines Sohnes zeigen sie nicht. Menschen sind verschieden. Es gibt nicht DEN Autismus. Und MAN kennt auch kein spezielles Verhalten von einer Autismusform her ;-).

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Danke für die Antwort. Sprechen kann er gut, abgesehen davon dass er oft falsch betont, aber er sprach immer sehr wenig, dagegen hat er schon früh angefangen zu schreiben. An Asperger habe ich zwar schon gedacht, aber Asperger-Autisten ziehen sich doch normalerweise nicht zurück indem sie sich "abkapseln", oder doch?

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Der Autismus ist identisch. Es gibt beim Autismus selbst nichts, was "typisch" für Asperger oder Kanner wäre. Unterschiede gibt es an anderen Stellen. Auch der Test läuft so ab. Es wird vom Psychiater auf Autismus getestet - nicht auf Kanner oder Asperger. Erst wenn bei dem Test herauskommt, dass das Kind eben Autist ist, werden sich bestimmte andere Punkte angeschaut. Die bestimmen dann, ob das Kind Asperger, Kanner oder einen Atypischen Autismus hat.

Aber die "autistischen Verhaltensmuster" sind bei allen 3 Arten identisch. Man KANN die immer alle haben, man MUSS es aber keineswegs.
Daher war meine Frage nach der Sprache. Eines der Unterschiede ist die Sprache. Kanner Autisten können nicht oder nur sehr schlecht sprechen - sie haben definitiv eine massive Sprachentwicklungsstörung, wenn sie nicht sogar völlig stumm sind. Asperger hingegen fangen sehr zeitig an mit sprechen, haben aber ein "etwas eigenes" Sprachbild. Das klingt nicht nach Kind, sondern nach Erwachsener.
Weitere Kriterien sind noch der Zeitpunkt (wann es erstmalig wirklich Auffälligkeiten gab) - Kanner quasi ab Geburt und Asperger ab Schulbeginn (wobei das nicht mehr so eng gesehen wird heute) und der IQ. Ein Asperger kann per Definition nicht geistig behindert sein, wohl darf aber ein Kanner Autist einen normalen bzw. hohen IQ haben - das wären dann die HFA. Der hohe IQ rettet die Kanner Autisten dann oftmals und erlaubt ihnen eben die Muttersprache doch ansatzweise zu lernen. Er kann sich dann auch Dritten gegenüber verständlich Ausdrücken, allerdings gehen diese Kinder auch nicht selten schon seit Beginn der Kiga-Zeit dauerhaft zum Logopäden...über viele, viele Jahre hinweg.

Eine falsche Betonung beim Sprechen wäre also für einen Asperger normal. Es könnte natürlich auch einfach ein Kanner (HFA) sein. Mein Ältester hat auch eine ganz komische Art der Betonung drauf.
Das Abkapseln würde abhängig vom Menschen selbst sein. Das macht nicht jeder, aber manche Autisten machen es eben. Und natürlich ist es typisch für alle 3 Arten.
Das extreme Verhalten, was du beschrieben hast, könnte natürlich tatsächlich ein overload oder so etwas sein, aber ganz ehrlich...habt ihr ihn so lange "ignoriert"? Im Grunde ist ein "austickender" Autist extrem unberechenbar. Selbst die allerbesten und harmlosesten Kinder können da wirklich großen Schäden anrichten. Das letzte mal, als ich davon gehört habe, ist so ein Kind mit Messer auf seine Lehrerin losgegangen. Das ist übrigens noch nicht mal so lange her gewesen. Das Kind hatte schon eine I-Kraft, weil der Autismus bekannt war.
Ich würde hier die Selbstdiagnose ganz sein lassen. Was du beschreibst klingt definitiv nicht gut. Ein normales Verhalten ist es keinesfalls. Ich würde einen Termin für eine Diagnostik in der KJP vereinbaren. Möglichst eine KJP mit angeschlossener Autismusambulanz.

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Hallo, mein Sohn ist 5 und hat wahrscheinlich das asperger Syndrom, ich habe mich in dem Forum von Autisten-Kinder angemeldet und wirklich viel darüber erfahren. Es gibt da z.b einen overload - wenn Zuviele reize auf einen Autisten einprasseln und dann einen sog. Meltdown ( Ausbruch) oder shutdown (Rückzug). Es gibt wohl auch eine inputsperre wenn es viel zu viel war, davon müssen sich Autisten wohl erst längere Zeit erholen bis sie wieder Aufnahmebereit sind. Beschrieben wird das auch auf ellasblog.de - schau dort mal vorbei... Ich hoffe ich konnte dir etwas helfen.

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Hallo!

Dein Sohn hatte ja schon immer autistische Züge. Somit würde der Autismus ja nicht erst mit 12 kommen, sondern war schon immer da. Würde aber eben erst mit 12 einen Namen bekommt durch die Diagnose.

Mein Mann galt schon immer als "anders". Nun mit 28 bekam er die Diagnose Asperger.

Schaue doch mal auf www.rehakids.de unter dem Unterforum Autismus rein!

Liebe Grüße

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Hallo,

mein Sohn ist auch betroffen. In der Pubertät tritt es nochmals mehr zu Tage. Das haben wir auch festgestellt. Das ganze Gehirn ist im Umbau, die körperlichen Veränderungen sind immens.

Manche Veränderung ist einfach der Pubertät geschuldet. Man muss aufpassen, dass man nicht alles in die Schiene Autismus schiebt. Auch ganz normale Teenager werden komisch und haben ihre Aussetzer.

In diesem Alter wird den Kinder auch mehr und mehr bewusst, dass sie anders sind. Das führt auch oft zu Verdruss, denn eigentlich wollen sie nur eins, sie wollen sein wie die anderen.

Dein Sohn braucht besonders viel Zuspruch. Das Zucken musst Du unbedingt ignorieren und darfst es nicht ansprechen. Wenn unser Sohn sehr überlastet ist, dann hat er das auch. Dann lassen wir ihn einfach in Ruhe.

Vielleicht ist er momentan überfordert und hat in der Schule viel Stress. Bei unserem Sohn wird es meist offensichtlich, wenn seine Routine unterbrochen wird oder er unter hohem Druck steht. Ansonsten ist er ganz unauffällig. In der Schule fällt er sogar sehr positiv auf.

Wenn Du Dich darüber austauschen möchtest, dann kannst Du mir auch über meine VK schreiben. Mein Sohn ist übrigens 13 Jahre.

LG

Carola