Geburtsbericht einer stillen Geburt

Hallo,

es ist jetzt über ein Jahr her, dass wir unsere Tochter Anna-Soi gehen lassen mussten.
Sie hatte eine Trisomie 13 mit schwer ausgeprägten Symptomen und war so nicht lebensfähig. Wir haben uns schweren Herzens dazu entschieden, die Schwangerschaft abzubrechen.
Jetzt bin ich wieder schwanger und muss viel an diese Zeit zurückdenken. Als ich gerade gelesen habe, was ich damals über die Geburt aufgeschrieben habe, wurde mir wieder bewusst, wie schön die Geburt trotz all der unendlichen Trauer war.
Vielleicht kann ich ja durch meinen Geburtsbericht jemandem ein wenig die Angst vor diesem schlimmen Tag nehmen.




Die Geburt von Anna-Soi
geboren und gestorben
am 23.05.2009




Am Freitag sind wir ins Krankenhaus gefahren und weil wir ein bisschen zu früh waren, mussten wir leider den Ärzte-Schichtwechsel im Wartezimmer vom Kreissaal abwarten. Anscheinend war auch genau an dem Tag sehr viel los, so dass sich die 4 werdenden Elternpaare mit Geburtswehen wohl alle fragten, warum wir mit so traurigen Gesichtern hier sitzen.

Zum Glück wurden wir als Erste aufgerufen. Die Ärztin war die selbe wie am Mittwoch. Eine sehr junge, sehr sympathische und einfühlsame Frau. Ich habe sie gebeten, noch einen Ultraschall zu machen, damit ich meine Kleine noch einmal lebend sehen kann. Sie hat an ihrem kleinen Daumen gelutscht und es hat mir das Herz zerrissen bei dem Gedanken daran, dass sie keine Chance auf ein Leben hat. Ich musste so weinen und die Ärztin hat noch zwei schöne Fotos für uns gemacht. Wir konnten noch Fragen stellen und sie hat uns wirklich gut auf das vorbereitet, was dann kam. Sie hat uns z.B. gesagt, wie groß Anna sein wird, dass sie schon ein fertiger Mensch ist und auch so aussieht, dass wir nicht erschrecken sollen, weil die Haut noch so dünn ist, dass das Blut durchscheint und sie deswegen ganz rot sein wird. Und sie hat gesagt, dass sie uns betreuen und mindestens die nächsten 24 Stunden hier bleiben wird.
Dann hat sie uns zum Schwesternzimmer gebracht und noch veranlasst, dass wir ein schöneres Zimmer bekommen, als sie dort geplant hatten.
Die Schwester brachte uns in ein helles Zimmer mit zwei Betten und einem Baum vor dem Fenster und einem eigenen Bad.

Ich bekam von ihr die ersten zwei wehenfördernden Tabletten.
Alex und ich sind dann im Park des Schwabinger Krankenhauses spazieren gegangen,
bis es dann Mittagessen gab.
Wir haben die beiden Betten zusammengeschoben und ein wenig geschlafen. Die Nacht davor konnten wir das beide nicht...

Als ich wieder aufgewacht bin, hatte ich schon Wehen. So ca. alle 10 Minuten. Die Ärztin und eine Hebamme schauten vorbei und brachten die nächsten 2 Tabletten mit.
Ich versuchte dauernd, in mich hineinzuhorchen. Ob Anna wohl noch lebt? Es war sehr schlimm für mich, ihren Tod bewusst auszulösen. Ich wusste zwar, dass es wirklich das Beste für sie war. Schon ein paar Tage später hätte sie schlimme Schmerzen ertragen müssen, bis diese Qualen sie langsam töten. So durfte sie schön warm und geborgen noch schmerzfrei sterben.
Und trotzdem war es so ein schlimmes Gefühl, diese Tabletten zu schlucken. Es war ein klassisches Drama: Es gab keine richtige Entscheidung. Mir erschien nur die eine Möglichkeit ein bisschen falscher als die andere.

Ich wollte gar nicht viel reden, habe nur in mich hineingehorcht, meinen Bauch gestreichelt. Ich war mir auch gar nicht sicher, ob es jetzt schon richtige Wehen waren, oder nicht. Ich habe den Fernseher angemacht, weil mein FA in meiner Schwangerschaft mit Caspar gesagt hat, ich soll bei Wehen fernsehen und dann ins Krankenhaus fahren, wenn ich mich wirklich nicht mehr auf das Fernsehprogramm konzentrieren kann.

Eine Zeit lang konnte ich mich sogar etwas ablenken, aber meine Gedanken kehrten immer wieder zu Anna zurück. Alex hat mich irgendwann gefragt, ob er mal die Abstände zwischen den Wehen messen soll, weil er den Eindruck hatte, sie würden stärker werden (er sagt, er hätte es mir einfach angesehen). Genau in dem Moment platzte die Fruchtblase. Alex bekam ein bisschen Panik und lief sofort los, um jemanden zu holen.
Die Hebamme kam und tastete den Muttermund. Sie sagte, dass der schon ein bisschen aufgegangen sei und dass sie schon das Kindchen spüren kann.

Ich wusste aber, dass es noch dauern würde. Also habe ich der Hebamme gesagt, ich würde noch gerne in unserem Zimmer bleiben und ich würde Bescheid sagen, wenn sich mehr tut.

Leider haben die Tabletten auch ziemliche Auswirkungen auf meinen Magen gehabt, so dass ich ab dann dauernd auf die Toilette musste. Ich habe versucht, durch ein Abendessen, Kohle- und Hefetabletten etwas zu bewirken, aber nichts hat geholfen.

Dann habe ich die nächsten zwei Tabletten bekommen. Ich war nun total verunsichert. Ich wusste nicht, was Wehen und was Bauchschmerzen waren. Und ich hatte so Angst, dass Anna kommt, während ich auf der Toilette bin.
Alex und ich haben uns im Bett aneinandergekuschelt. Dann haben wir noch Annas Sarg ausgepackt und auf den Wickeltisch unter eine Decke gelegt, damit sich niemand erschreckt.
Als die Ärztin nochmal vorbeischaute, wollte sie ihn aber doch sehen und war sogar ziemlich berührt davon.

Nachdem sich die Nachtschwester vorgestellt hat, bin ich dann ziemlich bald eingeschlafen. Alex konnte nicht schlafen, er lag wach neben mir und war einfach nur da und hat meine Hand gehalten.
Kurz bin ich wach geworden, um die nächsten zwei Tabletten zu nehmen. Im Schlaf habe ich gemerkt, dass die Wehen heftiger werden, aber ich konnte nicht aufwachen.
Ziemlich bald darauf musste ich wieder auf die Toilette. Ich schickte Alex los, um die Nachtschwester um ein stärkeres Mittel zu bitten.
Sie telefonierte mit der Ärztin, und nachdem ich ihnen beiden versichert hatte, dass die Wehen schon so stark sind, dass sie nicht durch das Medikament wieder gestoppt werden und dass ich so kein Kind bekommen kann, habe ich dann zwei Imodium (?) bekommen.

Kaum waren wieder alle weg, fragte Alex wieder, ob er mal die Wehenabstände aufschreiben soll. Und in dem Moment spürte ich, dass Anna jetzt kommen wird. Ich bat Alex, die Hebamme zu holen. Als er draußen war, und ich alleine in dem dunklen Zimmer lag, kam Anna auf die Welt. Es war so ein unbeschreiblich schöner und intimer Moment. Nur sie und ich und der rauschende Baum vor dem offenen Fenster. Ich habe mich nicht getraut, mich zu bewegen. Ich lag nur da und spürte Annas warmen Körper zwischen meinen Beinen.

Alex kam mit der Nachtschwester zurück und er wurde so blass, als ich ihm sagte, dass seine Tochter schon geboren wurde. Er hielt meine Hand und streichelte meinen Kopf und traute sich auch nicht, nachzusehen.
Die Nachtschwester rief die Ärztin an und bat sie, schnell zu kommen, da die Hebammen wohl gerade wirklich nicht aus dem Kreissaal konnten.
Schnell darauf war sie da und nabelte Anna ab. Sie legte sie in ein kleines Tuch und das in eine Schale, weil gerade nichts anderes da war.
Sie sagte noch, dass sie genau so groß ist, wie sie vermutet hat und dass wir keine Angst haben müssten, sie sähe ganz schön aus.

Alex nahm die Schale mit Anna und ich sah in seinem Gesicht gleichzeitig so viel Liebe und so viel Trauer.
Er kniete sich neben mich und legte Anna zwischen uns.
Ich war so überwältigt von ihr. Sie war so klein und doch so schön. Ich konnte gar nicht traurig sein in dem Moment, ich habe mich nur über meine Tochter gefreut. Sie lag auf der Seite und sah ganz friedlich und erschöpft aus.

Leider konnte ich diesen Moment nur sehr kurz genießen, denn ich musste schon wieder auf die Toilette. Dort kam dann auch die Nachgeburt.
Die Ärztin und die Schwester haben uns dann allein gelassen. Wir haben unsere Anna einfach nur angesehen. Alex musste viel weinen, aber ich konnte nicht.
Ich habe versucht, mir jedes Detail einzuprägen, damit ich mich immer daran erinnern kann. Und wir haben Fotos gemacht.
Sie sah so zart und verletzlich und so heilig aus, auch wenn man ihr ansah, dass sie nicht gesund war. Leider habe ich mich nicht getraut, sie anzufassen, habe in dem Moment noch nicht einmal darüber nachgedacht.

Ich wollte dann nur noch die Ausschabung hinter mich bringen. Wir haben Anna im Kreissaal abgegeben, weil wir sie nicht so alleine in unserem Zimmer lassen wollten. Die Nachtschwester hat mir den Op-Kittel und die Trombosestrümpfe angezogen und ich wurde mit meinem Bett in den OP im Kreissaal gefahren. Alex ist bei mir geblieben, bis die Anästesisten kamen. Dann wurde er rausgeschickt und ich wurde operiert. Von dem Schmerzmittel ist mir total schwindlig geworden und mir war wahnsinnig kalt. Ein Arzt hat mir noch eine gewärmte Decke drübergelegt und dann war ich weg.

Nach der OP bin ich im Aufwachraum neben Alex aufgewacht. Angeblich habe ich schon davor kurz mit ihm geredet, aber ich kann mich nicht daran erinnern.
Nach einer weiteren halben Stunde haben sie mich wieder in unser Zimmer geschoben und ich bin sofort eingeschlafen.

Am nächsten Morgen wurden wir von einer Schwester geweckt. Sie hat Blutdruck und Temperatur gemessen. Alex hat uns Frühstück gebracht und dann haben wir Besuch von einer Hebamme bekommen.
Sie wollte wissen, ob sie eine Karte mit Foto machen soll und ob wir einen Namen für unsere Tochter haben. Natürlich wollten wir eine Karte haben und wir haben sie noch gebeten, Fußabdrücke zu machen und sie dann zu uns zu bringen.

Kurz darauf kam sie mit Anna in einem Weidenkörbchen. Sie lag in weißen Deckchen und die Hebammen haben ihr ein paar schöne Blüten aus dem Garten dazugelegt. Da ich nicht aufstehen konnte, hat die Hebamme Anna am Wickeltisch in den Sarg gelegt und sie zugedeckt. Dann hat sie noch eine besonders schöne kleine Rosenblüte neben sie gelegt und uns alleine gelassen.

Und wieder konnte ich sie nur staunend ansehen und dieses Mal mussten wir beide weinen.

Den weißen Sarg haben wir schon am Tag davor zu Hause mit pinken und weißen Blüten und mit einer türkis-rosanen Pünktchenbordüre bemalt. In den Deckel hinein haben wir einen blauen Himmel mit ein paar weißen Wolken und einer strahlenden Sonne gemalt und auf den Deckel ein türkis-rosanes Ornament. In das Muster haben wir kleine weiße Herzen aus Seide geklebt.
Innen haben wir eine kleine weiße Matratze und eine ganz klein rot-weiß karierte Bettwäsche mit einer weißen Spitzenbordüre auf der Bettdecke gelegt.

Dort lag sie nun und ein wunderschöner hölzerner Engel, ganz stilisiert in einem hellblauen Kleid mit blonden Haaren und rosanen Flügeln lag bei ihr. Das war der Engel, den Caspar ausgesucht hat. Er hat den selben, nur mit rosa Kleid und blauen Flügeln bei sich.

Wir haben uns von ihr verabschiedet, nochmal Fotos gemacht, ich habe sie durch ihre kleine Bettdecke gestreichelt und gemeinsam haben wir ihren Sarg verschlossen.


Ich musste leider noch im Krankenhaus bleiben und auf die Visite warten. Außerdem hing ich am Tropf und konnte nicht aufstehen, weil ich nur den blöden OP-Kittel anhatte, der hinten offen war.
Wir mussten dann ein Schreiben unterschreiben, in dem wir bestätigen, dass wir Anna mit uns genommen haben und dass wir sie innerhalb von 14 Tagen bestatten werden.

Dann hat Alex sie mitgenommen, den Sarg in eine Decke gewickelt und hat sie zum Friedhof gefahren.
Dort angekommen hat er mich angerufen und hat gesagt, dass dort, wo er hinkommen sollte, niemand ist und dass er jetzt jemanden sucht, der ihm sagen kann, wo er Anna hinbringen soll.

Als wir aufgelegt hatten, konnte ich nur noch weinen. Alex tat mir so leid und ich wäre so gerne bei ihm gewesen, so dass er nicht alleine mit seinem toten Kind im Arm über den riesigen Friedhof irren muss und nicht weiß, was tun.
Und ich habe mir ehrlich gesagt auch leid getan, weil mir in dem Moment so richtig bewusst geworden ist, dass ich Anna für immer gehen lassen musste und dass sie mir jetzt schon so wahnsinnig fehlt.

Und das war auch der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich sie nie an mich gedrückt habe, dass ich ihr nie den Kopf gestreichelt oder die Hand gehalten habe und dass ich das nie werde nachholen können.

Es hat so weh getan und ich war so verzweifelt, dass ich lange nicht aufhören konnte zu weinen. Irgendwann habe ich Alex nochmal angerufen. Er hatte inzwischen den richtigen Menschen dort gefunden und Anna dort gelassen. Er hat gesagt, dass sogar der Mann am Friedhof, der Anna entgegen genommen hat und der jeden Tag viele Särge und Leichen sieht, sich Tränen aus den Augen wischen musste, als er Annas kleinen Sarg gesehen hat.

Während ich im Krankenhaus von dem Tropf befreit und nochmal untersucht wurde, hat Alex noch Essen für das Wochenende eingekauft und zu Hause ein bisschen aufgeräumt.

Ich war wieder allein in unserem Zimmer und ich wollte Anna nicht verstecken, nicht totschweigen und so habe ich das gleiche getan, das ich auch nach Caspars Geburt getan habe.
Ich habe allen Freunden und der Familie eine SMS mit Anna-Sois Geburtsdaten und ein paar persönlichen Worten geschrieben. Nach und nach kam eine einfühlsame und schöne Antwort nach der anderen und bei jeder Antwortmail musste ich wieder anfangen zu weinen.

Die Ärztin kam nochmal vorbei, um sich zu verabschieden und hat noch wahnsinnig nette Sachen gesagt und dass sie es bewundert, mit wie viel Liebe wir das durchgestanden haben und dass sie von uns noch viel gelernt hat, was ich wirklich so nett fand.
Dann habe ich noch zwei Tabletten bekommen, die den Milcheinschuss unterdrücken und Alex hat mich nach Hause gefahren.



Alles Gute und viel Kraft wünscht Euch
Sophie mit Caspar (6 Jahre), Anna-Soi (*23.05.09+) und Baby (11. Ssw.)






















1

#schmoll Das ist mit soviel Liebe geschrieben.Mir ging es genauso.Unsere kleine Maus war auch nicht lebensfähig und wir haben uns für einen Abbruch entschieden,bevor unser Zwerg schmerzen hat. #kerze Auch wir haben einen Tag vor der AS noch einen Ultraschall machen lassen und es hat mir mein Herz gebrochen.#schmoll Ich wünsche Dir (euch) alles Gute#klee#klee



Aldina mit #stern#baby ganz fest im Herzen

2

#herzlich
So traurig und doch so schön.
Ich wünsche dir für deine jetzige Schwangerschaft alles Gute. Anna-Soi wird schon aufpassen, dass der kleine Krümel wohlbehalten auf die Welt kommt.
Liebe Grüße
Sabine

3

Mensch. was du alles durchmachen musstest! Es tut mir so leid für dich #schmoll Ich habe von deinem Bericht geweint. Ich bin selbst Mama von zwei Sternenkidnern. Wünsche dir alles Gute und eine glückliche Schwangerschaft mit deinem nächsten Kind! #klee

4

Ich bin ganz gerührt und muss ganz schön schlucken.
Es ist toll, mit wieviel Liebe ihr Anna´s kommen und gehen gestaltet habt.

Ich wünsche Euch viel Kraft!

Sandra

5

da fehlen mir die richtigen worte...

ich wünsche euch alles erdenklich gute #herzlich

6

Hallo Sophie,
eure Maus kann wirklich froh sein solche Eltern bekommen zu haben.
Ich denke ihr habt alles richtig gemacht und Eure Maus hat sicher auch gespürt wie sehr sie geliebt wird.
Ich wünsche Dir eine tolle unbeschwerte Schwangerschaft und alles Gute für deine Familie
Twinmommy

7

Ich habe mir deinen liebevoll geschrieben Geburtsbericht durchgelesen. Ich musste weinen und könnt es immernoch. Es ist schrecklich so etwas durch zu machen. Es tut mir so leid für euch. Ich wünsche euch alles liebe
Silvana

8

Liebe Sophie,

dein Bericht hat mich wirklich zu Tränen gerührt. Ich danke dir dafür. #liebdrueck

Was für eine Erfahrung, die ihr da machen musstet und ihr habt sie mit so viel Liebe, Mut und Zuversicht gemeistert. Ihr könnt stolz auf euch sein.#liebdrueck

Liebe Grüße und viel Glück für deine Schwangerschaft#herzlich

wünscht dir

Michaela

9

als ich deinen bericht gelesen habe flossen mir nur so die tränen!

es berührt ich zutiefst, was ihr durchgestanden habt!

ich konnte richtig spüren wie viel herz du hast! für mich klingst du nach der perfekten mami!

fühl dich gedrückt#liebdrueck

ich wünsche dir alles erdenklich liebe und gute #blume