Fehlgeburt nach Chorionzottenbiopsie

Ich möchte mir einfach meinen Kummer und Schmerz von der Seele schreiben.

Im Juni bin ich ungeplant schwanger geworden, habe mich aber unheimlich gefreut. Ich bin erst 30, wollte aber auf der sicheren Seite sein und habe ein Ersttrimesterscreeing durchführen lassen. Dabei wurde festgestellt, dass die Nackenfalte verdickt ist (3,5 mm) sonst war alles tip Top in Ordnung. Das hat mich aber doch unsicher gemacht und auf Den Rat der Ärztin liess ich eine Chorionzottenbiopsie durchführen.

Vorletzten Donnerstag wurde die Untersuchung gemacht. Das war schon recht unangenehm. Sie musste zweimal Gewebe entnehmen. Am nächsten Tag rief die Praxis an, um mit das Ergebnis des Schnelltests mitzuteilen - ein kerngesunder Junge. Ich war richtig glücklich und erleichtert. Ich hab den Hörer aufgelegt und stehe vom Sofa auf, da merke ich, dass ich eine Flüssigkeit verliere und meine ganze Hose feucht wird. Ich renne auf die Toilette und sehe, dass meine ganze Unterhose und auch die Hose nass ist. Ich kenne diesen süßlichen Geruch sehr gut...Ich hatte ihn fast vergessen, aber jetzt kehrt die Erinnerung zurück...die Erinnerung an die Geburten meiner zwei Kinder...In Panik greife ich nach den PH-Teststäbchen, die ich seit der Schwangerschaft im Badezimmerschrank aufbewahre. Das Ergebnis bestätigt mir, was ich innerlich schon weiß - Fruchtwasser.

Es ist Freitag Mittag: Ich fahre direkt ins Krankenhaus. Die Ärztin untersucht mich und alles sieht gut aus: Der Muttermund ist geschlossen, der Gebärmutterhals nach lang, im Ultraschall ist noch viel Fruchtwasser zu sehen und mein kleiner Mausemann strampelt fleißig und sein Herzchen schlägt kräftig. Es kann jetzt in jede Richtung ausgehen, meint die Ärztin. Aber die Chancen seien gut, dass nur ein kleiner Riss entstanden sei und es sich wieder verklebt und damit zuwächst. Allerdings müsse ich strenge Bettruhe halten.

Gesagt, getan: Ich bleibe also im Krankenhaus und darf nur zur Toilette das Bett verlassen. Sogar waschen muss ich mich im Bett. Zur Sicherheit bekomme ich Antibiotika und Magnesium gegen Wehen. Aber alles bleibt ruhig - keine Wehen, keine Blutungen, keine Entzündungswerte im Blut und "Gott sei dank" kein Fruchtwasser mehr. Das wird mehrmals mit einer Art Tampon, den ich tragen muss, überprüft.

Am darauffolgenden Dienstag ist es dann soweit - ich darf heim: Die Hebamme sagt: "Wir sehen uns dann in rund 23 Wochen wieder." "Dann komme ich sehr gerne wieder", lächele ich. Nur noch einmal ein Ultraschall zur Routine und dann nichts wir raus hier. Der junge Assistenzarzt bittet mich, mich frei zu machen und fängt an mit dem Ultraschallkopf über meinen Bauch hin und her zu fahren. Ich freue mich, jetzt sehe ich gleich nochmal meinen kleinen Schatz. Aber das Bild auf dem Monitor sieht merkwürdig aus. Ich erkenne rein gar nichts: Nur grau, keine Umrisse, einfach nichts. Er fährt nervös mit dem Gerät weiter auf und ab. Ich scherze, dass der Kleine sich gut versteckt. Ich nehme nicht wahr, dass er nicht über die Bemerkung grinst. Stattdessen möchte er nochmal vaginal schallen. Wieder das gleiche graue Nichts. Er holt den Oberarzt. Ich bleibe seelenruhig wie ein Buddha und denke mir: "Der junge Kerl kann noch nicht richtig mit dem Ultraschall umgehen, der Chef wird ihm jetzt nochmal zeigen, nach was er gucken muss". Der Oberarzt kommt und schaut lange vaginal. Dann fordert er mich auf, mich nochmal auf die Liege zu legen, um ein weiteres Mal über die Bauchdecke zu schallen. Die Männer unterhalten sich. "Wie ich es ihnen gesagt habe, kein Fruchtwasser mehr, keine Herzaktivität", meint der Assistenzarzt. Nun holt mich die Realität ein und legt sich langsam wie ein schwarzer Schleier über meine Seele. "Es tut mir sehr leid, ihr Kind ist tot. Schätzungsweise seit ein bis zwei Tagen. Wir werden...." Ich höre nicht mehr die Worte des Oberarztes. Meine Kehle ist wie zugeschnürt, ich fühle einen immensen Druck auf der Brust und fange bitterlich an zu weinen.

Wie in Trance stehe ich von der Liege auf, ziehe mich an und verlasse den Untersuchungsraum. Mein Zimmer finde ich erstmal nicht. So durcheinander bin ich. Als ich endlich wieder auf meinem Krankenbett liege kommt eine Schwester und drückt mich ganz fest an sich. Ich kann kaum atmen, bin nur am Schluchzen. Sie gibt mir ein Beruhigungsmittel. Als ich endlich wieder etwas zur Besinnung gefunden habe, rufe ich meine Mama an, damit sie mir zur Seite steht.

Sie kommt sofort. Dann geht es los. Sie versuchen die Wehen einzuleiten, mit Tabletten, die in die Scheide eingeführt werden. Ich bekomme leichte Schmierblutungen, aber ansonsten tut sich nichts. Am nächsten Morgen das gleiche Spiel: Zwei Tabletten, die Ärztin tastet mich ab, alles zu, der Gebärmutterhals ist ganz weit oben und noch komplett erhalten. Also warten... Nun versuchen sie es mit einem Wehentropf. Zwei Ampulen Nalador bleiben wirkungslos. Sie geben mir die dritte Ampulle. Wenn auch die keine Wirkung zeigt, dürfen sie mir erst am nächsten Tag wieder etwas geben.

Als die Infusion halb durchgelaufen ist, geht meine Mutter kurz aus dem Zimmer. Nun wo ich ganz alleine bin, weiß ich woran es liegt: Ich muss loslassen. Ein letztes Mal streichle ich mir über meinen Bauch und sage immer wieder zu meinem toten Kind: "Du darfst jetzt gehen, alles ist gut." Dann geht es los. Ich bekomme Wehen und innerhalb von 10 Minuten ist mein Lukas da. Um 19:02 Uhr ist er geboren.

Ganz bewusst, habe ich ihn mir angeschaut, auch wenn mir Ärzte, Schwestern und Mutter davon abgeraten haben. Ich wollte nicht nur ein Ultraschall oder in meiner Fantasie von ihn haben. Ich wollte sehen, wie er wirklich aussieht - real in Fleisch und Blut. Mein Kind, dass nur 15 Wochen bei mir sein durfte - 101 Tag. Er war ganz klein, nur so groß wie meine Hand. Und doch war er perfekt, alles dran.

Dann wurde er weggebracht und ich ausgeschabt. Am nächsten Tag durfte ich endlich heim.

Seitdem sind 5 Tage vergangen - 5 Tage leben wie in Watte. Mit Gefühlen die Achterbahn fahren...mal sitze ich nur da und empfinde nichts - absolut gar nichts. Ich komme mir dann sehr herzlos vor. Dann bin ich wieder so unendlich traurig, wie nie zuvor in meinem Leben...und ich kenne Trauer und Verlust. Ich bin von einer tiefen inneren Unruhe geplagt: Rastlos mache ich Besorgungen, putze jeden Winkel meines Hauses (mittlerweile zweimal!), habe für Lukas eine Art Altar auf meinem Sideboard errichtet und angefangen ein Bild in Acryl zu malen. Meine größte Stütze sind meine beiden großen Jungs. Wenn sie um mich sind und wir den Alltag meistern, ist es nicht ganz so schlimm.

Ich mache mir so große Vorwürfe, dass eine einzige falsche Entscheidung, die ich getroffen habe, das Leben meines Kindes beendet hat. Heute Nacht habe ich wieder von ihm geträumt. In meinem Traum war er groß und er hatte die kurze Stupsnase von seinem Papa und meine grünen Augen. Ich werde es nie erfahren, ob es wirklich so gewesen wäre. Werde nie wissen, was er für einen Charakter er gehabt hätte, was für Talente. Ich werde ihn nie kennen lernen. Heute hat die Ärztin, die den Eingriff durchgeführt hat angerufen, um mir freudig mitzuteilen, dass auch das Langzeitergebnis vorliegt: Er wäre tatsächlich kerngesund gewesen...

Eins quält mich noch besonders, dass ich ihn zurücklassen musste in der Pathologie...ich könnte ein Beerdigungsinstitut beauftragen, aber das wäre sehr teuer und jetzt wohl auch schon zu spät...

Um mich herum versteht kaum einer den Schmerz, den ich in mir trage. Für die anderen ist es halt nicht greifbar, solange das Kind noch nicht auf der Welt ist. Ich habe aber als Mutter, seit dem positiven Schwangerschaftstest eine Bindung zum Baby gehabt.

Ich habe das wertvollste verloren, was ein Mensch haben kann: Mein Kind.

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Das tut mir alles so schrecklich leid, du hast es wundervoll geschrieben. Dein kleiner Lucas #Stern passt jetzt von oben auf dich auf.

#liebdrueck

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Um himmels Willen als ich das gelesen habe musste selbst ich meine Tränen zurück halten. So unendlich traurig :'( ich hoffe und ich wünsche es dir das es dir bald wieder besser geht. Das sagt mir das ich so eine Untersuchung nie machen werde :-(

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Es tut mir unsagbar leid. Keiner kann nachempfinden, was du nun fühlst. Ich wünsche dir und deiner Familie alle Kraft der Welt!

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Du hast das sehr schön geschrieben und ich wünsche dir viel Kraft um all das zu verarbeiten. Halt dich an deinen 2 Jungs fest. Sie brauchen dich, genauso wie du sie jetzt in der schweren Situation brauchst....#blume

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Hallo,
Als ich deinen Beitrag grad gelesen hab, liefen mir die Tränen runter und es hat mich sehr bewegt...
Es tut mir so unendlich leid für dich, für euch, das dir/euch das passieren musste!!
Ich wünsche dir ganz viel Kraft damit du damit fertig wirst!
Ich musste mir nach meiner 2. fehlgeburt psychologische Hilfe suchen, ansonsten wäre ich damit nicht alleine fertig geworden! Denn niemand der sowas selbst durchgemacht hat, kann einen verstehen!
Ich drück dich unbekannterweise und denke an deinen kleinen Stern!
Lg

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#heul #kerze

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Mir tut Euer unsagbar schwerer Verlust auch unendlich Leid. Ich wünsche Euch Kraft und liebe Menschen, die Euch begleiten.
Wenn Dir eine Beerdigung so wichtig ist, was ich sehr, sehr gut verstehen kann, dann frag doch einfach mal im KH nach, ob die Kinder nicht Sammelbestattet werden, dies ist kostenfrei. Eigentlich ist das jetzt in ganz vielen Khs üblich. Da Euer Lukas ja noch unter 500g war, dürft ihr in theoretisch auch selbst bestatten.

Ich weiß nicht, ob der Link gestattet ist

https://www.awo-ol.de/Einrichtungen/Beratungsstelle-Brake-Nordenham/rechtliche-Situation-bei-einem-fehlgeborenen-oder-totgeborenen-kind.pdf

wertvoll, die es bedauerlich findet, das Bestattungshäuser auch damit noch Geld machen

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Es tut mir so leid,daß dein kleiner Lukas es nicht geschafft hat,und du jetzt so unter Schuldgefühlen leiden mußt.
Da dein kleiner Sohn offiziell nicht als Person gilt,kannst du darauf bestehen,daß das Krankenhaus ihn dir herausgibt,dazu brauchst du keinen Bestatter beauftragen.
Du verstößt gegen kein Gesetz,wenn du ihn in z.B. in deinem eigenen Garten beerdigst.
Lies dazu mal auf Seite 3 in diesem Link.
https://www.awo-ol.de/Einrichtungen/Beratungsstelle-Brake-Nordenham/rechtliche-Situation-bei-einem-fehlgeborenen-oder-totgeborenen-kind.pdf
Außerdem ist es eigentlich so,daß alle fehlgeborenen und totgeborenen Kinder,die nicht von ihren Eltern bestattet werden 1-2 mal im Jahr in einer Sammelbestattung beigesetzt werden.
Ich hoffe,du findest noch einen guten Weg,um dich von deinem Schatz verabschieden zu können.
Das dir die Ärzte und Schwestern abgeraten haben,den Kleinen zu sehen,finde ich unmöglich.
Ich drück dich,und wünsche dir viel Kraft.
Liebe Grüße#liebdrueck

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Hab gerade gesehen,das "wertvoll" fast dasselbe gepostet hat,na ja,ich hoffe jedenfalls,es hilft dir weiter!

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...mir stiegen eben die Tränen in die Augen und ich bekam beim Lesen eine Gänsehaut :-(

Es tut mir unendlich leid für dich #kerze ich wünsche dir ganz viel Kraft für die kommende Zeit #liebdrueck