Alles, was jetzt kommt, ist doof.

Nach monatelangen Versuchen und hormoneller Unterstützung konnte ich Anfang August endlich positiv testen. Beim zweiten Ultraschalltermin Ende September war dann kein Herzschlag mehr zu sehen und die Entwicklung stoppte wohl schon deutlich eher. Dank guter Hebammenunterstützung ist mir die Ausschabung erspart geblieben. Der Oktober war voller Termine und wir hatten spontan die Gelegenheit meinen Mann auf einer Dienstreise ins Ausland zu begleiten und der Kopf war damit immer gut beschäftigt.

Als wir unserer fünfjährigen Tochter von der Schwangerschaft erzählten, versuchten wir den Zeitplan greifbarer zu machen: "wenn wir den Adventskranz aufstellen, wissen wir vielleicht schon ob es ein Junge oder ein Mädchen wird", "wenn wir zu Weihnachten Oma und Opa besuchen, nehmen wir die kleinen Babyanziehsachen mit zu uns", "wenn das neue Jahr angefangen hat, stellen wir den Wickeltisch auf", "dann kommt Papas Geburtstag, danach Ostern und gleich danach kommt das Baby".

Das fällt mir jetzt ganz schlimm auf die Füße. Bei jedem Handgriff denke ich, dass es so nicht sein soll. Ich hatte von meiner Ärztin alle Termine für die Vorsorgeuntersuchungen bis zum ET schon bekommen und vorfreudig in den Kalender geschrieben. Ich kann mich gerade auf nichts freuen, was in den kommenden Wochen und Monaten ansteht.

Ich suche mir gerade immer irgendwelche "Pseudoaufgaben", wie Schrank ausmisten oder Keller aufräumen aber irgendwann ist eben alles gemacht und glücklicher bin ich dabei auch nicht. Mein Mann ist beruflich sehr stark eingebunden und für ihn ist das Thema gerade irgendwie abgehakt und er hat den Kopf ohnehin voll.

Alles erinnert mich ständig daran, dass es eigentlich ganz anders hätte sein sollte. Geht es euch auch so? Wie geht ihr damit um?

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Erst mal tut es mir sehr leid, dass du das auch erleben musstet!
Wir hatten unserem Sohn (3) auch schon von der SS erzählt... Ich fand es gleichzeitig schlimm und gut, denn er hat in seiner kindlichen Art uns in der schweren Zeit das ein oder andere Mal zum Lächeln gebracht! (“sei nicht so traurig Mama, du kannst ja mit Papa ein neues Baby bauen!“ :-))
Ich habe ihm auch ganz offen gesagt was passiert ist, also dass das Baby leider nicht weiter gewachsen ist und Mama und Papa deswegen traurig sind, aber sehr glücklich, dass er bei uns ist. Ab und zu fragt er noch. Wir hatten auch Urlaub gebucht, extra so, dass medizinische Versorgung gesichert ist etc. Es gibt also auch bei uns noch immer solche Dinge, die die Erinnerung wieder darauf lenken.
Konkret zu deiner Frage: es wird einfach mit der Zeit besser. Es bleibt immer traurig (grade heute habe ich wieder so einen Tag...) aber es ist eben nicht mehr immer da... klingt zwar abgedroschen, aber bei mir war es wirklich so.
Alles Liebe!

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Danke für deine Worte! :-) Wir sind auch sehr froh, dass wir ihr schon vom Geschwisterchen erzählt hatten, auch wenn es furchtbar war es ihr wieder "wegzunehmen". Die Trauer hätten wir nie verbergen können. Ich hadere vorallem so sehr damit, weil nach den erfolglosen und frustrierenden Monaten das Timing perfekt war. Ich wollte schon immer ein Mai Baby und es hätten auch noch ein paar Monate zwischen Geburt und Einschulung gelegen. Ich hoffe, dass Trauer und Frust bald nachlassen und ich vielleicht irgendeinen Sinn in dem ganzen Dilemma erkennen kann. #aerger

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Das was du beschreibst, geht mir auch so. Meine AS war Anfang Juli, quasi in der 12. Woche. Festgestellt wurde es aber schon 5 Wochen davor. Leider ging es nicht von alleine ab.
Ich gucke immer noch in Abständen auf meinen Schwangerschaftskalender, wo ich jetzt stünde, wie groß und schwer das Baby wäre usw. So richtig loslassen kann ich auch nicht. Was hätte alles sein können!
Jetzt habe ich erstmals im Oktober eine richtige Periode gehabt (also wie ich sie sehe, davor war hormonell alles noch nicht im grünen Bereich) und es fühlt sich langsam wieder körperlich alles normal an.
Wir hatten auch schon unsere Wohnung im Kopf umgeplant. Meiner Tochter (9 Jahre) habe ich allerdings nichts gesagt. Da wollten wir bis zur 10. Woche warten. Im Nachhinein eine gute Entscheidung. Wobei es mit schon sehr schwer viel, vor ihr die Traurigkeit zu verbergen. Aber auf der anderen Seite hat sie mich auch sehr gut in den Alltag zurückgebracht. Ich würde es wieder so machen, wenn ich schwanger wäre.

Ich stürze mich jetzt in ein neues Arbeitsprojekt und habe heute die Zusage für einen Job bekommen. Vielleicht soll es so sein, dass erst mal diese Säule wieder gestärkt wird. Vielleicht hab ich dann beides, einen tollen Job und ein Baby. Ich halte mich zumindest daran fest.
Man muss die Dinge annehmen wie sie kommen, man hat es ja eh nicht an der Hand. Und vielleicht hilft es dir zu wissen, wenn du das überstehst, dann sei stolz auf dich, denn du bist diesen Weg gegangen und kein anderer. Zerbrich nicht daran und nehme die Dinge, die du beeinflussen kannst, selbst in die Hand. Fürs Selbstwertgefühl, dass nach so einer Erfahrung im Keller ist, ist das meiner Meinung nach enorm wichtig. Es braucht alles seine Zeit und dass du dieses Gefühl der Sinnlosigkeit hast, gehört genauso zu deinem Trauerprozess. Aber es wird auch wieder eine Zeit kommen, wo es dir besser geht. Und ganz ehrlich, ich versuche mich auch damit zu trösten, dass unser Kind wahrscheinlich sehr krank war und die Aussicht, ein schwer behindertes Kind zu bekommen, hätte uns in allen Lebensplanungen /-vorstellungen beeinträchtigt, vor allem auch das Leben meiner bereits vorhandenen Tochter, beruflich, zeitlich und auch finanziell.

Lg Beere77

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Glückwunsch zum neuen Job! Solche Lichtblicke können einem wirklich aus dem tiefen Loch herausholen. :-) Mir fehlt gerade ein "Großprojekt". Eigentlich wollten wir auch umziehen (da hätte ich mich voll und ganz in die Planung gestürzt) aber der Hauseigentümer will das Haus doch noch nicht verkaufen. Gefühlt funktioniert zur Zeit gar nichts. #aerger

Wir hatten unserer Tochter erst in der 10. Woche davon erzählt und dann in der 11. Woche erfahren, dass die Entwicklung wohl schon Ende der 7. Woche, kurz nach dem ersten Ultraschall, stoppte. Leider hat mein Körper davon nichts mitbekommen. Mir war weiterhin schlecht und der Bauch wuchs dann schon merklich. Die Gebärmutter war schon zwei Finger unter dem Nabel zu ertasten.

Ich versuche es mir irgendwie schön zu reden. "Gut, dass es so früh war", "hat uns sicher viel erspart", "vielleicht war es ein Zeichen, dass wir 'es' eigentlich können, aber es noch nicht der richtige Moment war". Aber unterm Strich finde es trotzdem einfach nur gemein und ungerecht und fühle mich wie eine wütende Elefantenkuh, die alles niedertrampel möchte. #augen

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Hey du!
Ich kann dich gerade gut verstehen - ich habe ähnliche "Symptome" zwischendrin. Meine AS ist jetzt 7 Tage her, wir waren in der 14ten Woche (Baby lebte bis zur 12ten Woche).

Ich habe auch so merkwürdigen "Tatendrang". Irgendwas ändern. Ich musste unbedingt im Wohnzimmer die Möbel umstellen, alles umdekorieren. Alles musste sich verändern, weil ich die Situation wie sie ist schwer auszuhalten finde. Ich glaube das sind Fluchtreflexe des Gehirns. Projekte, irgendwas tun, irgendwas ändern, denn wie es ist ist es nicht gut, so tut es weh.

Termine im Kalender musste ich auch ganz viele löschen. Ich kriege immer noch ständig Werbung angezeigt im Netz. Maxi-Cosi, Babykleidung, Ausstattung, Umstandsmode. Jedes mal bricht es mir ein bisschen das Herz.

Was ich dir nur raten kann ist: Flüchte nicht vor deiner Trauer. Das Thema wird in der Gesellschaft gerne totgeschwiegen oder abgewertet - "war ja noch kein Kind" , "besser jetzt als später", "das wird schon wieder" - wir alle hier haben diese Floskeln schon gelernt, von lieben Menschen die nur Gutes meinen.
Ich bin glücklicherweise in einer Therapiegruppe und konnte meine Trauer dort einen Abend lang intensiv fühlen, teilen und somit zum Teil auch verarbeiten. Ich hatte Menschen um mich die meine Gefühle ernst nahmen, mit mir trauerten, mir sagten wie traurig es sie macht, dass das geschehen ist. Die nahe bei mir waren und vielleicht einfach eine Umarmung schenkten. Die mich nicht dazu bringen wollten "aufzuhören zu weinen", sondern mich respektierten für den Mut dort hinzugehen, meine Tränen zuzulassen und um mein totes Kind zu trauern.

Ich kann dir nur raten das gleiche zu tun. Weine wenn dir danach ist und lasse die Trauer zu. Denn egal was dir andere Menschen sagen die ihre Gefühle lieber in Kisten packen anstatt sie auszuhalten - du hast ein Kind verloren, einen schweren Schlag erlitten, und es ist völlig in Ordnung zu trauern. Es ist sogar nötig. Für dich und deine Gesundheit.