Jetzt bin ich auch einer von "den Anderen"

"Das passiert nut den anderen" denkt man. Man liest die Berichte von Betroffenen, denkt aber nie daran, dass es einen selbst treffen kann. Man freut sich, fühlt sich wohl, plant voraus. Aber das Leben ist ein widerliche Verräter.

In der 8. Woche sind wir zusammen beim Ultraschall. Wir waren gespannt, was man erkennen kann, ich wollte unbedingt meinen Freund dabei haben, um ihm den Moment des ersten sichtbaren Herzschlag nicht vorzuenthalten. Und wir waren so froh, dass alles gut aussah. Entwicklung ist wie es soll, der Herzschlag ist kräftig.
Wir freuen uns wie verrückt, es ist ein absolutes Wunschkind.
Da mein Vater schon Familienurlaub plant für den Zeitraum des Geburtstermins, und wir sowieso ein Essen anstehen haben mit beiden Eltern-Paaren, machen wir es daher früh bekannt. Wir weisen darauf hin, dass noch alles offen ist. Wir kennen das Risiko. Aber innerlich denken wir "das passiert doch nur den Anderen".

Ich fühle mich gut, der Bauch wächst. Ich habe wenig Beschwerden, ernähre mich gesund, nehme meine Vitamine.

Kurz vor Weihnachten machen wir einen Abstecher zum Babymarkt - mal schauen, vielleicht kann man kurz vor Jahresende ein Schnäppchen in Sachen Kinderwagen machen. Warum im Frühjahr für teuer Geld kaufen, wenn es jetzt "Restposten" günstig gibt.
Der Papa ist total begeistert bei der Sache, fährt diverse Wagen durch den Laden Probe und sagt "komm, lass uns den nehmen, der ist super!!" Die Verkäuferin ist hin und weg vor so viel väterlichen Begeisterung.
Bekannte haben günstig ein Kinderbett abzugeben, gedanklich wird das Zimmer eingerichtet. Und wir warten gespannt auf das nächste Bild. Denn der Bauch wächst und wächst. Ich bin entspannt und fühle mich wohl.
Zu Weihnachten gibt es von der Tante in spe einen Strampler. Selbst meine nicht so Enkel-begeisterte Mama ist langsam total infiziert mit dem Baby-Virus.

Püntklich zu Beginn der 13. Woche nun der erste Kontrolltermin. "Alles klar, dann hüpfen Sie mal auf die Liege" und ich freue mich, dass ich nicht wieder die Hose runterlassen muss. Die Ärztin ist nicht zufrieden. "Hmmm... Vielleicht ein Eckenjocker?! Das gefällt mir nicht, ich würde doch gerne doch lieber vaginal schnallen"
Mein Hirn schaltet bereits in Autopilot, ich weiss doch, was das heißen soll, aber dass ist unmöglich. Das passiert nur "den Anderen".
Die Ärztin schallt. Und sucht. Und findet eine schöne große Fruchthöhle. Nur das Baby, das gibt es nicht. Also, schon. Aber nicht so wie es sein soll. Die Ärztin misst. SSL 1,5cm. Gerade einmal 2mm mehr als beim ersten Ultraschall. Auch Herzschlag ist keiner zu finden.
Den Krankenschein lehne ich ab. "Nein, danke. Auf der Arbeit bin ich wenigstens abgelenkt."
Die Ärztin ist - Gott sei Dank - entspannt. "Wenn es stärker als sonst zu Periode blutet, fahren Sie ins Krankenhaus. Ansonsten schafft sie Natur das von alleine."
Um einen Eingriff will ich auf jeden Fall herumkommen, ich habe nicht viel gutes davon gehört. Ich hoffe nur, die Natur arbeitet jetzt einfach schnell.

Mein Freund ist auf der Arbeit. Auf dem Weg zu ihm rufe ich meine beste Freundin an. Ich weiss nicht, wie ich die Strecke im Auto bis zum Arbeitsplatz meines Freundes schaffe. Aber ich komme an.
Dort hole ich erstmal 2 Bier im Kiosk nebenan.
"Schatz. Mach mir bitte JETZT. SOFORT. dieses Bier auf. Und trink deins" Ich weiss nicht wie ich es sonst sagen soll.

Nach dem Abendessen stehe ich vom Tisch auf. In dem Moment rinnt es mir nass aus dem Schoß. Kein Blut. Vermutlich Fruchtwasser. Ich schlafe mit einem Handtuch untergelegt. Ich kaufe Erwachsenenwindeln, um unterwegs nicht meine Klamotten vollzubluten. Ich trage eine Einweisung ins Krankenhaus mit mir rum, falls die Blutungen zu stark sein sollten. Ich funktioniere. Irgendwie.

Der Babymarkt ruft an." Ihr Kinderwagen ist abholbereit!" -" Vielen Dank. Ich komme heute noch vorbei." Bekannte holen mich ab, um mit mir zusammen hinzufahren. Mein Freund ist arbeiten, er soll das nicht mitbekommen.
Auf dem Heimweg haben wir eine Panne, das Auto muss geschoben werden. Kurz darauf bekomme ich heftige Schmerzen im Unterleib. Ich spüre, wie ich blute. Zum Glück habe ich morgens eine sexy Erwachsenen-Windel angezogen.
Die Schmerzen nehmen zu. Ich veratme sie stehend auf einen Stuhl gebeugt. Meine Freunde passen auf mich auf.

Damit mein Freund jemanden zum Reden hat, rufe ich seine beste Freundin an. Sie kommt am nächsten Morgen. Wir frühstücken, danach gehen die beiden spazieren. Ich bleibe zuhause, ich habe Schmerzen.

Ich versuche, mich mit Häkel-arbeiten abzulenken. Meine Cousine erwarten in den nächsten Tagen, vielleicht sogar Stunden, ihr Kind, ich muss das KUSCHELTIERE fertig bekommen.
Gegen Nachmittag treibt mich der Schmerz aufs Klo. Ich merke, wie der Schmerz alles rausschiebt. Und nachdem ich spüren konnte, wie mein Kind - wenn auch nur ein Zellhaufen von 1,5cm Größe- aus mir rausgepresst wird und im Klo verschwinden, brauche ich erstmal einen Schnaps. Oder 2. Oder 3. Direkt aus der Flasche.
Damit habe ich nicht gerechnet. Man weiss, wie groß 1.5cm sind. Und trotzdem habe ich keine Sekunde daran gedacht, dass man das merken wird.
Aber man tut es.
Und nun ist es endgültig.

Ab heute bin ich auch eine von "den Anderen".

Ich habe 4 Wochen lang ein totes Kind in mir getragen. Ich habe mich darauf gefreut, Wir haben uns darauf gefreut. Und jetzt ist es endgültig vorbei.
"Machen Sie sich keine Sorgen, Sie können sofort wieder schwanger werden!"
Nur ob ich das will, muss ich mir noch überlegen.



Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas mal passiert. Das passiert schließlich immer nur "den Anderen".
Ich rede mir ein, dass die Natur schon ihre Gründe gehabt haben wird. Und nicht einfach so ein lebensfähiges Kind sterben lässt. Und trotzdem. Warum ich?

Ich weiss nicht, ob ich das Forum noch einmal besuchen werde bzw. ob ich eure Antworten lesen werde.
Ich weiss, es gibt deutlich schlimmere Schicksale, es hätte mich härter treffen können. Nichtsdestotrotz habe ich ein Kind verloren. Damit muss ich nun leben.und hoffe, dass mich diese Form von Verarbeitung irgendwie weiterbringt.

Ich wünschte, niemand müsste diese Erfahrung jemals machen. Und bin froh, dass es "so früh" passiert ist. Ich wünsche allen Betroffenen, dass Sie daraus stärker hervorgehen, dass Sie von Ihren Partnern so gut gestützt werden wie ich von meinem, dass Sie wissen dass es nicht Ihre Schuld war, und dass es für uns alle ein glückliches Ende nimmt.

" Danke 2018 für diesen Schlag", und "Hallo 2019, wir werden es besser machen!!"

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Es tut mir sehr leid, dass du das auch erleben musstest. :-(
Ich habe auch immer gedacht, dass passiert nur den anderen, die Realität sieht leider anders aus. Ich habe Anfang Oktober meinen Krümel in der 9. SSW ziehen lassen müssen und leider direkt darauf Ende November schon wieder den zweiten in der 6 SSW.
Ich habe mich oft gefragt warum und wieso gerade ich...
Fakt ist (haben mir mehrere Ärzte bestätigt) dass es wirklich sehr häufig zu einem Abort in der 1. Schwangerschaft kommt weil der Körper sich darauf erst einstellen muss; oft ist es sogar nicht nur 1 sondern 2 mal (wie jetzt bei mir).

Nimm dir Zeit zu trauern und das Ganze zu verarbeiten, es braucht eine Weile, aber ich verspreche dir, dass es wieder besser wird (das kann man sich am Anfang gar nicht wirklich vorstellen) #klee

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Was soll man dazu sagen. Mein Beileid, dass du das nun bereits 2 mal durchmachen musstest.
Auch dass der Körper dass beim ersten Mal noch nicht so hinbekommt, habe ich schon gehört. Aber warum ich/ wir? Es gibt so viele Menschen, die sich einen Scheißdreck um Ihre Gedungheit kümmern, Mist in sich reinschaufeln und damit trotzdem ein Kind nach dem anderen bekommen. Es ist einfach nur ungerecht.
Ich hoffe einfach, dass es jetzt überstanden ist, nur nor wenig Blutungen folgen bis der letzte Rest raus ist und es im 2. Anlauf klappt.
Dieser Moment, wo man SPÜRBAR diesem Embryo rauspresst, hat mich eben vollkommen geschockt und ich hoffe, ich muss soetwas nie wieder erleben.

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Das warum begleitet einen auch sehr lange...vor allem wenn man darüber nachdenkt wieviele Frauen rauchen, trinken, sehr ungesund leben und trotzdem gesunde Kinder bekommt.
Lass deine Trauer und Wut auch ruhig raus, mir hat das sehr geholfen.
Irgendwann wird es dann besser und heute denke ich, dass es einen Grund gab warum es so gekommen ist und wohl auch besser war, bevor das Kind hinterher nicht lebensfähig gewesen wäre und wir eine Entscheidung hätten treffen müssen.

An den Moment mit dem Embryo erinnere ich mich leider auch nur zu gut, das hatte ich wenigstens nur bei der 1 FG; ich war so geschockt, dass ich erst tierisch lachen und dann schrecklich weinen musste, weil mich die Situation so überfordert hat.
Bei dir ist das alles noch so frisch, gib dir Zeit!
Ich drücke dir ganz fest die Daumen, dass beim nächsten Mal alles gut geht!#klee

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Hey. Das mit dem embryo "rauspressen" kenme ich. Ich hatte vor meunen beiden Kindern 2 FG. Die erste war ein natürlicher Abgang in der 12. Woche. Aber es hat schon in der 8 oder 9 ssw aufgehört zu wachsen. Ich habe es aber nicht gemerkt. Der natürliche Abgang war der Horror. Ich hatte auch richtige Wehen und habe dann gemerkt wie es in die Toilette "geflutscht" ist. Das war damals sehr schlimm.
Aber du kannst wirklich schnell wieder schwanger werden. Ich habe damals 3 Monate gewartet und bim erstmal im den Urlaub geflogen. Mach es so wie du denkst und dich wohl fühlst. Aber auch du wirst mal ein Kind in deinen Armen halten, denn du kannst schwanger werden und das ist sehr gut...Kopf hoch...
Und Prost 😛

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Ich musste so sehr weinen als ich das gelesen habe. Mein tiefstes Beileid für deinen Verlust. Ich habe fast genau das gleiche erlebt und es hat mich einfach so sehr daran erinnert. Fühl dich gedrückt und bitte nimm den Rat an ruhig traurig zu sein. Ich war am Boden zerstört und habe mir auch ständig eingeredet dass Mutter Natur dies in die Hand genommen hat um mir und dem kleinen Pingu schlimmeres zu ersparen. Trotz allem war es dein Kind und es fehlt, das tut unglaublich weh. Aber trauere ruhig, sei nicht zu gefasst! Deine Seele benötigt es auch, dass du deine Gefühle zulässt.
Bei mir ist es jetzt knapp 1,5 Monate her und es gibt immer noch Tage an denen ich so unfassbar traurig bin und einfach nur weine. Warum ich? Warum kriegen andere ohne Probleme Kinder, die sich weder ordentlich kümmern noch überhaupt Kinder wollten und meins musste sterben?!
Tausend Fragen und auf keine erhält man eine Antwort.

Anfangs hatte ich auch versucht mich mehr oder weniger zu betäuben um den seelischen Schmerz nicht mehr fühlen zu müssen aber früher oder später kommt es hoch.

Ich wünsche dir, dass du wieder die Kraft findest Schwanger werden zu wollen, denn es gibt sicherlich nichts schöneres als ein gesundes Kind in den Armen zu halten.

Ich drücke dich ganz fest, du bist nicht allein.

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Es tut mir so was von leid, dass Du das durchmachen musst.
Ich weiß genau, wie es dir geht. Auch ich hatte letztes Jahr zwei Fehlgeburten in der 9.SSW und in der 12.SSW.
Es gibt nichts, was einem in diesem Moment trösten könnte.
Ich wünsche dir die notwendige Kraft, dieses schlimme Erlebnis zu bewältigen.
Ja, du bist eine „von den Anderen“, aber es gibt verdammt viele von uns. Vielleicht hilft dir das irgendwann einmal

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Ich danke euch allen für eure lieben Worte und natürlich auf mein Beileid zu euren Verlusten. Das Leben ist ein dreckiger Verräter, anders kann ich mir nicht erklären, dass so vielen guten Menschen so etwas schlimmes passieren muss.

Ich war inzwischen 2 mal im Krankenhaus und habe beim 2. Mal doch eine Ausschabung machen lassen - lt. Ärzten war immer noch fast alles drin und ich konnte die Schmerzen nicht mehr ertragen. Ich habe mich so gegen eine Ausschabung gewehrt und wollte es unbedingt natürlich schaffen, aber mein Körper wollte nicht mitspielen. Schon wieder.

Mein Freund war so fürsorglich und liebevoll in den letzten Tagen, es hat mir fast das Herz zerrissen ihn nach dem Eingriff weinend auf dem Flur wiederzusehen. Er hat das Kind genauso geliebt wie ich und wollte trotzdem stark für mich sein. Und es tut mir so leid, dass ich ihn in meiner Sturheit aufgelastet habe, tagelang hilflos meine Schmerzen mitansehen zu müssen.

Jetzt ist es vorbei, das Kind ist definitiv weg. Der Kinderwagen steht im Keller, das Kinderbett ist abgedeckt. Jetzt muss die Krone gerichtet werden, und dann machen wir weiter. Körperlich geht es mir welten besser, ich habe nur minimale Schmerzen wo die Spinale Betäubung gestochen wurde. Und mit der körperlichen Heilung geht es meinem Kopf und auch Herz direkt etwas besser. Es sollte halt nicht direkt beim ersten Mal sein.

Wir sind uns einig, es wird ein Kind geben. Sobald alles verheilt ist, sowohl körperlich als auch seelisch, wird es für uns ein Kind geben. Ich hoffe, dass mein Körper sich halbwegs zügig regeneriert und "freue" mich auf die nächste Periode. Die bedeutet zwar "das Kind ist weg" - aber eben auch "ich funktioniere noch". Wir geben nicht auf, wir lassen uns davon nicht unterkriegen oder auseinanderbringen.

Euch allen vielen Dank, alles Gute, seid stark, stützt euch auf eure Partner, weint zusammen, redet mit Freunden. Und lacht dem Verräter in sein dreckiges Frettchengesicht und macht wunderschöne Babys!
Wir haben es verdammtnochmal verdient, irgendwann ein Baby im Arm zu halten.

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Oh mein Gott...du arme arme arme...es tut mir so schrecklich leid für euch...😢☹☹