Guten Abend meine Lieben
Ich bin so unglaublich erleichtert heute wieder wie gewohnt, Zuhause an meinem Laptop schreiben zu können, dass kann man sich kaum vorstellen.
Für die, die mich nicht kennen:
Ich hatte, nachdem ich zuvor positiv getestet hatte am 15.06. eine schrecklich schlimme Blutung und ging von einem frühen Abgang aus.
Nun möchte ich euch erzählen was sich zugetragen hat und wie es mir - trotz des großen Verlusts- half wieder ein bisschen mehr auf mein Gefühl zu hören.
Ich fasse kurz die Zeit vom 15.06. bis zum 25.06. zusammen.
Nachdem die Blutungen eingesetzt hatten war ich am Boden zerstört für 2 Tage quasi nicht anwesend. Ich brauchte diese 2 Tage um zu weinen, mich in Selbstmitleid zu suhlen, die Welt zu verdammen und mich schließlich wieder aufzuraffen.
Und wie das dann so ist beginnt ganz oft nach so einem "Vorfall" der Arzt-Marathon.
Wer glaubt das in einen Sprint abkürzen zu können, könnte dabei ziemlich auf die Nase fallen.
Nun, wieder zum Kern der Geschichte.
Das HCG fiel, stieg und fiel und die Blutungen kamen und gingen.
Nachdem das erste Mal das Wort " Eileiterschwangerschaft" fiel glaubte ich mir da so einen Schmerz einzubilden. Ich kam mir so dumm vor. Wir Mädels mit KiWu wissen wie heimtückisch und gemein die Psyche sein kann, wie oft bilden wir uns etwas ein!?
Mein liebenswerter, feinfühliger FA leiherte mir einen Deal aus den Rippen, der mir zwar nicht passte, aber absolut sinnvoll war und somit konnte ich nicht Nein sagen.
"Wenn Du Schmerzen hast, gehst Du in die Klinik! Versprochen?" hat er mich mit seiner " Ich-meins-ernst-Fräulein-Stimme" gefragt. Wie gesagt, ich konnte nicht Nein sagen.
Naja, im Gegenzug bekomme ich jetzt immer einen Kaffee wenn ich doch mal im Wartezimmer Platz nehmen muss.
Der 26.06., es ist Freitag. Ich schwöre bei allem was gut und heilig ist meine rechte Seite tut weh!
Es piekt wenn ich mich lang mache oder bücke.....Verdammt! Ich muss ins Krankenhaus. Versprochen ist nun mal versprochen!
Während mein Mann eine Überweisung bei meinem FA abholt packe ich meine Sachen und versuche meine Gedanken zu ordnen. Allerdings vergebens.
Ich lasse mir meine Verzweiflung nicht anmerken, als ich ganz allein und irgendwie verloren den Haupteingang der Klinik ansteuere.
Mein Mann ist ziemlich am Boden, dass er nicht mit darf, aber so ist das eben in Corona-Zeiten. Bin ja auch schon ein großes Mädchen.
Die ersten 30 Minuten war ich damit beschäftigt durch die wirren Gänge zu eiern und mich von einer Station zur nächsten schicken zu lassen.
Es dauert einfach alles so unglaublich lang, aber ich verliere nicht die Geduld. Das hat das Klinikspersonal nicht verdient. Ich bleibe freundlich, bedanke mich immer und versuche jedem ein Lächeln zu schenken.
Endlich habe ich die passende Station erreicht. Dort gebe ich meine Überweisung, meinen letzten HCG-Test und den ganzen anderen Kram ab.....und werde erstmal gefragt ob ICH SICHER SEI SCHWANGER ZU SEIN!!!
"Nee, ich bin zum Spaß hier! Verbringe meine Freitage gerne im Krankenhaus. Wissen Sie ich habe keine Hobbys!"
Die Schwester erkennt den leicht beißenden Sarkasmus und ich lächle wieder freundlich.
Nun warte ich 2 1/2 Stunden um dann zu merken MAN HAT MICH VERGESSEN!
Eine Schwester ruft irgendwann rüber " Tschuldichen Sie, sin' Sie die mit der EU?"
Ähm....Wie bitte? Ich schallte schnell genug und bejahe das und endlich werde ich einem neuen Wartebereich zugeteilt.
Mein graziler Astralkörper - nicht- hat die neue Bank noch nicht berührt, da läuft eine Ärztin im Stechschritt an mir vorbei und ruft : " Dauert noch!! Erst ein Notfall und dann mach ich Mittag!!"
Ich atme lang und tief ein. Was soll's, der Tag ist eh im ....ihr wisst schon.
Was soll ich sagen, es dauert wirklich. Nicht ganz 2 Stunden.
Die junge Ärztin taucht nicht mehr auf, wahrscheinlich habe ich Glück, denn eine wirklich freundliche Oberärztin nimmt sich meiner an.
Sie lässt mich die ganze Zeit reden auch während dem US und dem Abtasten. Ich brauche das einfach, fühle ich mich doch gerade so hilflos und ausgeliefert.
Nach ein paar Minuten ist allerdings klar wo die Reise hingeht. Ich weiß das und sie auch.
Die OÄ bittet mich jetzt NICHT auf den US zu sehen, denn sie sieht etwas,dass ich nicht sehen will.
Im rechten Eileiter liegt mein , anscheinend schon vor einer Weile gegangen, aber immer noch sichtbar.
Ich sehe zwar nicht hin, aber mir kommen die Tränen.
Die Zeit steht für mich irgendwie still. Ich bekomme ein Zimmer, ein OP-Hemd und muss wieder ... Na was wohl? ...Warten.
Es ist 19.20 Uhr, ich habe gefühlt 50 Nachrichten auf meinem Smartphone. Die Familie hat spitz gekriegt dass ich im Krankenhaus bin und verlangt nach Antworten!
Ich reagiere nicht. Morgen ist auch noch früh genug. Keine Lust irgendwas zu erklären oder jemanden zu beruhigen, ich hätte es gerade selbst dringend nötig.
Eine süße Pflegeschülerin schaut ins Zimmer und fragt " Sind Sie die EU?" .... jetzt mal ernsthaft Leute.... Ist es nicht schon schlimm genug? Muss ich mir das jetzt dauerhaft geben?
Aaaaaaber... Ich bleibe freundlich, nicke und klettere verunsichert und leicht zitternd in mein Bett.
Eine weitere Schwester kommt dazu , " Die EU,hm?" , die Schülerin nickt, ich beiße in die Bettdecke, alles wird gut!
Ich habe Angst, mir ist nicht so klar wovor genau, aber Himmel hilf, ich habe Angst!
Der Weg zum OP ist kurz oder es scheint mir nur so, ich überlege ob ich jetzt noch in der Lage bin zu flüchten und wie ich in OP-Hemd und Thrombose-Strümpfen - und sonst nichts- nach Hause komme...
Der Narkose-Arzt ist ein abgeklärter junger Mann. Er fragt nach meinem Namen und Geburtsdatum, okay, DAS bekomme sogar ich noch auf die Reihe.
Als die OP-Schwester fragt ob ich die EU bin schießt mein Puls über die 120er Marke und der Narkose-Arzt schießt mich kurzerhand und unangekündigt ins Land der Träume.
Ich wache erst wieder auf als jemand an mir rumgrabbelt und stelle fest, dass ich schon im Aufwachraum bin. Noch ziemlich benommen sehe ich mich um und stelle fest... Ich bin bei den Hebammen.... Na super! Das brauche ich jetzt! Vielen Dank dafür.
Ganz vorsichtig wage ich einen Blick unter die Decke. Mein Bauch sieht aus als hätten Rambo und ich uns einen Kampf auf Leben und Tod geliefert. Rot, grün, lila und ein hübsches Veilchenblau! Uih! Nicht übel.
Ich bestehe darauf zeitig wieder auf die Beine zu kommen.
In unmittelbarer Nähe zum Kreißsaal fühle ich mich elend und leer und sehr sehr einsam.
Es ist 22.00 Uhr und 3 Stunden muss ich irgendwie totschlagen.
Ich gehe zwar wie auf Eiern, aber tapfer und hoch erhobenen Hauptes den Gang auf und ab und auf und ab. Immer wieder. 3 Stundenlang.
Die Hebammen schauen mich teilweise sehr skeptisch an, als würde ich gleich in meiner Verzweiflung ein Baby klauen
Es ist kurz nach 1.00 Uhr und endlich komme ich auf mein Zimmer.
Ich bin allein und nachdem ich mich lange gehalten habe und mir immer wieder gesagt habe ich sei tapfer und würde das auch bleiben fange ich haltlos das Weinen an.
Nach fast 2 Wochen Hochs und Tiefs schüttelt mich der Weinkrampf am ganzen Körper und wirkt irgendwie befreiend.
Mein ist weg ...und ich kann nach vorne sehen.
Ich musste noch 2 Tage in der Klinik bleiben und bin heute gesund und mehr oder weniger munter entlassen worden, was ich als Glück empfinde, es hätte schlimm ausgehen können.
Ganz davon abgesehen sehe ich aus wie ein Ballon! Ja genau! Ein rot, grün,lila,blauer Ballon.
Und das ist auch das Einzige was wirklich -körperlich- schmerzt. Die 3 kleinen Einschnitte merke ich kaum, das ist schön und irgendwie freue ich mich.
Es kommt jetzt auf Kleinigkeiten an und ich nehme alles Schritt für Schritt.
Das ist mein Plan.
Dieser Beitrag wurde im Laufe eines Tages geschrieben und weiß Gott sehr lang geworden.
Was ich sagen wollte/will ist:
Es ist schrecklich, betäubend und emotional eine der größten Herausforderungen die ich je in meinem Leben durchleben musste und ich werde an der Stelle nicht sagen, dass ich sie nicht mehr missen möchte... Blödsinn! Ich würde es gern für immer aus meinem Gedächtnis streichen, aber sowas geht nicht. Also werde ich daran wachsen!
Ich werde stolz darauf sein mit Blessuren - seelisch wie körperlich- davon gekommen zu sein.
Ich werde optimistisch sein und ein kleines bisschen mehr schätzen was ich habe.
Euch meine Lieben, wünsche ich Stärke und Ruhe und das ihr wachst an allem was euch herausfordert!
" Sind Sie die EU?" oder " Wie ich auf mein Gefühl vertraute"
Es tut mir so leid zu lesen.
Ich danke Dir für den ausführlichen Bericht - er wird sicherlich anderen Frauen in ähnlichen Situationen sehr helfen. Tu Dir was Gutes die nächsten Tage und akzeptiere Deine Trauer.
Strahleface
Hallo,
dein Verlust tut mir unfassbar leid!
Ich kann gut nachfühlen wie es dir geht,denn ich habe genau dasselbe leider schon vier mal erlebt.
Der Inhalt deines Textes ist so traurig und dennoch so ”schön” geschrieben.Schön im Sinne,wie souverän du diese traurige Tatsache meisterst.
Du scheinst ein ganz positiver Mensch und eine starke Persönlichkeit zu sein.
Ich wünsche dir,dass du deinen Verlust verarbeiten kannst und wenn es so weit ist,du eine intakte Schwangerschaft erleben darfst und am Ende ein wundersüßes,gesundes Baby in deinen Armen halten darfst.
LG
Hey du,
mir kamen die Tränen als ich deinen Bericht gelesen habe weil es mich SO sehr an mein Erlebnis und meine Gefühle im Januar erinnert. Deswegen fühl dich unbekannterweise erstmal gedrückt.
Ich kann deine Gefühle sehr gut nachvollziehen, für mich war die ELSS auch das schrecklichste und die emotional größte Herausforderung in meinem Leben. Ich hatte auch einen Ärztemarathon hinter mir, bis es schließlich im Krankenhaus entdeckt wurde. Ich kann mich genau an den Moment erinnern als ich beim US saß und mir gesagt wurde "Ah da sitzt es, ganz deutlich im linken Eileiter, gucken Sie mal" . In dem Moment brachen aus mir nur noch Tränen, ich konnte es nicht glauben. Die Gefühle der Verzweiflung und Machtlosigkeit welche damit einhergingen, haben mich einfach nur innerlich zerrissen.
Und ja, du hast vollkommen recht mit deinem Fazit: solche Situationen helfen uns zu wachsen und an Stärke zu gewinnen. Wichtig ist, dass wir die Kraft finden nach vorne zu blicken und das Negative ins Positive umwandeln.
Ich wünsche dir alles Liebe
Es tut mir unendlich leid für diese Erfahrungen und deinen Verlust. Aber ich fand deinen Beitrag total toll, traurig und witzig 😅ich hoffe ich darf das so sagen...also nicht witzig im Sinne des geschehenen..du weißt bestimmt was ich meine. Der Beitrag hätte von mir sein können" mein Astralkörper hat die neue Bank noch nicht berührt " hi hi.Wegrenneb mit den Trombosestrümpfen herrlich. Ich glaube ich wäre beim dritten " Ist das die EU " ausgeflippt und hätte gesagt ob man das bitte anders nennen kann oder ob sie das Thema Feingefühl ausgelassen haben auf der Ärzteschule. Fühl dich unbekannterweise gedrückt 🤗ich wünsche dir von Herzen viel Kraft für einen Neuversuch und hoffe das es schnell klappt. Klar vergessen wir unsere Babys nicht....aber um sich selbst zu schützen und um nach vorne Blicken zu können müssen wir es ein wenig bei Seite schieben. Viele von uns haben auch noch Kinder zuhause die uns brauchen...Tapfer und stark mit erhobenen Haupt und gerichteter Krone👸 alles alles Gute🍀🍀🍀🍀
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