Unser Leben ist ein Wunder

Hallo in die Runde!

Nun tippe ich nach längerem Überlegen doch diese Zeilen. Ich bin unsicher gewesen, ob das richtig ist, denn ich möchte Niemandem hier in der ganz persönlichen Trauer zu nahetreten oder vorschreiben, was zu fühlen oder zu denken ist. Ich erzähle ein bisschen von mir und möchte damit sagen, dass es dieses berühmte Wieder-gut-Werden gibt. Kopf hoch! Ist für mich natürlich auch ein Weg mit meiner Situation weiterzukommen.

Nach vier Jahren des unerfüllten Kinderwunsches, der mir wirklich die Grenzen des für mich Erträglichen aufgezeigt hat, kam der erhoffte positive Schwangerschaftstest. Es war nur die eine erste ICSI nötig, das war unglaublich. Wir wussten vorher oft nicht, wie es weitergeht; besonders die Wochenenden waren schlimm, wenn keine Ablenkung durch die Arbeit da war, man sich so auf die freie Zeit und das Ausschlafen gefreut hat und dann doch Langeweile aufkam und so gar nichts gut war… Naja, ihr kennt das vermutlich, ätzend ist diese Zeit.
Es hatte aber doch geklappt nach der langen Zeit und unser Sohn kam zur Welt. Bereits vor seiner Geburt wussten wir, dass er eine nicht unerhebliche Erkrankung haben würde und so wurde er per Kaiserschnitt in einem Uni-Klinikum entbunden. Nach wenigen Tagen ist er verstorben, was uns den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Das ganze Theater ging jetzt erst so richtig los – vor der Geburt traute ich mich nie, an diesen Ausgang zu denken, nun war es doch passiert. An die ersten Wochen danach kann ich mich kaum erinnern. Absolutes Chaos: Wann ist der Tag endlich vorbei, damit ich nicht mehr weinen muss heute? Was wäre, wenn er jetzt da wäre? Ich muss schnell zum Friedhof, um ihm nahe zu sein! Er ist so allein; jetzt und vor seinem Tod war er es auch auf der Intensivstation.
Eine Freundin schrieb in einer Beileidskarte, dass man an einem solchen Schicksal erkennen könne, welch ein Wunder das Leben sei. Oh Gott, das hat mich wahnsinnig gemacht, dass mein Sohn dieses Wunder nicht erleben darf. Ich war, glaube ich, ziemlich sauer über diesen Satz. Und irgendwann hatte ich ein bisschen Ordnung in das Chaos bringen können und mir ist aufgefallen, dass ja auch unser Leben, das meines Mannes und mein eigenes, ein Wunder sind. Wir leben. Wir haben es einfach so geschenkt bekommen. Und dieser Gedanke hat mich gerettet. Für unseren Sohn wollte ich nun also unser Wunder „Leben“ behalten, es leben, so gut es geht genießen und eine fröhliche Frau sein, seine fröhliche Mutter bleiben, die ich für ihn sein wollte. Er sollte mich ja nicht am Boden sehen, sondern eben als aufrechte Person.

Oh Gott, das klingt echt hochtrabend gerade… Trauer ist ein großes Gefühl, oder?

Ich spule mal ein bisschen die Geschichte vor: Heute, ein bisschen mehr als zwei Jahre später, sind wir Eltern von Zwillingen.

Es ist irgendwie gut geworden für unsere Familie. Unser erster Sohn ist ein Kerlchen, das mich mit Stolz erfüllt, er ist unser langersehntes erstes Kind, ein Kämpfer, wird immer unser Baby bleiben. Er war sehr krank und konnte nicht leben, das habe ich verstanden. Wir hatten ziemliches Glück, dass wir so jung diesen Verlust hatten, sodass wir weiterhin versuchen konnten, Kinder zu bekommen und es hat geklappt.

Jede, die hier liest, kennt das Gefühl der Trauer und bitte versteht meine Nachricht nicht als übergriffige Anleitung zum Glücklichsein nach einem schweren Verlust. Das Recht verzweifelt und am Ende zu sein, hat Jede. Es dauert auch lange und ist beschissen und schwierig zu ertragen und und und… Nur sage ich leise aus dem Hintergrund für Diejenigen, die sich fragen, ob es wieder besser werden kann: „Jaah, es wird immer besser werden!“

Viele liebe Grüße