Schuldhefühle nach Fehlgeburt

Ich wollte mit euch meine Geschichte teilen, weil es mich innerlich zerreißt...

Anfang März spürte ich beim Tragen unserer 2 Jährigen Tochter plötzlich wie meine Brüsten schmerzten, sobald sie sich dagegen lehnte. Irgendwie wusste ich es direkt. Wir hatten noch keine zweite Schwangerschaft geplant, vielleicht erst ein Jahr später oder so. Demnach war die Überraschung erstmal groß. Der positive SS Test war allerdings keine Überraschung, denn ich habe es schon gefühlt. Für meinen Mann und mich war klar - dieses Kind ist gewollt, es ist unser Schicksal und großes Glück. Denn wir wollten immer zwei Kinder, ursprünglich wollten wir auch einen relativ kleinen Abstand zwischen den Kindern, aber hätten uns noch nicht bewusst dazu getraut, da die ersten Jahre mit unserer Tochter sehr intensiv und anstrengend waren und es erst langsam anfing leichter zu werden. Umso größer war die Freude nach dem anfänglichem kleinen "Schock". Wir fingen an zu planen und zu träumen. Irgendwie spürte ich auch direkt, dass es diesmal ein Sohn ist. Bis ca zur 20 ssw war alles super, lediglich die übliche Schwangerschaftsübelkeit plagte mich die ersten drei Monate. Aber ab Mitte Mai begann ich immer wieder einen harten Bauch zu spüren. Mein Frauenarzt meinte, dass Kontraktionen normal wären. Per Ultraschall und CTG sah immer alles gut. Allerdings empfahl er mir immer wieder, bei jeder Vorsorge alle 3 Wochen, eine Cerclage machen zu lassen. Meine erste Tochter kam in der 32 Ssw, der Grund dafür ist nicht geklärt. Daher meinte er, dass mit einer Cerclage "nicht passieren könne". Noch vor der 15. Ssw war ich im Krankenhaus zur Beratung und wurde heimgeschickt, weil es keine Anzeichen für eine Gebärmutterhalsverkürzung oder -schwäche gab und sie vorbeugend keine Cerclage empfehlen. Ich war ehrlich gesagt froh darüber, weil ich Angst vor der OP und den Risiken hatte. Als ich das nächste Mal Frauenarzt war, hat er sich über das Krankenhaus etwas aufgeregt und meinte, dass es in der Woche viel zu früh wäre, um eine Verkürzung festzustellen. Das würde, wenn dann um die 24 ssw passieren und dann sei nur noch eine Notfall Cerclage möglich, bei der die Risiken deutlich höher wären. Also ließ ich mir eine zweite Überweisung geben und ging in ein anderes Krankenhaus. Dort stimmte man sofort einer vorbeugenden Cerclage zu und empfahl noch zusätzlich einen kompletten Muttermundverschluss. Allerdings sind zwischenzeitlich schon einige Wochen vergangen. Hinzu kam, dass beim Abstrich Dambakterien gefunden wurden, was "an sich nicht schlimm wäre, aber vor der OP alles keimfrei sein müsse". Daher bekam ich antibiotische Zäpfchen und anschließend Milchsäurebakterien und beim 2. Abstrich zwei Wochen später war alles in Ordnung. Allerdings vergingen nochmal 10 weitere Tage nach dem 2. Abstrich bis die OP stattfinden konnte. Ich war bereits in der 20ssw. Einen Tag vorher sowie am OP Tag wurden jeweils weitere Abstriche gemacht, allerdings liegt das Ergebnis immer erst nach 3-5 Tagen vor. Die OP lief gut und ich vertraute den Ärzten. Nach der OP, am Entlasstag, bekam ich die Nachricht, dass wieder Dambakterien im Abstrich waren (also zum Zeitpunkt der OP, genau das, was nicht hätte passieren dürfen). Ich wurde mit weiteren Antibiotischen Zäpfchen nach Hause geschickt. Nach ein paar Tagen bekam ich einen Anruf aus der Klinik, ich solle lieber direkt auf Antibiotika in Tabletten umsteigen, weil das besser wirken würde. Ich ging zum Frauenarzt und ließ mit diese verschreiben. Laut ultraschall war alles ok mit dem Baby. Ich nahm die Tabletten für weitere 5 Tage. Montag Nacht habe ich schlecht geschlafen weil ich oft Bauchschmerzen hatte und am Morgen hatte ich alle paar Minuten einen harten Bauch. Mein Mann fuhr mich direkt ins Krankenhaus in den Kreißsaal. Dort wurde ein Ultraschall gemacht und ich bekam Wehenhemmer per Infusion und Tabletten. Bis in die Nacht wurde es einfach nicht besser. Ich hatte die Hoffnung, dass es einfach dauert, bis die Wirkung sich entfaltet. Gegen 4 Uhr morgens konnte ich endlich einschlafen, weil es mir anfing besser zu gehen. Um 7 Uhr wachte ich auf und fühlte mich gut. Die Ärzte waren auch erleichtert und kurz vor 12 telefonierte ich noch mit meiner Mutter und bat sie, mir ein paar Sachen vorbeizubringen, weil ich sicher noch zur Überwachung bleiben müsse. Kurz nach 12 packte mich ein heftiger Schüttelfrost, wie ich es noch nie erlebt hatte. Begleitet von starker Übelkeit, immer heftigeren Bauchkrämpfen. Dieses Mal erkannte ich die Situation leider richtig. Ich Begriff, dass es das Anfang vom Ende war. Unser Albtraum. Ich übergab mich und bekam 39,5 Fieber innerhalb kürzestester Zeit. Mit Rollstuhl wurde ich zum Untersuchungsraum gefahren. Ich schrie und weinte vor Schmerzen und vor Angst. Ich konnte kaum auf dem Stuhl sitzen, kaum die Beine oben halten vor lauter Bauchkrämpfen. Die Ärzte teilten mir mit, dass die Klinik nicht für solch frühe Geburten ausgelegt ist und es hier wie ein Spätabort behandelt werden würde. Man bot mir an, in eine andere Klinik 40km entfernt verlegt zu werden, wies allerdings daraufhin, dass die dortigen Ärzte auch sehr sehr schlechte Chancen sehen. In der ssw22 mit einer derartigen Infektion läge die Wahrscheinlichkeit für eine Hirnblutung bei über 95%. In der Zwischenzeit wurde mein Mann angerufen, der sofort zu mir kam. Umgeben von zig Ärzten und Hebammen mussten wir uns entscheiden, ob wir in den Kampf gehen oder den Kampf aufgeben. Wir entschieden uns schweren Herzens zu bleiben. Für ihn. Für unsere erste Tochter. Und es tat im Herzen so weh. Wir konnten es gar nicht realisieren. Ich bat um eine PDA, um Schmerzmittel und Lachgas, weil ich das alles so wenig wie möglich mitbekommen wollte. Und bekam doch alles mit. Ich musste unseren kleinen, so gewünschten, Sohn gebären. Bis alle Mittel anfingen zu wirken, war er schon da. Das war das schlimmste Gefühl meines Lebens. Die Hebamme fragte, ob wir ihn sehen wollen und ich meinte, ja
Aber dass ich Angst davor hätte. Sie brachte ihn mir auf die Brust und ich weinte und schluchzte wie ich noch nie geweint habe. Irgendwann traue ich mich, ihn anzuschauen und weinte noch mehr. Es tat mir so leid für ihn. Für uns als Famile. Alle Ärzte, Hebammen und Schwestern waren sehr nett zu uns. Doch was half es... nichts konnte ihn wieder zurückholen. Wir trafen die Entscheidung, ihn selbst beerdigen zu lassen. Mein Mann organisierte es. Ich wäre dazu nicht in der Lage gewesen. In der 22+1 ssw verloren wir unseren Sohn, 480g war er schwer. Ich hätte noch den ganzen Sommer und den Herbst über schwanger sein sollen, doch stattdessen ist mein Körper keine 2 Wochen später so wie früher. Als wenn nichts gewesen wäre. Und dafür hasse ich ihn. Ich hasse auch mich für die Entscheidung, die OP in dem Krankenhaus gemacht zu haben. Denn meiner Meinung nach, wurde in den Infekt rein operiert und dadurch erst die Katastrophe ausgelöst. Ich hatte so Angst vor einer weiteren, eventuell noch früheren Frühgeburt, dass ich den Ärzten vertraut hatte. An eine Fehlgeburt dachte ich nicht im schlimmsten Traum. Und jetzt komme ich mir unendlich blöd und schuldig vor. Wie gern hätte ich ihn lieber vor dem ET entbunden, dafür lebend. Ich komme nicht damit klar, nicht mehr schwanger zu sein. Wir hatten uns schon zu 4. als Familie gesehen. Das kommende Weihnachten wären wir zu viert gewesen... Wie gern würde ich die Zeit zurück drehen und alles anders machen...mir kommt es vor, als könnten wir nie wieder glücklich sein. Aber Glück habe ich auch gar nicht verdient. Ich versuche mich für meine Tocher zusammenzureißen, damit sie weiterhin eine normale fröhliche Kindheit hat, aber das klappt mal mehr mal weniger gut.
In manchen Momenten habe ich das Gefühl, ich möchte so bald wie möglich wieder schwanger werden. Als könnte es mich heilen und mir wieder ein Ziel vor Augen geben. Im nächsten Moment kommt es mir wieder absurd vor. Nichts kann den Kleinen ersetzen. Und ich hätte in einer weiteren Schwangerschaft nur noch mehr Ängste und Sorgen, sie wäre alles andere als unbeschwert. Wahrscheinlich würden auch noch Schuldgefühle hinzukommen, dass wir versuchen ihn zu ersetzen.

Es tut mir leid für den langen Text und ein Danke an alle, die ihn gelesen haben. Ich hoffe es ist der eine oder andere dabei, der mich verstehen kann. Wenn ich auch keinem anderen solche Erlebnisse wünsche..