Taktlose Bemerkungen nach Fehlgeburt

Hallo zusammen,

ich musste durch meine Arbeit meine Schwangerschaft früh verkünden. Leider kam es zu eine Fehlgeburt.
Leider bekomme ich sehr unpassende, manchmal auch respektlose Bemerkungen zu dem Thema.
Letzteres "kannst ja jetzt wieder Alkohol trinken, da du nicht mehr schwanger bist"
oder aber, dass mich jemand aufklären wollte bzgl Coronaimpfung und Fehlgeburten

Ich rege mich über mich selber auf, das ich in dem Moment nicht sagen kann, wie unpassend ich solche Aussagen finde. Ich sage dann meistens nichts und fühle mich ohnmächtig. Habt ihr auch solche Erfahrungen gemacht? Wenn ja, wie geht man damit um? Ich bin an für sich schon sehr schlagfertig, aber bei unangebrachten Aussagen zu dieser Thematik, bleibe ich sprachlos…

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Auch wenn es vielleicht nicht das ist, was du hören willst, aber:
Was soll man denn sagen? Das ist eine wirkliche Frage an dich: Was sollen Personen denn zu dir sagen?
Vermutlich sehen dich deine Kolleg:innen leiden oder ahnen/wissen, dass du traurig bist. Mit Kommentaren wie "jetzt kannst du wieder Alkohol trinken" versuchen sie dich wahrscheinlich nur aufzumuntern und dir irgendetwas minikleines Positives aufzuzeigen - vielleicht, weil sie gehört haben, dass andere Schwangere den Verzicht auf Alkohol in der Schwangerschaft doof fanden oder weil Ihnen selbst Alkohol wichtig ist.
Generell finde ich es wirklich schwierig, in einer solchen Situation das Passende zu sagen. Selbst sein Beileid auszudrücken kommt bei einigen Betroffenen schlecht an - bei den einen, weil sie das Kind noch nicht richtig als Kind sahen und so das Ganze aus ihrer Sicht nur aufgebauscht wird, bei den anderen, weil sie kein Mitleid wollen, da sie nicht als "die Arme" gelten wollen.
Aber wenn man gar nichts sagt, schweigt man das Thema tot und tut so, als wäre nichts gewesen. Und das ist ganz falsch
Irgendwie ist es doch, wie man es macht, verkehrt.

Daher würde ich an deiner Stelle, liebe TE, davon ausgehen, dass kein Kommentar böse gemeint ist (es sei denn, die Person und du mochtet euch schon vor der Fehlgeburt absolut gar nicht). Ich würde mich bedanken und anschließend in friedlichem Tonfall etwas sagen in der Art (ohne ABER in der Mitte - "danke, aber" vernichtet das "danke" sofort): "Danke für deine Aufmunterung. Weißt du, ich muss das Ganze erstmal verarbeiten. Es wäre toll, wenn wir einfach über ganz normale, alltägliche Dinge sprechen könnten." (Oder so etwas ähnliches mit Hinweis, wie sich die Person zukünftig verhalten sollte.) Vielleicht sprichst du abends auch mit deinem Partner darüber, um eine andere Sicht auf den Kommentar zu bekommen.
Wenn du so etwas für die Zukunft vermeiden möchtest, schreib doch vielleicht eine Mail an alle (oder kommunizier es anders), wie du behandelt werden möchtest. Das kostet Kraft, hilft den anderen aber, sich für dich angemessen zu verhalten, und du wirst nicht wieder vor den Kopf gestoßen.

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Hallo Lienchen,
danke für deine Antwort! Wirklich 💓
Tatsächlich versuche ich mit dem Tabuthema möglichst offen umzugehen. Schon alleine weil es wirklich sehr viele Leute wussten, wegen der Arbeit. Der Gedanke, darüber offen zu sprechen, tat mir gut und es gelingt mir auch darüber zu reden. Größtenteils wurde darauf auch sehr emphatisch reagiert und es gab auch einige die selbst eine FG durchgemacht haben und davon erzählt haben. Das tat sehr gut, sich auszutauschen.

Mir geht es aber darum, respektvoll mit dem Thema umzugehen. Ich wurde zB. unter anderem auch in der Küche von einer MA vor anderen MA ausgefragt, während sie sich ein Butterbrot geschmiert hat. Ich habe nicht wirklich geantwortet, weil ich dieses Verhalten so unangemessen und unangenehm fand. Letztendlich ärgere ich mich über mich selbst, da nicht klar ne Grenze aufgezeigt zu haben.
Naja und gestern die Aussage "lass uns was trinken, du bist ja nicht mehr schwanger" war wie ein Stich ins Herz. Jetzt im Nachhinein wäre es das beste gewesen, denjenigen über die Aussage aufzuklären, aber dafür hatte ich gestern keine Kraft.

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Hallo liebe Naila,
unter diesen Umständen kann ich vollkommen verstehen, dass du ärgerlich bist. Es tut mir sehr leid, dass du zusätzlich noch diese Erfahrung machen musstest.
Aber ganz ehrlich? Ich finde, dass du dich gut verhalten hast. Wenn du klar widersprochen hättest, käme bei besonders solchen Leuten leicht die Aussage hinter deinem Rücken "Bei der spielen die Hormone wohl grad komplett verrückt", "Zimtzicke", "Typisch Frau" oder etwas ähnliches "nettes". Und offen gesagt glaube ich auch nicht, dass du mal eben einen guten Spruch raushauen kannst, wenn du gerade überrumpelt bist. Dafür bist du vermutlich einfach nicht der Typ. Und das ist vollkommen okay. Und dann kommt es noch auf den richtigen Tonfall und die richtige Körperhaltung an, sonst merkt man schnell, dass der Satz zurechtgelegt wurde und es wirkt eher albern. Es gibt nun einmal die schlagfertigen Frauen, und es gibt die (temporär) leiseren, zurückhaltenderen Frauen.
Die Reaktion Schweigen, vernichtender Blick und ohne ein Wort weggehen finde ich gerade bei dir gut. So läufst du nicht Gefahr, dich zu sehr aufzuregen, und behältst zudem noch dein Gesicht. Eventuell könntest du anschließend der Person gegenüber eine Zeitlang betont professionell, d.h. ohne Herzlichkeit, sondern eher distanziert auftreten. Wer das nicht versteht und sich nicht zumindest ein wenig schämt, ist so unsensibel, dass man ihm oder ihr vermutlich auch durch Aufklärung nicht weiterhilft.
Beim Angebot, einen trinken zu gehen, kannst du gerne auch etwas in die Richtung sagen, dass Alkohol Gehirnzellen zerstört, wenn du dich stark genug fühlst, á la "Nein, vielen Dank. Alkohol zerstört Gehirnzellen (oder irgendeine andere unschöne Tatsache über Alkohol - da gibt es einige), daher meide ich ihn." Das hat den Vorteil, dass es bei deiner (hoffentlich bald) nächsten Schwangerschaft nicht auffällt, wenn du nichts Alkoholisches trinkst (zumal ja auch schon bei Kinderwunsch geraten wird, darauf zu verzichten). So musst du vielleicht nicht mehr so früh Bescheid sagen und ersparst dir in der noch unsicheren Anfangszeit blöde Kommentare.
Eventuell könntest du dich anschließend bei lieben (schweigsamen) Freundinnen/Verwandten/deinem Partner ausgiebig über den oder die Idi*ten auskotzen. Das kann manchmal echt gut tun, besonders wenn die andere Personen dir beipflichtet, wie idi*tisch dieses Verhalten war.
Du bist stark, denn du überstehst/hast gerade eine Fehlgeburt überstanden, dein wunderbarer Körper hat das gemeistert, und bist trotzdem wieder auf der Arbeit. Andere lassen sich lange krank schreiben. Und jetzt hast du alles Glück verdient. D.h. Idi*ten werden (nicht nur) erstmal gemieden, wo es geht, und die Arbeit möglichst angenehm gestaltet.
Ich wünsche dir alles Liebe.

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Ja, habe ich auch so erlebt.
Die meisten Menschen wissen einfach nicht, was sie sagen sollen. Das ganze Thema ist ein ganz großes Tabu in unserer Gesellschaft. Manche versuchen es dann zb mit unangemessenem Humor. Das mit den Impfungen habe ich auch erlebt und auch sehr gestört.
Versuche es nicht so persönlich zu nehmen.
Wenn es nachhaltig Freundschaften oder Arbeitsverhältnisse bei dir belastet, würde ich es schon ansprechen in einem guten Moment, ansonsten hake es ab.

Meine persönlich schlimmste Erfahrung war übrigens ein guter Freund, der mir völlig überzogen die Freundschaft kündigte, weil ich ihm (noch) nichts von der FG erzählt hatte und er es von wem anders erfuhr. Dabei wusste ich es selbst erst seit 24h.
Ich habe dann beschlossen, dass ich einen solchen Freund auch nicht brauche.

Alles Gute dir!

Bearbeitet von MareiK
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Ja. Direkt von der Ärztin, welche die MA feststellte. Als ich grade vom Stuhl rutschte sagte sie: „Sie sind ja noch jung, und können noch viele Kinder bekommen.“

Danke aber grade in dem Moment wollte ich mein eines, mein erstes Kind wieder und es nicht in der 10. Woche verlieren, um ein anderes zu bekommen.

Zudem finde ich es sehr taktlos da sie ja gar nicht wissen kann wie schnell / einfach man schwanger wurde. Kann ja auch ein längerer Weg gewesen sein..

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Diesen Spruch habe ich sehr sehr oft zu hören bekommen. Ich glaube das ist so ein Spruch um Hoffnung zu machen, bzw. die Person weiß nicht was sie sagen soll.

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Meine Ärztin war auch so ein Typ.
Bei der Kontrolle nach der AS fragte sie mich, wie es mir geht... Und ich sagte: "Naja... Nicht so gut" und sie meinte direkt: "Haben Sie Schmerzen?"
Auf meine Antwort, körperlich ginge es mir gut, kam dann: "Seien Sie doch froh. Sie hätten doch kein behindertes Kind haben wollen."

Danach wollte ich noch den Arztbericht der AS, weil ich irgendein Dokument haben wollte, in dem mein Kind genannt ist. Das gab Getuschel und ich musste einen Euro blechen. Danach war ich nie wieder dort.

Dieses Sternchen trug ich schon am Tag meiner Hochzeit unter meinem Herzen, als der Standesbeamte von "Familie" sprach lächelten mein Mann und ich uns an.. jeder Blick auf die Hochzeitsbilder erinnert mich daran.. Die AS war zehn Tage vor Weihnachten, wollten es an Weihnachten der Familie erzählen.. Dieses Kind bedeutete uns so viel.. und dann kommen von der Ärztin solche Sprüche.

Manche haben irgendwie ihren Beruf verfehlt. Und die Ärztin war spezialisiert auf Betreuung bei Kinderwunsch/Schwangerschaft... Tzz..

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Ich hab nach meinen Fehlgeburten auch viele Kommentare als mindestens unsensibel empfunden. Was man in dieser Situation hören will bzw. kann, ist wohl sehr individuell. Das ist für mich der Hauptgrund, nur engen Bezugspersonenen früh von der Schwangerschaft zu erzählen, weil man denen gegenüber auch leichter kommunizieren kann, was man sich wünscht. Zuzugeben, dass bestimmte Kommentare einen verletzen, ist ja auch eine Selbstoffenbarung, die ich insbesondere bei der Arbeit nicht gewollt hätte (und daher mehr als froh bin, dass dort nie jemand von den Fehlgeburten erfahren hat, was bei dir ja leider keine Option ist, wenn man von Beginn an ins BV möchte). Ich persönlich würde deshalb nicht versuchen, mich groß zu erklären oder besonders schlagfertig zu sein, sondern eher verdeutlichen, dass ich über das Thema nicht sprechen möchte.

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Hey,
klassische Sprüche wie „ach, jetzt kannst du wenigstens wieder Alkohol trinken“ und „du bist ja noch jung“ kenn ich zu gut. Ich konnte am Anfang auch nicht reagieren. Habe mir daher Antworten überlegt wie „Hmmm…macht den Verlust jetzt auch nicht weg“ oder „Hmm, ich bin noch sehr traurig und da ist Alkohol für mich keine gute Lösung“. Das hat mir geholfen.

Was mich aber richtig umgehauen hat, war ein Gespräch mit meiner Schwiegermutter kurz nachdem ich erfahren hatte, dass ich eine MA in der 11 SSW hatte. Sie sagte in etwa:

„Puhhh…also meine Tochter wäre ja richtig am Boden zerstört, wenn ihr das passiert wäre. Oh Gott, wenn ich mir nur vorstelle, wie es ihr damit gegangen wäre…Gott sei Dank ist IHR das nicht passiert. Meine Tochter wollte aber auch schon immer Mutter werden, das war ihr größter Traum und hatte jetzt nicht so die Karriere im Kopf wie du. Aber Karriere kann auch erfüllend sein, vielleicht überlegst du dir das ja nochmal mit den Kinder kriegen. Tante zu sein, ist ja auch schön.“

Danach folgten Beispiele von Verwandten, die kinderlos geblieben sind und was für ein tolles erfülltes Leben sie doch führen und ich mir daran ein Beispiel nehmen kann.

Das war so ein schlimmes und verstörendes Gespräch. Ich weiß immer noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Vor allem bin ich grad mal Anfang 30 und es war meine erste SS, die auch geplant und gewünscht war.

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Hallo liebe Aurelia,

meine Herzfrequenz ist gerade rasant in die Höhe geschossen nach der Story mit deiner Schwiegermutter. Wie taktlos kann man denn bitte sein? Ich frage mich da wirklich… machen die Menschen das extra? Was sind die Beweggründe so etwas derart ekelhaftes zu sagen?
Es tut mir so so leid, dass du diese Erfahrung machen musstest! Die Basis zur Schwiegermutter ist doch nach so einer Bemerkung komplett zerstört, oder? Keiner, außer wir Sternenmamis wissen wie schlimm und schmerzhaft dieser Verlust ist. Jede Person, die diesen Schmerz degradiert, wäre für mich gestorben.