hallo,
ich habe mit meinen sohn (6 jahre) echt ein problem. er möchte immer und überall der erste und beste sein. wenn er etwas nicht zu 100 % kann, dann fängt er es auch nicht an. er ist jetzt in die schule gekommen und ich habe angst, das es dort noch schlimmer wird. der arzt redet von perfektionismus und wir soll ihm immer sagen er ist er und kein anderer. er vergleicht sich auch immer mit anderen! morgens möchte er als erster beim schulbus sein. damit er auch als erster einsteigen kann. dafür würde er auch schon am liebsten ein stunde vorher aus dem haus gehen. beim schwimmunterricht/verein sind jungen in seiner gruppe die 12-13 jahre sind, die haben schon das goldabzeichen und er selbst bronze. das kann er nicht ertragen, dass er dort nicht der beste ist, deshalb möchte er da nicht mehr hin!!! jedesmal habe ich theater mit weinen und bauchschmerzen. die letzten beiden nächte hat er eingenässt, weil er weiß das heute wieder schwimmen ist. mein kinderarzt sagt, wir sollen ihn weiterhin hin schicken, weil er es lernen muss, das er nicht immer der erste und beste sein kann. aber wenn er nachts um halb vier wach wird, weil er sich schon verrückt macht, ob die jungs beim schwimmen sind, oder nicht. das kann es doch auch nicht sein, oder??? hat hier jemand erfahrung oder selber ein kind was einen so hohen anspruch an sich selber hat?
über jede antwort bin ich dankbar!!
immer der erste und beste sein
Bei Schulnoten ist meiner ziemlich extrem. Jede Nicht-Eins gleicht einem Weltuntergang. Ist aber mit dem Alter stückchenweise besser geworden. Wobei selbst jetzt (11 Jahre) eine Zwei reicht, da können dann durchaus mal zu Hause Tränen fließen [was so rein gar nicht zu ihn passt] und er sich den restlichen Tag in sein KiZi verbarrikadieren. Man kriegt ihn aber im laufe des Tages wieder aufgepeppelt.
Aber grundsätzlich haben wir nichts gefunden, was man dagegen hätte machen können. Alles reden, erklären o.vgl. hatte keinen Erfolg, außer ihn halt kurzfristig wieder aufzupeppeln. Ich kann auch schlecht beurteilen, wie viel Schuld meine Frau und ich daran tragen. So ganz unschuldig sind wir da ganz bestimmt nicht bei. Aber - die letzten 5-6 Jahre Schule rücklickend ... hat eigentlich ziemlich gut funktioniert. Bei uns haben sich da einfach ein paar "Aufpeppel"-Ritualien entwickelt. Was ziemlich makaber ist, da er für "schlechte" Noten irgendwie belohnt wird
Ich hoffe, Sie bekommen noch mehr antworten; ist nämlich ein Thema, dass mich selbst schon sehr lange beschäftigt.
Zu Ihrer Schwimmsituation: Ich würde ihn aus den Verein rausnehmen, wenn er dort nicht mehr hinmöchte und sich dass so allmählich psychosomatisch auswirkt. Ein Trauma heilt ja auch nicht davon, in dem man das Trauma wöchentlich neu erlebt. Ist es denn die einzige Situation, wo sich das dermaßen extrem auswirkt? Klar kann man nicht alles meiden, aber, wenn das Schwimmen jetzt genau eine der Situationen ist, die momentan gar nicht gehen; würde ich da Rücksicht drauf nehmen. Er hat ja schon Bronze - es gibt Kinder in dem Alter, die gar nicht schwimmen können.
Hallo,
sind Sie sicher, dass Sie das Verhalten Ihres Kindes durch die "Aufpeppel-Rituale" nicht noch verstärken?
Aufbauende Worte sind sicher nichts schlechtes... doch es hört sich so an, als könne sich Ihr Kind darauf verlassen, dass es für sein "Notendrama" mit viel fürsorglicher Aufmerksamkeit belohnt wird.
Letzten Endes wird es damit in seiner Sichtweise bestärkt: "Die 2 muss wirklich schlecht sein, wenn ich jedesmal sooo dolle getröstet werden muss!"
Vielleicht sollten Sie den umgekehrten Weg versuchen. Ihrem Kind sagen: "Eine 2 ist keine schlechte Note. Das haben wir dir nun oft genug erklärt."
Und es einfach mal schmollen lassen...?
Eher gegenteilig - wir sind uns sogar ziemlich sicher, dass unser Verhalten da eine sehr große Rolle bei spielt. Wie geschrieben - dass es makaber ist - ist uns durchaus bewusst.
Wir haben hier schon die unterschiedlichsten Sachen versucht, in dem wir versucht haben, alles auszuschließen, was es unserer Meinung nach sein könnte. Es hatte nur keinerlei Auswirkungen auf unseren Sohn. Wenn wir nichts tun, steigert er sich so lange in diese Note rein, bis er am Abend/in der Nacht dann mit erhöhter Temperatur, Bauchschmerzen/Durchfall, Übergeben etc. (also das volle Programm um 1 Uhr morgens) [zumindest früher] bei uns im Schlafzimmer stand. Mittlerweile würde er das einfach „runterschlucken“ und das alleine ausbaden. Also, er braucht da keine Eltern mehr für.
Als er noch in der Grundschule war, hatten wir hier ziemlich viel experimentiert. Wir hatten wohl einfach Muffensausen, dass sich später auf dem Gymnasium die Noten zwangsläufig verschlechtern könnten und wir dann jede Woche so ein Drama hätten. Hat sich bisher glücklicherweise nicht bewahrheitet.
Mittlerweile sehen wir das schon eher gelassen. Es ist - im vergleich zu den letzten beiden Grundschulklassen - besser geworden, und, es scheint keinerlei negative Auswirkungen zu haben. Er ist total selbstbewusst und freudig bei jeder neuen Klassenarbeit dabei. Und ansonsten: In jüngeren Jahren hat eigentlich gereicht, seinen ins KiZi zu lassen - dann war er bei seinem Weltuntergang in sehr guten Pfoten. Und natürlich, sich viel von den Eltern verwöhnen zu lassen. Ist ja nicht so, dass wir nicht gerne unsere „kranken“ Kinder wieder aufpäppeln. Gerade, wenn man ein Kind hat, dass unter normalen Umständen ohnehin nichts mehr von seinen Eltern wissen will. Mittlerweile reicht es eher, Abends viel zu kuscheln, ein bisschen zu reden und einen schönen Film zusammen zu gucken; oder ein Gesellschaftsspiel o.ä. zu spielen. Einfach irgendwas, was ihn ablenkt. Dass das durchaus eine verstärkende Wirkung haben wird, ist uns durchaus bewusst. Nur, wenn wir es nicht täten, wird es nicht besser, sondern, endet dann abends gesundheitlich (beliebig oft reproduzierbar).
Und, dass eine 2 eine wirklich tolle Note ist, auf die man ebenfalls stolz sein kann etc. haben wir ihn oft genug erklärt. Mal sehr ausführlich, mal eher „kurz, knapp und leicht genervt“ i.S.v. „finde dich endlich damit ab; Punkt“. Der langfristige Erfolgsgehalt davon scheint jedoch gegen 0 zu sein.
Auf jeden Fall vielen Dank für Ihre Antwort. Es ist ungemein hilfreich, hier mal Meinungen objektiver Dritter zu hören.
lg
David
Das ist vielleicht auch etwas ungeschickt "Goldkinder" mit "Bronzekindern" zusammen trainieren zu lassen. Ich kenne das nur getrennt. Für deinen Sohn, mit einer geringen Frustrationsgrenze, ist das natürlich noch anstrengender. Vielleicht gibt es einen anderen Schwimmverein in deiner Nähe. Die DLRG bietet z.B. getrennte Kurse an.
LG Lisa
Hallo,
ich kann dir keinen direkten Tipp geben, denn mein Kind ist anders, aber ein Schulfreund ist auch so ein Perfektionist. Ich kenne seine Mama gut und weiß, wie schlimm er sich selbst unter Druck setzt, er kann zum Beispiel 4 Std Hausaufgaben machen, weil er alles perfekt ausmalen und schreiben will, man bekommt ihn da nicht weg, es ist schon fast ein Tick und ein Zwang bei ihm. In der Schule ist er auch so überkorrekt und dadurch mega langsam. Die Lehrerin meinte, man sollte ihm nur eine bestimmte Zeit geben und danach "muß" er fertig sein mit den Hausaufgaben, sonst schafft er es später gar nicht mehr.
Ich denke du solltest es nicht noch mehr unterstützen, indem ihr immer die ersten am Bus seit, sonst herrschen bei euch Zwangshandlungen. Vielleicht hilft es auch, wenn ihr Gesellschaftsspiele spielt und er nicht immer gewinnt. Ihn stärken du bist in einer Sache und in einer anderen Sache ein Anderer. Ihm vielleicht auch erklären (nur als Beispiel), dass es bei euch in der Arbeit Kollegen gibt, die eine Sache "besser" können und du kannst etwas anderes, nur so kann man sich ergänzen, besonders wenn es um Teamarbeit geht. Ihm auch erklären, ihr seit auch nicht perfekt und macht auch Fehler, das ist normal. Nur mal so ein paar Anregungen von mir.
LG
Hallo, vielleicht hilft das weiter:
In der Praxis begegnen wir oftmals Menschen, die durch ihr perfektionistisches Verhalten komplexe Schwierigkeiten entwickeln.
Das Fundament zu perfektionistischen Verhalten liegt in den verschiedensten Ursachen begründet.
Die aufgeführte Thematik (Hochbegabung) ist hier als eine Ursachen benannt. Die Auswirkungen gehen m.E. jedoch auch bei anderen Grundlagen in die gleiche Richtung.
(Das erwähnte "Kind" kann also in weiten Teilen ersetzt werden durch "Mensch".)
Perfektionismus
Definition:
Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen als Ziel alles sittlichen Wollens .
Nach Silvermann ist perfektionistisches Verhalten Hochbegabter eine direkte Folge der ausgeprägten Fähigkeit zum abstrakten Denken. Perfektion ist ihr zufolge nämlich ein abstraktes Ideal, das aus dem Bewusstsein darüber entsteht, was möglich ist.
So geben sich hochbegabte Kinder oftmals erst zufrieden, wenn eine Aufgabe perfekt gelöst ist und sie mit dem Ergebnis 100% zufrieden sind. Hierbei gehen sie außerordentlich selbstkritisch vor und können teilweise eigene Fehler oder Schwächen anderer schwer akzeptieren. Ihre erfolgsmotivierte Ausrichtung lässt ein „Versagen“ in ihren Augen nicht zu. Aufgaben die zu schwer erscheinen, werden so erst gar nicht in Angriff genommen.
Erkennungsmerkmale perfektionistischer Kinder
• Hoher Selbstanspruch
Hohe Anforderungen kombiniert mit Detailgetreue und Korrektheit sind von großer Bedeutung. Bei Misserfolgen werden diese dem persönlichen Versagen und der eigenen Unfähigkeit zugeschrieben.
• Angst vor Fehlern, Unsicherheit
Durch den hohen Selbstanspruch und der eigenen stark ausgeprägten Selbstkritik wird das eigene Handeln übermäßig stark bewertet. Infolge dessen entsteht Angst, Fehler zu machen.
• Ordnungsliebe
Ordnung und Organisation spielen eine übergeordnete Rolle
• Langsamkeit
Durch einen perfektionistischen Arbeitsstil kommt es zur Verlangsamung der Arbeitsweise. In Klassenarbeiten werden die gestellten Aufgaben oftmals nicht in der vorgegebenen Zeit gelöst.
• Geringe Frustrationstoleranz
Werden die Kinder ihren hohen Ansprüchen nicht gerecht, reagieren sie häufig mit Verzweiflung, Wut, Aggression.
• Geringe Übungsbereitschaft
Das Kind erwartet zu Beginn der gesetzten Aufgabe Erfolge. Erkennt es, dass sich dieser Erfolg nicht einstellt, fällt die Leistungsmotivation ab. Es zeigt keinerlei Motivation zur Übung. Dem Kind mangelt es an Geduld und Ausdauer.
Der Ursprung von Perfektionismus wird in zwei Lerntheoretischen Ansätzen zu erklären versucht:
Operantes Konditionieren / Verstärkungslernen
Perfektionistisches Verhalten wird erlernt im Umgang mit Eltern und anderen Bezugspersonen/ Lehrern, die selbst perfektionistische Züge aufweisen. Gute und außergewöhnliche Leistungen werden mit Lob und Anerkennung positiv verstärkt, Fehlern und Versagen wird mit Abweisung und Strafe begegnet.
Es entsteht eine Verbindung zwischen dem Verhalten des Kindes (Perfektionismus) und der Konsequenz (Lob, Anerkennung, Tadel, Strafe). Es wird konditioniert (durch Verstärkung erlernt).
Das Kind hat gelernt, dass es bei Fehlern mit Verlust von Liebe und Anerkennung zu rechnen hat. Es möchte Fehler unter allen Umständen vermeiden und entwickelt große Angst, diese zu machen. Es entsteht eine immer größer werdende Kluft zwischen dem eigenen hohen Erwartungsstandard und den tatsächlichen Leistungen.
Lernen am Erfolg / Modell lernen
Eltern und andere Bezugspersonen dienen Kindern als Modell. Durch Imitation und Beobachtung dieser lernen Kinder sowohl Verhaltensweisen als auch Emotionen. Haben Kinder perfektionistische Eltern, ahmen sie diesen nach in z.B. Ordnung und Organisation.
Perfektionismus ist bei hochbegabten Kindern meistens kein Resultat der Erziehung, sondern entsteht quasi natürlich aus der Begabung heraus. Als positive Eigenschaft dient er als Antriebsenergie für große Leistungen. Blockiert der Perfektionismus Leistungen indem das Kind aufgrund einer niedrigen Frustrationstoleranz z.B. unglücklich wird, bedarf es wirksamer Hilfe. Voraussetzung der Hilfsangebote ist, Perfektionismus als persönliche Eigenschaft des Kindes zu respektieren. Wird die Nutzung produktiv umgesetzt, gilt es bestimmte Aspekte zu berücksichtigen:
• Setzen von Prioritäten
Das Kind lernt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
• Erleben von Zufriedenheit
Das Kind entdeckt, dass nicht alles in seinem Leben auf Leistung bezogen ist (es gibt Aktivitäten, die Spaß machen und nur des Spaßes wegen gemacht werden).
• Erfahrung von Vertrauen
Das Kind erlebt, dass Eltern, Lehrer usw. Vertrauen in seine Fähigkeiten haben, es auch bei Misserfolg unterstützen.
• Akzeptanz der eigenen Fehler
Fehler werden nicht als Versagen erlebt, sondern als Lern-erfahrung.
Ist das perfektionistische Verhalten so stark ausgeprägt und wird das Kind in seiner gesamten Entwicklung blockiert, nimmt es zwanghafte Züge an. Empfindet das Kind sein Verhalten selbst als Ich-fremd, bedarf es an dieser Stelle einer gezielten Psychotherapie.
Kognitive Verhaltenstherapie
Hierbei lernt das Kind, dass es für Misserfolge nicht ausschließlich allein verantwortlich ist und daraus resultierende negative Erfahrungen zu verallgemeinern z.B. „ Ich kann überhaupt nichts“ . Positive Aspekte werden heraus gearbeitet und kognitiv als Erfahrungsgewinn umstrukturiert.
Personzentrierte Psychotherapie
Das Kind lernt durch Wertschätzung, Akzeptanz und Selbstkongruenz
des Therapeuten, Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.
Petra Grunden-Böing / HPP
Münsterstr. 72a
46397 Bocholt
www.petra-grunden.de
Auszug aus der Facharbeit:
Problemstellungen bei Hochbegabung ,
Beratungsinterventionen und Möglichkeiten der Hilfe
copyright P.Grunden-Böing
...echt interessant.
Ich habe auch so ein kleines Exemplar davon zu Hause.Lasse ist 7 und unheimlich ehrgeizig.Dabei steht er sich manchmal selbst im Weg.In der Schule ist er super.Da will er auch immer der erste sein der z.b mit der Aufgabe fertig ist und so.Schlimm ist es auch beim Fußball.Wenn seine Mannschaft verliert ist er am Boden zerstört.Er ist Stürmer und muß immer die Tore schießen.Wenn das nicht klappt dann .Er ist da oft so verbissen.Ich und mein Mann versuchen ihm zu erklären er soll einfach Spaß haben und mal verliert man und mal gewinnt man.So ist das Leben.Aber für ihn zählt nur der Sieg.
Es ist schon manchmal schwer.Aber ich versuche mit ihm zu reden und manchmal klappts auch.Ich hoffe das wird noch besser.
L.g Tina
Hey,
ich empfinde das Verhalten deines Kindes als schon sehr ausgeprägt. Es geht ihm schlecht und dieser Druck beschäftigt ihn auch schon Tage vorher, das ist in meinen Augen bedenklich...
Ich weiß ja nicht, wie sein Selbstbewusstsein bzw. sein Selbstwertgefühl ansonsten ausgeprägt ist aber ich würde dir eine Ergotherapie vorschlagen...
Auf jeden Fall musst du irgendwas machen, denn sonst weitet sich das höchstwahrscheinlich zu einem ernsten Problem aus. Nicht nur das Kind auch die Probleme wachsen mit...
lg Tanja
Hallo,
mein Sohn selber ist nicht so aber ein anderer Junge aus seiner Klasse/Freundeskreis/Sportvereinen ist ähnlich.
Es gibt immer Theater wenn die Kinder spielen..er will immer die erste Geige spielen, die Freunde auf seine Seite ziehen, die Aufmerksamkeit der Erwachsenen, der Beste/Schnellste und Stärkste sein......die KInder sind schon völlig angenervt und fangen an ihn zu meiden.
Ich weiß nicht in wie weit die Eltern eine Rolle spielen....vielleicht fördern einige das, wenn auch unbewußt.
Zumindest ist es sehr stressig für alle!
LG Z.