Hallo!
Bis vor wenigen Wochen war das Wort Dyskalkulie für mich ein Fremdwort bzw. ich hatte es bis dahin noch gar nicht gehört. Und nun wird es von der Klassenlehrerin meiner Tochter benutzt, wenn sie von ihr redet.
Bei unserem ersten Elterngespräch erzählte sie mir, dass meine Tochter (7) etwas langsam beim rechnen ist. Dass sie noch immer ihre Finger benutzt (1. Klasse) und manchmal den Zehner vergisst aufzuschreiben. Das liege aber daran, dass bei ihr vielleicht noch nicht der Knoten geplatzt ist.
Zwei Wochen später sah das ganze schon ganz anders aus. Da war das Verhalten meiner Tochter im Unterricht plötzlich ein Problem. Wegen ihr würden die ganze Klasse auf der Stelle treten und sie habe mit Sicherheit Dyskalkulie. Ich sollte mich mal erkundigen und dann meine Tochter testen lassen. Plötzlich war von dem Knoten, der vielleicht noch nicht geplatzt ist keine Rede mehr ...
Okay, sie benutzt beim Rechnen die Finger aber das ist für mich kein Zeichen von Dyskalulie. Wenn ich ihr Rechenaufgaben im zwanziger Zahlenraum stelle (mündlich) dann bekomme ich auch die richtige Antwort. Sie hat so ein LÜK mit 24 Plättchen und da rechnet sie auch ...
Kann es sein, dass sie einfach unter großem Druck in der Klasse steht und es deshalb dort nicht klappt. Wer kann mir aus eigener Erfahrung erzählen, wie man Dyskalkulie beim eigenen Kind erkennt. Ja, manchmal vertauscht sie den Zehner und den Einer beim aufschreiben ... aber tun das andere Kinder nicht auch?
Danke für´s Zuhören ... und vielleicht hat ihr ja mal jemand einen Tipp ...
Kleiner. Stern.
Erfahrung mit Dyskalkulie?
Hallo,
ich habe zwar keine Ahnung von Dyskalkulie, aber ich denke, dass es bei Deiner Tochter noch im normalen Rahmen ist. Meine verdreht auch schonmal die Einer und die Zehner. Sie sind halt gerade mal im ersten Schuljahr. Verkehrt machen kannst Du aber ja eigentlich nichts, wenn Du es mal überprüfen lässt, wenn es nicht so ist, weisst Du für Dich Bescheid und wenn es so sein sollte, bekommt Deine Tochter die optimale Förderung von Anfang an.
Was meiner Tochter sehr geholfen hat, sind die Tipps aus dem Buch "Neues Rechnen-neues Denken" von Christina Buchner.
Sie rechnet mit ihren Schülern mit 5er Schüsselchen und 10er Säckchen. Anfangs ein bisschen Herumprobiererei für uns Erwachsene, aber den Kindern macht es Spass und das Rechnen fällt ihnen leichter damit.
Sie erzählt bspw. die Geschichte vom 5er Räuber, der die Zahl 5 so sehr liebt, dass er sie immer aufessen möchte. Bzw. man rechnet mit einfachen Holzperlen, die für den Zahlenräuber aber Knödel sind. Man nimmt ein Schüsselchen und schaut bei jeder Aufgabe unter 10, dass man irgendwie die Aufgabe zuerst auf das 5er Schüsselchen aufteilt, damit er etwas zu essen hat.
Z.B. 3 + 5 : Man legt links 3 blaue Perlen (Knödel) und rechts 5 rote Perlen hin. Daneben stellt man das 5er Schüsselchen. Das Kind soll zuerst mal überlegen, was es am besten als erstes tut, damit der Zahlenräuber seine Schüssel voll kriegt. Es soll dann die 5 roten in die Schüssel legen und die 3 blauen rechts daneben. So sieht es direkt, dass es 8 sind.
Die Aufgabe 4 + 3 rechnet man so: Man legt wieder 4 blaue nach links, 3 rote nach rechts, dann überlegt dass Kind, wie es am schnellsten die Schüssel vollkriegt. Es soll die 4 blauen in die Schüssel legen und noch eine rote dazulegen. Dann hat es ein 5er Schüsselchen und daneben noch 2 einzelne rote Perlen. Man sieht wieder auf einen Blick, dass es 7 sind.
Bei Minusaufgaben nimmt man nur eine Perlenfarbe. Die Aufgabe 7-3 rechnet man folgendermassen: Man teilt 7 Perlen (Knödel) so auf, dass man ein 5er Schüsselchen voll hat für den Räuber und legt 2 Perlen daneben. Sollen 3 weggenommen werden nimmt das Kind zuerst die 2 Perlen und noch eine Perle aus der Schüssel weg. Es bleiben 4 übrig, leider kein Essen für den Räuber, die 4 Perlen müssen lose auf den Tisch gelegt werden.
Bei Aufgaben über den Zehner kommt die kleine Schwester des Räubers ins Spiel, sie will ihm immer die 5er streitig machen, dass findet der Räuber gar nicht lustig und zankt sich deshalb immer mit ihr, bis ihm die Idee kommt, dass sie alle 10er haben kann. Diese werden in Säckchen gesammelt (Gefrierbeutel)
Z.B. die Aufgabe 7+5: Am besten nimmt man 2 Schüsselchen und legt die Aufgabe zuerst. Die 7 besteht aus einer 5er Schüssel und 2 Perlen daneben, die 5 kann sofort in das andere Schüsselchen gelegt werden. Nun wäre es ja für den Räuber zu schön, 2 Schüsselchen für ihn, aber pustekuchen, die 2 Schüsselchen können ja zu einem 10er Säckchen zusammengeschüttet werden. Hier freut sich dann die Schwester. Und leider bleiben auch nur 2 Perlen übrig, die neben dass Säckchen gelegt werden, wieder nix für den Räuber. (Hier kann man als Trost für den Räuber anschliessend eine Aufgabe rechnen, die 15 ergibt, also einen Zehnersack für die Schwester und eine Schüssel für den Räuber)
Man sieht nun einen 10er Sack und daneben 2 Perlen. Sofort ist für das Kind ersichtlich, dass es 12 Stück sind. Und genauso, wie der Sack und die Perlen auf dem Tisch liegen, wird das Ergebnis aufgeschrieben: Eine 1 für "einen Zehnersack" und eine 2 für "zwei Knödel".
Wenn man nach diesem System arbeitet und sich diese Mühe antut, kann das Kind schon nach einigen Wochen schnell im Kopf rechnen und sich dabei die Zahlen bildlich vorstellen. Wir machen dass zwischendurch im Auto, aber sie soll dabei immer laut erzählen, wie sie sich die einzelnen Schritte vorstellt.
Lieben Gruss, Celia.
Genauso
Hallo Celia,
vielen lieben Dank für Deine Antwort. Ja, ich hoffe, dass es bei meiner Tochter noch im Rahmen liegt. Wir warten nun auf den Rückruf einer Therapeutin, die sich mit der Materie auskennt und die Kinder auch testet. Leider ist sie derzeit überlastet und wir müssen auf den nächsten freien Termin warten.
Von diesem Buch habe ich schon gehört. Leider ist das überall ausverkauft und eine Neuauflage wird es wohl nicht mehr geben. Ich habe hier vor ein paar Tagen schon im "Marktplatz" eine Anfrage gestartet, aber bisher habe ich noch niemanden gefunden, der das Buch zum Verkauf anbietet.
Aber vielen lieben Dank schon mal für Deine Erklärungen - vielleicht kann ich ihr es so auch schon etwas näher bringen.
Ganz lieben Gruß zurück
Diana
Huhu,
sollte die Lehrerin das Fingerrechnen oder zählendes Rechnen als todsicheres Zeichen für Dyskalkulie genannt haben, hat sie anscheinend nicht sooo viel Ahnung von Rechenschwierigkeiten. Lass dich also nicht verunsichern!
Wenn das zählende Rechnen sich verfestigt, KANN es ein Zeichen für Rechenschwierigkeiten sein - was auch nicht automatisch mit der (psychiatrischen) Diagnose Dyskalkulie gleichzusetzen ist.
Für die Lösung vom zählenden Rechnen gibt es hier http://www.uni-bielefeld.de/idm/serv/foerderkartei.pdf ein paar gute Spiele.
Wo das Problem deiner Tochter genau liegt bzw. welche Knoten noch Platzen müssen, ließe sich sicherlich diagnostisch klären – es gibt Test- und Beobachtungsverfahren für die mathematische Entwicklung. Ich würde mal bei der Lehrerin nachhaken, woran sie ihre "Diagnose" genau festmacht!
Alles Gute
Hallo,
Rechnen mit den Fingern ist - besonders in der ersten Jahrgangsstufe - mit Sicherheit KEIN Zeichen für Dyskalkulie. Zumindest dann nicht, wenn das alles ist, was die Lehrkraft als Begründung für eine derartige Vermutung ins Feld führt.
Auch, dass sie vergisst, die Zehner zu notieren, wäre für mich eher ein Hinweis auf Schussligkeit bzw. Konzentration als auf Dyskalkulie.
Anzeichen für eine Dyskalkulie (hab sie 2003 mal zusammengeschrieben für eine Konferenz) sind:
? Unsicherer Umgang mit Zahlen bei Rechenvorgängen.
? Zahlenfolgen werden nicht beherrscht, bes. beim Rückwärtszählen.
Aber auch bei Zahlenbeziehungen (Vorgänger, die Hälfte, das Doppelte)
? Kinder schätzen oder raten einfach
? Ziffern werden seitenverkehrt geschrieben 6-9, Stellenwerte werden vertauscht 79- 97.
? Verwechseln ähnlicher Zahlen
? Falsches Übertragen und ungenaues Ablesen. Auslassen von Zahlen
? Verwechslung von Rechenzeichen, z.B. >,<
? Stark erschwertes Lernen des 1x1
? Zwischenergebnisse werden nicht behalten
? Zehnerübergänge bereiten Schwierigkeiten
? Versagen im Umgang mit Mengen und Größen
? Bei Brüchen werden nur die augenscheinlichen erfasst: ½, 1/3, ¾
? Das Sachaufgabenverständnis scheitert an der Umsetzung der entsprechenden Rechenoperation
? Reihenfolge von Teilschritten zur Lösung wird nicht eingehalten
? Fehlerhafte Zerlegung in Einzelschritte: 6 X 17 = 6 X 10 + 6X6 + 1X7
? Probleme beim Umrechnen von Größen
Liebe Grüße,
delfinchen
Ups, an der Stelle, an der die ? stehen, war in meinem Dokument eigentlich ein Kästchen, das man bei Bedarf ankreuzen konnte ....
Kannst auch mal einen Blick hierauf werfen:
http://www.schulberatung.bayern.de/schulberatung/index_05467.asp?suchbegriff=dyskalkulie&x=0&y=0
ziemlich weit unten - Folie 6 steht dabei.
Hallo Kleiner.Stern.,
zunächst mal halte ich es für unerheblich, ob per Test das Etikett nachher heißt "Rechenschwäche"/"Dyskalkulie" oder auch nicht. Das hilft dem Kind nicht weiter.
In dem Artikel: "Rechenschwäche verstehen"
http://www.rechenschwaecheinstitut-volxheim.de/resi.html
wird einfach beschrieben, was es heißt, dass Kinder erhebliche Rechenschwierigkeiten haben. Verfestigtes Zählen und Verdrehen von Z und E ist nur ein Indiz für solche erheblichen Verständnisprobleme. Auch Kinder, die später keine größeren Probleme mit Mathe haben, können solche Anfangssymptome aufweisen - und Zählen für sich genommen ist noch kein Problem. Wenn Kinder dann allerdings mangels Verständnis, nur noch zählen und ewig lange Zeit brauchen, um z.B. zweistellige Additionen zulösen - dann allerdings hat das Kind ein Problem.
Gruß yacofred