extreme Schüchternheit, trotzdem Gymnasium?

Wir leben in der Schweiz, an der Grenze zu Deutschland.
Hier in der Schweiz besuchen die Kinder sechs Jahre Grundschule, dann (zwei bis) drei Jahre Orientierungsschule, danach Berufsausbildung oder vier Jahre Gymnasium. Übertritt an Orientierungsstufe und Gymnasium ist mit Aufnahmeprüfung und Probezeit verbunden.
Drei unserer Kinder besuchen seit der 5. Klasse das Gymnasium in Deutschland, 20 Minuten mit der Bahn von hier in der nächsten Stadt.

Nun stellt sich die Frage, welchen Weg unser jüngster Sohn beschreiten soll. Er besucht die 4. Klasse, ist extrem schüchtern (genauer gesagt Mutist), sehr klein, sehr zierlich, Jahrgangsjüngster. Vom Aussehen her geht er locker als 6jähriger durch. Er schlägt sich aber tapfer durch, ist sehr zielstrebig, sehr beliebt, ehrgeizig, fleissig, selbstständig, Klassenbester. Er selber möchte unbedingt endlich ans Gymnasium nach Deutschland, Englisch bilingual und ab der 6. Latein sind seine Träume.

Wir selber? Haben wirklich Angst, ob er das emotional packt. Hier hätte er eine halb so grosse Schulklasse als er am Gymnasium hätte, kurzer Schulweg, kennt alle Kinder und würde seinen Lehrer noch zwei Jahre behalten.
Nächste Woche wäre Anmeldung am Gymnasium, in uns sperrt sich alles dagegen. Dürfen wir entgegen den Wünschen unseres Sohnes entscheiden? Rechtlich dürfen wir das, ganz klar, aber eben.....
Um Gedankenanstösse wäre ich sehr froh, auch um Erfahrungsberichte mit Kindern auf die die Beschreibung unseres Jüngsten passt.

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Finde ich eine total interessante - wenn auch schwierig zu beantwortende - Fragestellung…

Meiner Meinung nach … als ihr Jüngster hat ja 3 ältere Geschwister, die allesamt diesen Gymnasialweg in Deutschland bestreiten. Ich denke mal, alleine deshalb hat er schon einen wesentlich besseren und realistischeren Eindruck von diesem Weg (was dort also auf ihm zukommt), den er beschreiten möchte, als beispielsweise andere 4. Klässler in seinem Alter. Auch schreiben Sie, dass er selbst unbedingt endlich - sicherlich auch, wie seine Brüder - auf ein Gymnasium in Deutschland möchte und sich dort auch Ziele und Träume gesetzt hat. Ich finde das - für einen so kleinen Drei-Käse-Hoch eine ziemlich bewundernswerte Einstellung (können Sie stolz drauf sein!). Auch sollte man hier m.M.n. den Geschwisterfaktor berücksichtigen … wenn alle seine Geschwister diesen Weg bestreiten und er das einzige Kind in ihrer Familie ist, dass den Weg eben nicht bestreiten darf (Weil Mama und Papa ihm das nicht zutrauen) … ich glaube nicht, dass das der Entwicklung eines Kindes hilft.

Das wären für mich persönlich dermaßen viele Gründe, warum ich hier die Meinung und die Wünsche eines 4. Klässlers respektieren und vor allem auch sehr sehr ernst nehmen würde und ich mich nur noch anders entscheiden würde, wenn ich mir sicher wäre (oder ich es wenigstens für unendlich wahrscheinlich hielte): »Das kann nicht funktionieren«. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Sie hier zwar eine durchaus berechtigte und begründete Angst haben … aber mehr auch nicht. Mich würde hier mal interessieren: Hatten Sie die gleiche Angst vielleicht auch schon, als Ihr Sohn damals eingeschult wurde? Denn, das scheint doch - so wie sich ihr Beitrag ließt - auch sehr gut funktioniert zu haben. Auch fände ich interessant zu wissen … ich kenn mich dort jetzt rechtlich in kleinster Weise an: »Nehmen wir mal an, sie stellen dort nach einem halben Jahr fest: Das war die falsche Entscheidung und das funktioniert in kleinster Weise … können Sie ihn dann wieder zurück in die Schweiz - gar in seine alte Klasse - kriegen, oder, müsste er dann einfach durch das deutsche Schulsystem wandern, egal, ob er das schafft oder nicht schafft?«

Mit Kindern, die auf die Beschreibung ihres Sohnes passen, habe ich leider keine Erfahrung. Ich habe - hauptsächlich früher - aber viel mit Kindern und deren Eltern in der medizinischen Forschung gearbeitet und dort … jetzt mal ohne eine Wertung … eher den Eindruck gesammelt, dass Eltern dazu neigen, ihre Kinder zu unterschätzen und zu sehr überbemuttern. Mit dem Gymnasium habe ich hingegen schon ein paar Erfahrungen … ich denke, dass ist dort genau so rauh, wie jede andere 5. Klasse in Deutschland auch (bei Trennung nach der 4.). Das werden Sie aber sicherlich auch schon bei ihren Großen bemerkt haben. Jedenfalls erweckt mir ihr Beitrag hier eher den Anschein, als, müsste man dort - von der Schulleistung her - bei ihrem jüngsten keine großen Sorgen haben und das Problem eher dann »Eine neue Situation; neue Schüler/Kinder; neuer Schulweg« sind … haben Sie denn irgendwie das Gefühl, dass, wenn ihr Sohn dort noch 2 Jahre mehr Zeit für eine solche Trennung hätte, dass dann signifikant besser läuft? Oder ist das eher nur so ein »Wir würden dieses übel lieber noch 2 Jahre nach hinten schieben, aber, dass es kommt, lässt sich nicht vermeiden«?

Was den längeren Schulweg angeht … also sie beschreiben Ihren Sohn als recht pfiffig und auch selbstständig … irgendwie klingt das für mich so, als, würde er das schaffen. Da würde ich ihn dann einfach mit einem Handy ausrüsten, falls er noch keines hat. Und sich in so einer neuen Klasse - wenn auch mit Hindernissen - zurechtzufinden … das hat Ihr Sohn doch schon einmal geschafft, und, er muss es sowieso noch ein zweites mal schaffen. Warum also nicht gleich? Zumal ... ich denke mal, wir sprechen von dem selben Gymnasium, wo auch ihre 3 Großen schon waren/sind, oder? Das heißt, sie haben dort ja sicherlich auch einen Eindruck, wie Kompetent genau diese Schule mit Kindern/Problemen etc. umgehen kann. Gab es dort denn mal so Situationen, die man hier auf Urbia häufiger ließt (Irgendwie läuft dort ganz gewaltig etwas schief nur ... niemanden scheint es zu interessieren? ... oder nimmt man die Sorgen und Probleme/Ängste der Eltern dort genau so ernst, wie man das damals auf dem Gymnasium gemacht hat, wo mein Kurzer gelandet ist?

Also eigentlich ist das eine Entscheidung, die sich ausschließlich am Kind orientieren sollte: Sie kennen Ihren Sohn am besten … was halten denn seine Lehrer von der Idee, diesen Gymnasialweg zu gehen? Vielleicht auch mal den Kinderarzt fragen ... also nicht gerade Omi/Opi, sondern jemanden, der dort einen etwas objektiveren und distanzierteren Eindruck von ihrem Sohn hat? Grundsätzlich aber - als objektiver Betrachter - aus dem, was Sie geschrieben haben (ohne ihren Sohn jetzt wirklich zu kennen) … ich würde mich dort nicht mehr gegen seinen Wunsch stellen und mit ihm gemeinsam riskieren, sich niemals 100%tig sicher sein zu können, ob es nun die richtige oder die falsche Entscheidung war.

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Ich erlaube mir, den Text auszudrucken und ihn als Gesprächsgrundlage zu nehmen um mit meiner Familie nochmals alles durchzudenken.

Ich muss gerade daran denken, wie das bei unserer zweitältesten Tochter war, sie musste um jede gute Note kämpfen, hatte auditive Wahrnehmungsstörungen und Wortfindungsstörungen, plus Legasthenie. Therapien ohne Ende, an sie geglaubt hat eigentlich niemand so richtig. Nur sie, unerschütterlich verfolgte sie ihren Traum, ging einen wirklich steinigen Weg, schaffte es (in der Schweiz) an die Sekundarschule, schaffte es ans Gymnasium, immer wieder nur knapp, mit vielen Rückschlägen. Wir Eltern begleiteten und unterstützten sie so gut wir konnten, oft ohne selber so ganz zu glauben, dass sie es packt, wir wurden von Schulleitungen, Psychologen und Lehrern als realitätsfern und verblendet beschimpft, weil wir den Weg mit ihr gingen. Bei der Matura gehörte sie zu den Klassenbesten. Sie studiert nun in Zürich an der ETH....

Sieht so aus, als müssten wir nun nochmals bedingungslos eins unserer Kinder auf seinem Weg begleiten, trotz eigener Bedenken, eigener Ängste. Bisher hatten wir bei ihm trotz aller Vorzeichen nie ernstzunehmende Bedenken, die Fachleute schon, für uns war bisher bei jedem Schritt sonnenklar, dass er es schafft. Eingeschult wurde er, ohne je ein Wort mit anderen Erwachsenen ausser uns Eltern gewechselt zu haben, sogar wenn er auswärts übernachtete schwieg er. Zwischenzeitlich redet er ausserhalb der Familie, leise und jedes Wort durchdacht, aber er spricht.

Mit dem in Frage kommenden Gymnasium haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Es ist die Grösse, welche uns etwas beunruhigt, der Schritt vom Schulhaus mit knapp 100 Schülern zur Schule mit 1500 Schülern.

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Hallo

mit den Bedenken würde ich ihn da lassen wo er jetzt ist.

lg

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hallo!
kann er an einem gym hospitieren? dann könnte er sich alles einmal "live" ansehen! auch würde ich mit seinen jetzigen lehrern sprechen.
wenn er jetzt erst in der 4. klasse ist, hat er doch noch 2 weitere jahre auf der grundschule..oder nicht?!
kann er auch nach den 2 jahren auf das gym wechseln? vielleicht wäre das eine möglichkeit.
lg

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Warum habt Ihr um ihn Angst? Weil er klein und zart ist?

Er scheint sehr mutig und sehr "taff" zu sein. Ein Kämpfer. Ich bin von diesem kleinen Menschen beeindruckt und berührt. Er scheint mir - Deiner Erzählung nach - emotional nicht so leicht aus der Bahn zu schlagen - aber da kennt Ihr ihn als Eltern natürlich besser.

Die Idee zu hospitieren finde ich sehr gut. So habt Ihr und er eine reale Vorstellung.

Ich hätte als Mutter (von 3 Söhnen) auch in dieser Situation Angst, aber wenn mein Kind so brennen würde, würde ich ihm sein Traum erfüllen.

Freja

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Hallo,

kann er am Probeunterricht teilnehmen?

Die Schule bei uns vor der Haustür war bis zum Probeunterricht eine Option für meinen Sohn. Danach nicht mehr.

Ruf im Gymnasium an und bitte um einen Probetag.

LG Marion

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Die Schullaufbahn in der Schweiz ist in jedem Kanton unterschiedlich. In meinem Kanton war es ziemlich anders, das nur mal so nebenbei und ich habe auch gerade an der Grenze zu Deutschland gewohnt.

Ich würde die Tatsache hier, dass er wirklich ans Gymnasium möchte und Ziele hat und eine Idee davon hat durch seine grossen Geschwister höher gewichten, als die eigenen Befürchtungen. Durch seine Motivation und seinen Ehrgeiz hat er aber den besseren Start am Gymnasium, da es ihm wahrscheinlich auch über ein paar Hindernisse hinweg helfen wird.

Als Eltern würde ich dann halt versuchen den Jungen zu unterstützen.

Meine Schwester übrigens - die, als sie 10 Jahre alt war noch für ein Kindergartenkind gehalten wurde - ist klein, zierlich, Bambiaugen bis zum geht nicht mehr, intelligent, immer die Jüngste und wahrscheinlich nicht halb so ehrgeizig wie dein Sohn hat die Bezirksschule und das Gymnasium (in der Schweiz) ohne Probleme geschafft - sie hatte immer eine super Klasse und Glück mit den Lehrern. Das heisst, das Umfeld spielt schon eine Rolle, aber du kannst das nicht beeinflussen.

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Hallo,

ich sag immer, wenn alle schüchternen Kinder nicht aufs Gymnasium geschickt werden würden, wäre es verdammt leer da.

Wenn Du das Gefühl hast, er packt es, dann solllte er aufs Gymnasium gehen.

GLG

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Ich danke euch allen von Herzen für eure Antworten, Gedanken und Anregungen, hilft mir/uns wirklich weiter!

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Hi, ich habe das gerade gefunden...ist zwar für das österreichische Schulsystem gedacht, aber der Grundgedanke, zu gucken wo steht mein Kind, damit kann wohl jeder was anfangen.

Im Link ist darüber ein kleiner Test, dazu

http://www.schulpsychologie.at/fileadmin/upload/bildungsinformation/volksschuleunddann.pdf