Erfahrungen mit ADS/ADHS weiterführende Schule?

Liebes Forum,

ich brauche dringend Tipps und Erfahrungen von Leuten, die Kinder mit Konzentrationsstörungen (ADS/ADHS) haben oder auch von Lehrern, die an der Schule mit solchen Kindern arbeiten, bestenfalls in NRW.

Mein Sohn (11) hatte schon immer Konzentrationsstörungen in der Schule. Es war in der Grundschulzeit immer so, dass es je nach Lehrer mal gut, mal nicht gut lief mit ihm. Er ist keiner, der von sich aus Unruhe stiftet, wenn alles ruhig ist, aber wenn andere in seinem Umfeld unruhig sind, macht er sofort mit, weil er eben sehr leicht ablenkbar ist und das für ihn dann auch interessanter ist. Leider kann er da bis heute nicht bewusst gegensteuern, es passiert ihm unbewusst und er merkt dann oft gar nicht (oft auch später als die anderen), wenn es unpassend ist, hört dann auch nicht mehr auf, bis man ihn zur Räson bringt.

Jetzt ist er gerade in die 6. Klasse Gymnasium gekommen und es ist schlimmer denn je. Wir sind schon seit der 5. Klasse beim Kinderpsychologen in Therapie und Diagnose, Verdacht ADS/ADHS steht im Raum, ich habe lang gezögert, es mit Ritalin zu probieren, aber da die 6. Klasse nun, kaum dass das Schuljahr 1 Woche läuft, schon mehrere (!) Fachlehrerbeschwerden uns wieder beschert hat, sehe ich mich nun gezwungen, das zu versuchen mit Medikamenten, und mein Sohn will das auch, weil er unter seinem “Anderssein” und den ständigen Ermahnungen und gefühltem Kontrollverlust sehr leidet.

Was ich hier suche sind nun Eltern oder auch Lehrer, die mir ihre Erfahrungen mitteilen können. Wie hat die Gabe von Ritalin Eure Kinder und den Alltag in Schule und privat verändert? Gab es Nebenwirkungen und wenn ja, wie machten die sich bemerkbar? (Ich weiß, welche es gibt, aber ich möchte wissen, wie oft sie auch im Normalfall auftreten und wie sie aussehen.) Nimmt die Schule Rücksicht darauf, wenn sie weiß, dass das Kind ein ADS/ADHS-Kind ist? Stichwort Inklusion, bringt es was, mit einer entsprechenden Diagnose an die Schulleitung zu treten und eine Nachteilsausgleich zu beantragen? Ich bekomme z.Zt. trotz der Tatsache, dass die Schule weiß, dass mein Sohn in Behandlung ist und eine Konzentrationsstörung diagnostiziert wurde, ständig weitere Beschwerden über seine mangelnde Konzentration und weiß nicht, was ich machen soll und was die von mir erwarten, ich kann das doch nicht abstellen, wenn es ADS/ADHS ist.

Mein Sohn hat IQ-Technisch alle Voraussetzungen, das Gymnasium zu schaffen (wurde getestet beim Psychologen) und die Noten der 5. Klasse waren auch OK. Trotzdem habe ich das Gefühl, er ist an der Schule und bei den Lehrern inzwischen unerwünscht und man möchte uns zum Wechsel drängen mit den ständigen Beschwerden. Ich denke auch vermehrt drüber nach, weil es mich so fertig macht, dass es immer wieder dieselben Beschwerden über sein Verhalten gibt, obwohl wir das alles schon erklärt haben zigfach. Ich weiß nicht, was man von mir erwartet, in Gesprächen kann oder will man mir diese Frage auch nicht beantworten bisher.

LG und danke!

sie71

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Mein Mittlerer ist 12 und hat (leichte) ADS. Er war in der 5. Klasse auf dem Gymnasium, aber er wurde non stop unter Druck gesetzt, er wurde "fertig" gemacht, saß weinend neben mir beim Elterngespräch, während die Lehrerin weiter auf ihn einschimpfte (er war da grade 10 !!) und so weiter.
Durch diesen Druck hatten wir uns ständig in der Wolle und er bekam körperliche Probleme, wie starke Kopfschmerzen mit Erbrechen und Übelkeit.
Wir machten dem Spuk dann nach der 5. Klasse ein Ende, wahrscheinlich hat die Lehrerschaft ne Pulle Sekt aufgemacht, aber das Seelenheil meines Sohnes war mir wichtiger.
Jetzt geht er in die 7. Klasse einer Gesamtschule und ist glücklich! Er kann in SEINEM Tempo arbeiten und kommt gut mit, ohne sich krum zu machen.

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Intelligenz ist das eine - auf einem Gymnasium spielt aber Arbeitsverhalten eine genauso grosse Rolle. Da wird durchaus erwartet, das die Kinder z.B. einer Stunde Frontalunterricht konzentriert folgen können. Daran wird auch ein Nachteilsausgleich wenig ändern. Vor allem: Wie soll der aussehen?

Ein Freund meines Sohnes ist Autist. Er darf Klassenarbeiten in extra Räumen schreiben, er darf den Klassenraum verlassen, wenn es ihm zuviel wird. Störungen des Unterrichtsablaufs durch ihn werden genauso wenig toleriert wie bei allen anderen Schülern. Das ist nämlich die Krux an der Sache: Die Lehrer müssen allen Schülern gerecht werden. Sie können nur die mangelnde Konzentrationsfähigkeit Deines Sohnes tolerieren, wenn er die anderen nicht stört. Tut er das, stehen nämlich sofort die andere Eltern auf der Matte.

Was mich irritiert ist, das Du noch gar keine ADHS / ADS Diagnose hast und trotzdem entschlossen scheinst, jeden Weg zu gehen nur um Deinen Sohn auf dem Gymnasium zu lassen. Warum? Vielleicht wird er woanders viel glücklicher. In der Grundschulklasse meines Jüngsten war ein Junge der schwere ADHS hatte und hochbegabt war. Und trotz seiner nachweislichen kognitiven Fähigkeiten (und Ritalin) waren sich seine Eltern und Lehrer einig, das er und Gymnasium so gar nicht zueinander passen. Nun geht er auf eine Gesamtschule und kommt gut klar.

Ich bin der Meinung, Schule und Kind müssen zusammenpassen. Es macht keinen Sinn, ein Kind mit allen Mitteln passend zu machen. Und kein Gymnasium zu besuchen ist definitiv kein Zeichen mangelnder Intelligenz.

Grüsse
BiDi

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Genau, auf dem Gym wird Leistung erwartet und auf Schwächen wird nicht viel Rücksicht genommen.
Kann man ja im Endeffekt auch nicht, dann benachteiligt man ja die anderen Kinder.
Da ist die Gesamtschule definitiv besser.

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Guten Morgen,

ist dein Sohn noch immer in psychologischer Behandlung? Würde eine Verhaltenstherapie bereits durchgeführt? Wenn ein IQ Test bereits durchgeführt wurde, warum dauert es so lange bis eine Testung auf ADS/ADHS stattfindet?

Kinder mit konzentrationsproblemen, die sich leicht ablenken lassen und dann zu Mitläufern werden und kein Ende finden können eine große Belastung für die Klasse und den Lehrer sein.

Die anderen Kinder merken, wenn der Bogen überspannt ist, dein Sohn nicht. Wenn es so weiter geht, dann kann es zu großen Problemen kommen. Er wird immer weiter in die Außenseiterrolke gedrängt, schlimmstenfalls kommt es zu Mobbing.

Da ihr noch keine Diagnose habt, solltest du das Gespräch mit den Lehrern nochmals suchen. Vllt hilft es ihn alleine und ganz vorne sitzen zu lassen oder wenn es ganz schlimm kommt ihn mal ein paar Minuten vor die Tür gehen zu lassen. Diese Maßnahmen können recht kurzfristig umgesetzt werden.
Außerdem scheint es sinnvoll ein kurzes verhaltensprotokollnzu schreiben, wie er sich so nach jeder Stunde einschätzt. Dazu gibt es eine kurze Rückmeldung vom Lehrer.
Geht ganz schnell, wenn mit einfachen Symbolen gearbeitet wird.
Ferner könnte er sicherst Tages- und dann Wocheneeise zu hause aufschreiben, was er sich für die einzelnen Stunden so vornimmt.

Mit Ritalin o. ä. kenne ich mich nicht aus, es kann wirken, muss aber nicht.

Wenn dein Sohn auf dem Gymnasium bleiben möchte, muss er an sich arbeiten. Die Lehrer sollten ihn unterstützen, aber in aller erster Linie ist er für einen reibungslosen Ablauf zuständig.Nachteilsausgleich bringt da wenig.

VG

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Mein Sohn hat ebenfalls auf der Gesamtschule Abi gemacht, ohne Medikamente und Ehrenrunde wäre es nicht gegangen. Problem ist, die Kids werden oft abgestempelt und dann no Chance - da die Lehrer mit dem Normalbetrieb schon überfordert sind. Daher ist gegf. ein Wechsel z.b. an eine Gesamtschule oder eine Schule mit kleinen Klassen immer eine Option.
Übrigens inzwischen hat mein Sohn einen Studienabschluss und einen Job, Geduld und möglichst Zeit lassen ist neben der Behandlung definitiv wichtig.

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Hallo ,
also mein Sohn ist inzwischen 16 und hat die ADS Diagnose ( Träumertyp ) seit der 6.Klasse Gymnasium.

Wichtig für die Frage der Medikation und Diagnostik wäre für mich, ob die Probleme im mehreren Lebensbereichen also auch zu Hause und in der Freizeit vorhanden sind.

Das problematische am Ads/Adhs ist nämlich nicht nur die mangelnde Fähigkeit zur Konzentration sondern auch die Selbstorganisation und die Koordination nach Prioritäten.

Durch die Medikamete ist mein Sohn überhaupt erst in der Lage annähernd wie ein Gleichaltriger zu funktionieren....ohne würde er den ganzen Tag nichts mitkriegen in der Schule und auch sonst.

Nebenwirkung Nummer 1 und Gott sei Dank die einzige ist das fehlende Hungergefühl....spricht unter Medikamenten isst er so gut wie nichts und trinkt zu wenig. Für mich heisst das, ich füttere zum Frühstück zu Hause bevor die Pille wirkt so viel wie möglich rein und abends gibt so oft wie möglich warmes Essen und so viel wie reingeht. Trotzdem kratzt er immer am Untergewicht und steht zur Kontrolle einmal die Woche auf der Waage.

Mein Sohn hat vor der Medikamentengabe massig unter seiner Andersartigkeit und der Ausgrenzung der Klassenkameraden gelitten. Mittlerweile geht er selbstbewusst mit der Krankheit um und sieht auch die positiven Merkmale an sich. Die Medikamente helfen ihm dich besser auf andere einstellen zu können .

Mit der Schule haben von Anfang an einen offenen Umgang zur Diagnostik und Medikamentengabe gefahren. Die haben wertvolle Beiträge zur den Problemfeldern in der Schule geliefert und genau beobachtet, was das Medikament macht.

Ausser einem Stammplatz mittig in der ersten Reihe haben wir keine Sonderbehandlung ... Nachteilsausgleich gäbe es in Form von 10 Minuten länger für Klassenarbeiten...aber das wäre meinem Sohn zu blöd.

Allerdings haben wir uns jetzt die Freiheit genommen freiwillig die 10 Klasse zu wiederholen um den Leistungsdruck etwas raus zu nehmen und die Chance zur geistigen Nachreifung zu geben....Ads Jugendliche reifen langsamer und hängen teilweise 1 bis 2 Jahre hinter Gleichaltrigen zurück.

Fazit : Bei uns geht es mit Medikamenten sehr viel besser, aber es ist nicht alles. Es bleibt ein täglicher Kampf mit klaren Grenzen, Routine und strengen Regeln

Simnik

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Naja, ich würde erstmal eine saubere Diagnose haben wollen. Ritalin kann man danach sicher mal ausprobieren, wenn das Kind das möchte. Mein Sohn hat das über eine sehr kurze Zeit genommen, erst das normale, dann das mit der langanhaltenden Wirkung. Es hat auf jeden Fall geholfen, das Drama aus dem ganzen zu nehmen. Das "Gute" an Ritalin ist ja, dass man es nicht erst 2 Monate nehmen muss um zu sehen, ob es wirkt. Es wirkt sofort und es muss sich zwar schon ein wenig einpendeln, aber grundsätzlich merkt das Kind ja sofort, ob es sich damit wohler fühlt oder nicht. Und man kann auch gleich wieder aufhören, wenn es nicht passt. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Neurofeedback-Therapie gemacht. Das wirkt ähnlich, aber anhaltend, da es ein Gehirtraining ist.

Alles Gute, Ks

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", aber da die 6. Klasse nun, kaum dass das Schuljahr 1 Woche läuft, schon mehrere (!) Fachlehrerbeschwerden uns wieder beschert hat, sehe ich mich nun gezwungen, das zu versuchen mit Medikamenten, und mein Sohn will das auch, weil er unter seinem “Anderssein” und den ständigen Ermahnungen und gefühltem Kontrollverlust sehr leidet."

ich habe selbst ADHS, kam irgendwie durch die Schule auch Gymnasium. Es ging.
Besser geht es mir seit ich 1. weiß, dass ich es habe 2. gelernt habe was ADHS ist und wie ich selbst damit umgehen kann 3. seit ich freiwillig das Medikament nehme.

Nebenwirkungen sind sehr unterschiedlich. Jedes Kind/Erwachsener reagiert anders darauf.
Der gleiche Wirkstoff, ein anderes Präparat kann schon anders wirken. Da hilft beraten lassen und zusammen mit Kind schauen, was am besten zu deinem Kind passt.


"mein Sohn will das auch, weil er unter seinem “Anderssein” und den ständigen Ermahnungen und gefühltem Kontrollverlust sehr leidet."
das ist für mich der entscheidende Satz!!!

"sehe ich mich nun gezwungen, das zu versuchen mit Medikamenten,"

auch wenn es schwer fällt, nimm dir und ihm den Druck raus.
Versuche es als CHANCE zu sehen, weniger als gezwungen. Das spüren Betroffene, auch die Angst und kann einiges verstärken. Etwas nehmen zu müssen, was einem gut tut, was eigentlich nicht sein soll, aber doch hilft :-( Das ist ein Druck, der kaum auszuhalten ist.

Versuche (auch wenn es schwer fällt) es als Chance zu sehen. Wenn es ihm hilft, wirst du den Unterschied ohnehin merken ;-) er auch. Aber bitte nimm ihm das schlechte Gewissen raus, etwas nehmen zu müssen, was ihm hilft.

Eine Brille entstellt ein Gesicht auch nicht. Auch wenn es als Mutter erst mal schwer fällt, sich das vorzustellen ;-) Wenn die passende Brille dann gefunden ist, gibt es dann wow-Effekt.

Wenn es nicht die erwünschenswerte Wirkung zeigt, nicht aufgeben. Signalisiere deinem Sohn, dass es weitergeht. Mit oder ohne Medikation. Dass es mehrere Wege gibt. (auch mehrere Medikamente)

Wichtig finde ich eine begleitende Therapie. Damit meine ich nicht wahllos Ergo oder sonstiges, sondern eine begleitende Verhaltenstherapie, die sich mit ADHS auskennt. Das KANN Ergo sein oder eine Kombination oder Konzentration etc.
nicht zu viel extra. Sondern gemeinsam mit dem behandelnden Arzt Begleitung und Medikament gemeinsam.

Auch Elterntraining ist super. Wenige Kleinigkeiten im Alltag machen sehr viel aus.

Nachteilsausgleich etc. würde ich noch nicht machen.
Erst mal Elterntraining und gute medizinische Begleitung. Medikament immer wieder schauen, ob Dosierung, Wirkung, Nebenwirkung passt.

Wenn das gut läuft, kann es sein, dass es in der Schule gar nicht mehr auffällt.
Wenn doch, mit behandeldem Arzt sprechen.

Mit Lehrern, wenn Vertrauen da ist.
Bei manchen kann ein Gespräch sehr gut helfen! Bei manchen gibt es einen Stempel und wird schwieriger. (egal ob ADS/ADHS, LRS oder sonstiges).

Wurden Augen, Ohren, LRS etc. auch geprüft? Manchmal gibt es Kombinationen, die gemeinsam auftreten, jedoch in den Teilbereichen unterschiedlich behandelt werden müssten, im gemeinsamen Ganzen jedoch berücksicht werden sollten (nicht nur die Teilbereiche einzeln).



"Nachteilsausgleich zu beantragen? Ich bekomme z.Zt. trotz der Tatsache, dass die Schule weiß, dass mein Sohn in Behandlung ist und eine Konzentrationsstörung diagnostiziert wurde, ständig weitere Beschwerden über seine mangelnde Konzentration und weiß nicht, was ich machen soll und was die von mir erwarten, ich kann das doch nicht abstellen, wenn es ADS/ADHS ist. "

abstellen nicht
aber lernen damit zu leben
ihm dabei helfen, lernen damit zu leben
versuchen ihm das Leben zu erleichtern (ohne ihm alles abzunehmen). Z.B. Brille, Medikament etc.

verstehen lernen was ADHS/ADS ist, wie man selbst damit umgehen kann
um entsprechend mit dem Umfeld kommunizieren zu können, was es ist und was gebraucht wird
bzw. ein Gespür dafür zu entwickeln, wann was gebraucht wird (Unterstützng des Umfeldes) und wann einfach auch nicht ;-)