Aggressionen & Wutausbrüche beim 6jährigen

Hallo zusammen,
meine Nerven liegen blank und ich habe keine Ahnung wie ich weiterhin mit dem Verhalten unseres Grossen umgehen soll.

Eigentlich ist/war unser Sohn nie recht problematisch. Natürlich gab es immer schon Meinungsverschiedenheiten/Streitereien und er war auch immer schon eher aufbrausend wenn er sich ungerecht behandelt fühlte. Aber immer in einem Rahmen mit dem ich umgehen konnte und man mit ihm im Anschluss gut und sachlich reden konnte.

Das hat sich nun ziemlich ins negative gewandelt. Im letzten halben Jahr hat sich einiges verändert und diese Dinge spielen ganz sicher eine Rolle, warum unser Kind gerade so extrem ist.
1. Im Mai ist unsere Familie gewachsen, der kleine Bruder kam auf die Welt.
2. Ende August ist die Oma verstorben, sie war eine sehr enge Bezugsperson für unseren Sohn
3. Die Einschulung im September

Jetzt explodiert unser Kind bei jeder Kleinigkeit, schlägt um sich und brüllt. „Schuld“ bin meist ich, manchmal auch der Papa. Reden kann man, auch wenn sein Ärger verraucht ist fast gar nicht mit ihm. Er steigt nicht ins Gespräch ein, meist eskaliert es gleich wieder. Grundsätzlich sagt er immer das Gegenteil von uns oder behauptet, dass wir ihn anlügen. Beispiel: Er möchte die Uhrzeit von mir wissen - ich sag sie ihm. Er brüllt los, dass das doch gar nicht stimmt weil blablablabla und ich eine Scheiss-Mama bin die nur lügt.
Heute auch eine ganz nette Situation: Grosses Kind bastelt seinen Wunschzettel fürs Christkind, ich sitze bei ihm und helfe - alles soweit gut. Fertiggebastelt räumt er seine Stifte weg, im Gehen fällt ihm aber ständig der Radiergummi aus dem Federmäppchen. Ich gebe den Tipp, es doch am Tisch zu schliessen und dann geschlossen wegzutragen. Zack! Kind hämmert auf den Tisch ein , der kleine Bruder heult vor Schreck. Ich frage ihn was den das jetzt soll und zack brüllt er mich an, dass ich Schuld bin.

Es gibt unzählige Beispiele und ich habe keine Ahnung was ich machen soll. Ich versuche es ruhig und im Guten, mit Verständnis und einem offenen Ohr. Aber mittlerweile bin auch ich ein Pulverfass und brülle zurück, drohe mit Strafen oder schicke ihn in sein Zimmer.

Auch in der Schule ist er auffällig und ich hatte schon ein Gespräch mit der Lehrerin, weil er andere Kinder scheinbar ohne Grund tritt, schubst, beisst, bespuckt. Seine Version ist, dass er geärgert wurde und dann in dem Moment nicht weiss wie er anders reagieren soll.

Ich weiss nicht mehr weiter…

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Ich glaube auch, dass die Ursachen in dem liegen, was du schon aufgezählt hast.
Dieses Verhalten deines Sohnes hört sich für mich nach einer ganz großen seelischen Not an, ein Hilfeschrei.
Natürlich ist das Verhalten nicht zu dulden, ja ganz schrecklich für alle Beteiligten, aber hinter dieser unbändigen Wut steckt „hilf mir“.

Was solltest du tun? Ganz ganz viel Liebe und Verständnis aufbringen und trotzdem auf die Regeln eines sozialen Zusammenlebens bestehen.

Liebe und Zuwendung geben, wann immer sie gebraucht und eingefordert wird

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Liebe und Zuwendung auch dann geben, wenn sie nicht eingefordert wird. Einfach so als Bonus. ;-)

Sonst unterschreibe ich Deinen Post vollkommen.

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Hallo,

Da ist ja grad ganz schön was los bei Deinem Sohn, ich kann schon ein wenig verstehen dass ihm das alles zu viel ist.

Als erstes musst Du versuchen seine Aggression nicht persönlich zu nehmen. Gerade wir Mütter sind da meist zu emotional und fragen uns was wir falsch machen oder anders machen können. Dein Sohn hat einfach noch nicht gelernt seinen Frust anders abzulassen. Wenn er nicht mehr wütend sein darf wird er ein anderes Ventil suchen, Selbstverletzung oder ähnliches. Also lass ihm seine Wut, solange er niemanden angreift.
Er ist in dem Moment nicht zugänglich, also besser nicht reden. Sag ihm in einem guten Moment dass es normal ist wütend zu sein, dass Du auch dann trotzdem für ihn da bist.
Unerwünschtes Verhalten ignorieren, so schwer es auch fällt. Erwünschtes Verhalten loben. Heißt, wenn er eine Situation gut gemeistert hat in der er sonst Ausrastet, loben und mit ihm reflektieren.
Vielleicht akzeptiert er auch ein Kissen oder ähnliches dass er hauen und werfen kann wenn der Wutzwerg kommt (wir haben ihn so genannt). Lass ihn toben, ich habe die Erfahrung gemacht dass die Ausraster schneller vorbei sind wenn ich mich einfach zurück halte. Wenn Du merkst dass Du wütend wirst dann geh kurz in einen anderen Raum wenn möglich, oder atme ganz tief und sage Dir dabei still dass er nicht Dich ärgern will.

Alles Gute für Euch
Sunny

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Vielen Dank für eure Rückmeldungen!

Es tut mir wirklich sehr weh ihn so zu erleben und es ist mir bewusst, dass er dadurch unsere Aufmerksamkeit „erzwingt“.
Wir versuchen auch ihm diese zu geben. Einer von uns ist fast immer für ihn da. Meist ist es aber die falsche Person 🙄

So wie es sein kleiner Bruder zulässt zwinge ich mich ihm ja fast auf und schlage zig Dinge vor die wir zusammen machen können 🙈 meist blitze ich ab.

Mittlerweile ist es auch schwer etwas mit ihm zu unternehmen, weil er ja auch ausserhalb unserer vier Wände eskaliert 😔

Zu seinem Bruder selber ist er übrigens sehr lieb und hilfsbereit und (nach aussen) verständnisvoll wenn ich ihn zB bitte leise zu spielen weil der Zwerg gerade einschläft. Seinen Frust bekomme vor allem ich ab, das tut weh und lässt mich ziemlich verzweifeln weil ich ihn ja auch ganz anders kenne.

In der Schule muss er aktuell alleine sitzen, weil er seine Sitznachbarn im Unterricht stört und sich auch gegenüber seinen Freunden oft aggressiv verhält. Da kommt dann auch noch die Angst dazu, dass er sich selber zum Aussenseiter macht mit dem niemand mehr etwas zu tun haben will 😢

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Hi,

so wie es bei deinem Sohn ist war es bei meinem auch. Der Schulanfang war die reinste Katastrophe. Mittlerweile (Klasse 3) hat er seine Wut in der Schule gut im Griff. Zu Hause arbeiten wir noch dran. Allerdings ist diese nun für ihn steuerbar. Wenn wir auswärts sind und um uns herum keine anderen Menschen rastet er da auch manchmal aus. Schreit, bockt, beschimpft. Wenn andere drumherum sind kommt das nur extrem selten vor. Es wurde also mit der Zeit deutlich besser. Aber gut ist es noch nicht ( aus meiner Sicht). Obwohl ich sagen muss, dass mir der Teil mit der Schule auch erstmal am wichtigsten war, damit er eben sich nicht in die Außenseiter und Mobbingopfer Seite katapultiert. Uns wurde übrigens von Seiten der Schule zum SPZ geraten....aber die Ergebnisse dort haben uns auch nicht wirklich weitergebracht.

Lieber Gruß und starke Nerven

Isabel

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Hallihallo,
ich kann dir vielleicht ein bisschen als Lehrerin helfen. Jedes Kind ist anders und es gibt auch immer schwierige Phasen: Wo die herkommen, ist eigentlich egal, weder du noch dein Kind sind daran Schuld.

Zuhause machst du schon alles richtig, wenn du versucht ruhig zu bleiben. Versuche das Verhalten deines Sohnes nicht zu dramatisieren und vertrau darauf, dass es vorbei geht. Zuhause solltet ihr für Entspannung sorgen.

In der Schule ist es schwieriger, weiß ich nur zu gut, dass einige Kollegen schlecht mit solch einem Verhalten umgehen können und die Kinder dadurch in eine seelische Not kommen. Die Lehrerin sollte klare Regeln ziehen und ihn gleichzeitig positiv verstärken, falls das bisher noch nicht geschehen ist. Als Eltern kannst du ruhig noch mal das Gespräch suchen und deine Wünsche klar kommunizieren. Um deinem Kind die Außenseiter-Rolle zu ersparen, sollte vor allem die Lehrerin pädagogisch arbeiten.

Ich wünsch dir viel Kraft!
Mein Kind eckt in der Schule übrigens auch gern an, obwohl ich selbst Lehrerin bin... manches kommt eben einfach so, wie es kommt...

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Oh, das klingt sehr anstrengend und traurig für euch alle.
Was mir - zusätzlich zu den schon genannten Punkten- noch auffällt:

Er ist jetzt in der Schule und muss "funktionieren", wird verglichen, es zählt "können". Die beiden Beispiele von Dir haben was mit "können" bzw "nicht können" zu tun-- vielleicht könntest du da mal aufmerksam sein, ob das öfter so ist:

- Beispiel Radiergummi: Es hat, so wie er es machte nicht funktioniert. Du gibst einen gut gemeinten Tipp- es kann sein, dass bei ihm ankommt: "och Menno, nicht mal das kann ich - und jetzt werd ich noch "verbessert "/ kritisiert".

-Beispiel Uhrzeit: anscheinend interessiert ihn die Uhrzeit, aber er kann sie noch nicht ablesen? Die Uhrzeit kann auch verwirrend sein. Evtl. hat er irgendwo gehört/aufgeschnappt, dass es z.b. "18 Uhr 30" ist. Dann fragt er dich und du sagst "es ist halb 7". Was folgt ist riesige Verwirrung, das Gefühl, das entweder nie zu kapieren oder "verarscht" zu werden -- und ein Wutanfall.

-Beispiel Schule: das Schema könnte man ggf auch auf die Schule übertragen. Mein Sohn hatte die erste Zeit das Gefühl, alle könnten alles besser als er (was nicht so war). Was, wenn es deinem Sohn ähnlich geht? Vielleicht hat er das Gefühl, alle könnten etwas, was er nicht kann, daher kommt diese riesen Aggression...

Wie gesagt, nur Vermutung- bei deinen beiden Beispielen klang es fast so. Beobachte das doch mal, vielleicht ist das ein Punkt, an dem Du ansetzen kannst?

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Teilweise kenne ich es von meiner Tochter. Sie wird zwar nicht aggressiv, ist aber sehr laut und überdreht. Empfindlich wie ein rohes Ei und total frech zu Hause. Sie ist auch 6 Jahre und im Sommer eingeschult.

Bei ihr liegt es an der Schule. Wir haben die Tage erfahren, dass einiges in der Schule schief läuft. Nicht nur bei ihr, sondern bei einigen aus der Klasse. Erfahren haben wir es nicht durch sie selbst, sondern von anderen Müttern.

Bei euch ist ja der Einschnitt durch das Geschwisterchen viel größer. Wir werden sie jetzt mehr zu Hause stärken, dass sie mehr zur Ruhe kommt. Dass es für uns gar nicht schlimm ist, wenn es in der Schule nicht so reibungslos läuft. Die Lehrerin ist ziemlich komisch und da besteht Klärungsbedarf. Aber das hat doch mit den Erstklässlern nichts zu tun.

Natürlich bleiben unsere Regeln und Grenzen bestehen und natürlich hat sie keinen Freibrief, aber für uns ist jetzt ihr Verhalten leichter zu verstehen und wir sind geduldiger.

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Der Kinderarzt soll euch einen tollen Kindertherapeuten empfehlen.
Nicht böse gemeint. Nur als Hilfe. Vielleicht reichen ja wenige Stunden um das Problem aufzuarbeiten. Irgendwas belastet ihn sehr.

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Diesen Vorschlag kann ich nur unterstützen. Dein Sohn leidet an einer sehr großen seelischen Not, wahrscheinlich bedingt durch die drei sehr gravierenden Einschnitte in seinem Leben, von denen bereits jeder für sich ein ganzes Eck seelischer Bewältigungsarbeit für Deinen Sohn erfordert. Nun kam für ihn aber alles drei - Geburt Geschwisterchen, Tod der lieben Oma, Einschulung - innerhalb kurzer Zeit auf einmal.
So, wie Du ihn beschreibst, versagen gerade seine Bewältigungsstrategien allesamt. Bitte hilf Deinem Kind möglichst schnell, indem Du ihm professionelle Hilfe suchst - schau, dass Du ihn irgendwo bei einem Kinderpsychologen vorstellen kannst, besprich die Problematik mit Eurem Kinderarzt, der vielleicht auch gute Tipps oder Kontakte zu Hilfeeinrichtungen hat und geht - da, so ehrlich muss man sein, die Kinderpsychologen hoffnungslos überlaufen sind und es teilweise monatelange Wartelisten gibt - vielleicht auch zu einer Erziehungsberatung, die Euch als Eltern vielleicht helfen kann, wie ihr am besten mit Eurem Sohn umgeht, so dass er sich vielleicht in der nächsten Zeit etwas stabilisiert bis er Hilfe erhält.
Gibt es bei Euch eine Schulsozialarbeit? Auch diese würde ich auf jeden Fall ins Boot holen!

Nochmal, bitte scheue Dich nicht, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, das ist kein Versagens- oder Schuldeingeständnis, sondern ganz im Gegenteil ein Zeichen für Euch und Dein Kind, dass Ihr seine Befindlichkeit sehr ernst nehmt und alles tut, um ihm zu helfen. Dein Sohn ist in großer Not und ich glaube nicht, dass Ihr es alleine schaffen könnt, ihm gut zu helfen. Bei einem Beinbruch versucht auch keiner mit Bastelgipsbinden zu arbeiten, sondern bringt sein Kind in die Notaufnahme. Mit einem "Seelenbruch" aus welchem Grund auch immer muss genauso verfahren werden.

Spreche da ein bissel aus eigener Erfahrung.

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Vielen Dank für eure Rückmeldungen - es tut der Seele schon einmal sehr gut wenn man Probleme besprechen kann und „neutral“ Hilfestellungen kommen.

Ich habe in den letzten Tagen sehr Aufmerksam und bewusst unsere Situation beobachtet. Am schlimmsten eskaliert es, wenn ich selber angespannt bin 😶 eigentlich klar, wenn ich nicht ruhig und möglichst „gelassen“ auf meinen Sohn reagiere kann er es auch nicht… mir war das noch nicht so bewusst.

Mein Grosser und ich haben auch ein ganz tolles Gespräch geführt. Er hat mir erzählt, dass ihm die Oma sehr fehlt und er oft glaubt, dass wir ihn nicht mehr so lieb haben weil wir weniger Zeit nur für ihn haben 😢 in Worte hat er das bis jetzt noch nie so gefasst.

Er hat vorgeschlagen, dass wenn er so richtig wüten wird ich ihn fest in den Arm nehmen soll. Das mache ich jetzt natürlich sehr gerne ❤️ Ich selber versuche, wenn ich merke, dass ich wütend auf ihn werde tief durchzuatmen und daran zu denken, dass er in dem Moment einfach nicht aus seiner Haut kann.

Ich glaube unsere Richtung stimmt 🙂

Morgen habe ich einen Gesprächstermin mit seiner Lehrerin in der Schule. Ich hoffe wir finden auch da eine Lösung oder Verbesserungsmöglichkeit.
Mein Sohn tut nach Aussen oft recht cool ist aber eigentlich sehr sensibel und nicht so Selbstbewusst wie es scheint. Er zweifelt oft an sich und seinem Können, dabei ist er wirklich ein kluges und geschicktes Köpfchen.