Kind (6) mag sich selbst nicht.

Meine 6 jährige Tochter sagt immer mal wieder, dass sie sich nicht mag. Sie findet sich doof. Sie sagt, sie wolle nett sein. Wenn sie Streit mit jemandem hat, wünscht sie nicht, dass der andere nicht da wäre, sie wünscht dann, dass es sie nicht gäbe. Sie ist ansich ein glückliches Kind mit ihren Höhen und Tiefen. Sie hat mal ihre Wutanfälle, diese werden aber schon immer besser/weniger/ kürzer. Sie will dann auch gar nicht so herum schreien, aber kann nicht anders. Ist dann wieder wütend auf sich selbst und wünscht, es gäbe sie nicht. Aber auch wenn es ihr gut geht, sagt sie fröhlich strahlend, dass sie sich nicht mag und wünschte, es gäbe sie nicht. Neulich fragte ich sie daraufhin, WAS sie denn an sich doof fände. Das konnte sie aber auch nicht sagen.
Sie ist ein meist fröhliches Kind, dass sich für vieles interessiert, viele Freunde hat. Sie saugt wissen wie ein Schwamm auf und macht sich viele Gedanken. Vielleicht zu viele Gedanken. Sie macht sich auch Gedanken darüber, wie andere Kinder sie finden. Sorgt sich, dass andere sie doof finden könnten.
In ihrer Vorschulklasse ist wohl ein Junge, der sie öfter ärgert, provoziert, es lustig findet, wenn sie verweifelt ausrastet und schreit. Aber soweit ich es mitbekomme, sind die meisten Kinder in ihrer Klasse und auch hier in der Nachbarschaft nett, mögen sie, spielen gerne mit ihr.
Oft kommt das Thema auch gar nicht zur Sprache und wenn doch, gerade wenn sie es so fröhlich sagt, habe ich auch manchmal den Eindruck, dass sie nur mich damit provozieren möchte. Meine Reaktion darauf austestet. Ich sage ihr dann, je nachdem, wie sie es diesmal ausgedrückt hat, dass ich sie mag, dass ich sie lieb habe, dass ihre Freunde sie so mögen, wie sie ist, dass ICH aber froh bin, dass es sie gibt. Auch mal lachend, dass sie auch mal ganz schön doof sein kann, aber ich sie trotzdem sehr lieb habe und sie insgesamt ein tolles Mädchen ist.
Ich weiß auch nicht. Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass sie wirklich leidet, so fröhlich wie sie meistens ist. Aber dann sagt sie irgendwann doch wieder so etwas und ich mache mir so meine Gedanken, ob ich mir Sorgen machen sollte.
Mein Mann sieht das übrigens ganz entspannt.

Ein Kinderarzt Termin steht in nächster Zeit nicht an und dafür extra einen vereinbaren? Ich weiß nicht.

Danke fürs Lesen

4

Mein Sohn ist noch jünger, aber ich glaube er tickt ähnlich. Er kommt mit anderen Kindern und Erwachsenen gut zurecht, macht sich aber trotzdem ziemlich viele Gedanken über solche sozialen Situationen und man merkt einfach, wie Konfliktsituationen ihn teils noch Tage bis Wochen später beschäftigen. Einmal als ich gesagt habe, dass ich ihn ganz toll finde, hat er mir erklärt, dass er leider gar kein tolles Kind ist. Anscheinend hatte eine (sehr nette) Erzieherin ihm Wochen zuvor mal gesagt, dass er nicht toll sei (ich gehe stark davon aus, dass sie nicht ihn, sondern ein bestimmtes Verhalten kritisiert hatte, aber so hat er es verstanden) und das hat ihn wohl länger beschäftigt.

Ich hätte ein paar Ideen zu eurer Situation, kann natürlich aber auch ganz anders sein. Wenn deine Tochter mit guter Laune berichtet, dass sie sich nicht mag, würde ich eher von einem Spiel ausgehen. Sie weiß ja, dass sie dann Aufmerksamkeit und Zuspruch bekommt und denkt sich vielleicht in dem Moment sonst nichts dabei. In anderen Situationen, wenn sie eher bedrückt wirkt, würde ich es vielleicht eher mal mit aktivem Zuhören und weniger "das Problem lösen wollen" versuchen. Natürlich ist es intuitiv nachvollziehbar, dass du ihr Selbstwertgefühl in solchen Momenten stärken willst, aber es scheint nicht so viel zu helfen, oder? Wahrscheinlich weiß sie eh, wie gerne du sie magst und sicher tut es trotzdem gut, das zu hören, aber vielleicht braucht sie in der Situation ganz was anderes. Was genau, weiß ich nicht, aber ich würde im Gespräch versuchen, es herauszufinden. Vielleicht ist es ihre Art zu sagen, dass sie unzufrieden mit ihrem Umgang mit Konflikten ist. Vielleicht wäre ihr mehr geholfen, wenn ihr gemeinsam Strategien überlegt, wie sie sich bei Wutanfällen aus der Situation entfernen kann oder so. Vielleicht hat sie auch eher Angst, das andere Kinder sie nicht mögen und da hilft die Einschätzung der Mama dann nur bedingt. Vielleicht würde es ihr helfen, wenn sie nach Konflikten nochmal auf die andere Person zugeht, sich entschuldigt und fragt, ob alles wieder in Ordnung ist. Vielleicht würde ihr eine Geschichte von einem tollen Menschen, der als Kind oft Wutanfälle hatte und trotzdem ein wertvoller Mensch ist, helfen.
Ich verstehe, dass du schon versucht hast, mehr Informationen von ihr zu bekommen und dass das nicht so einfach ist. Kennst du das aktive Zuhören? Hier gibt's beispielsweise Informationen dazu: https://www.gewuenschtestes-wunschkind.de/2017/04/aktives-zuhoeren-nach-thomas-gordon-familienkonferenz-mit-kindern-erfolgreich-kommunizieren.html?m=1

Ansonsten, ich verstehe, dass bei solchen Aussagen die Alarmglocken klingeln, aber da du ja genau hingeschaut hast und sie ansonsten nicht depressiv wirkt oder dergleichen, ist es wahrscheinlich halb so wild. Um allgemein ihr Selbstwertgefühl zu stärken, würde ich eher auf Strategien setzen wie abends gemeinsam drei Dinge finden, die sie heute gut gemacht hat, oder Situationen, in denen sie sich sehr bemüht hat oder sonstige positive Eigenschaften gezeigt hat. Natürlich ist es auch wichtig, dass sie sich von dir gemocht und geliebt fühlt, aber ich glaube das ist garnicht das Problem.

6

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Da kann ich denke ich einiges draus mitnehmen.

1

Hm vielleicht möchte sie auch mal hören dass man sie liebt und sie sehr toll ist und nicht manchmal doof

Ich kann mir schon vorstellen, dass sie nach solchen Sätzen von dir nach mehr Anerkennung sucht und geknickt ist:


Zitat: (..)"je nachdem, wie sie es diesmal ausgedrückt hat, dass ich sie mag, dass ich sie lieb habe(...)

(..)Auch mal lachend, dass sie auch mal ganz schön doof sein kann, aber ich sie trotzdem sehr lieb habe "(...)

2

Danke für deine Antwort. Das kam vielleicht nicht richtig rüber. Ich sage ihr sehr oft, dass ich sie lieb habe und dass sie toll ist. Auch ohne, dass sie es "einfordern" müsste.
Zu jedem "gute Nacht", zu jedem Tschüss sagen kommt von mir ein "..., mein Schatz" und "ich hab dich lieb". Und das nicht nur als Floskel, sondern weil es mir wichtig ist, bevor wir auseinander gehen, dass sie weiß, dass sie geliebt wird.
Dass sie auch mal doof sein kann, sagte ich neulich z.B. nachdem ich ihr zig mal gesagt habe, dass ich sie lieb habe und sie jedesmal grinsend geantwortet hat "ich hab mich nicht lieb, ich finde mich doof." Dann hab ich eben irgendwann, auch grinsend, geantwortet, dass sie auch mal doof sein kann, ich sie aber auch dann sehr lieb habe.
Wenn sie sagt "ich mag mich nicht", sage ich "aber ich mag dich".

3

Hallo,
so genau weiß ich auch nicht, was ich dir raten soll.
Was mir aber aufgefallen ist, nicht dein Kind ist manchmal doof, sondern sie macht manchmal doofe Sachen oder verhält sich doof. Dabei bleibt sie aber ein toller Mensch und ist zu keiner Zeit doof :)

5

Danke für den Hinweis, da werde ich mal drauf achten. Da ich es aber eigentlich nur mal im Scherz so gesagt habe, denke ich dass sie das schon richtig aufgefasst hat und sich davon nicht gekränkt fühlt. Dennoch werde ich jetzt mal darauf achten. Danke

7

Gerne doch :)

Ich erinnere mich an eine Situation, da werde ich so um die 9 Jahre alt gewesen sein. Ich hatte ein Kleid angezogen, dass mir schon zu klein war. Meine Mutter meinte aus Spaß, ich würde in dem Kleid aussehen, wie ein Junge, den man in ein Kleid gesteckt hätte...
Ich trage bis heute keine Kleider, da ich mich seid dem mächtig unwohl darin fühle.

Manchmal können auch scherzhaft gemeinte Aussagen anders ankommen.

8

Das kommt mir sehr bekannt vor, nämlich bei Kindern mit ADHS, meinen eigenen beiden und anderen die ich kenne/kannte. Kann natürlich sein, dass ich da nicht so neutral bin, vielleicht kommt es auch bei Anderen vor. Aber du sagst sie wird von Anderen provoziert und hat dann Wutanfälle. Das würde schon passen.

Allerdings würde ich eventuell doch abwarten und sehen, wie es in der 1. Klasse anläuft. Bei meinen hat man da die Probleme deutlicher gesehen, weil da zum ersten Mal wirkliche Anforderungen gestellt werden. Vor allem sollte sie vielleicht in dieser Situation nicht mitkriegen, dass du eventuell auch überlegst, ob etwas "nicht stimmt". Bestärke sie darin, dass sie so okay ist, wie sie ist.

9

Danke für deine Antwort.
Sie arbeitet eigentlich schon seit Kita-Zeiten daran, ihre Wutanfälle in den Griff zu kriegen und schafft es auch immer besser, aber eben nicht immer. Vor allem beruhigt sie sich inzwischen viel schneller wieder. Saß sie früher schon mal eine viertel oder halbe Stunde in der Kita-Garderobe um sich zu beruhigen, braucht sie jetzt in der Regel höchstens noch wenige Minuten, manchmal nicht mal eine Minute.
Als sie kürzlich das erste Mal beim kindertanz in der Tanzschule war, war sie wohl z.T. auch überfordert und warf sich mehrfach in der 3/4 Stunde auf den Boden und schrie. Ich war nicht mit ihm Raum und als mir davor berichtet wurde, hatte ich zwar nicht damit gerechnet, aber überrascht war ich auch nicht. Die Tanzlehrerin fragte mich dann auch, ob es da eine Diagnose gäbe. Das brachte mich zum Nachdenken, ob es eine geben sollte.
Aber wie du sagst, ich will ihr nicht das Gefühl geben, dass etwas mit ihr "nicht stimmt".