Hallo
Vielleicht passt das Thema auch ins Kindergartenforum, habe mich jetzt aber für hier entschieden, weil es uns als Familie belastet, bzw fordert.
Wir haben zwei Jungen, der eine wird jetzt 4 und der Große um den es hier geht, der wird im Januar 6.
Der Große ist ein sehr wildes, aber sensibles Kind. Er möchte eigentlich gefallen steht sich aber immer ein wenig selbst im Weg. Die Diagnose adhs steht im Raum, wir haben aber noch keine Diagnostik machen lassen, weil ich nicht wüsste, was es ändert.
Bei mir steht die Diagnose auch im Raum und ändern kann man es eh nicht und für Medikamente ist es nicht ausgeprägt genug. Es sind vor allem die Gedanken, die rasen, wo kein normaler Mensch mitkommt, auch nicht mein Mann und der kleine erst recht nicht (wobei der einfach lässig genug ist und ihm das völlig egal ist, wenn sein Bruder schon wieder 20 Gedanken weiter ist als er, er wartet einfach ab, bis der große wieder bei seinen Gedanken angekommen ist).
Das waren Hintergrundinformationen.
Zum Problem. Mein Großer ist durch seine Sensibilität, Gefühlsstärke und durch seine unheimliche Angst vor Zurückweisung (was durch das evtl adhs kommen kann) auch immer sehr sehr wütend. Das kann von einem Moment auf den anderen kippen, dann fühlt er sich ungerecht behandelt, kann auch ein Moment in der Vergangenheit sein und dann fliegen alle Sicherungen raus und man bekommt ihn nicht wieder eingefangen. Er schimpft und beschimpft, wird wirklich laut und ist gar nicht mehr zugänglich. Gut zureden hilft überhaupt nicht mehr, auch wenn wir es fast immer versuchen (manchmal platzt uns auch schon frühzeitig der Kragen, wenn die schimpftiraden mal wieder sehr sehr gehäuft auftreten).
Normalerweise ist es immer nur zu Hause so eskaliert, da haben wir uns immer damit getröstet, dass der angestaute Stress eben bei uns in sicherer Umgebung raus muss.
Jetzt sind ihm mehrfach die Sicherungen im Kindergarten durchgebrannt und er hat Aktionen gebracht, die einfach gar nicht gehen. Dem einen hat er ein Buch über den Kopf gezogen, weil es das falsche Buch war, bspw.
Jetzt hat er einen Freund der bei uns gegenüber wohnt und ständig wollte er zu ihm und es hat wirklich Tränen und Wutanfälle gegeben, wenn es mal nicht ging. Ich habe immer gedacht, dass es daran liegt, dass die ein Quad und auch immer mal einen Trecker haben und ständig irgendwas bauen und reparieren. Denn auch wenn die Kinder gleich alt sind, ist der Nachbarsjunge meinem Sohn geistig nicht gewachsen. Ich hatte kein Problem damit, mein Kind bekommt von uns regelmäßig geistigen Input und wenn es ihm Spaß macht bei den Nachbarn, war ich fein damit.
Jetzt war es immer wieder so, dass mein Kind, nachdem er dort war, mit uns gesprochen hat, wie der Junge mit seinen Eltern spricht, sehr respektlos, nicht nur weil wir Eltern sind, sondern weil man so mit überhaupt niemandem spricht und die Wut danach noch größer war.
Der Junge steht auch immer schon am Zaun, wenn wir nach Hause kommen und fragt, wann mein Sohn kommen kann.
Da habe ich schon öfter die Bremse gezogen und gesagt, dass er uns bitte erstmal nach Hause kommen lassen soll und dann können sie von mir aus zusammen spielen.
Dann war es die letzten male so, wenn ich mein Kind in den Kindergarten gebracht habe, das andere Kind sofort auf ihn zugestürmt kam und ihn fragte ob mein Sohn sein Freund ist. Und das war meinem Sohn wirklich unangenehm.
Am Freitag habe ich gemerkt, dass mein Sohn ganz dankbar war, dass ich gesagt habe, nein heute nicht, wir haben etwas vor. Und das Vorhaben bestand nur darin einkaufen zu gehen.
Ich hatte also dann viel Zeit mit meinem Kind im Auto und wir haben uns nochmal viel Zeit genommen zu reden und dann habe ich ihn gefragt, ob er denn eigentlich wirklich immer mit dem Nachbarsjungen spielen möchte.
Da fing er sehr klar an zu erzählen, dass er das eigentlich nicht immer will und sobald er mit einem anderen Kind spielt, der Junge immer daneben steht und fragt, ob denn nicht mein Sohn mit ihm spielen könnte. Der Junge schon im Kindergarten sagt, dass mein Sohn heute nachmittag zum spielen kommt und mein Sohn ihn nicht enttäuschen will, weil er merkt dass er der einzige Freund ist, sonst hat der andere Junge ja gar keinen Freund.
Aber er will es nicht. Er möchte, dass der Nachbarsjunge sein Freund ist, aber er will auch mal mit anderen Kindern spielen. Er kann sich da noch nicht gut abgrenzen.
Ich habe ihm gesagt, dass er nicht mit dem Jungen immer spielen muss, sondern dass es auch sein Freund sein kann, ohne dass man alles zusammen machen muss. Und wenn er jetzt nicht mit ihm spielen möchte, dann sage ich ihm das, wenn mein Sohn sich nicht traut, so lange bis er sich traut.
Er fühlt sich von dem Jungen so richtig unter Druck gesetzt. Der Junge ist nicht bösartig, nur kümmert sich um ihn keiner und er hat Langeweile. Und die Eltern sind nicht um guten Kontakt zu anderen Eltern bemüht und von daher haben die anderen Eltern den Jungen gar nicht so richtig auf dem Schirm und er wird nicht zu Geburtstagen oder sonstwie eingeladen.
Aber mein Sohn ist nicht dafür zuständig, die Defizite dieser Familie auszugleichen.
Wie geht man damit um? Mit den Eltern des Jungen kann man über so etwas nicht reden, ohne dass sie sich angegriffen fühlen. Weil die es toll finden, dass mein Sohn oft da ist (war) und der junge beschäftigt ist.
Im Kindergarten sagen, dass sie da mal ein Auge drauf haben sollen, weil sich mein Sohn von all der Zuneigung erdrückt fühlt.
Aber wie geht man es an, dass es da nicht zu Missverständnissen kommt. Es ist ja nicht so, dass mein Sohn, dem anderen Kind komplett aus dem Weg gehen möchte. Wie kommuniziert man das, dass er sich erdrückt fühlt und verpflichtet fühlt, während es ja trotzdem immer auch Momente gibt, wo mein Sohn den Kontakt sucht.
Und wie vermittelt man es dem anderen Jungen. Er ist ja einsam und natürlich tut er mir auch leid. Wir als Eltern werden jetzt eine ganze Weile die bösen sein, die unser Kind nicht mit dem anderen spielen lassen.
Es ist viel geworden, aber kurz fassen kann ich mich schwer. Aber vielleicht hat schon mal jemand was ähnliches erlebt und kann erzählen wie das gelöst wurde.
Kind unter Druck
Hm, erstmal würde ich dem Jungen bemitleiden, dass er so arm dran ist, wenn er selber kaum Freundschaften hat oder findet.
Nun zu deinem Sohn. Natürlich ist es sein Recht Grenzen zu ziehen und dass muss er auch lernen.
Daher ist er sehr empathisch. Aber er ist nicht alleine für das emotionale Gleichgewicht des Nachbarjungen zuständig. Das müsste ihr klären.
Sehr viel Text für ein kleines Problem, welches Millionen Kinder haben, die nebeneinander oder in Siedlungen wohnen.
Alle müssen erst lernen sich abzugrenzen. Sie müssen lernen, wie Freundschaften funktionieren, aber auch was ihnen schaden kann. Sie lernen einfach, das nicht alle anderen parat stehen, nur weil man selber gerade Zeit hat. Sie müssen lernen, das auch innerhalb einer Freundschaft viel Kontakt zu viel sein kann. Man streitet sich, man verträgt sich wieder. Das ist einfach ein Prozeß, mehr nicht.
Mir ist schleierhaft, wie du (oder dein Sohn) auf den Gedanken kommst, da irgendwelche familiären Defizite ausgleichen zu müssen. Dein Sohn hat nichts weiter gesagt, als das es ihm doch etwas zu viel wird....mehr nicht. Dann muß er jetzt halt lernen, das man auch mal nein sagen kann, ohne Ausreden.
Vielleicht hast du recht. Dass ich mir zu viele Gedanken mache.
Es ging mir vor allem darum, dass das Verhalten meines Sohnes gezeigt hat, dass er mit der Situation nicht mehr klar gekommen ist. Gut, dann habe ich mich in meinen Gedanken verrannt und es ist alles gar kein Problem.
Am Ende war es gut, es mal aufgeschrieben zu haben.
Eigentlich ist die Grundsituation wirklich kein Problem, wenn dein Sohn aber da so große Schwierigkeiten hat....dann könnte es aber vielleicht auch mit der Verdachtsdiagnose in Verbindung stehen.
Eigentlich sind Kinder in dem Alter ziemlich schmerzfrei, egal ob sie vor der Tür stehen oder genau diese auf machen. Ich bin da als Erwachsene sehr fasziniert von, wie sie das regeln. Es klingelt, Tür auf, "Hast du Zeit/Lust?", "Nö.", "Okay, bis dann.", Tür zu, Thema durch. Keiner ist sauer, keiner beleidigt, keine Welt geht unter. Das kann ein großer Teil der Erwachsenen nicht, leider.
Auch wenn Du die Frage anders meintest, aber ich antworte Dir mal auf das "Du fragst was deine ADHS-Diagnostik bringen würde" und meinst dass es für Medikamente nicht schlimm genug sei? Woran machst Du das fest?
Ein ADHSler sollte behandelt werden wenn ER es braucht und nicht wenn seine Umgebung es braucht! Es geht nicht darum ob sein Bruder ihm Zeit gibt, es geht darum ob er selber mit dem Tempo in seinem Hirn klarkommt, und das tun ADHSler eben oft nicht!
Es geht nicht darum ob ihr damit leben könnt wenn er austickt und ihn halt auch mal anschreit, es geht darum ob ER damit klar kommt so viele derartig negative Emotionen aushalten zu müssen! Du sagst selber er ist sehr sensiblel, also was macht das mit seiner Psyche wenn er oft solche Ausbrüche erlebt?
Ein AHDSler nimmt Medikamente oder besucht Verhaltenstherapien für sich! Ihr unterliegt da leider dieser typischen Denkweise dass man ADHSler mit Medikamenten für die Umgebung erträglich macht, aber das stimmt so nicht, man macht dem ADHSler sein Leben in erster Linie für sich selber erträglich.
Dein Kind hat doch bereits Leidensdruck, auch wenn Du ihn nicht sehen willst. Ja, diese Angst vor Zurückgewiesen werden haben ADHSler gerne, weil sie natürlich merken dass sie anders ticken, bei anderen damit anstoßen. Weil sie merken dass sie anders sind und ihren eigenen Anspüchen nicht genügen. Sie sehen durchaus wie es bei Neurotypischen Personen abläuft und merken natürlich dass das ihnen nicht gelingt, je älter sie werden umso bewusster wird ihnen das! und umso belastender wird das auch für sie. Bei uns war der Punkt dass wir sagten er braucht Medikamente als er heulend auf dem Klo saß und sagte "Mama ich bin traurig weil ich immer weiß wie ich handeln sollte, aber ich kann es nicht, mein Körper macht was anderes als mein Kopf sagt". Er ist jetzt ein viel ausgeglicheneres glücklicheres Kind, immer noch ein Hansdampf aus dem man 2 machen könnte, aber ein glücklicherer. Und ich finde das ist das Entscheidende, nicht ob Elternhaus oder Kindergarten / Schule meinten man brauche Behandlung oder nicht, sondern ob das Kind mit sich im Reinen leben kann oder nicht. Er findet es nach eigener Aussage selber schöner dass er jetzt viel gelassener auf gewisse Situationen reagieren kann und sich so fein verhalten kann wie er es ja eigentlich auch selber gerne will!
Auch wenn ihr sagt ihr fangt es zu Hause ab und er kann es rauslassen: Dein Kind ist in den Momenten in denen es austickt überfordert und Übferforderung ist kein Gefühl das rausmuss, Überforderung ist ein Gefühl das nicht in dem Maße entstehen sollte. sonst nimmt die Psyche Deines Kindes dauerhaft Schaden! Gerade nicht behandelte ADHSLer entwickeln oft aus diesem latenten Gefühl der Überforderung heraus im Jugend- oder Erwachsenenalter Depressionen!
Eine Diagnostik und Behandlung würden ihm helfen seine Gedanken zu ordnen! Sie würden ihm helfen zufriedener mit sich zu sein, und damit wären auch die Probleme mit dem Nachbarskind nicht mehr da weil nur ein Kind das mit sich im Reinen ist sowas für sich regeln kann!
Dein Sohn erinnert mich sehr an unseren, nur wir sind 2 Jahre weiter, daher wollte ich Dir meine Erfahrungen gerade mit der Frage was eine Diagnostik schon bringen würde beantworten.
Dass ihr ihn kurzfristig ermuntern solltet nein zu sagen etc wisst ihr ja selber, aber das Problem Deines Sohnes mit seiner Angst vor Ausgrenzung liegt eben in meinen Augen im unbehandelten ADHS oder einer ähnlichen Störung.
Eine Diagnose ist ja auch nur erst mal eine Diagnose, keiner zwingt Euch deswegen zu irgendwas, nur ihr wisst was los ist und welche Möglichkeiten ihr habt und könnt dahingehend feiner und anders auf Euren Sohn und seine Probleme eingehen.
Gerade wenn er jetzt schon im Kindergarten Ausraster hat wäre es in meinen Augen gut vor der Einschulung zu handeln, in der Eingangsklasse werden die Karten neu gemischt und er kann vielleicht einen guten Neustart hinlegen und zieht nicht seine "Altlasten" mit in die Schulzeit hinüber.
Alles Gute Euch!