8-Jähriger möchte im Vordergrund stehen

Guten morgen.

Ich benötige mal einen Rat.
Ich habe 2 Söhne 6 und 8 Jahre.
Mein Großer benimmt sich in Kindergruppen teilweise wie ein protz und möchte von allen die Aufmerksamkeit.
Wenn wir morgens auf den Schulbus warten versucht der große immer sich bei den Kinder auszuspielen, er versucht die Aufmerksamkeit zu bekommen, ob es seine Pokemonkarten sind die er rausholt und in die Runde ruft oder eine Wasserflasche die aufplöppt wegen Kohlensäure oder einfach belanglose Sätze die er in die Runde ruft um einfach Aufmerksamkeit zu bekommen.
Es war nur ein Beispiel, manchmal macht er es auch wenn wir die Nachbarn treffen und er ruft einfach einen Satz (z.b.ich war gerade in der Schule) noch nicht mal zu einer Person sondern einfach so.
Zuhause bekommt er Aufmerksamkeit und wir machen auch viel mit unseren Kindern, er at auch Freunde die er besucht. Ich verstehe einfach nicht wie wir das aus ihm raus bekommen. Es macht ihn echt unsympathisch (anderen Menschen gegenüber). Wir haben schon sehr sehr oft mit ihm darüber gesprochen und auch erklärt.
Hat jemand ähnliche Erfahrungen und vllt Tipps?

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Hallo,

ich arbeite viel mit Kindern und meine Erfahrungen sagt mir:
das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit kann man nicht abtrainieren oder wegerziehen.
Man kann es nur in Bahnen lenken, d.h. er muss zu Zeiten und von Menschen Aufmerksamkeit bekommen, wo es passt. Damit er es sich nicht mehr einfordert, wenn es unpassend ist.

Auch meine eigenen Kinder fordern immer dann viel Aufmerksamkeit ein, wenn ich wenig Zeit habe. Und das ist wirklich rein mengenmäßig gemeint - wenn ich Stress habe und nicht viel "Kopf" für meine Kinder ist das nicht so deutlich, wie wenn ich wirklich "weg" bin und die Kinder anderweitig betreut. Selbst, wenn ich in der verbleibenden, kurzen Zeit sehr aufmerksam und zugewandt bin.

Ich würde mal probeweise 2 Wochen lang mehr Zeit mit dem Kind verbringen. Also deutlich mehr Stunden täglich. Dazu ruhig mal ein paar Hobbys mit irgendeiner Ausrede ausfallen lassen, ihn ggf in der Nachmittagsbetreuung abmelden, Verabredungen mal aussetzen.
Und einfach mal gucken, was passiert.
Es gibt Kinder, die einfach "mehr zu erzählen" haben - da passt das, was sie an individueller Aufmerksamkeit brauchen, einfach nicht in die vergleichsweise kurze Zeit, die ihnen zugestanden wird.

Natürlich muss das Kind trotzdem lernen, sich nicht in Gruppen in den Vordergrund zu spielen.
Da hilft nur reden, reden, reden.
Und zwar als ruhiges Grundsatzgespräch und dann eine kurze Erinnerung in der Situation: Moritz - darüber haben wir heute morgen gesprochen, weißt du noch?

LG

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Vielen Dank für deine Antwort. In die richtige Bahn lenken hört sich viel freundlicher an als ich es geschrieben habe :)
So war es eigentlich auch gemeint.
Ich werde mir deine Tipps zu Herzen nehmen und mal versuchen in den Alltag einzubringen. Wir sind aktuell noch in einer Ausnahmesituation da ich vor über einem Jahr Krebs hatte und noch versuche wie in die Spur zu kommen mir arbeiten usw.

Lg

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Erst mal weiterhin gute Genesung!

Deine Krankheit könnte ein Grund sein, weil er längere Zeit zurückstehen musste (du standest im Mittelpunkt, ihm wurde gesagt, du brauchst Ruhe, weshalb er dich bitte nicht aus dem Bett werfen soll, du bekamst vielleicht Essen nach Wunsch, wegen einem Arztbesuch konnte er nicht zu seinem Freund gefahren werden)... das ist, glaube ich, für einen Jungen in dem Alter schwer zu verstehen.

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Hast du mit ihm schon mal über sein Verhalten gesprochen? darüber, wie es bei dir ankommt, wie die anderen auf ihn reagieren (Wie eigentlich?). Ob er die Reaktionen der anderen wahrnimmt, egal wie diese aussehen und was sie mit ihm machen?

Ich denke es ist Zeit für das Thema Eigen- und Fremdwahrnehmung. Mit 8 Jahren kann man sehr gut darüber sprechen.

Und wer weiß, vielelicht kommt am Ende etwas ganz anderes dabei raus, als dir gerade im Kopf rumspukt. Ich habe da durchaus so meine Gedankengänge zu, aber ich möchte dich vor "echten" Gesprächen mit dem Jungen nicht beeinflussen.

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Vielen Dank. Das ist ein guter Tipp. Werde es mal probieren.

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Wie wäre es - freundlich - jedes Mal nach so einer Aktion abends oder mittags oder wann immer Zeit dafür ist, diese kurz zu reflektieren?

"Heute als wir die Nachbarin getroffen haben, hast du zweimal "ich war gerade in der Schule" gerufen. Die Nachbarin hat das überhört. Du wolltest auch mit ihr sprechen. Wie hätte das besser funktioniert? Was hättest du wann sagen können, damit sie dich auch beachtet und dir zuhört?"

"Heute morgen an der Bushaltestelle hast du deine Wasserfalsche rausgeholt und damit Quatsch gemacht. Kannst du mir sagen, warum? Hattest du das Gefühl, dass die anderen Kinder dich nicht genug beachten, wolltest du mitreden? Wie hätte man das anders noch machen können?"

Allgemein: "Hast du das Gefühl, dass andere schönere Sachen haben und interessanter sind als du? Hast du das Gefühl, dass du um Aufmerksamkeit und Lob kämpfen musst?"

Und dann mal Strategien besprechen, wie man auch Aufmerksamkeit bekommt und wie man sich Beachtung und Stolz anderes holen kann.
Wenn er das Gefühl hat, alle anderen wären interessanter, hätten ein interessanteres Leben, ihnen würde mehr und früher zugehört, dann muss er das mal äußern, also es muss ihm erst mal bewusst werden. Und dann könnte man überlegen, was andere haben - materiell, an "Charisma", Beliebtheit, Freunden, interesssanten Lebensaspekten - und wie die behandelt werden und was er hat.
Oft denkt man ja, andere hätten mehr, nimmt aber nur bestimmte Aspekte wahr, also die Situationen, in denen sie im Mittelpunkt stehen aber nicht die anderen Situationen, in denen das nicht der Fall ist.

Ihr könntet mit ihm mal üben, sich ins Gespräch einzubringen. Immer mal so 5 min-Situationen üben, vielleicht exakt die an dem Tag vorgefallenen und er könnte dann mal entspannt ausprobieren, wie er sich ins Gespräch einbringen kann (wie und wann) und überlegen, was an ihm interessant ist und wie und wann er das anbringen kann. Auch, wer was hören möchte. Also, wer interessiert sich für die Schule, wer für den Sport, wer für Quatsch/ Witze etc.?
Es ist einem mit 8 ja oft noch nicht bewusst, für wen was wie interessant sein könnte.
Wenn ihr gute Rhetoriker in der Familie habt, sagt ihm, er soll denen mal gut zuhören und überlegen, wie die ihre Zuhörer in den Bann ziehen, warum denen jeder zuhören möchte.

Bei Erwachsenen können sich Einleitungssätze lohnen, die man üben kann: "Kann ich auch etwas erzählen?" "Ich habe heute etwas Tolles erlebt und möchte das auch mal erzählen!" "Kann ich mal eine Frage stellen?" "Kennst du Xyz (Thema, Ort des Erlebnisses?" (Pause.) "Da war ich und habe.../ Da möchte ich auch unbedingt hin/ das finde ich ganz spannend/ dazu habe ich die und die Erfahrung gemacht etc."

So etwas kann man auch üben.

Schwierig wird es, wenn das Kind lernt, dass ihm keiner zuhört, bis er sich in Szene setzt oder laut wird oder immer wieder Sätze wiederholt.

Eine Übung kann auch sein, dass er mal beobachtet, wer mit wem redet, wem schon zugehört wurde und wie lange und dann überlegt, ob er selbst schon mehrfach dran war, jemand anderer aber noch gar nicht. Also, dass er selbst beobachtet, ob er zu viel oder wenig Aufmerksamkeit bekommt. Und dann gebt ihm auch mal Übungen: Was haben denn die anderen gesagt und gemacht? Wenn er darauf achtet, wartet er nicht die ganze Zeit, bis er Redezeit oder Aufmerksamkeit hat, sondern hat etwas zu tun. Und dann kann er auch viel passender einsetzen und auf die Themen der anderen eingehen (das kann man auch üben - was hätte ich jetzt wann zu wem sagen können, was hätte gut zum Thema gepasst?)

Aber das sind mMn alles Dinge, die er noch Monate und sogar Jahre lang langsam und entspannt üben darf, oder nicht? Das muss er alles noch nicht perfekt können, man kann ihm aber Anregungen geben, langsam mehr auf andere und auf seine Redezeit etc. zu achten.

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Rein intuitiv und aus Erfahrung: Versuche es mal über Körperkontakt. Ein subjektives kindliches Sehnen nach Nähe und Wärme (das sehr gut im Zuge deiner Erkrankung entstanden sein kann, ohne, dass jemand „schuld“ ist) äußert sich oft in draufgängerischem Verhalten, laut & viel Sprechen u Ä.

Dahinter steht aber nicht der Wunsch nach Dominanz oder verbalem Austausch, sondern nach Gesehen-Werden und einem „Platz“ an der Seite der Mama bzw. in der Familie.

Versuch mal, die nächste Woche jeden Tag 2x 7 Minuten (Hausnummer) intensiv mit dem Großen zu kuscheln, ohne dass du dich nebenbei mit etwas anderem beschäftigst. Widme dich ganz deinem Sohn, drück ihn und bussel ihn und wieg ihn.

Das wirkt bei meinem (ebenfalls 8-Jährigen) so oft Wunder, zb wenn er wochenweise störrisch, grantig, rebellisch o Ä ist . Einfach wortlose Liebe und Nähe, um die Reserven des kleinen Jungen wieder aufzutanken.

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Wie viel 1:1 Aufmerksamkeit gibt es denn von jedem Elternteil für dieses Kind? Wie viel Körperkontakt? Wie reagierst du in besagten Situationen?

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1:1 Aufmerksamkeit gibt es, allerdings kann ich dir das in Zeit nicht angeben, da es auf den Tag ankommt, wieviel anliegt usw.
Wir versuchen es jeden Tag, aber ist nicht immer möglich, da mein Mann im Schichtdienst arbeitet und ich dann für zwei Kinder zuständig bin.
Körperkontakt gibt es immer wieder am Tag, eigentlich immer wenn er es einfordert.
Ich weiß nie wie ich auf dieses Verhalten reagieren soll, wenn er in dem Moment überdreht ist versuche ich ihn zu regulieren/zur Seite nehmen und mit ihm sprechen oder wir versuchen später mit ihm zu reden. Aber eine richtige Lösung haben wir noch nicht.