LRS-Feststellungsverfahren erforderlich/ anzuraten? Eure Erfahrungen

Hallo an alle,

ich habe eine Frage zum Thema LRS. Ich muss kurz ausholen:

Wir leben in Sachsen. Wie ich schon in einem vorhergehenden Beitrag schrieb, laufen z. Zt. unsere Überlegungen zum weiteren schulischen Bildungsweg. Junior „liebt“ Chemie + chemische Experimente und alles was damit zu tun hat und möchte sehr gern auf ein entsprechendes Gymnasium ab der 5. wechseln. Gesamtschule mit Option Abitur gibt es bei uns nur eine, welche aufgrund der Entfernung und aufgrunddessen, dass sie gnadenlos überfragt ist - nicht in Frage kommt. Wobei wir bzgl. des weiteren Bildungs-Weges noch keine endgültige Entscheidung getroffen haben.

Meinem Sohn 3. Klasse fällt Mathe leicht, Sachunterricht auch... er ist m. E. „recht pfiffig“. In Deutsch (Halbjahreszeugnis Note 3) jedoch gibt es große Probleme – dahingehend, dass er zwar soweit – wenn er übt und gezwungen ist zu lesen, dies ganz gut kann (freiwillig aber gar nicht); beim Schreiben jedoch gibt es -wenn wir nicht regelmäßig üben- große Probleme. Groß-/ Kleinschreibung, Rechtschreibung, fehlende Vokale ...z. T. Wörter zusammen oder getrennt schreiben falsch. D. h., wenn wir üben und er in der Schule gaaanz viel Zeit hat oder auch eine entsprechende Motivation bekommt er es einigermaßen hin, im Normalfall jedoch - auch bei Arbeiten in anderen Fächern, werden Wörter auch schon mal total falsch geschrieben.

Da er einerseits aufs Gymnasium möchte und andererseits auch um ihm zu helfen bzw. zu fördern, möchte ich ihn über eine spezielle Nachhilfe (LRS) außerschulisch fördern lassen. Die Kosten sind natürlich schon „heftig“. Voraussetzung für eine ggf. finanzielle Unterstützung diesbzgl. durch die Stadt – wäre jedoch zwingend ein offizielles „LRS-Feststellungsverfahren“ durch das Jugendamt incl. Gespräche mit Psychologen etc.., welches wohl sehr umfassend (teils mehrtägig) wäre. Dies wäre für das Kind m. E. schon auch eine Belastung/ Streß, die ich ihm tatsächlich gern ersparen würde. Wobei auch ich nicht gerade geneigt bin irgendeine Aktion „über das Jugendamt“ zu starten, wenn es nicht zwingend erforderlich ist.

Die Klassenlehrerin schätzt es so ein, dass es keine LRS – zumindest keine schwerwiegende sei.

Wer von Euch hat eventuell konkrete Infos/ Erfahrungen zum LRS-FESTSTELLUNGSVERFAHREN in Sachsen und ggf. auch Erfahrungswerte wie „belastend“ dies für Kinder ist/sein kann...?

Würdet Ihr diesen Weg im Hinblick auf einen Besuch des Gymnasiums anraten bzw. als zwingend erforderlich für das Wohl des Kindes ansehen?

Danke schon einmal vorab!

Liebe Grüße, Jazz

Bearbeitet von jazzy66
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Als Gesamtschullehrerin die vom Gymnasium kommt, sehe ich weder bei deinem Sohn LRS noch ein Gymnasialkind.
Dass ein Drittklässler Rechtschreibung noch nicht perfekt kann, halt ich zum jetzigen Zeitpunkt für normal bzw. nicht total ungewöhnlich. Sinnvoller als die Nachmittage mit Diagnostiken zu verschwenden, würde ich jedes einzelne Wort auswendig lernen mit Karteikarten, auswendig lernen, auswendig lernen. Vielen Kindern fallen die Rechtschreibstrategien schwer und sie müssen erstmal ein Gefühl für die Wörter entwickeln.
Was mir eher Sorgen machen würde, wäre die Unlust am Lesen. Ob ein Kind gut Mathe kann in Sinne von 345+388 rechnen, ist ne nette Sache. Am Gymnasium wird das jedoch nicht mehr gerechnet. Sondern viel relevanter ist es, sehr schnell und zügig sinnverstehend lesen zu können. Und vorallem auch gerne, um eigenständig Informationen sammeln zu können. Vielleicht platzt der Knoten ja noch, dritte Klasse ist früh, aber da würde ich ganz stark versuchen, das Kind irgendwie zu motivieren. Woran liegt es denn bei ihm? Kann er noch nicht automatisierend/sinnerfassend lesen und es ist ihm zu anstrengend? Oder hat er einfach kein Thema/Buch was ihn interessiert? Da würde ich - neben wirklich Auswendiglernen der Wörter - meinen Fokus erst drauf legen, weil ein Kind was nicht gerne liest wird auf dem Gym absolut keinen Spaß haben.

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@ Zebra9e
Vielen lieben Dank für Deine Einschätzung und deine praktischen Empfehlungen, super!
Liebe Grüße

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Wegen der Kosten

Du kannst bei einem Ergotherapeuten, der auch auf LRS spezialisiert ist eine LRS Testung machen lassen -- über ein Ergorezept.
Sollte dabei eine LRS rauskommen, kannst du es eben auch beim Ergo therapieren lassen... auf Rezept.

Einfach um abzuklären -- LRS ja oder nein- würde ich versuchen, dass über den KIA übers Ergo Rezept abzuklären.
Vielleicht schreibt dir die KL einen Bericht dass sie es wichtig findet es abzuklären oder so in der Richtung.

Denn dann wüsstest du ja auch, ob ein aufwendigeres Verfahren überhaupt in Frage kommt.

Freundinnen der Großen sind mit LRS aufs Gym gegangen- mit fortlaufender Therapie und sind jetzt in der 10 mit normalen Noten in den Fächern.

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@Elise22

Vielen lieben Dank für deinen Hinweis! Auf die Idee war ich vorher gar nicht gekommen. Der Weg über Ergotherapie könnte für uns in jedem Fall - auch unabhängig von einer Testung - hilfreich sein.

Liebe Grüße

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Ein Merkmal von LRS ist, dass normales Üben nix hilft. Ich kenne das LRS-Feststellungsverfahren nur aus Niedersachsen und für meinen Sohn war das nun nicht besonders belastend. An einem Tag wird ein IQ-Test gemacht, an einem anderen ein Lese-/Rechtschreibtest und dann gab es noch einen dritten Termin, wo sich Fachleute getrennt mit Mutter und Kind unterhalten haben, ob 'das seelische Wohl des Kindes' durch die Lese-/Rechtschreibprobleme gefährdet ist. Ist das seelische Wohl nicht gefährdet, gibt es auch keine Geld für die Lerntherapie auch wenn LRS vorliegt.

Die Testerei muss man auch nicht unbedingt beim Jugendamt machen. Dann sollte man sich aber vorher eine Liste von Institutionen / Psychologen holen, deren Testung vom Jugendamt anerkannt wird.

Grüsse
BiDi

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@bi_di

Vielen lieben Dank, dass Du auch Deine Erfahrungen mit mir teilst! Dein Beitrag ist für mich auch äußerst hilfreich und hat mir sehr geholfen, mich zu entscheiden. Danke!!!

Liebe Grüße

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Hallo

Wie es in Sachsen ist kann ich nicht sagen, aber unser Sohn in Österreich, war an zwei Tagen mit einer Stunde abstand, für, ich glaube eine Stunde jeweils bei einer Psychologin wegen dem Austesten.Am ersten Tag bat sie uns, beim zweiten Termin auch die Deutsch und Mathematik Hefte von ihm mitzunehmen. Unser Kind empfand den Termin nicht als belastend und das obwohl er mitten während Corona war und er mit FFP2 Maske bei ihr hinter Plexiglas sitzen mußte.

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@ marmor

Hallo marmor,

ganz herzlichen Dank für Deine Erfahrungen und Deine Unterstützung!

Alles Gute für Euch.

Liebe Grüße

Bearbeitet von jazzy66
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Hi,

für mich, selbst Grundschullehrerin, klingt das alles nicht nach LRS. Du sagst er kann lesen und verstehen, wenn er will. Es ist also eine Frage der Motivation. Er hat, so klingt es für mich, einfach keine Freude dran, nicht die richtigen Bücher,...
Hat er schon einen Leseverständnis Test geschrieben? Wie ist der ausgefallen?

Wenn er sich sehr bemüht ist die Rechtschreibung besser. Üben für eine halbwegs ordentliche Rechtschreibung müssen viele Kinder. Gerade in Klasse 2 und 3 wird oft übergeneralisiert, d.h. das Wort vor wird z.B. fohr geschrieben, weil man erst das stumme h im Unterricht hatte, wenn man Wörter mit v durchnimmt werden viele Wörter mit v statt f geschrieben,...
Eine 3 im Halbjahr spricht für mich auch nicht für LRS. Ne 3 ist befriedigend, also ok. LRS Kinder haben im Bereich Rechtschreibung eher ab 4 abwärts.
Zumindest hier in BW wäre das eher nicht genug für einen Nachteilsausgleich.
Es gibt übrigens auch eine isolierte Rechtschreibschwäche, die keine Lese -Rechtschreibschwäche ist. Aber für mich klingt deine Beschreibung eher normal für Klasse 3.

Liebe Grüße

Isy

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Hallo,

als Mutter eines betroffenen Kindes: Man kann auch mit einer isolierten Rechtschreibstörung (Lesen ist bei unserem Sohn grenzwertig, daher keine diagnostizierte LRS) unerkannt die Grundschule durchlaufen (Zeugnisnote in Deutsch war immer zwei, in Diktaten die schlechteste Note eine 3-). Lange haben wir, trotz familiärer Vorbelastung, an fehlende Motivation unseres Kindes "geglaubt". Und dem Kind vermutlich viel zu oft Faulheit unterstellt....... Erst mit Wechsel ins Gymnasium wurden die Schwierigkeiten wirklich deutlich und es wurde eine Diagnostik empfohlen.


An die Threaderstellerin: Aufgrund unserer persönlichen Erfahrungen würde ich eher zu einer Diagnostik raten. Ich kenne mich mit dem offiziellen Verfahren im Sachsen nicht aus, aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit erstmal für euch, als "Bestätigung", einen Test privat durchführen zu lassen? Das ist zumindest kein 3tägiges Event sondern an einem Vormittag erledigt.

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Hi,

Danke für deine Erfahrung. Es ist wie so oft eine Gradwanderung. Dass die Rechtschreibschwäche erst im Gymnasium diagnostiziert wurde ist natürlich schade für ihn. Hoffentlich bekommt er nun die nötige Unterstützung. Leider sind viele Eltern einer Diagnostik gegenüber nicht aufgeschlossen bzw. erst nach langer Zeit. Das führt sicher auch zu einem anderen Blick von Seiten der Lehrer auf Kinder, vermutlich oft auch unbewusst. Tatsächlich empfehle ich zum Beispiel nur bei den besonders auffälligen Kindern weitere Untersuchungen durch Ärzte....zu mehr reicht es leider oft nicht.

Liebe Grüße und alles Gute euch

Isy

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In Sachsen gibt es andere Wege um auf LRS testen zu lassen, übers Jugendamt muss man nicht gehen.

Hier werden seit Jahren Kinder in der örtlichen Grundschule in der 2. Klasse getestet. Es gab viele Jahre ab der 3. Klasse eine LRS-Klasse, falls es sich bestätigt hat.
Unsere Kinder gehen auf eine andere Schule, wir wissen von der Kiä, dass es auf Grund von Lehrermangel keine LRS-Klasse mehr gibt.

Es gibt Logopäden die auf LRS testen und fördern können.

LRS/ ADS wurde bei unserem Zweitjüngsten letztes Jahr im SPZ ausgeschlossen.

Bei Logopäden und im SPZ wartet man oft lange, bis man reinkommt, 1/2 Jahr kann es durchaus dauern.

Das Schulamt bietet Testverfahren an, ob dort bei Euch auf LRS getestet wird, musst Du erfragen, dort wartet man kein 1/2 Jahr.

In manchen Freien Schulen, keine Ahnung ob in allen, wird spätestens Anfang 5. Klasse oder schon früher ein LRS-Diktat geschrieben.

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Hallo anja570,

Vielen Dank für Deine Erfahrungen und Deinen Beitrag. Der Test in der 2. Klasse bei meinem Sohn war unauffällig.

Wir werden jetzt den Weg über eine Ergotherapie gehen. Nach den hilfreichen Beiträgen von Euch allen hier im Forum bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Weg für "Junior" und mich der passendste ist.

Alles Gute für Euch!

Liebe Grüße, Jazz

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Hallo, dein Sohn erinnert sich etwas an mich.
Lesen ist mir schwergefallen, Inhalte aus Texten aufnehmen war für mich schwieriger als andere. Ich lernte besser durch reden. Hatte eine schnelle Auffassungsgabe. Diktate immer schlecht! Rechtscheibung, Buchstaben vergessen, Worte vergessen ( hat mein Kopf einfach hinzu gedichtet, ich konnte falls geschriebene einfach korrekt vorlesen ohne zu merken was alles falsch war) Späte in Aufsätzen hatte ich immer mehrer hunderte von R Fehlern. ( wir mussten sie nummerieren).
Und? Ich war Klassenbeste im Abi, war fleißig, gut in Mathe, alles andere hat mir auch Spaß gemacht. Fremdsprachen Ansicht mag ich sehr gerne, mach aber genau die gleichen Fehler wie im deutschen. Ich frag heute noch, wie schreibt man das? Mein Kopf hat halt andere Prioritäten. Ich hatte mich während der Schulzeit ca 5. Klasse immer wieder gefragt, ob ich LRS habe und hab dann für mich beschlossen. Ist nicht wichtig. Ich bin gut in Mathe, und irgendwas muss doch ja auch fair sein gegenüber den anderen.
Rechtschreibung wurde immer weniger gewichtet je höher die Klassestufe. Und meine Diktate konnte ich immer mit Mitarbeit und Aufsätzen, Grammatik ausgleichen.

Ich hab mich angenommen und Strategien die für mich passen entwicklt.

Also wegen Rechtschreibung kein Gymnasium zu wählen, würde ich definitiv nicht.
Ich hatte übrigens in der 3. Klasse auch nicht gern gelesen. Aber in der 4. und hatte eine solche Leselust entwickelt, dass ich das ganze Bücherregal von meinem Vater leer gelesen habe.

Aber vielleicht findest du ja spannende Bücher für ihn? Oder Zeitschriften? The wimpy kid ( keine Ahnung wie das Buch im deutschen heißt) is here der totalle Renner in dem Alter

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"Hallo, dein Sohn erinnert sich etwas an mich.
Lesen ist mir schwergefallen, Inhalte aus Texten aufnehmen war für mich schwieriger als andere. Ich lernte besser durch reden..."

Hallo lasuz,

Vielen lieben Dank für Deinen sehr persönlichen Herzens-Beitrag!

Alles Gute für Dich !

Viele liebe Grüße

Jazz

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Hi,

Ich selbst hatte zu Schulzeiten LRS. Ich bin dieses mehrtägige Feststellungsverfahren durchlaufen und habe es überhaupt nicht als Belastung empfunden. Im Gegenteil mir haben die Aufgaben Spaß angemacht. Ich bin danach sowohl in Konzentration, als auch im Lesen- und Schreiben gezielt gefördert worden.

So ab der 8. Klasse habe ich mir die Feststellung nicht mehr attestieren lassen, da ich weder mehr Zeit noch mehr Rechtschreibfehler hatte als andere Kinder. Einzig laut vorlesen bereitet mir immer noch etwas Unbehagen.

Ich glaube dein Kind kann nur davon profitieren. Für mich als Kind war es auch tatsächlich erleichternd zu wissen, dass ich nicht „zu dumm“ bin, sondern dass ich mit gezielter Förderung mich stetig verbessern konnte. Ich habe übrigens mit 1,x sowohl das Bachelor- als auch das Masterstudium abgeschlossen, das hielt ich damals ganz sicher nicht für möglich.

Alles Gute 🍀