Kind hat Angst nach Film

Unsere Tochter (6) hat in der Schule den Film "Alles steht Kopf" geschaut, bzw. die ersten dreissig Minuten davon. Danach hat sie das Schulzimmer verlassen, ihre Freundin danach auch. Seither hat sie vor allem abends bzw. im dunkeln Angst. Angst macht ihr vor allem die Vorstellung vom "Graben des Vergessens" (oder wie auch immer er auf Deutsch übersetzt sein mag, ich habe den Film dann auf englisch geschaut, um zu wissen, worum es geht), in den Erinnerungen fallen und vergessen werden. Sie hat Angst davor, in diesen Graben zu fallen und vergessen zu werden. Das zieht sich mittlerweile fast schon einen Monat, zeitweise hatte sie auch Angst vor dem Klo. Ich habe ihr nachdem ich den Film geschaut habe schon erklärt, dass der Graben nicht echt ist, sondern eine Idee der Filmemacher, wie man Vergessen als Konzept so illustrieren kann, dass Kinder es verstehen. Und dass der Film auf eine amerikanische Zuschauerschaft (bzw. auf alle die, die regelmässig amerikanische Filme schauen) zugeschnitten sei, d.h. diejenigen, die schon viele solche Filme geschaut haben, die verwendete Bildsprache anders und nicht bedrohlich auffassen würden. Sie hat auch schon bemerkt, dass das Konzept seine Lücken hat, z.B., dass vergessene Erinnerungen wieder zugänglich werden, wenn man z.B. ein Foto sieht oder wenn einem jemand das richtige Stichwort gibt.

Nur: Die Angst geht halt nicht weg. Hat jemand Vorschläge?

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Hey du, mein Sohn hatte in dem Alter das gleiche mit "Cars". Da ist eine Szene, in der das Rennauto nachts aus dem Transporter rollt und auf dem dunklen Highway verloren geht- es hat nichtmal Scheinwerfer, alles ist dunkel und keiner bemerkt, dass er verloren wurde, der Laster fährt weiter.

Das war quasi dein "Graben des Vergessens" in grün. Es war monatelang schrecklich.

Es half auch wie bei dir kein Erklären, nichts. Er wollte das Thema selbst auflösen für sich, aber den Film fertig schauen ging nicht, sich erklären lassen, dass alles gut wird brachte nichts und er konnte und wollte es (zum Glück) auch nicht verdrängen.

Was unsere Rettung war: Wir haben uns die Geschichte als Buch gekauft. Einfach nur als "Roman", kein Bilderbuch. Und ich hab ihm vorgelesen. Ganz langsam, in seinem Tempo. Vorteil: man kann durch die eigene Erzählweise, Stimmlage etc schon viel davon beeinflussen, wie bedrohlich die Situation wahrgenommen wird und: das Kind bekommt kein "Bild " vorgesetzt, das es überfordert, sondern bildet sich in seinem Kopf ein -erträgliches- Bild. Zudem kann man in der jeweiligen Situation auch erklären und auf das Kind eingehen.

Das klappte erstaunlich gut. Während er tatsächlich erst mit 10 den Film ganz sehen wollte, fand er die Geschichte gut, hat verstanden, was die eigentliche Message der Geschichte war und seine Angst war danach eigentlich komplett weg.

Vielleicht wäre das ein Weg für euch?

Bearbeitet von edge-of-reason
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Ich habe mit unserer Tochter gesprochen. Mit dem Buch wäre sie einverstanden, ich habe es gerade eben bestellt. Wir hatten Anfangs Phasen, wo sie nicht alleine aufs Klo wollte, bzw. in die Hose gemacht hat, um das zu vermeiden. Darüber sind wir glücklicherweise hinweg. Sie hat auch eine Freundin in der Klasse, dass sie kaum je allein irgendwo hin muss.

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Die Post hat das Buch einige Tage irgendwo verschlampt, gestern ist es eingetroffen. Unsere Tochter hat es durchgeblättert, wollte es aber nicht vorgelesen haben und hat mich mit zig Fragen gelöchert. Ich hatte den Eindruck, dass sie die Handlung des Films, und dass man ihn im übertragenen Sinn verstehen muss, durchaus verstanden hat. Die Angst ist allerdings vorerst nicht weniger geworden.

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Schaut den Film zuende.

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Würde ich bei dem Film tatsächlich auch sagen, da der Film ja in sich erklärt, dass das alles gar nichts schlimmes ist sondern einfach zum Leben dazu gehört

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Das kann man vergessen, das habe ich sie auch schon gefragt. Auch nicht mit Überspulen der grusligen Szenen. Die Handlung des Films habe ich ihr schon erzählt, die ist ja völlig harmlos. Das Problem ist die Bildsprache, die der Film benutzt. Rein rational weiss sie auch, dass es diesen Graben in Wirklichkeit nicht gibt und dass man nicht einfach so vergessen wird. Angst ist halt nicht rational.

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Leider nein. Mein Mann wird 50 und hat bis heute Angst vorm weissen Hai - sogar im Whirlpool .

Ich habe auch ein sehr ängstliches Kind, jetzt ist er zehn geworden und es wird deutlich besser

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Guck den Film mit ihr zusammen zuende.

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Würde es helfen, wenn ihr eine Weile täglich erzählt/ visualisiert, wie sie in so einen Graben fällt, Angst hat, vergessen zu werden, und dann von dir oder jemand anderem da raus geholt wird - vielleicht auch von ihrer ganzen Klasse - mit den Worten "wir denken immer an dich, wir vergessen dich nicht" oder so?

Also, wirklich ihr eigenes Bild dagegen setzt verbunden mit einem Gefühl der Geborgenheit am Ende?

Vielleicht könnten danach alle an dem Bild Beteiligten den Graben mit Sand zuschütten, so dass es keinen Graben mehr gibt und alle sich bewusst machen, was sie voneinander erinnern werden? Also, man überlegt einfach: Was schätzt Mama an mir, was schätze ich an Mama, was schätze ich an den Mitschülern Trick, Track und Truck, was werde ich immer erinnern?
Wenn es um Vergessen im Sinne von Zürückgelassenwerden geht, mache ihr bewusst, dass ihr bspw, als Familie, aber auch als Klasse nie irgendwo weggehen würdet, wenn nicht alle da sind. Dass man immer schaut, wo jeder ist und immer zusammen los/ weg geht.

Vielleicht braucht das ein paar Wiederholungen.

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Keine Ahnung, ob so etwas helfen würde. Ich kann mich nicht erinnern, dass sie in der Schule, im Kindergarten von uns oder von sonstwem vergessen worden wäre. Man musste sie auch nie in einem Einkaufszentrum suchen, weil sie nie weit weg war. Sie und ihre beste Freundin, die den FIlm auch nicht schauen konnte, gehen seit zwei Jahren den Weg zum Kindergarten bzw. mittlerweile zur Schule selbst und haben sich bisher noch kein einziges Mal aufgeteilt und den anderen zurückgelassen, auch nicht, wenn sie sauer aufeinander waren. Ich habe ihnen schon zu den Sommerferien gesagt, dass ich beeindruckt sei, wie gut sie aufeinander aufpassen. Aus meiner Sicht ist die Gefahr, dass sie irgendwo vergessen geht, in ihrem Fall sehr gering.

Naja, wir probieren es als erstes Mal mit dem Buch, das nächste Woche da sein sollte. Danach sehen wir weiter. Ich möchte auch schauen, dass das Thema nicht zuviel Platz einnimmt.

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Das mit dem Buch scheint mir eine gute Idee zu sein, ansonsten hatte eine befreundete Erzieherin uns mal den Tipp gegeben, immer zuende zu schauen, und wenn die Angst zu groß ist, den Ton oder das Bild kurzzeitig abzustellen. Also wenn es der Ton ist, dann eben in der bedrohlichen Szene lautlos. Wenn das Bild schlimm ist, dann dabei Augen zuhalten aber den Ton weiter laufen lassen.
Vielleicht wäre das noch was.

Bearbeitet von infyrana
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Das lehnt die vehement ab. Auch die bedrohlichen Szenen überspringen geht nicht. Sie will den Film nicht sehen, egal wie.

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Meine Tochter war damals zu einem Kino-Kindergeburtstag eingeladen; ich hatte dann einige verpasste Anrufe von der Mutter und hab ein verstörtes Kind abgeholt. Verstehe auch nicht, warum das ab 6 ist. Psychische Gewalt zählt bei FSK nicht.

Noch weniger verstehe ich das bei euch; der Film ist ja nun nicht mehr neu.

Bei uns an der Schule wird gerne mit Erstklässlern ins Kino gegangen, und bei meinem Sohn, der an dem Tag zum Glück krank war, sind auch mehrere Kinder vorzeitig heulend aus dem Kino raus.
Die Klassenlehrerin meinte damals (anderer Film), sie hätte sich auf die Empfehlung verlassen, aber es sei definitiv kein Film für Erstklässler gewesen.

Aber bei euch ist es ja nicht so, dass der Film neu ist. Hätte man wissen können. Ich hab meiner Tochter damals auch das Buch zum Film gekauft; das hat geholfen.

Viele Grüße

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Hätte man rückblickend gesehen anders handhaben können. Die Lehrerin ist genau so neu in der 1. Klasse wie unsere Tochter. Es ist halt nun mal passiert.