unser Sohn fängt an, uns zu beschimpfen

Hallo,

unser Sohn wird in Kürze 13. Er hat noch zwei Geschwister. 8 und 6 Jahre. Wir leben in einer Siedlung in einer Kleinstadt, haben ein eigenes Haus und finanziell geht es uns gut. Ich arbeite von zu Hause aus. Bin also immer da für die Kinder.

Unser Ältester hat ADHS und muß aufgrund einer Lernschwäche zur Förderschule gehen. Die anderen beiden können gut lernen und gehen hier auf die Grundschule und haben viele Freunde.

Unser Großer hingegen hat mittlerweile zu gut wie keine Freunde mehr. Er spielt zwar noch Handball aber auf Dauer wird er dieses aufgeben da er nicht richtig "dazwischen ist" und auch sportlich nicht mehr mithalten kann. In der Schule ist er ebenfalls eher der Außenseiter der sich alles gefallen lässt. Zu Hause, also uns und seinen Geschwistern gegenüber wird er immer aggressiver. Es fallen Ausdrücke wie "Arsch, fick dich usw." Zu meinem Vater hat er gestern f... dich gesagt. Ich war total entsetzt, eigentlich können die beiden super miteinander und sind fast jeden Tag unterwegs. Auch mein Vater ist total geknickt. Wie soll das noch weitergehen? Das kann doch nicht die Pubertät sein. Ich glaube ja, er versteht irgendwie gar nicht, dass so etwas gar nicht geht. Ich finde es schon schlimm genug, wenn ich manchmal höre, dass die Jugendlichen untereinander so reden. Aber zu Opas so etwas sagen. Zu mir hat er letztens Arsch gesagt und sein Handy absichtlich auf den Boden geworfen. Jetzt muss er erst mal ohne auskommen.

Ich denke ja, er versteht nicht, dass man solche Ausdrücke zu niemandem sagt und auf gar keinen Fall zu Eltern, Großeltern und Geschwister. Wie soll ich sagen, er hat ja eine Lernschwäche. Früher als Kinder haben wir gesagt "der ist schwer von begriff". Manchmal höre ich, wie andere Kinder zu ihm sagen, er wäre dumm. Das tut natürlich unheimlich weh.

Manchmal kann man richtig beobachten, wie er von Minute zu Minute gereizter wird und dann nur ein Wort oder irgendeine belanglose Frage reicht und er schreit rum, knallt Türen usw.

Er ist erst mal immer überall dagegen. Wir waren in Urlaub und er meckert über alles und will nichts machen. Wir sind aber nun mal zu fünft und es kann ja nicht immer das gemacht werden, was er will. Und eine Fahrt mit einer Dampflock ist ja nun nicht so etwas specktakuläres und gefährliches, dass man deswegen rumheulen und rumschreien muß vor anderen Leute.

Was können wir noch machen. Auch seine Geschwister leiden ja darunter. Es vergeht kein Tag, wo hier kein Ärger ist. Wir fahren seit Jahren mit ihm zum SPZ aber irgendwie bringt uns das nicht weiter....

Danke und viele Grüße. Musste ich mal loswerden

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Schön, dass du den Mut hast hier zu schreiben und dir Rat zu holen.

Ich hoffe auch du bekommst hier auch noch einige andere hilfreiche Tips und keine "Aufzählung" was ihr im Vorfeld alles "falsch " gemacht habt, denn das halte ich für vergossene Milch, ihr könnt es rückwirkend eh nicht mehr ändern.
Aber ihr könnt mit viel Nerven, Geduld und Liebe die "Weichen" so stellen, dass ihr gemeinsam besser durch das Leben kommt.

Zum einen steckt dein Großer mitten in der Pubertät. Mein großer Sohn sagte mir damals etwa in dem Alter, in seinem Kopf sei eine riesen Baustelle. So ziemlich alles ist in der Veränderung und das macht unsicher. und wenn da im Vorfeld schon Selbstzweifel waren, werden sie verstärkt.
Dein Sohn läßt sich nach außen hin alles in der Schule, in der Freizeit von anderen Kindern gefallen- zu Hause läßt er offensichtlich seinen Frust raus-denn da ist er in einem sicheren Umfeld.

Was kannst du tun?
Ich würde mit der Stärkung des Selbstbewußtseins beginnen und das auf verschiedene Weise.
Gibt es bei euch die Möglichkeit Karate, Aikido, oder ähnliches zu erlernen?
Sprich mit ihm und ermuntere ihn etwas Neues auszuprobieren, weil du glaubst dass Handball ihn "unterfordert" oder "langweilt". Erspar ihm die Schmach den Sport aufgeben zu müssen, weil er nicht mitkommt.

Der Sport hat verschiedene Vorteile für ihn.

- er kann in SEINEM Tempo lernen

- er wird den respektvollen Umgang miteinander erleben, lernen und leben lernen.
- Kampfsport fördert die Konzentration und Koordinantion
- durch das Erlernen einer Selbstverteidigungssportart steigt sein Selbstbewußtsein und sein Selbstwertgefühl

Auf der anderen Seite (und da haben wir ähnliche Probleme allerdings mit nicht ganz so starken verbalen Entgleisungen)
nutze ich die "ruhige " Zeit um meinen Sohn zur Seite zu nehmen, mit ihm zu reden.
Ich rede vorzugsweise über Dinge oder Planungen des Alltages, was er davon hält, über vergangene Tage/Ereignisse und seine Meinung darüber.(sie haben nicht oder nur wenig mit ihm zu tun z.B. der Besuch von Oma und Opa, der weggelaufene Hund usw, Er soll spüren, dass ich ihn in unserer Familie haben will auch wenn er so ein ...:-[ ist.
Wenn ich spüre er kann Gespräche zulassen, dann frage ich was denn los war, was ihn am Tag geärgert, wütend gemacht hat..
Es ist wichtig dass du mit deinem Kind im Gespräch bleibst und ihm den Rücken stärkst!
Es ist wichtig im Grenzen zu geben, damit er in dem Entwicklungsabschnitt auch Sicherheit und Orientierung erfährt. Ich brauche meinem Sohn verbale Entgleisungen mit einem Blick ahnden -selten mit einer "Ansprache" , dann funktioniert das eine Weile bis zum nächsten "Ausraster". Allerdings habe ich auch festgestellt ist mein Kind erst in Fahrt- hilft es nur noch ihn auf einem "toten Gleis" ausrollen zu lassen. Jedes Wort, jede Geste, jede Aktion scheint ihm dann neue Energie zu geben und es wird eine "never-ending - Story wo beide Nerven lassen und keiner gewinnt.
Ich lasse ihn "ausrollen" - und wenn er zum Stillstand gekommen ist, dann komme ich zum Zug. Du mußt jetzt viel mit deiner mütterlichen Intuition arbeiten!
Setz ihm klare Zeichen!
Was das Gehänsel der anderen Kinder betrifft, so wirst du so schnell keine Veränderung erwirken. Aber wenn dein Sohn selbstbewußter ist und selbstsicherer, wird sich alles langsam ändern. In der Kita haben die Kinder auf ihren T-Shirts stehen "Jeder braucht seine Zeit" - und genauso ist es.
Ich mußte auch erkennen, dass die Stärken meines Sohnes definitiv nicht in den schulisch abgeforderten Bereichen liegen. Aber er hat diese Stärken und genau die kehre ich zu Hause hervor. Der Kleinste will backen und mein Sohn kocht, backt für sein Leben gern. Na da schicke ich doch den Kleinen zu seinem Bruder und drück ihm ein neues besonderes Rezept in die Hand, was er ausprobieren kann.

Kopf hoch und zeig deinem Kind und eurer Nachbarschaft immer wieder die Stärken deines Kindes. Ich erzähle auch voll Mutterstolz, dass mein Sohn uns wieder toll bekocht hat ;-)

Behalt den Mut, wenn es wieder mal einen Rückschlag gab. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden und erlaube dir und ihm Fehler !;-)

LG
Karna

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Danke für Deine ausführliche Antwort.

Aber was meinst du für Fehler im Vorfeld. Wir machen seit dem KiGa alles mögliche mit ihm. Ergo, Psychologe, Schwimmen, Fussball, fahren mit zu den Spielen usw..... Sind von Arzt zu Arzt gefahren. Als Dank dafür wird man bei jeder Kleinigkeit angeschnauzt von ihm. Irgendwann kann man nicht mehr. Aber aufgeben werden wir nicht ;-)

Viele Grüsse

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Wir machen seit dem KiGa alles mögliche mit ihm. Ergo, Psychologe, Schwimmen, Fussball, fahren mit zu den Spielen usw..... Sind von Arzt zu Arzt gefahren."

Genau das ist der Punkt!
Genau das haben wir mit unserem Kind anfänglich auch getan- schließlich wollen wir nur das Beste für ihn.

Was passierte dadurch?
Wir haben unserem Kind durch die ganzen Therapien und Arztbesuche signalisiert, dass er nicht in Ordnung ist. Wenn dann noch in der Schule ein Spruch kam , dann fand es fruchtbaren Boden. Schließlich geht man ja zum Arzt wenn etwas nicht in Ordnung mit einem ist#aha
Durch die Therapien und den Sport hatte er keine Zeit sich in unserem Umfeld zu etablieren und das Elend ging weiter.
Wir waren nur im Stress bei allen Terminen und DANK ???- kam von ihm nicht...

Mit unserem Sohn wurde es besser, als wir Therapie und Sport auf ein Minimum beschränkt haben. 2x die Woche am Abend Karate(also vorher ist noch Freizeit möglich), 1x die Woche Lerntherapie.
Ich weiss euer Sohn hat ADHS und wenn er medikamentös eingestellt ist, sind die Arztbesuche unumgänglich.

Allerdings hat mir mal eine Mutter, deren Kind auch ADHS hat und das sie auf Druck der Schule medikamentös einstellen lassen hat, dass sie das Kind im Alter von 13/14 Jahren wieder "entwöhnt" hat von den Medikamenten. Sie war es leid. Nach der Medikamentengabe war das Kind "erträglich" und dann ging es in die Schule, am Nachmittag als die Wirkung nachließ bekam sie die geballte Ladung. In den Ferien als sie die Medikamente wegließ , empfand sie es erträglicher die "geballte Ladung" über den Tag verteilt zu "ertragen".
Nun ist nicht jeder Fall und jedes Kind gleich, aber vielleicht mal was zum drüber nachdenken :-)

Die verbalen Ausälle würde ich aber einig und allein dem Frust und dem Austesten von Grenzen zuschreiben. Ich glaube da teilst du dein Schicksal mit vielen anderen Eltern deren Kinder pubertieren und ihre Grenzen neu testen.

Findet für euch Zeit der Entspannung! Eine Freundin von mir macht täglich 20 Minuten autogenes Training. Besuch einen wöchentlichen Kurs usw. vielleicht können eure Eltern euch ein bisschen Freiraum zum durchatmen schaffen.

Mitfühlende Grüße
Karna

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Was sagt das SPZ ?
Bekommt er Medis?
Was sagen die Lehrer ?
Das wären die ersten Fragen, die mir einfallen.
Den Hintergrund seines Verhaltens hast Du ja schon selber genannt: " In der Schule ist er ebenfalls eher der Außenseiter der sich alles gefallen lässt."
Deinem Sohn fehlt es sicher an Selbstbewußtsein und neben dem Pubsi, muss er sich nun auch noch der Erkentnis stellen, nicht mithalten zu können. Weder in der Schule, noch im Verein und evtl. auch nicht zu Hause.
Ich glaube dein Sohn versteht auf jeden Fall das "Ausdrücke" eigentlich verboten sind, nur wie bekommt man Aufmerksamkeit "wenn man sich auf ganzer Linie als Versager fühlt". ?
Ist nur eine Vermutung, aber wenn das SPZ keine weitere Hilfestellung gibt, würde ich auf jeden Fall einen weiteren Arzt zu Rate ziehen.

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Wir waren schon bei einem anderen SPZ. Man sagt immer nur, er wäre nun mal so und wir sollen Geduld haben.

Er bekommt Strattera. Ohne dieses Medikament ist es noch schlimmer, ausserdem nässt er dann Nachts ein. Das habe ich jahrelang mitgemacht. Jeden Nacht Bett beziehen, am Tag waschen neu beziehen....

Natürlich ist er unzufrieden. Es wird nicht mehr lange dauern, dann hat der mittlere ihn schulisch eingeholt. Aber das ist nun mal so...

Im mOment weiss ich nicht weiter:-(

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er wäre nun mal so und wir sollen Geduld haben.

Da macht es sich das SPZ aber leicht.
Diese Aussage mag gelten, wenn er ein Einzelkind und nur Eltern vorhanden wären - aber nicht, wenn eine komplette Familie mit 3 Generationen drunter leidet.
Der Bruder meines Patenmädels hat auch ADHS (ist mittlerweile erwachsen) er bekam Medikamente, war auch ein paarmal stationär in der Kinderpsychiatrie zum neu einstellen der Medikation. Ausdrücke hätte seine Mutter nie geduldet, obwohl er ansonsten wirklich fast "Narrenfreiheit" durch die Krankheit hatte - sie entschuldigte sonst alles damit. Seine Schwester geriet auch oft genug ins Hintertreffen.

Aber im Krankenhaus sagte man der Mutter eindeutig, dass man diesen Kindern auch ganz klare Grenzen aufzeigen muss, auch mit Konsequenzen wie bei gesunden Kindern.
Handy aufknallen und somit keines mehr haben ist wohl schon richtig.
Ich denke mal auch, dass er es begreift, dass man ihn einfach links liegen lässt bei Ausdrücken, also einfach garnicht reagiert.
Ich würde ihm in einer ruhigen Minute sagen, dass er ernster genommen wird, wenn er anständig mit euch kommuniziert; will er auf Teufel komm raus Aufmerksamkeit erregen mit Unflätigkeiten, erreiche er das Gegenteil. Ob er das versteht, weiß ich nicht, Du kennst ihn besser. Auch nicht alle ADHS-Kinder sind gleich, aber das ist das, was ich so mitbekommen habe.
LG Moni

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Wo liegt denn seine Stärke?

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Das wäre auch meine Frage ?
Dein Sohn braucht Erfolgserlebnisse, einfach abwarten ist da sicher keine Option.
Ist seine Lernschwäche punktuell oder breit gestreut ?
Gibt es bei euch Selbsthilfegruppe oder ähnliches ?
Ihr habt sicher schon viel unternommen und jeder Tag ist eine Herausforderung.

Die Frage ist auch - wie kann mann Ärger bei Pubsis reduzieren, also bestimmte Dinge muss man als eltern da auch mal ignorieren. Kennst Du das Buch Cordula Neuhaus: Hyperaktive Jugendliche und ihre Probleme. - Infos hier.
http://www.ads-hyperaktivitaet.de/Literatur/literatur.html
Fand ich hilfreich

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Hallo, du schreibst doch selbst, dass er ADHS hat. Kann es sein, dass du deinen Sohn bereits aufgegeben hast?

(So wie du über ihn sprichst, du stellst bereits prognosen über das Scheitern seines Sozialen Lebens, warum hilfst du ihm nicht?)

ADHS und Pubertät sind eine grausige Mischung

Lg Uschi

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Ich habe auch einen ADHSler daheim der auch noch Autist ist. Und wenn er auch noch keine Schimpfwörter dieser Art von der Stange läßt weiß ich doch wie es ist. Denn er hat auch gerade eine seher niedrige Grenze beim Frust. Und auch draußen trompetet er oft Sachen raus wo andere schauen. Aber ich versuche ihm immer wieder zuzureden wei er diese Sachen wohl, auch wie dein Sohn, häufig nicht versteht.

Allerdings hat mein Sohn keine Geschwister. Vielleicht hilft euch eine Verhaltenstherapie irgendwo. Mach dich doch mal schlau.

Gruß Ela und gute Nerven