Mein Mädchen ist 10,5 Jahre alt und seit etwa 2 Monaten verwandelt sich mein kleines Mädchen in ein (Vor-)Pupertier. Für sie schlimm genug, dass der Körper beginnt sich zu verändern, aber noch viel belastender sind die Hormone. Hat sie mich heute Morgen noch voller Verachtung und Wut angeschrien, weil ich wollte, dass sie eine warme Jacke anzieht, liegt sie jetzt weinend im Bett und weiß selbst nicht so genau warum.
Wie, außer mit Nähe, wenn sie mich lässt und Gesprächen, wenn sie es will, kann ich ihr helfen und wie ertrage ich die Wutanfälle besser?
Hormone und Tränen
Meine Tochter ist fast 11 aber Du beschreibst sie haargenau.
Und das hat absolut nichts damit zu tun, dass es angeblich "keine Regeln" bei Euch gibt oder Du nicht erziehen kannst (was hier teilweise für Mist geschrieben wird...), sondern es ist definitiv eine Vorstufe der Pubertät.
Ich war auch einige Male ratlos, wenn meine Tochter erst herzlich und fröhlich war und dann mich, ihren Papa oder den Bruder grundlos anblaffte oder wegen Kleinigkeiten in die Luft ging.
Auch wegen Dinge wie z.B. einer Leggings, einer Mütze oder einer Trinkflasche.
Himmelhochjauchzend/zu Tode betrübt.
Und andere Eltern machen genau dasselbe mit, alle mit den Mädchen.
Eine gute Freundin sagte zu mir "Als wenn Du einen Kaktus umarmen möchtest!".
Sie hat es hinter sich, ihre Tochter ist bereits erwachsen.
Auch wenn man selber oft stinksauer ist über das Verhalten, man sollte sich immer ins Gedächtnis rufen, dass die Mädels in dem Alter gerade unheimlich viel durchmachen:
- körperliche Veränderungen
- hormonelle Veränderungen (einige haben hier mit 10 Jahren schon die Tage)
- neue Schulen (Realschule, Gymi...) und damit auch ein neues Umfeld, neue Gesichter und Lehrer, mehr Arbeit, größeres Pensum, strengere Benotung
Meine kann am Nachmittag zu angesagter Popmusik tanzen, orientiert sich an coolen Sängerinnen oder TikTokerinnen und abends rollt sie sich mit ihrer alten schrulligen Babypuppe im Bett ein.
Wenn meine mal wieder einen Affentanz aufführt, dann verlasse ich meistens erst einmal die Szene.
Mit Druck. Drohungen oder Schimpferei eskaliert es in dem Moment nur noch mehr.
(Hier ging es neulich um das Thema Lernen vs. Handy).
Ich habe ihr das Handy auch nicht weggenommen, sie schrie mich auch an, maulte und jammerte. Ich sagte nur "Denk dran, die Aufgabe wird ja morgen vom Lehrer eingesammelt!"
Dann habe ich sie in Ruhe gelassen und mich meinem Kram gewidmet.
Und was soll man sagen, ich hörte sie noch eine Weile im Zimmer schnattern und schnasseln, dann war eine ganze Zeit lang Ruhe und plötzlich stand sie vor mir und bat mich um Kontrolle der Hausaufgabe. War alles soweit okay, ich habe sie auch gelobt. Und habe auch den Ausbruch nicht mehr angesprochen. Stattdessen habe ich sie gefragt, was sie heute abend gerne essen würde, ob sie helfen will (wollte sie), später hat sie ihre Sendung im TV angeschaut und da habe ich sie auch mal in Ruhe gelassen.
Manchmal gehe ich auch einfach mal eine Runde raus, zum Laufen. Um meinetwillen. Um selber rauszukommen.
Sie kommt manchmal nicht aus ihrer Haut raus, das weiß sie selber.
Und oft ist es einfach sauschwierig, da ruhig zu bleiben oder guten Rat zu geben.
Wir haben ein paar klassische Regeln, unter anderem dass die Hausaufgaben ohne Aufforderung erledigt werden und dass das Handy um 19:30 Uhr an die Ladestation in der Küche kommt. Nach den erledigten Hausaufgaben darf sie auch am Handy chatten und schnattern. Andere Mädels dürfen bis in die Puppen am Handy chatten (ich sehe das auch immer wenn da die Nachrichten am Display sind), bei uns eben nicht und das hat sie akzeptiert.
Sie weiß aber, dass sie immer zu mir kommen kann und dass ich ihr da auch nichts nachtrage, wenn ihr mal die Pferde durchgehen.
Man kann nur echt gute Nerven wünschen und sich immer wieder ins Hirn rufen, dass die das nicht persönlich meinen.
LG
P.S: was ihr gut helfen könnte wäre auch ein regelmässiges Programm ausserhalb der Schulzeit.
Meine Tochter geht ab März mit einigen anderen Mädchen reiten. Eine Klassenkameradin und zwei Mädchen vom Gymnasium nebenan. Die fahren immer gemeinsam mit der Bahn und zwei nehmen schon regelmässig Reitstunden und helfen auf dem Hof mit. Die Mutter sagte mir, dass ihre Tochter seitdem etwas "geerdeter" wirkt. Draussen, mit den Tieren, etwas Verantwortung, Aufgaben.
Ich habe ihr den Wunsch gerne erfüllt und hoffe, dass meiner Tochter das auch gut tut. Mal etwas raus aus der Alltags-Blase (Schule, Familie & Handy) und mit ein paar neuen Mädels von einer anderen Schule Zeit verbringen, soch etwas austauschen usw.
Als Kind neigte ich auch zum ausrasten, das änderte sich, nachdem meine Schilddrüse richtig eingestellt wurde.
So als Idee.
Ansonsten würde ich die Situation von heute morgen nachbesprechen und mit ihr zusammen nach anderen Wegen suchen, um mit ähnlichen Situation umzugehen.
Das kenne ich auch, bis auf das a schreien. Mittlerweile ist meine Tochter fast 16 und wir haben uns an die hormonachüne gewöhnt.
Sie hat in dem Alter oft auch für uns beide übersichtlich geweint. Ich hab sie dann schmunzelnd in den Arm genommen und ihr von meinem diversen hormonausbrüchen berichtet. So haben wir das gemeinsam überstanden.
Ich finde es toll, wie du deine Tochter beschreibst. Da steckt so viel Liebe drin. Nimm sie in den Arm, wenn sie mag, gib Uhr trotzdem den Freiraum, den sie braucht Und bastel etwas mamatochterzeit zurecht.
Meine Mutter hat damals so reagiert wie die Schreiberinnen der ersten Posts.
Hauptsache das Kind ist ruhig und man kriegt es nicht mit.
Jede Gefühlsäußerung war verboten und wurde mit Wegschicken bestraft. Egal ob Weinen, Wut oder zu lautes Lachen.
Irgendwann kam ich dann ins Internat.
Das hat dazu geführt dass ich heute den Kontakt auf das allernötigste beschränke, eigentlich nur noch der Enkel wegen. Sobald meine Kinder aus dem Haus sind werde ich nicht mal mehr Weihnachten hinfahren. Sie hat es also geschafft ihre Ruhe zu haben.
Bei meinen Kindern (15 und 14) mache ich es so, dass ich ihnen erklärt habe dass Stimmungsschwankungen und Gefühle normal sind, wir aber alle lernen müssen damit so umzugehen dass man andere nicht verletzt. Und andere anschreien verletzt. Und dass man ihnen aber nur dabei helfen kann, lernen müssen sie es alleine.
Das funktioniert bisher ganz gut.
Ich finde es auch gut, dass heute sensibel auf die Kinder eingegangen wird und erstmal geschaut wird, was überhaupt los ist und wo vielleicht die Ursache für dieses oder jenes Verhalten liegt.
Meine Eltern konnten auch nur "draufhauen", im wahrsten Sinne des Wortes. Gefühle zeigen oder gar offen darüber sprechen gab es nicht. Das haben wir Geschwister dann unter uns gemacht, oder bei Freunden. Manchmal half aber auch nur "reinfressen" und ins Kissen heulen, wenn die Gefühle zu stark wurden. Internet oder mal eben der besten Freundin texten gab es alles noch nicht.
Du musst Wutanfälle nicht ertragen. Sie ist nicht 3 sondern 10. Authentisches Feedback, dass das nicht okay ist, weil Anschreien Gewalt ist, und dann erstmal Zeit zum Abkühlen mit Gesprächsangebot, wenn das möglich ist. Oder IndenArmnehmen-Angebot, TeemitMama-Angebot, Rausgehalleineoderzusammen-Angebot, was auch immer euch hilft, wieder zueinander zu finden. Kein großes Thematisieren der Gefühlsausbrüche, außer sie möchte das unbedingt mit dir besprechen, sondern Fokus auf Zusammensein und Zusammenhalt und alles andere, was ihr gemeinsam mögt, tut, macht.
Und viel strukturierte Aktivität mit möglichst viel Selbstwirksamkeits-Erfahrung und anderen Kindern/Jugendlichen, z.B. organsierter Sport, Musik, soziales Engagement, später auch erster Nebenjob etc.
Das wird schon. Ich würde vor allem versuchen, kein Drama draus zu machen. Das erledigen Teenager schon ganz von selbst.