Sohn hat ein schlechtes Vorbild

Was heißt denn Vorbild?

Nur weil er ihn toll findet, muss er ja nicht nacheifern...

Hallo,

ich würde mir da erst mal keine Sorgen machen.

Ich (weiblich) habe quasi aus dem Nichts mit 13/14 Jahren angefangen, Bushido, Sido usw zu hören. Von früher, AggroBerlin und so.

Meine Mutter hat mich beinahe täglich angefleht (überspitzt), diese furchtbare "Musik" aus- oder zumindest leiser zu machen. Ich hab vor allem Bushido sehr auf ein Podest gehoben, habe mich angezogen wie er, teure Nike Air Max identisch nachgekauft usw. Kann die Texte bis heute auswendig.

Heute bin ich 29, seit 9 Jahren verheiratet und höre ab und zu mal ein Lied von früher. Ansonsten hat sich das stark geändert und auch die Rapper von früher sind nicht mehr dieselben.

Wir werden alle älter und ich wage es zu behaupten, dass diese krasse Gangster/Rap Phase irgendwann vorbei geht..

Alles Gute

Nachtrag; War auf einer Realschule und hab auch immer gute Noten gehabt Hab meine Ausbildung abgeschlossen und arbeite seitdem Vollzeit
Letztes Jahr haben wir ein Haus gekauft, welches wir fleißig renovieren.

Du schreibst, dein Sohn ist ein lieber Junge, schreibt gute Noten und ihr lebt in einer sicheren Gegend. So gesehen klingt das alles nicht bedenklich. Ich denke ein Stück weit ist es völlig normal und auch gesund, dass in der (Vor-)Pubertät gewissermaßen rebelliert wird, indem man "coole" Vorbilder sucht, harte Musik hört, vielleicht den älteren Jugendlichen auf dem Schulhof nacheifert, die einer bestimmten Szene angehören usw.

Wenn es dich beruhigt: mein Mann hat als Teenie genauso angefangen, zwielichtige bis gar komplett durchgedrehte Musiker zu hören, brutale Videospiele zu spielen etc. Bis heute mag er das ein oder andere davon. Aus ihm ist trotzdem ein normaler, liebevoller Familienvater mit gutem Einkommen geworden.

Diejenigen, die in wirklich schlechte Kreise abgedriftet sind, hatten zumeist andere Probleme. Eine wichtige Rolle spielt es, ein sicheres Elternhaus zu haben, in dem man sich bei Problemen stets anvertrauen kann.

Entspannt und im Gespräch bleiben. Mein Jüngster hat auch so mit 11 / 12 Jahren seine Vorliebe für Gansta-Rap (und die dazugehörigen Künstler) entdeckt. Das führte zu sehr interessanten Diskussionen beim Abendessen, ob ein Künstler seine Kunst IST oder ob Kunst losgelöst vom Künstler betrachtet werden kann.

Wir fanden - genauso wie die Feuilletons der Zeitungen - darauf nicht wirklich eine Antwort, aber mittlerweile ist mein Sohn 18, steht immer noch auf Gansta-Rap und fängt im Sommer sein Studium an der Polizeiakademie an.

Grüsse
BiDi

Wenn es dich stört

Warum hast du deinem Sohn You Tube erlaubt? Ohne Altergrenze?

Oder fallen die Videos nicht unter den Kidsfilter?


Wir haben bei beiden Kids den Kidsfilter aktiviert ( gehabt)

Beim Sohn (10) ist er noch drin und alles andere nur mit Aufsicht.

Bei der Tochter- jetzt 16- war er bis 14 drin - auch wenn YouTube ab 13 erlaubt ist ....

Wenn ihr offene Gespräche führen könnt, er sich also nicht gleich unter der Lupe und unter Druck fühlt, alles abzunicken, dann würde ich mal Videos suchen über das Thema Marketing und Beeinflussung. Nicht im Sinne von "schau mal, wie du dich beeinflussen lässt!", sondern im Sinne von "Schaue mal, wie wir oft nicht merken, wann etwas verkauft werden soll". Da gibt es auf YT viele schöne Beispiele für als Informationsvideos getarnte Werbevideos.
Und dann könntest du mal laut überlegen und mit ihm diskutieren, was diese Aussagen des Rappers bedeuten könnten. Warum sagt er, dass er kriminell werden "musste", weil er aus diesem Viertel kam? Was hatte das Viertel mit seiner Schulbildung zu tun? Wer hatte Einfluss auf seine Schulbildung? Warum gibt es - vermutlich - auch erfolgreiche Menschen aus diesem Viertel, die ganz normal einen Beruf gelernt haben?

Er kann den Rapper ja weiter hören, aber er sollte sich nach und nach bewusst werden, wie man manche Aussagen verstehen kann, dass man manchmal manipuliert wird, ohne es zu merken. Dass man manchmal hinter Aussagen schauen muss und sich fragen muss, ob die wirklich folgerichtig sind. Hier wäre die Frage an sich selbst: Wenn ich in diesem Viertel aufgewachsen wäre, wäre ich automatisch kriminell geworden? Auch mit meinen jetzigen Eltern und Freunden?
Und: Was möchte er denn mit dieser Aussage erreichen?
Möchte er nur ehrlich sein, möchte er ein bestimmtes Bild von sich erzeugen, möchte er eine bestimmte Konsumenten-/ Käuferschicht/ Fanbase ansprechen? Wenn ja, welche? Sehe ich mich in dieser Fanbase, bin ich so? Schaue ich nur zu "Bad Boys" auf? Warum? Was fasziniert mich daran?

Es ist oft ein Schockmoment, wenn man zum ersten Mal erkennt, dass Musiker oder andere Vorbilder, die man bewunderte, sich nicht wirklich so zeigten, wie sie sind, sondern einer Marketingstrategie folgten und bewusst ein Bild für die Öffentlichkeit abgaben, dem sie privat gar nicht entsprachen.

Vielleicht könntet ihr DAVON mal erzählen! Wann wurde euch das früher zum ersten Mal bewusst, was war da die Enttäuschung?

Ich habe früher, zu Beginn der Pubertät, gern einen Sänger gehört, von dem ich später las, er hasste seine Auftritte in Deutschland und seine (größtenteils älteren) deutschen Fans und hat bestimmte Songs nur gesungen, weil das Management sie vorgab, nicht, weil er selbst diese Art Musik mochte. Sicherlich haben viele ähnliche Erfahrungen mit anderen Aspekten von Menschen, die sie bewunderten.
Man denkt, man erfährt etwas Privates über jemanden und dann war es am Ende nur eine Marketingstrategie und er hat sich das noch nicht mal selbst ausgedacht. Das gleiche gilt für Backstory, Kleidung, Stil usw.

Ich kann dir vielleicht von mir selber berichten. Ich bin schon seit Teenager Zeiten großer Fan von Deutsch Rap. Die ersten waren Bushido, Kool Savas und Samy Deluxe. Und tatsächlich immer nur Männer fällt mir gerade auf 😅

Inzwischen bin ich 36 und höre immer noch nichts anderes. Nur heutzutage eher die neuen Generationen.

Im echten Leben bin ich dafür eine richtige Spießerin ich würde nicht mal fluchen 😅 arbeite im Software Bereich und habe 3 Katzen. Habe mir ein Tattoo stechen lassen für die Katzen mit 20 wo man es selten sieht und bereue das bis heute noch.

Die Blicke wenn ich Menschen erzähle was für Musik ich höre sind unbezahlbar. Wenn ich alleine im Auto bin kann ich dafür fast jeden Song lautstark mit rappen. Und ich kann dir bis heute nicht sagen was mich zu dieser Musik gezogen hat. In meinem Umfeld gab es das gar nicht.

Wie viel weißt du denn über diesen Musiker? Wie steht er zu seiner Vergangenheit, hat er jetzt noch Verbindungen zur Kriminalität? Nur weil man mal im Gefängnis war ist man nicht automatisch ein asozialer Ausgestoßener, der bis ans Ende seiner Tage geächtet werden sollte.
Prinzipiell verstehe ich deine Sorge, aber mehr als im Gespräch bleiben und deinem Sohn moralische Werte nahe zubringen kannst du leider nicht. Desto mehr du ihn von "schlechten Einflüssen" abschottest, desto mehr wird er sich für sie interessieren. Finde heraus warum dein Sohn in cool findet, zeige Interesse dann wird er dir vermutlich eher zuhören.