Rauswerfen oder Vertrauen auf Besserung/ 20 jähriger, faul und unselbstständig

Liebe Alle,
ich lebe mit meinem Sohn alleine, er wird demnächst 20 Jahre. Sein Abitur hat er geschafft, im 2. Anlauf, aber auch nahezu ohne Einsatz. Seit kurzem ist er "Student". Ich sehe ihn aber nicht oft studieren. Seine Zeit verbringt er oft im Zimmer im Bett, am Handy oder iPad. Abends lange unterwegs.
Seit dem er klein ist, ist er gewohnt, dass ich alles mache (Alleinerziehende mit wenig Zeit/Rasenmäher Mentalität), was er nicht schafft. Das hat dazu geführt, das nun die kleinste Aufgabe im Haushalt von ihm nie erledigt wird.
Sein Zimmer ist richtig eklig, überall Klamotten, Flaschen, Essensreste, Tabak. Selbst da gehe ich heute noch jeden Monat 1x rein und mache sauber, bevor alles total gruselig wird.
Wenn er für sich selbst kocht, bleibt alles stehen und liegen. Ebenso Bad o.ä...
Weil er sich schlecht an Regeln hält, hat er zb. seinen Minijob verloren.
Die Kommunikation funktioniert manchmal, oft möchte er meine Hinweise auf die Pflichten nicht hören und reagiert sehr pubertär, abweisend und ignorierend
Ist das noch ein bisschen normal?
Da wir demnächst in eine neue Wohnung ziehen, möchte ich das, was wir bislang nicht geschafft haben(vertragliche Regelung unter Mitbewohnern??) , besser umsetzen.
Ich befürchte aber, dass sich nichts ändert.

Wie kann man mit der Situation umgehen? Hilft das Vertrauen darauf, dass es irgendwann KLICK macht, oder soll ich ihn besser in die freie Welt entlassen, um das, was er gar nicht kann auf die harte Tour zu lernen?
Und wie lernt man als Eltern zuzuschauen ohne einzugreifen, wenn es auf grobe Fehler zuläuft, auf Fehler vielleicht, die das ganze Leben beeinflussen?

Danke fürs Lesen oder Tipps, Lukita

Bearbeitet von lukita
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Ich bin da echt zwiegespalten. Von Rauswerfen halte ich immer nicht viel. Ich hab schon gesehen, wie einige da so richtig aus der Bahn geworfen wurden. Allen voran mein großer Bruder, der nach dem Abi und mitten im Studium rausgeworfen wurde. Er ist mittlerweile verstorben. Das wäre er aber möglicherweise nicht, wenn sein Stiefvater ihn nicht rausgeschmissen hätte, so komplett ohne Backup, einfach mit Rucksack auf die Straße.

Am Ende ist das unordentliche Zimmer dann nämlich plötzlich doch nicht mehr so schlimm, wenn man sich mit anderen Herausforderungen konfrontiert sieht.

Du ziehst um. Hier sehe ich mehrere Ansätze:
1. er zieht mit um, ihr stellt euer Familienmodell um auf WG mit entsprechenden Regeln und Miete muss er auch zahlen, ist für seine Einkäufe zuständig und es gibt Putzdienste. Dann halt dich aber auch daran, dass sein Zimmer dann tabu ist. Seine Putzdienste übernimmst du auch nicht. Überlegt euch Sanktionen, wenn etwas nicht eingehalten wird. Was würde in einer "richtigen" WG passieren? Evtl bist du ja auch offen, eine/n dritte WG-Partner/in einziehen zu lassen, sozusagen als soziale Kontrolle.

2. er sucht sich jetzt ein WG-Zimmer und lebt nach o.g. Regeln, um die Einhaltung müssen sich Dritte kümmern.

Aber setzt euch zusammen und handelt das weitere Fortgehen auf Augenhöhe und ohne Vorwürfe aus. Wenn du eh umziehst, kann das der Neuanfang sein, wo für euch beide alles auf Null gesetzt wird. Wenn ihr Variante 2 wählt, sollte er nicht auch nur zum Übergang bei dir mit einziehen, ansonsten schleppt sich das wieder weiter.

Aber so vollkommen ohne alles, völlig ohne Not rausschmeißen, nein. Da müssten schon wahnsinnig gravierende Dinge passiert sein.

P.S. meine Kinder planen auch zu studieren, mein Sohn als erster und wahrscheinlich sogar bei der Bundeswehr. Er kommt dann max am Wochenende her. Sein Zimmer bleibt auf jeden Fall seins, das hab ich ihm versprochen, komme was wolle. Es sieht auch aus wie hulle, dreckige Klamotten, Geschirr, Essensreste. Er räumt auf, wenn ich ihn drum bitte. Ab und zu, wenn ich frei habe, wirble ich durch alle Zimmer und er dankt mir jedes Mal dafür. Er hilft mir auch im Haushalt. Aller immer unter den Bedingungen, dass ich ihn nicht von oben herab behandle. Das funktioniert nämlich nicht (macht mein Mann gern so und es artet dann in Diskussionen aus).

Bearbeitet von schneemannmama
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Liebe Alle! Herzlichen Dank für die hilfreichen Antworten! Das mit dem WG Zimmer ist in München ist immer etwas schwierig. Bafög wsl. auch weil der abwesende Vater zu viel verdient..und ich habe auch ein bisserl Angst vor der "schiefen Bahn". Aber es muss auf jeden Fall etwas passieren- vielleicht geht es mir nicht schnell genug, dass er trotz meiner Erziehungsfehlern doch noch selbstständig wird. Ich denke halt immer, dass man durch Vorleben viel erzieht- und faul oder schlampig war ich nie. Vielleicht geht der Knoten ja noch auf🙈🙈🙈🙈.
Mir ist durch Eure Antworten aber sehr bewusst geworden, dass es nicht total normal ist.
Vielleicht suche ich mir eine neutrale Person, die dabei sitzt, wenn wir gemeinsam neue Regeln und Konsequenzen ausarbeiten.
Sollte das dann auch scheitern, hilft vielleicht der Auszug als letzte Konsequenz.
Danke für Eure persönlichen Schilderungen und Einschätzungen - das macht auf jeden Fall Mut! LG Lukita

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Man kann auch woanders studieren als in München. Meiner ist nach Augsburg gezogen, sein Kumpel nach Passau.

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Hallo!
Mit 20 Jahren ist die Erziehung definitiv vorbei. Ich würde die Chance nutzen, wenn ein Umzug absehbar ist. Damit meine ich, dass dein Sohn in eine eigene Wohnung oder WG zieht und selbstständig wird.
Ich würde trotzdem in engem Kontakt mit ihm bleiben, soweit das gewünscht ist. Also nicht rauswerfen, sondern nur die Eigenständigkeit fördern. Und ganz wichtig, mit ihm darüber sprechen, dass es für dich nicht so weitergeht und auch warum er ausziehen sollte.

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Das kann ich nur unterstützen. Seit mein Großer hier raus ist und woanders studiert, ist er richtig selbständig geworden. Der konnte zwar alles im Haushalt, aber trotzdem ist eine eigene Bude was ganz anderes.
Meiner wollte gar nicht so gerne hier raus und die Abmachung ist, dass er erstmal für 1Jahr im Studentenwohnheim (120km entfernt) wohnt. Im Ernstfall könnte er dann wieder hierher kommen und weiterstudieren.
Ich denke, du solltest dich da freundlich, aber klar positionieren. Und keine Alternative anbieten.

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Puh - also ich glaube fast auch, dass es besser ist, wenn eure Wege sich nun trennen.

Das Abi hat er - nun steht ein neuer Lebensabschnitt vor ihm.

Offensichtlich hat er nie gelernt, sich am Haushalt zu beteiligen.
Ich befürchte, solange er mit dir zusammen wohnt, wird sich da nichts ändern - denn du wirst es ihm immer verzeihen und dann doch zähneknirschend hinter ihm herräumen.

Daher würde ich auch für ein WG-Zimmer / Studentenwohnheim plädieren.
Mitbewohner sind nicht so tolerant wie Mütter, wenn es um den Dreck anderer geht.

Ich fürchte er muss es nun auf die harte Tour lernen, dass sich der Kühlschrank nicht von selbst befüllt und dass er seinen Dreck selbst wegräumen muss.

Ich würde mit ihm klären, wie lange du ihn noch finanzieren wirst. Denn die Gefahr besteht natürlich, dass er mit dieser Einstellung sein Studium nicht gebacken bekommt....

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Hallo,

ich selbst würde mein Kind nie hinaus werfen. Es ist und bleibt mein Kind und es soll sich auf mich verlassen können.

Wirklich ändern wirst Du hier nicht viel können. Das Abi hat er schon, daher kann er auch schon arbeiten, er hat also auch schon eine Ausbildung. Man muß mal das Positive sehen. Klar würde ich nicht sein Zimmer aufräumen, sondern ihm sagen was genau weg geräumt gehört, weil es sonst schimmeln kann, die Fliegen kommen können und anderes ungeziffer. Eine Maus ist schnell in der Wohnung oder im Haus.. Zumindest bei uns war es so bis vor 4 Jahren. Damals war der übernächste Nachbar überfordert, er hatte die Vögel gefüttert, das Futter hatten die Mäuse bekommen gehabt, die Mäuse hatten das aber gegessen gehabt. Der hatte dort eine richtige Mäusezucht. Nachdem er verstarb, zog wer anderer dort ein und seit dem ist eine Ruhe mit den Mäusen.

Also auf das wesentliche würde ich mich konzentrieren, dass die Speisereste gleich weg geworfen werden, dass es wichtig ist nicht all zu lange beim Studieren zu trödeln um mehr Pensionszeiten zu bekommen. Aber mein Zahnarzt war auch erst mit 35 mit dem studieren fertig.....

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Aus meiner Sicht wird es mehr als Zeit, dass dein Sohn selbstständig wird und auszieht. Ihr seid in euren jahrelang gewachsenen Rollen gefangen und das wird sich von allein nicht sonderlich ändern. Mit 20 wird es Zeit allein sein Zimmer zu putzen, aufzuräumen, einzukaufen etc. Und eben auch zuverlässig zu sein, Geld zu verdienen, pünktlich seine Miete zu zahlen, Probleme selbst zu klären usw. Es ist unsere Aufgabe als Eltern unseren Kinder auch sowas beizubringen und bei manchen Kandidaten läuft es nur auf die harte Tour.
Ich würde empfehlen dem Sohn klar mitteilen, dass du möchtest, dass er auszieht und einen Termin festlegen. Sag ihm, wieviel finanzielle Unterstützung du ihm bieten kannst. Wenn er Student ist, kann er Bafög beantragen und ein Minijob sollte auch machbar sein. Er wird erst mal nicht begeistert sein, weil es natürlich Aufwand für ihn bedeutet. Aber ich kann mir sogar vorstellen, dass es für euer Verhältnis am Ende positiv ist und er dann auch realisiert, was du bisher alles für ihn geleistet hast. Viel Erfolg!

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Hallo Lukita,

an deiner Stelle würde ich nicht mit deinem Sohn in die neue Wohnung ziehen. Bestehe darauf, dass er in eine WH zieht oder in ein Wohnheim.

Dein Sohn weiß ganz genau wie du „funktionierst“ und er nimmt dich null ernst. Wie du schreibst hält er sich nicht an das was du ihm sagst - muss er auch streng genommen nicht mehr, denn er ist volljährig.

Er wird wissen, dass du nicht den „Mumm“ haben wirst ihn vor die Tür zu setzen, oder mal streng durchzugreifen.
Und warum soll er Hausarbeiten erledigen, seine genutzten Sachen weg räumen oder sein Zimmer in Ordnung halten wenn er doch gelernt hat, dass du es am Ende sowieso für ihn machst. Er lernt da nichts durch!

Auf eigenen Füßen zu stehen kann Wunder bewirken und du bist nicht herzlos wenn du ihn dazu animierst, sein Leben mal selbst anzugehen und für sich selbst verantwortlich zu sein. Das wird er aber nie wenn er weiterhin bei dir lebt.

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Ja es ist schwierig wenn du früher alles abgenommen hast und heute noch das Zimmer machst den jungen Mann klarzumachen das es so nicht weitergehen kann. Wobei ich unter diesem Umständen verstehen kann das du das Zimmer machst. Denn ganz ehrlich ich würde es wohl auch tun, wenn es so aussieht. ABer wie könnte man hier Konsequenzen ziehen und ihm besser klarmachen das es so nicht geht. Rausschmeißen wird schwierig denn unter Umständen bist du eben noch zu Unterhalt verpflichtet bis zu einem gewissen Alter. Das heißt es löst das Problem bezüglich der Wohnung aber du musst halt Geld bezahlen. Aber dafür brauchst du dich nicht mehr aufregen.
Hat alles Vor- und Nachteile. Wenn er letztendlich sein Studium so angeht dann wird er natürlich auch nicht weit kommen und vermutlich wird schwierig, denn Mütter haben ja nie recht und regen sich immer nur auf. Du verstehst was ich meine. Die Einsicht der Kinder ist leider nicht immer vorhanden und kommt sicherlich auch aufs Alter an.
Aber wie könnte man mit Konsequenzen weiterkommen? Hast du hier ne Idee? Klar Essensreste aus dem Zimmer holen OK, damit kein Ungeziefer reinkommt. Alles andere würde ich lassen. Übernimm sonst keine Pflichten mehr für ihn und lass ihn selbst Erfahrungen sammeln. Wenn aber alles ins Leere läuft kann er tatsächlich ausziehen und muss sich selbst um sein Leben kümmern. Dann allerdings wäre das Zahlen von Unterhalt das kleinere Übel und der junge Mann muss sehen wie er zurechtkommt in Zukunft. Man kann sich nicht nur auf allem ausruhen.

Ela

PS: Wenn du aber wirklich kein gutes Gefühl hast bin ich auf der Seite einer anderen Posterin, zieh gar nicht erst mit ihm in eine Wohnung, denn dann sitzt du wieder im Problem drin.

Bearbeitet von alpenbaby711
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Nur noch eine Anmerkung - unabhängig von der Wohnsituation: Frag deinen Sohn doch auch nochmal, ob er mit seinem (jetzigen) Studiengang zufrieden ist. So ein Studium erfordert ja extrem viel Eigenverantwortung und Motivation. So wie du ihn beschreibst, hat er bisher überhaupt nicht die Voraussetzungen dafür. Das wird ihm vielleicht auch klar sein; seine Vermeidungssttategie macht dann auf die Dauer alles nur noch schlimmer. Ein zwei Semester ausprobieren gehört für viele dazu, aber wenn er bis dahin nicht angekommen ist, dann sollte er sich überlegen, ob ihm etwas Strukturierteres nicht mehr liegt.

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Ich glaube, das es auf jeden Fall hilft, zu verstehen, welche Gründe dafür eine Rolle spielen, dass er sich so verhält, wie er es eben tut. Das ist meiner Erfahrung nach eine Mixtur aus sehr persönlichen, aber auch verallgemeinerbaren Gründen.

Ich sehe ein riesiges gesellschaftliches Problem in dieser Hinsicht und habe selbst miterlebt, wie viele meiner Freunde (und ich rede hier nur von männlichen Freunden) „kleben geblieben“ sind und bis heute kein Leben führen, von denen sie selbst denken würden, dass sie es gerne hätten. Das sieht dann in etwa so aus, wie bei deinem Sohn jetzt und bedeutet, dass entweder das Studium (und auch keine Ausbildung) geschafft wurden oder zwar das Studium geschafft wurde, aber bis heute (mit 40+) kein Job gefunden wurde, geschweigedenn mal eine feste Freundin. Einige (von denen ich noch ab und an etwas mitbekomme) leben auch total zurückgezogen, vermüllt. Der Computer ist der beste Freund.

Die allgemeinen Gründe dafür sind in meinen Augen immer dieselben:

* Kiffen (das muss ich leider so klar und absolut benennen) als Fluchtmittel
* Computer-/Medienmissbrauch und -Sucht
* Schwierige familiäre Verhältnisse
* Leistungsdruck und fehlende Ermutigung
Und diesen Punkt möchte ich zumindest als für viele relevant noch benennen:
* Angst vor muslimischen (oder allgemein als gefährlich wahrgenommenen) Männern (daraus resultierend ein Mangel an Gestaltungshoffnung und „Rollen“individuation)

Ich glaube, gerade heute, tragen auch noch gesellschaftliche Umstände stark dazu bei, dass junge Männer immer mehr zu Verlierern werden. Vor allen Dingen sehe ich da undefinierte Rollen als Problem, Ansprüche, die an (junge) Männer bzw. Männer im Allgemeinen gestellt werden und gesellschaftliche Schuldzuweisungen. Ich glaube, dass das auch mitunter die Hauptgründe sind, weswegen radikale Bewegungen ohne Ende Zulauf haben. Ein wesentlicher Baustein der Verwahrlosung beruht meiner Meinung nach auf einer Grundverachtung gegenüber Männern, die für viele heute heranwachsenden Jungen ein Schock sind, sobald sie von außen als Männer und nicht mehr als Jungen erkannt werden. Da gibt es auch kein allgemein anerkanntes positives Bild, bestenfalls extrem widersprüchliche Bilder, die aber alle eher negativ als positiv sind. Dieses Problem mögen auch Mädchen und Frauen haben, aber dass mehr junge Männer hängen bleiben, spricht für mich hier Bände über die tatsächlichen Verhältnisse.

Ich glaube, das viele das moderne Leben komplett überfordert, weil der Giftcocktail aus Leistungsansprüchen, fehlender Perspektive (in ökologischer, ökonomischer und ziviler Hinsicht) und die (auch wenn das bestimmt hier vehement abgestritten wird) Verachtung gegenüber dem männlichen Geschlecht jeglichen Willen auslöscht und jegliche positive Haltung gegenüber sich und anderen.

Frag doch mal deinen Sohn (falls du etwas aus ihm herausbekommst), wie er so im Allgemeinen zu den Dingen steht. Wenn du das ergebnisoffen und annehmend machst, würde ich mich nicht wundern, wenn du aus allen Wolken fallen solltest.